Protocol of the Session on November 1, 2011

(Zuruf von der CDU: Was hat das mit der Ge- schäftsordnung zu tun?)

Wir denken, dass diese Besuchergruppe den Anspruch hat, an dieser Debatte teilzuhaben und unsere Ausstellung zu besichtigen. Deshalb beantragen wir eine Unterbrechung der Sitzung und eine Einberufung des Ältestenrates.

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren, erstens ist dies kein Geschäftsordnungsfall und Sache des Präsidiums. Sie können gern beantragen, dass das Präsidium irgendwann zusammentritt, aber nicht während der Plenarrunde. Zweitens ist mir von der Anmeldung einer solchen Gruppe nichts bekannt. – Das für jetzt, mehr dann später in einer normalen Sitzung des Präsidiums.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das ist ordnungsgemäß angemeldet, Herr Präsident! Das ist ja unglaublich!)

Wir fahren fort mit der Debatte. Der Herr Ministerpräsident hat die Redezeit um fünf Minuten und 20 Sekunden überschritten. Ich mache sechs Minuten daraus, weil das besser durch drei zu teilen ist, und schlage den drei Oppositionsfraktionen jeweils zwei Minuten auf, also 22 Minuten. – Das Wort hat Abg. Schäfer-Gümbel für die Fraktion der SPD. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie haben etwa 26 Minuten geredet, davon eine Minute zum Thema Nachtflugverbot,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

was aus meiner Sicht schon der erste Beleg dafür ist, dass es richtig und notwendig war, diese Sondersitzung einzuberufen. Sie haben gefragt, warum. Ich will Ihnen die Antwort nicht schuldig bleiben.

Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich beim Frankfurter Flughafen um die größte Infrastruktureinrichtung des Landes handelt. Wir haben in den letzten zwölf Jahren immer und immer wieder der Frage der Bedeutung des Flughafens selbst, der Notwendigkeit des Ausbaus, seiner wirtschaftlichen Entwicklung, aber auch dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger unzählige Debatten in diesem Plenum gewidmet. Allerdings ist es auch so, dass es angesichts der aktuellen Entwicklung, der Entscheidung des VGH in Kassel, aus unserer Sicht nicht akzeptabel ist, als Landesregierung einfach abzutauchen und sich nicht zu verhalten.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Sie erklären sich in Interviews ja zu ziemlich vielen Punkten, auch zu Dingen, die einen eigentlich nicht interessieren. Aber zum Nachtflugverbot haben Sie, außer in der Eröffnungsrede, bis heute keine Stellung genommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist es für uns zwingend gewesen – weil es sich um die wesentliche Infrastruktureinrichtung des Landes handelt, weil es richtig ist, auf die Bedeutung hinzuweisen, wie Sie es formuliert haben –, diese Sondersitzung abzuhalten, um über die Konsequenzen seit Inbetriebnahme der neuen Landebahn, aber auch die Entscheidung des VGH Kassel zu sprechen. Im Übrigen gab es dazwischen auch eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses, die auch ein paar interessante Hinweise gegeben hat, zu denen ich später noch einmal kommen werde.

Herr Ministerpräsident, ich will Ihnen gleich zu Beginn sagen: Man kann so regieren, wie Sie es tun. Unsere Auffassung ist: Man darf so nicht regieren, wie Sie es tun.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser zentrales Thema in der Mitverantwortung für den Ausbau des Frankfurter Flughafens war immer, den Ausgleich zwischen wirtschaftlicher Entwicklung auf der einen Seite und Belastung der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite zu schaffen. Das war der Kern des Mediationsergebnisses, das unter der Führung von Hans Eichel initiiert wurde. Das war der friedensstiftende Kern.

Zu Recht haben Sie auf die Konflikte um die Startbahn 18 West hingewiesen. In deren Konsequenz sind zwei Polizisten gestorben. Wir haben das häufig in der Fraktion diskutiert, auch in den letzten Jahren: Können wir wegen der Geschichte, beispielsweise auch angesichts eines vorangeschrittenen Verfahrens, die Debatte noch einmal öffnen, ob die Nordwest-Landebahn der richtige Weg ist – oder ob es nicht doch richtig ist, die Atlanta-Variante zu nehmen?

(Dr. Walter Arnold (CDU): Dafür ist es aber ein bisschen spät!)

Nein, Herr Arnold, wir haben das vor vier Jahren, vor fünf Jahren schon einmal miteinander diskutiert. Das wissen Sie auch.

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Arnold (CDU))

Herr Arnold, es gab nämlich aus allen Fraktionen den Versuch, diese Diskussion nochmals rational zu führen. Aber es war auch klar: Angesichts der in der Tat schwierigen Umstände um den Bau der Startbahn 18 West und den Tod der beiden Polizisten hat sich keine der Fraktionen gewagt, diese Debatte erneut zu öffnen.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Irgendwann besteht Rechtssicherheit!)

