Protocol of the Session on November 1, 2011

In wesentlichen Entscheidungen haben Sie immer und immer wieder darauf gedrungen, dass wir das Nachtflugverbot im Rahmen des Mediationsergebnisses erneuern.

Irgendwann hat sich dann Ihre Argumentation geändert. Auf einmal wurde es eine rechtliche Argumentation – nach dem Motto: So könne man das nicht durchhalten, das sei alles ganz schwierig.

In den letzten Tagen – zu der juristischen Würdigung komme ich später –, in den letzten Wochen und Monaten ändert sich diese Argumentation erneut, insbesondere durch den Wirtschaftsminister, aber eben auch durch den Ministerpräsidenten. Jetzt kommt nämlich eine wirtschaftliche Argumentation, nach dem Motto: Das geht nicht, weil das für die wirtschaftliche Entwicklung des Flughafens schwierig ist.

(Ministerpräsident Volker Bouffier: Wer hat denn das gesagt?)

Das haben Sie eben indirekt formuliert, und der Minister hat es ausdrücklich gesagt.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Ich komme gleich dazu. Ich will ausdrücklich sagen: Diese Argumente der wirtschaftlichen Belastung sind für die Airlines nicht neu. Die waren bereits Gegenstand des Mediationsergebnisses, im Übrigen auch gutachterlich. Das sind seit dem Jahr 2000 keine neuen Argumente. Das ist für die Airlines ein schwieriges Thema, weil es etwas mit Umläufen, Betriebsprozessen und vielem anderen mehr zu tun hat.

Ich erinnere mich an einen denkwürdigen parlamentarischen Abend der Lufthansa Cargo im Jahr 2006 oder 2007; ich glaube, es war im Jahr 2006. Die Lufthansa hat dort erklärt, wie schwierig das alles ist. Sie hat eine Präsentation vorgestellt und gesagt, darüber müsse man noch einmal nachdenken. – Alois Rhiel nahm den Ball auf. Dann kam der Kollege Boddenberg, damals noch in seiner Funktion als Generalsekretär der CDU – und ich weiß, es war eine denkwürdige Veranstaltung.

(Michael Siebel (SPD): In der Tat!)

Nicht einmal der Kollege Kaufmann vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hat oder hätte den Kollegen Rhiel so hart aufhalten können, wie es Herr Boddenberg getan hat. Der hat ihm unmissverständlich erklärt, das sei alles völliger

Unfug, es würde natürlich bei der Nachtruhe bleiben. – Herr Boddenberg, das war eine andere Wortwahl, aber es war deutlich unfreundlicher, als ich es jetzt formuliert habe.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen will ich daran erinnern: Die wirtschaftlichen Argumente sind nicht neu. Es ist für die Airlines schwierig. Es ist schwierig, aber die Argumente sind nicht neu.

Ein bisschen anders sieht das übrigens beim Thema des Lärms aus. Ich bin dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er gerade die Lärmstudie angesprochen hat. Allerdings erlaube ich mir den Hinweis, dass diese Lärmstudie gegen den anfänglich erbitterten Widerstand von Schwarz-Gelb in diesem Haus durchgesetzt wurde.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Mit Ihrer Mehrheit? So ein Schwachsinn!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen sage ich Ihnen: Man kann so regieren, wie Sie es tun. Aber man darf es nicht tun, wenn man das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückgewinnen will.

(Beifall bei der SPD)

Damit komme ich zur nächsten Baustelle. Wir haben Verantwortung übernommen. Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden – ich vermute, Herr Posch wird heute dazu noch etwas sagen –: Aufgrund einer Denkfigur – die Herr Posch im Übrigen jetzt hinterfragt – haben wir hier eine mehrtägige Anhörung zum Thema Landesentwicklungsplan und der Frage durchgeführt, wie wir das Thema Flughafenausbau im Landesentwicklungsplan regeln, um das öffentliche Interesse zu dokumentieren. Die ausbaubefürwortenden Fraktionen – CDU, SPD und FDP – haben das ausdrücklich unterstützt, denn wir hielten das damals für eine kluge Idee, um zu dokumentieren: Es gibt ein besonderes öffentliches Interesse. Deswegen haben wir diese Anhörung hier durchgeführt.

