Protocol of the Session on November 1, 2011

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Günter Rudolph (SPD): Es geht doch!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist schwierig. Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass es eine riesige Herausforderung war, nach der sehr kurzfristigen Entscheidung des VGH. Aber es ist möglich. Sie haben mit Ihren falschen Entscheidungen die falsche Orientierung für die wirtschaftliche Entwicklung der Airlines gegeben. Auch dafür sind Sie verantwortlich. Nicht einmal mehr das können Sie.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen will ich abschließend noch etwas sagen. Wir haben heute eine große Chance. Sie haben heute eine große Chance, das gilt nicht nur für Herrn Heinz. Er kann sich heute durchsetzen. Sie haben heute die Chance, als Hessischer Landtag das Mediationsergebnis zu erneuern, so wie es die Region einfordert, so wie es von den Vertreterinnen und Vertretern in den letzten Wochen und Monaten formuliert worden ist.

Die Mediation war richtig, auch um den Ausgleich bei großen Infrastrukturmaßnahmen zu machen. Das ist auch der Unterschied zu Stuttgart 21 gewesen. Da gab es kein Mediationsverfahren. Man kann sich nicht auf die Mediation berufen, wenn man sie anschließend nicht umsetzt.

Es ist ein Segen für die Menschen in der Region, dass sie in den letzten zwei Nächten Nachtruhe hatten. Was glauben Sie eigentlich, was passiert, wenn nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dieser Weg, weil Sie es politisch nicht anders wollten, wieder aufgehoben und nachts wieder geflogen wird? Was glauben Sie eigentlich, welchen Vertrauensverlust die Politik insgesamt dadurch erleiden wird? Deswegen sage ich Ihnen: Nehmen Sie ernst, was passiert ist. Wir haben das versprochen. Wir haben Nachtruhe versprochen. Das haben wir als Angebot gemacht zum Ausgleich für die Belastungen.

Kehren Sie zurück, erneuern Sie mit uns das Mediationsergebnis, damit das gilt, was Roland Koch im Jahr 2000 formuliert hat – die berühmten 9,81 Sekunden –: „Da gibt es keine Interpretationsspielräume: Zwischen 23 Uhr und 5 Uhr gibt es keine geplanten Flüge für Passagiere, Fracht und Charter.“

Das sollten wir ernst nehmen. Sie haben heute eine Chance dazu. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich erteile Herrn Abg. Dr. Wagner für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Sondersitzung heute ist eine der überflüssigsten Sitzungen des Hessischen Landtags überhaupt.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Nancy Faeser (SPD): Wollen Sie das den Menschen dort oben sagen?)

Es gibt heute keinen neuen Entscheidungsbedarf. Zwei Wochen später, während der regulären Landtagssitzungswoche ab dem 15. November, hätte die Thematik genauso gut behandelt werden können wie heute.

Meine Damen und Herren, die Opposition hat diese völlig unnötige Sitzung beantragt, nicht um seriöse Argumente auszutauschen und über Arbeitsplätze und Lärmschutz nachzudenken. Nein, Sie missbrauchen den Hessischen Landtag als Forum für Ihre Kampagnen. Ihnen von der SPD und den GRÜNEN ist es gleichgültig, dass Ihre heutige Politinszenierung den Steuerzahler rund 40.000 € kostet.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Vizepräsident Lothar Quanz übernimmt den Vorsitz.)

Wir lassen nicht zu, dass Sie den Landtag zur Bühne Ihrer Parteipropaganda machen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Michael Siebel (SPD): Herr Präsident, das ist nicht zulässig!)

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen klar und deutlich sagen, was der Sachverhalt ist. Lassen Sie uns doch bitte einmal sine ira et studio diesen klären und den schwierigen Abwägungsprozess, den wir hier als Politiker vornehmen müssen, beschreiben. Die Fluglärmbelästigung im Rhein-Main-Gebiet ist ohne jeden Zweifel erheblich. Das stellt niemand, aber auch wirklich niemand in Abrede. Natürlich sind die Flugzeuge in den vergangenen Jahren deutlich leiser geworden. Es sind aber auch deutlich mehr geworden. Deshalb ist und bleibt es das stetige und auch wirklich ernsthafte Wollen der christlich-liberalen Koalition, den Fluglärm nachdrücklich zu mindern.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wer dies bestreitet, ignoriert die zahlreichen Aktivitäten, die wir längst auf den Weg gebracht haben.