Deswegen sage ich Ihnen: Herr Ministerpräsident Bouffier, was nicht geht, ist, sich gerade angesichts der Geschichte auf das friedensstiftende Mediationsverfahren zu berufen, es aber anschließend nicht umzusetzen. Das jedoch tun Sie.

(Lebhafter Beifall und Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sage ich Ihnen: Man kann so regieren,

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das ist so nicht richtig!)

aber man darf so nicht regieren.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bouffier, es geht um mehr als um Nachtruhe. Sie haben eben gerade den Versuch gemacht, die Entscheidung des „Ob“ von der Entscheidung des „Wie“ zu trennen. Ich

will Sie an eine Beschlussvorlage erinnern, Drucks. 15/1393 – für die Besucherinnen und Besucher: Das ist eine Beschlussvorlage vom 13. Juni 2000. Aufgrund eines gemeinsamen Entschließungsantrags der Fraktionen von CDU und FDP ging es um die Frage der Würdigung des Mediationsergebnisses. Dort steht wörtlich:

Der Hessische Landtag ist insbesondere der Auffassung, dass die Mediationsgruppe mit den fünf Komponenten Optimierung des vorhandenen Systems, Kapazitätserweiterung durch Ausbau, Nachtflugverbot,

(Petra Fuhrmann (SPD): Hört, hört!)

Anti-Lärm-Pakt und Regionales Dialogforum einen umfassenden und ausgewogenen Vorschlag vorgelegt hat. Der Hessische Landtag macht sich ebenfalls die Forderung der Mediationsgruppe zu eigen, dass die fünf Komponenten des Mediationspaketes untrennbar miteinander verbunden sind.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Für Sie wird das angesichts der aktuellen Debatte zu einem Dokument der Schande. Denn über die Vorlage Drucks. 15/1393, den Entschließungsantrag von CDU und FDP, wurde anschließend namentlich abgestimmt. Dieser Vorlage haben unter anderem drei Abgeordnete zugestimmt, die ich exemplarisch nennen möchte: Michael Boddenberg – zu dem will ich später noch einmal kommen –, Volker Bouffier und Jörg-Uwe Hahn. Herr Bouffier, das ist Ihr Wort – Ihr Wort –, das gerade gebrochen wird. Darauf will ich an dieser Stelle noch einmal Wert legen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Einzige, die in diesem Raum für sich in Anspruch nehmen kann, Hüter des Mediationsergebnisses zu sein, ist die sozialdemokratische Landtagsfraktion.

(Beifall bei der SPD)

Denn aus unterschiedlichen Gründen haben sich an unterschiedlichen Weggabelungen unterschiedliche Teile des Hauses davon abgesetzt. Unter Umständen ist das, für sich genommen, an der einen oder anderen Stelle auch nachvollziehbar. Sich aber hierhin zu stellen und zu erklären, man stünde in der Tradition des Mediationsergebnisses,

(Günter Rudolph (SPD): Unverschämtheit!)

das kann ich nicht akzeptieren. Deswegen bin ich ausdrücklich Thomas Jühe – ich begrüße ihn auf der Tribüne recht herzlich – als Vorsitzendem der Fluglärmkommission dankbar, der in diesen Tagen gemeinsam mit der gesamten Region die Erneuerung des Mediationsergebnisses formuliert hat: das, was wir Ihnen heute als Antrag vorlegen. Ich kündige es jetzt schon an: Wir möchten das anschließend in namentlicher Abstimmung abgestimmt wissen.

(Beifall bei der SPD – Wolfgang Greilich (FDP): Das ist nicht überraschend!)

Dies ist das Ergebnis der regionalen Abstimmung. Dem, was wir Ihnen heute vorlegen, können in der gesamten Region Schwarze, Gelbe, Grüne und Rote zustimmen. Denn das ist das gemeinsame Beschlussergebnis der Abstimmung der letzten Wochen. Deswegen gebe ich Ihnen

die dringende Empfehlung: Machen Sie heute mit. Erneuern Sie das Mediationsergebnis, um Vertrauen bei den Bürgerinnen und Bürgern zurückzugewinnen.

(Beifall bei der SPD)

Zweiter Punkt, und damit will ich zum Thema Wortbruch kommen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt eine erstaunliche Änderung der Argumentation beim Nachtflugverbot in den letzten Jahren.

(Nancy Faeser (SPD): In der Tat!)

Ich will Sie mit einem zweiten Zitat – nach dieser berühmten Beschlussvorlage –, den berühmten 9,81 Sekunden von Roland Koch aus dem Jahre 2000, konfrontieren, denn die sind unmittelbar klar und unmissverständlich. Ich zitiere: „Da gibt es keine Interpretationsspielräume: Zwischen 23 Uhr und 5 Uhr gibt es keine geplanten Flüge für Passagiere, Fracht und Charter.“ – So Roland Koch im Jahr 2000.

(Petra Fuhrmann (SPD): Hört, hört!)

In wesentlichen Entscheidungen haben Sie immer und immer wieder darauf gedrungen, dass wir das Nachtflugverbot im Rahmen des Mediationsergebnisses erneuern.