Anschließend haben wir auch entschieden. Auch daran will ich erinnern, denn das geschah anschließend in namentlicher Abstimmung. Das war der Antrag Drucks. 16/6057. Und Überraschung: Ich könnte jetzt die drei Namen, die ich schon genannt habe, wieder vorlesen, denn sie stimmten bei dieser Vorlage wieder mit Ja. Ich will allerdings ausdrücklich erwähnen, dass auch die Kolleginnen und Kollegen Ypsilanti und Schäfer-Gümbel mit Ja gestimmt haben – weil wir gemeinsam dafür Verantwortung übernommen haben.

Es gibt einen Begleitbeschluss. Zu der Geschichte des Begleitbeschlusses muss man jetzt zwei Bemerkungen machen. Es gab rund um den Begleitbeschluss zum Landesentwicklungsplan Versuche, Spiele zu spielen. In der Endphase des Begleitbeschlusses hat die Kollegin Ypsilanti Herrn Koch angerufen und gefragt: „Machen wir jetzt Spielchen, oder wollen wir gemeinsam Verantwortung übernehmen?“ Danach ging es, dann wurden die Spielchen auf der Seite beendet. Danach gab es einen gemeinsamen Beschlusstext, einen Begleitbeschluss, Drucks. 16/7340, vom 10. Mai 2007. In Ziffer 2 des Textes wird dort ausdrücklich formuliert:

Der Hessische Landtag knüpft an das Ergebnis des Mediationsverfahrens an mit seinen untrennbaren Komponenten: Optimierung des vorhandenen Bahnensystems, Kapazitätserweiterung durch Ausbau,

Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr, Anti-Lärm-Pakt und Einführung eines Regionalen Dialogforums. Eine positive Beschlussfassung geschieht in der Absicht, den Vorschlag der Mediatoren zu verwirklichen, die eine noch bessere Auslastung der vorhandenen Start- und Landebahnen und den Ausbau des Flughafens für notwendig erklärten.

Unter Ziffer 4 lautet es – ich will es nur nachrichtlich sagen, zur Frage, wie verbindlich Beschlusslagen des Landtags genommen werden –:

Die Landesregierung wird aufgefordert, im Jahre 2008 eine Verkehrskonferenz durchzuführen, die sich mit den durch den Ausbau ergebenden und nicht im Planfeststellungsbeschluss berücksichtigten Veränderungen auseinandersetzt und ein entsprechendes Maßnahmenkonzept erarbeitet.

So weit zu den Beschlusslagen aus dem Jahr 2007 und der Verantwortung, die unter anderem die Sozialdemokratie für das wichtigste Infrastrukturprojekt in Hessen übernommen hat, aber auch in Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, denen wir niemals vorgemacht haben, dass es zu einer massiven Entlastung kommt, sondern dass ein Ausbau des Frankfurter Flughafens am Tag auch Mehrbelastung bedeutet und deswegen die Nachtruhe kommen muss. Das haben wir damals versprochen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf mehr bestehen wir heute nicht.

(Beifall bei der SPD)

Es bleibt bei unserer Position: Wir wollen den Ausbau. Wir wollen aber auch, dass das, was in der Mediation in den fünf untrennbaren Komponenten versprochen wurde, endlich umgesetzt wird.

Wir haben uns nicht vor den Problemen, die es gegeben hat, versteckt. Andere haben in den letzten Jahren versucht, diese Probleme durch Zeitablauf auszusitzen. Sonst wären die anderen drei Komponenten auch genauso konsequent vorangetrieben worden, und zwar zu einer Umsetzungsreife, bevor die Landebahn in Betrieb geht. Wir wollten die Ankündigung nicht erst, kurz bevor die Landebahn in Betrieb geht, weil wir es den Menschen versprochen haben. Daran sieht man auch, wie ernst Sie das genommen haben. Einige von Ihnen haben ganz offensichtlich geglaubt, dass man diese Frage aussitzen kann. Das geht nicht. Man kann so regieren, man darf es aber nicht.

(Beifall bei der SPD)

Damit es noch einmal deutlich wird: Es geht an dem Punkt darum, dass wir für die Region sprechen. Ich bin dem Kreistag des Main-Taunus-Kreises außerordentlich dankbar, dass er das gestern noch einmal sehr einvernehmlich beschlossen hat. Ich zitiere aus dem Beschluss des Kreistags von gestern Abend:

Der Kreistag fordert die Hessische Landesregierung auf, sich für ein absolutes Nachtflugverbot ohne Ausnahmen einzusetzen. Der Kreistag fordert die Umsetzung des Mediationsergebnisses.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kluger Beschluss. Ich freue mich, dass sich die Region weiter dazu bekennt, auch dies voranzutreiben. Ich ermutige jetzt aber auch den Kollegen Christian Heinz, der dem gestern im Kreistag zugestimmt hat, heute hier in Wiesbaden im Landtag Farbe zu bekennen und unserem Antrag zuzustimmen. Das ist genau das, was Sie gestern beschlossen haben.

