Protocol of the Session on September 14, 2011

Die für Auslandseinsätze deutscher Polizistinnen und Polizisten, verantwortlichen Politiker müssen dafür Sorge tragen, dass die versorgungsrechtliche Situation der im Ausland eingesetzten Kräfte angemessen geregelt wird. In diesem Zusammenhang sollte die Schaffung eines Entsendegesetzes überprüft werden.

Man hat offenkundig erkannt, dass ein solches Gesetz nicht zwingend nötig ist, auch wenn einzelne Vertreter das anders sehen mögen.

Das praktizierte Verfahren zur Auswahl von Freiwilligen für Auslandseinsätze funktioniert hervorragend. Es hat die völlige Unterstützung der Polizistinnen und Polizisten; es hat sich bewährt. Frau Kollegin Faeser, Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze; aber jetzt tun Sie so, als ob Sie mit Ihrem vorliegenden Gesetzentwurf ein großes parlamentarisches Defizit beseitigen würden, noch dazu, ohne es ansatzweise überzeugend begründen zu können.

(Nancy Faeser (SPD): Sie wollen nicht zuhören!)

Sie wollen mit Ihrem Gesetzentwurf ein Problem lösen, das schlicht nicht existiert. Das ist der entscheidende Punkt. Vor dem vorgeschobenen Hintergrund der Besorgnis um die Sicherheit der Polizistinnen und Polizisten versuchen Sie, einen Parlamentsvorbehalt für einen Einsatz zu installieren, ohne dafür überzeugende Argumente vorzutragen.

Ich will eines an dieser Stelle einfügen: Wenn es um die Gefährlichkeit solcher freiwilliger Einsätze geht, müssen wir uns auch mit der Frage der Gefährlichkeit unfreiwilliger Einsätze von Beamtinnen und Beamten auseinandersetzen. Dann müssen wir uns auch überlegen, wie das in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Hilfeleistung von Land zu Land passiert. Wollen wir zukünftig auch vor jedem verpflichtenden Einsatz der Bereitschaftspolizei in einem anderen Bundesland im Parlament darüber entscheiden?

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, das mag weit hergeholt klingen; wenn wir uns aber die Situation überlegen, sind die Einsätze im Inland heute schon häufig genug gefährlich. In anderen Bundesländern – ich denke z. B. an unsere Hauptstadt, an Berlin – geht es in einer Art und Weise zur Sache, dass ich dort nicht Polizist sein möchte.

Es hat gottlob nur von Einzelnen und von einigen Verwirrten Aufrufe im Internet gegeben, die fragten: Wann brennt endlich Berlin? – Der eine oder andere denkt dann an die Bilder, die wir aus London gesehen haben. Diese möchten wir in Deutschland nicht sehen. Es gibt in Berlin tatsächlich einige Kriminelle, die regelmäßig Autos fremder Leute anzünden oder zuvor bereits in Treppenhäusern abgestellte Kinderwagen in Brand gesetzt haben. Das sind leider nicht nur wenige Verwirrte, es geht noch ein bisschen weiter.

(Nancy Faeser (SPD): Sie sind versichert!)

Der Innenexperte der GRÜNEN in Berlin, Herr Lux, hat zu angezündeten Nobelkarossen gemeint, das sei ein Konjunkturprogramm der ganz besonderen Art der linken Szene. Meine Damen und Herren, wer so denkt, verharmlost das, was dort passiert ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Über die deutlich zunehmenden Angriffe auf Polizeibeamte im Dienst haben wir schon häufig gesprochen. Das

sind alles Dinge, die eine erhebliche Rolle spielen. Frau Kollegin Faeser hat immer wieder, auch eben mit dem Zwischenruf, auf die Frage des Versicherungsschutzes und des Versorgungsanspruchs verwiesen. Wie Sie wissen, gibt es das entsprechende Versorgungsgesetz im Bund. Die Frage, die Sie angesprochen haben – das ist der einzige Punkt, den ich noch erläutern will, dann komme ich sofort zum Ende –, ist der Erlass des hessischen Innenministers. Ich nehme an, dass Herr Rhein dazu noch einiges sagen wird. Tatsache ist natürlich, dass die Ersatzzusage des Landes sich nur auf eine bestehende Versicherung beziehen kann. Es gehört zur Fürsorgepflicht, die Beamten darauf hinzuweisen, dass sie dafür sorgen müssen, dass die Versicherung aufrechterhalten wird, und dass nicht bei Wegfall der Versicherung dort ausgeglichen wird.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Mein letzter Satz: Offensichtlich muss man es auch an dieser Stelle immer wieder sagen, ich werde nicht müde werden, es hier immer wieder zu wiederholen: Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, ist es notwendig, kein Gesetz zu machen. Wenn Sie uns diese Notwendigkeit nicht ausreichend belegen können, werden wir es leider nicht beschließen können.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Greilich. – Wir erfreuen uns heute besonderer Beliebtheit bei den ehemaligen Kollegen. Ich darf jetzt auch noch Herrn Walter Lübcke auf der Besuchertribüne begrüßen.

