Protocol of the Session on October 6, 2011

Daraus ergibt sich: Wer die vollen staatsbürgerschaftlichen Rechte in Anspruch nehmen will, der muss sich eben durch Einbürgerung zu diesem Staat bekennen. Das ist auch durchaus zumutbar, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Neben diesen rechtlichen Gesichtspunkten setzen Sie aber auch integrationspolitisch das falsche Signal. Wir wollen die Menschen doch einladen, hier willkommen

heißen und ermutigen, sich einbürgern zu lassen. Da darf man doch nicht Stück für Stück die Anreize zur Einbürgerung herabsetzen. Das ist doch vollkommen kontraproduktiv den Zielen gegenüber, die wir alle gemeinsam verfolgen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Außerdem wissen wir doch – wir haben es am Dienstag in der Debatte über die Regierungserklärung von Herrn Integrationsminister Hahn gehört –, wo die Probleme liegen: im Bereich der Sprache, der Bildung, im Sozialbereich, bei der Religion, bei der Anerkennung von Abschlüssen und im Bereich Gesundheit. Alle diese Dinge sind wichtig und berühren das Leben der Menschen. Dazu haben Sie nichts gesagt. Sie lösen kein einziges der integrationspolitischen Probleme, wenn Sie hier eine intellektuelle Scheindebatte aufmachen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Es ist offensichtlich: Sie erheben diese Forderung doch nur, um sich bei gewissen Interessenverbänden anzubiedern. Das ist genauso durchsichtig wie populistisch. Das ist keine gute Integrationspolitik.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Gernot Grumbach (SPD))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, es ist deutlich geworden, dass die Forderung nach einem allgemeinen Wahlrecht für Ausländer nicht umgesetzt werden kann. Diese Forderung löst die Probleme nicht, und Sie wecken falsche Hoffnungen. Sie sollten diese Forderung lieber zurücknehmen und bessere integrationspolitische Konzepte entwickeln, statt den Menschen weiterhin Sand in die Augen zu streuen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Mick. – Das Wort hat Herr Abg. Schäfer-Gümbel, Fraktionsvorsitzender der SPD.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich ganz herzlich bei der FDP-Fraktion für die Beantragung dieser Aktuellen Stunde bedanken.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Das gibt uns nämlich die Möglichkeit, ein paar Bemerkungen zu dem eigentlichen Thema zu machen.

(Florian Rentsch (FDP): Wo wir Horizonte erweitern können, helfen wir gern!)

Ich will den Kollegen der FDP ausdrücklich unterstellen, dass sie das Interview hätten verstehen können, wenn sie es richtig gelesen hätten. Ich kann Ihren derzeitigen Drang nach einer anderen Form von Aufmerksamkeit verstehen. Das kann ich angesichts Ihrer Situation wirklich verstehen, Herr Rentsch.

(Zurufe von der FDP)

Wenn ich modischen Trends folgen und Sie neu vermessen würde, dann wären Sie im Moment auf der Ebene eines Viertel-Piraten.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dass Sie sich auf der Ebene der Piraten bewegen bzw. sich an den Piraten orientieren, kann ich auch nachvollziehen, Herr Rentsch und liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP. Sie sollte das allerdings nicht so missverstehen, dass Sie beim Lesen von Interviews, die ich gegeben habe, beide Augenklappen aufziehen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Union ist das schon ein bisschen anders, denn Sie haben mich gar nicht verstehen wollen. Die typischen Reflexe von Herrn Wagner, die immer dem Muster „Ausländer ist gleich Türke“ folgen – das steht so in Ihrer Presseerklärung –, erinnern in fataler Weise an 1999. Deshalb sage ich hier zum wiederholten Male: Sinnerfassendes Lesen ist ganz offensichtlich nicht nur in der Grundschule ein Problem, sondern auch im Hessischen Landtag.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Damit will ich zum Thema kommen. Demokratische Teilhabe ist aus unserer Sicht eine wesentliche Voraussetzung für gelungene Integration. Das ist für uns kein neues Thema, sondern eine Sache, die wir seit vielen Jahren regelmäßig zum Thema machen. Wenn man Aufregung organisiert, dann braucht man das nicht künstlich zu tun. Wir haben im letzten Jahr integrationspolitische Leitlinien vorgestellt. Auf Seite 3 steht dort das, was ich im Interview gesagt habe, im Original. Da es populär ist, Konzepte hochzuhalten, tun wir das heute ausführlich auch hier.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP)