Es ist und bleibt auch in dieser Zeit eine große Herausforderung, das Ruhebedürfnis der Bevölkerung auf der einen Seite und die bedeutende Funktion des Flughafens für die gesamte Wirtschaft auf der anderen Seite in einen Ausgleich zu bringen. Das ist eine große Aufgabe, die Verantwortungsbewusstsein fordert und Polemik und Geschrei nicht verträgt.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, dass wir uns mit hohem Verantwortungsbewusstsein um den Lärmschutz für unsere Bürger kümmern, wird aus zahlreichen Initiativen der letzten Jahre bis zum heutigen Tage deutlich. Ich nenne das Maßnahmenpaket „Aktiver Schallschutz“. Dieses Maßnahmenpaket wurde bereits 2010 vorgestellt und umfasst den Anflug im kontinuierlichen Sinkflug in der

Kernnacht, die Nutzung der lärmärmsten Startbahn und Abflugrouten und die Geschwindigkeitsbeschränkung auf Abflugrouten sowie das Verbot der Schubumkehr bei Landungen.

Ich nenne die neue Lärmschutzverordnung für das RheinMain-Gebiet. Mit dieser Verordnung erhält die Bevölkerung im Umland die erforderlichen Mittel für Schallschutzmaßnahmen an Wohngebäuden und an schutzbedürftigen Einrichtungen wie z. B. Krankenhäusern und Altenheimen. Und ab einem bestimmten Dauerschallpegel besteht Anspruch auf einen Ankauf des Grundstücks durch Fraport.

Außerdem haben wir einen deutlich strengeren Lärmwert von 50 dB(A) eingeführt. Wir haben uns im Interesse des Schutzes der Bevölkerung, der Menschen für niedrigere Werte entschieden und damit der Fraport zusätzliche Kosten zugewiesen.

Ich nenne die zusammen mit der Fraport und der Deutschen Flugsicherung gebildete Taskforce zu Flughöhen und Flugrouten. Diese Einrichtung ist für die enge Kommunikation und die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen zur Überwindung der Lärmbelästigung von zentraler Bedeutung.

Ich nenne die aktuelle und umfassende Lärmwirkungsstudie NORAH des Umwelt- und Nachbarschaftshauses. Ich will übrigens am Rande erwähnen, dass ich es beeindruckend finde, dass sich Herr Schäfer-Gümbel hierhin stellt und sagt: Das haben wir hier durchgesetzt. – Noch haben wir hier die Mehrheit, und die werden wir auch weiterhin behalten. Überschätzen Sie sich nicht, lieber Herr Schäfer-Gümbel.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP – La- chen bei der SPD)

Diese Studie wird Auskunft geben über die Auswirkungen von Verkehrslärm in der Region und Fragen zu Zusammenhängen zwischen Belastung, Belästigung und Gesundheit klären. Damit wird eine völlig neue Entscheidungsgrundlage geschaffen.

Ich nenne das Casa-Programm der Fraport AG. Die Fraport hat Immobilien angekauft und anzukaufen gehabt, die in weniger als 350 m Höhe überflogen werden.

Ich nenne weitere Lärmschutzmaßnahmen: Die Zahl der zulässigen Flugbewegungen in der gesetzlichen Nacht wird begrenzt. Starten und landen dürfen nur lärmarme Flugzeuge der neuesten Generation. Ich nenne lärmmindernde Maßnahmen an Triebwerken bei der Bestandsflotte der Lufthansa. Außerdem wird und ist die Landebahn Nordwest von Anfang an komplett geschlossen von 23 Uhr bis 5 Uhr.