(Allgemeiner Beifall)

Nun erteile ich dem Innenminister, Boris Rhein, das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin glücklich, dass wir uns mit den demokratischen Fraktionen in diesem Haus in den großen Punkten, die bei dieser Debatte eine Rolle spielen, einig sind. Wir sind uns einig, dass hessische Polizistinnen und Polizisten weiterhin an friedenserhaltenden Maßnahmen teilnehmen sollen. Wir sind uns einig, dass sie auch weiterhin aktiv die Friedensprozesse unterstützen sollen. Wir sind uns auch einig, dass der Friedenseinsatz von deutschen Polizisten im Ausland auch eine Frage der internationalen Solidarität ist, die wir üben.

Herr Schaus, ich will sehr deutlich sagen, ich finde es beschämend, was Sie heute vorgetragen haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Hermann Schaus (DIE LINKE): Ach ja!)

Herr Schaus, wer möchte, dass vor Ort eine demokratisch ausgebildete Polizei tätig ist, eine Polizei nach unseren Maßstäben, eine nicht korrupte Polizei und eine Polizei, die den rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichtet ist, der muss sie auch ausbilden. Sie fallen nicht einfach vom Himmel.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Hermann Schaus (DIE LINKE): Ich habe gesagt, ich will, dass sie in Hessen ausgebildet werden! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

Genau das machen hessische Polizistinnen und Polizisten und auch alle anderen Polizistinnen und Polizisten aus Deutschland dort. Lieber Herr Schaus, ich sage Ihnen dazu noch eines: Das, was Sie vorgetragen haben, ist eine ganz schlimme Aussage gewesen.

Was Herr Frömmrich vorgetragen hat, ist genau einer der Schwachpunkte des Gesetzentwurfs, den die Sozialdemokraten vorgelegt haben. Was passiert nämlich dann, wenn die 16 Bundesländer ein solches Rückholrecht haben? Frau Faeser hat darauf hingewiesen, dass das Land Brandenburg das schon mache. Ich will mich nicht zu Brandenburg äußern, wir haben das in der Innenministerkonferenz hinreichend und intensiv diskutiert. Ich will schon sagen, dass das sehr problematisch ist. Das, was Brandenburg macht, hat nichts mit internationaler Solidarität oder mit Solidarität innerhalb Deutschlands zu tun. Herr Schaus, eine solche Regierung macht es ziemlich einfach und stielt sich aus der Verantwortung. Ich kritisiere das ausdrücklich.

(Beifall bei der CDU und der FDP sowie bei Abge- ordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn das alle machen, tritt genau das Problem ein, das Herr Frömmrich skizziert hat, dann ist nämlich die internationale Solidarität futsch, dann gibt es niemanden, der ausbildet. Dann sind wir in dem archaischen Zustand, den die Linkspartei dort offensichtlich haben möchte.

(Lachen des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Weil das, was ich gesagt habe, hier eine solche Einigkeit gefunden hat, resultiert daraus eine besondere Verantwortung. Auch das ist richtig, auch für das Land Hessen. Die Verantwortung besteht – auch das gestehe ich zu – zuallererst gegenüber den eingesetzten Beamtinnen und Beamten, die sich ausnahmslos freiwillig für den Einsatz im Ausland bewerben. Das betone ich. Jeder, der dorthin geht, kann zu jedem Zeitpunkt, zu jeder Tages- und zu jeder Nachtzeit sagen: „Ich möchte nicht mehr, weil ich psychisch dazu nicht in der Lage bin, weil ich physisch dazu nicht in der Lage bin, weil ich einfach nicht mehr will.“ Er muss noch nicht einmal eine Begründung dafür geben. Er braucht nur zu sagen, er möchte gerne zurück, er möchte die Auslandsverwendung abbrechen. Das kann er jederzeit sagen.