In dem Interview – Herr Mick, eigentlich zitieren Sie daraus gar nicht, und das wird auch Herr Beuth nicht tun – heißt es auf die Frage, ob ich einer politischen Teilhabe zustimme, ausdrücklich Ja. Ich habe gesagt, ich hielte es für hinnehmbar, wenn jemand in zwei Ländern wählen kann. Das betrifft die Frage der doppelten Staatsbürgerschaft, die wir nur teilweise im Griff haben. Dann geht es um die Idee des kommunalen Wahlrechts für Ausländer. Es war die Idee, ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht zu schaffen, für die wir 1999 nach der Anti-Ausländer-Kampagne von Roland Koch einen hohen Preis bezahlt haben. Ich halte das, was wir damals auf den Weg gebracht haben, nach wie vor für richtig. Es geht nämlich um die Beteiligung von Menschen, die jahrzehntelang zum Wohlstand dieses Landes beigetragen haben. – So weit zum Inhalt des Interviews, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Ich befinde mich an der Stelle übrigens in guter Gesellschaft. Petra Roth, Oberbürgermeisterin von Frankfurt und CDU-Mitglied, wird am 5. Februar 2007 in der „FAZ“ wie folgt zitiert:

Wir hatten jetzt etwa 50.000 wahlberechtigte EUAusländer. Wenn alle Ausländer wählen dürften, hätten wir rund 140.000. Ich

gemeint ist Petra Roth –

hätte gern, dass diese 90.000 Frankfurter zusätzlich wählen dürften. Voraussetzung dafür ist, dass die Ausländer vier bis fünf Jahre hier wohnen.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiteres bemerkenswertes Zitat werden Sie wahrscheinlich kennen, denn es stammt aus Ihrem Grundsatzprogramm „Wiesbadener Grundsätze – Für die liberale Bürgergesellschaft“. Wörtliches Zitat, Seite 13:

Mitwirkungsrechte und Mitwirkungspflichten sind in der Bürgergesellschaft nicht zuerst an die Staatsangehörigkeit gebunden. So soll z. B. das kommunale Wahlrecht nicht mehr von der Staatsangehörigkeit, sondern von der Gemeindezugehörigkeit abhängen: Nach fünf Jahren rechtmäßigem Aufenthalt in Deutschland sollen Ausländer das aktive und passive Wahlrecht in der Gemeinde erhalten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der CDU und der FDP)

Mein Fazit: Wenn Ignoranz wehtun würde, wären die Wiesbadener Schmerztherapieeinrichtungen tageweise wegen Überfüllung geschlossen. Das ist das Fazit des Sturms im Wasserglas, den Sie hier gerade veranstalten.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Ich will noch eine Bemerkung zu Herrn Wagner machen. Herr Wagner versucht ja gerade, mich als die neue linke Gefahr aufzubauen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Links und rechts sind bekanntlich eine Frage des Standortes. Ich kann dazu nur sagen: Wenn das die Kategorien sind, müssten wir für die Union und insbesondere für die Truppen von Herrn Wagner in Richtung Grabenstraße rechts anbauen. Das ist die integrationspolitische Perspektive, die Sie in den letzten Jahren formuliert haben.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Ich befinde mich in guter Gesellschaft mit Petra Roth und mit dem Grundsatzprogramm der FDP, die hier nur stellvertretend erwähnt seien. Dass die Union in Hessen nicht dazugehören will, kann ich nachvollziehen. Darauf lege ich in dieser Frage allerdings auch keinen gesteigerten Wert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LIN- KEN – Peter Beuth (CDU): Wir legen auf Sie auch keinen gesteigerten Wert!)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Schäfer-Gümbel. – Das Wort hat Frau Kollegin Öztürk, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sprechen heute schon wieder über das Thema Integration, was mich persönlich natürlich sehr freut – meine Fraktion auch –, denn wir betrachten das Thema Integration seit Jahren als einen festen Bestandteil und auch als einen Schwerpunkt unserer politischen Arbeit. Seit Jahren reden wir nicht nur über Integration, sondern wir leben und erleben sie tagtäglich. Seit Jahren befassen wir uns mit den Herausforderungen einer immer bunter und vielfältiger werdenden Gesellschaft und haben Ihnen bereits im Sommer unser Integrationskonzept vorgestellt –

grün eingebunden, denn Grün ist die Hoffnung im Lande Hessen.

In diesem Integrationskonzept haben wir Ihnen drei Leitlinien dafür vorgestellt, wie Integrationspolitik verstanden werden kann: Vielfalt als Bereicherung, Teilhabe für alle, Integration als Aufgabe. In unserem Integrationskonzept haben wir zehn Themenfelder ausführlich beschrieben, in denen diese Vielfalt einer gezielten Gestaltung bedarf, damit sie positiv und produktiv wirken kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Uns allen zur Erinnerung sage ich noch einmal: D e n Deutschen gibt es genauso wenig wie d e n Ausländer. Ziel einer modernen Integrationspolitik muss es sein, vom „Ihr“ zum „Wir“ zu gelangen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)