Diese zahlreichen Aktivitäten sind Gegenstand unseres entschlossenen Willens, hohe Lärmbelästigungen einzuschränken. Meine Damen und Herren, das ist uns wahrlich nicht gleichgültig, und deshalb werden wir uns sehr ernsthaft mit einer weiteren Entwicklung von zusätzlichen Lärmschutzmaßnahmen beschäftigen müssen. Das ist für die heutige Zeit, für die Gegenwart und für die Zukunft eine Aufgabe von uns allen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Aber das alles passt natürlich nicht in das Bild einer Opposition, die statt in Seriosität in Kampagnen und Polemik macht. Auch in Sachen Nachtflugverbot betreiben SPD und GRÜNE eine unverantwortliche Geschichtsklitterung. Wie ist hier der Sachverhalt?

Als die rot-grüne Landesregierung seinerzeit mit der Notwendigkeit des Baus einer weiteren Landebahn konfrontiert wurde, gab es schon damals bei der Fraktion der GRÜNEN ein klares Nein. Das hat bei den GRÜNEN Tradition. Schon zu Zeiten der Startbahn West konnte man die GRÜNEN bei allen Demonstrationen dagegen erleben.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

In der SPD-Fraktion gab es damals eine Mehrheit, die den Ausbau des Flughafens wollte. In dieser Lage hat Ministerpräsident Eichel zur Überbrückung der Koalitionsgräben ein Mediationsverfahren vorgeschlagen. Dies hat Herr Schäfer-Gümbel vorgetragen, ich brauche es nicht zu wiederholen. Ich will insbesondere ausdrücklich sagen: Jawohl, dort stand auch das Nachtflugverbot. Ich füge hinzu: Die Hessische Landesregierung unter Roland Koch übernahm das Mediationsergebnis in vollem Umfang, einschließlich des Nachtflugverbots.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Warten Sie bitte erst einmal ab. – Es war der erklärte Wille der Landesregierung, das Nachtflugverbot tatsächlich umzusetzen.

Meine Damen und Herren, jetzt kommt der Sachverhalt, den Sie permanent ausblenden, und das halte ich nicht für redlich. Ich will Ihnen den Sachverhalt vortragen. Das Bundesverwaltungsgericht entschied im Jahre 2006 über den Ausbau von Berlin-Schönefeld. Tenor des damaligen Urteils war, dass bei einem Verkehrsflughafen nicht ohne Weiteres ein Nachtflugverbot verhängt werden darf,

wenn entsprechender standortspezifischer Nachtflugbedarf vorliegt und die Beschränkung der Nachtflugerlaubnis die Funktionsfähigkeit des Flughafens gefährden würde.

Meine Damen und Herren, das war ein neuer Sachverhalt, den Sie nicht zur Kenntnis nehmen, den Sie ausblenden.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich bitte Sie, dass Sie das wenigstens in Ihrer Argumentation aufgreifen. Und sagen Sie uns bitte, wo wir aus Ihrer Sicht nicht schlüssig gehandelt hätten – unter Beachtung dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts.

Meine Damen und Herren, mit dieser Entscheidung stand fest, dass ein Nachtflugverbot ohne Ausnahmen rechtlich nicht haltbar wäre.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Unsinn!)

Sie rufen: „So ein Quatsch!“ Es ist typisch für Ihre Rechtsauffassung und für Ihr Verhältnis zu unserem Rechtsstaat, dass Sie von einem höchstrichterlichen Urteil sagen, es sei Quatsch, weil es nicht in Ihre Argumentation passt.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Diese Rechtsprechung musste die Planfeststellungsbehörde berücksichtigen. Das war eine neue Sachlage – nehmen Sie das bitte zur Kenntnis –, die zu beachten war und die die Opposition bis zum heutigen Tage ignoriert. Genau das ist der Punkt, wo wir uns unterscheiden. Nach unserem Bekenntnis zum Nachtflugverbot – auch die CDUFraktion hat sich dazu bekannt – ist eine neue Rechtslage

eingetreten. Die neue Rechtslage müssen Sie zumindest bewerten. Sie dürfen sie jedenfalls nicht ignorieren.