Aber natürlich ist es auch so, dass wir eine Verantwortung gegenüber dem Bund und gegenüber den anderen Ländern haben.

(Nancy Faeser (SPD): So ist es!)

Denn wir schultern alle gemeinsam die Anzahl der Abordnungen. Frau Faeser hat den Königsteiner Schlüssel richtig dargestellt.

Wovon sprechen wir in Hessen? Wir sprechen im Moment von 15 möglichen Entsendungen, die derzeit aufgrund der Verfahren nicht vollständig ausgeschöpft sind. Wir reden also von 0,11 % des Personals der Polizei des Landes Hessen.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Natürlich ist es so, dass die Pflege der Beziehungen zu den ausländischen Staaten eine Bundesangelegenheit ist. Auch das bestreitet niemand. Aber die Länder sind beteiligt, wenn es darum geht, festzulegen, an welchen friedenssichernden und friedenserhaltenden Maßnahmen und Einsätzen deutsche Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte teilnehmen. Seit Beginn dieser Mission, seit 16 Jahren, setzt sich der Bund mit den Ländern in dieser Frage

wegen einer Beteiligung der Länder an einer bestimmten Mission ins Benehmen. Die Bundesregierung fasst dann einen förmlichen Kabinettbeschluss und unterrichtet den Deutschen Bundestag.

Einen Genehmigungsvorbehalt gibt es ausdrücklich nicht in dieser Bestimmung. Deswegen möchte ich vor allem eines betonen: Selbst das Recht des Deutschen Bundestags – da muss man genau zuhören –, durch Beschluss verlangen zu können, dass eine Verwendung beendet wird, wird von den Experten bestritten, wird von den Experten als verfassungswidrig bezeichnet.

(Nancy Faeser (SPD): Es steht aber im Gesetz!)

Warum schütteln Sie da den Kopf, Frau Faeser? Ich will zitieren:

In der Verfassungstradition Deutschlands war und ist der Einsatz der Polizei stets eine Angelegenheit der Exekutive. Das Grundgesetz sieht keine Parlamentsvorbehalte für Polizeieinsätze im Ausland vor. Das Rückholrecht des Deutschen Bundestags gegenüber Auslandseinsätzen ist demnach verfassungswidrig.

Das hat mir nicht die Abteilung des Landespolizeipräsidiums aufgeschrieben, sondern das hat jemand in der JuliAusgabe des Jahres 2005 in der Zeitschrift „Die Polizei“ geschrieben, und dieser Mann heißt Dieter Wiefelspütz. Dieter Wiefelspütz ist der innenpolitische Sprecher der SPD im Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Günter Ru- dolph (SPD): Guter Mann!)

Nachdem er das aufgeschrieben hat, ist er in der Tat ein Guter, das kann man so sagen.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Sehr geschätzte Kollegin Faeser, was das Informationsrecht des Hessischen Landtags anlangt, will ich Folgendes sagen: Ich glaube, auch ohne eine vierteljährliche Berichtspflicht funktionieren die eingespielten Mechanismen zwischen dem Parlament und der Hessischen Landesregierung so gut, dass Sie jederzeit erfahren können – nicht nur vierteljährlich, sondern Sie können es von mir gerne monatlich haben, wenn Sie mich anrufen, was ich mir sehr wünschen würde –,

(Nancy Faeser (SPD): Das mache ich glatt!)

wie viele Beamtinnen und Beamte eingesetzt sind und insbesondere wo die Beamtinnen und Beamten im Auslandseinsatz sind. Sie können es wissen, wenn Sie es wollen.

Deswegen ist es nicht richtig und auch nicht ganz fair, wenn Sie in diesem Zusammenhang von Intransparenz sprechen. Ich sage es noch einmal: Ich halte ein Gesetz über den Einsatz von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Ausland deswegen für überflüssig.

Noch eines: Wir agieren nicht im luftleeren Raum. Natürlich existieren gesetzliche Grundlagen für die Verwendung der Beamtinnen und Beamten. Ich nenne Ihnen das Beamtenstatusgesetz, ich nenne Ihnen das Bundespolizeigesetz, ich nenne Ihnen das Beamtenversorgungsgesetz. Wenn ich über die Beamtenversorgung spreche, bin ich damit wieder bei der Verantwortung gegenüber den eingesetzten Beamtinnen und Beamten. Das Thema Versorgung spielt dabei eine große Rolle.