(Beifall bei der SPD)

Damit will ich zum zweiten Teil des Wortbruchs kommen, weil er noch einmal angesprochen werden muss. Damit komme ich zur Rolle von Herrn Posch. Sie haben gegen Ihr eigenes Versprechen geklagt. Die Landesregierung hat erst ein Planfeststellungsverfahren gegen ihr eigenes Versprechen gemacht – ach, Herr Rhein, Sie sind ja endlich da, ich habe Sie schon vermisst.

(Minister Boris Rhein: Jetzt bin ich da! Wie schön, dass Sie mich vermisst haben!)

Ja, hier vermissen wir Sie. Zumindest die nächsten zwei Jahre.

Diese Landesregierung hat gegen das eigene Versprechen geklagt und es auch immer begründet, warum sie dagegen geklagt hat. Der VGH hat Sie de facto verurteilt, dass Sie ihr eigenes Wort halten müssen. Sie sollten jetzt diese Chance nutzen. Im Moment gibt es keine Rechtsklarheit, der Punkt ist richtig. Die Frage ist nur, ob es nach der Leipziger Entscheidung mehr Rechtsklarheit gibt oder nicht.

(Florian Rentsch (FDP): Natürlich!)

Das ist jetzt die Glaskugel, die Herr Wagner gleich benutzen wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass es kein Feststellungsurteil mit abschließender Entscheidung gibt, sondern Sie anschließend wieder den Prozess machen müssen, ist ziemlich groß.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das sagt der Prophet Thorsten Schäfer-Gümbel!)

Der VGH hat Sie im Moment gezwungen, Ihr eigenes Versprechen einzuhalten, und das wollen Sie nicht. Wir haben viel Zeit verloren. Sie haben im Übrigen auch den Airlines damit eine falsche Orientierung gegeben.

Ich will auch auf die Verantwortung für die wirtschaftliche Seite eingehen. Nicht einmal diesen Teil können Sie als Landesregierung noch bedienen. Sie haben den Airlines gesagt: Das kann man jetzt alles so machen, dann schauen wir einmal, wie es rumkommt. – Im Ausschuss erklären Sie dann, Sie hätten die Airlines darauf hingewiesen, dass das alles nur vorläufig sei. Sie seien selbst schuld, dass sie es so gemacht hätten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann so regieren, aber man darf es nicht – zum wiederholten Mal in dieser Debatte.

(Beifall bei der SPD – Dr. Christean Wagner (Lahn- tal) (CDU): Welcher Schriftführer hat Ihnen diesen Unsinn aufgeschrieben?)

An dieser Stelle möchte ich noch auf ein paar andere Zitate eingehen. Ich will noch einmal darauf verweisen, dass die wirtschaftlichen Argumente nicht neu sind. Es gibt andere in Ihren Reihen, die das inzwischen einsehen. Ich will Frau Klöckner, die Oppositionsführerin im rheinlandpfälzischen Landtag, zitieren, die am 22. Oktober nach Meldung des SWR gesagt hat:

Die CDU-Fraktionsvorsitzende Julia Klöckner betonte: „Ein Nachtflugverbot ist absolut notwendig am Flughafen Frankfurt.“ Sie verwies zugleich auf die zahlreichen Arbeitsplätze am Airport. Alle Fraktionen wollen eine Demonstration... unterstützten.

Der hr zitiert sie weiter:

Die Monate bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts werden zeigen, dass der Flughafen in Frankfurt auch ohne Nachtflüge auskommen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, genau so ist es. So liest sich auch eine entsprechende Mitteilung der Lufthansa, bei allen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Ich will aus einem Rundschreiben an Kundinnen und Kunden zitieren:

Ab sofort ist der neue Winterflugplan in allen Buchungssystemen verfügbar. Die gute Nachricht für Sie: Trotz der massiven Einschränkungen an unserem wichtigsten Drehkreuz werden wir nur zwei wöchentliche Verbindungen nach China aus dem bisherigen Flugplan nehmen müssen, zu denen wir Ihnen Alternativen mit eigenen Frachtern oder den Kapazitäten der Lufthansa Passage anbieten können.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Günter Rudolph (SPD): Es geht doch!)