Protocol of the Session on September 14, 2011

Zweitens. Ich finde es auch wichtig, dass wir im Landtag zu dem Gesetzentwurf eine Anhörung durchführen, aus der wir sicher selbst ein wenig schlauer herauskommen, obwohl ich – auch das muss ich an dieser Stelle sagen – angesichts der gestrigen Debatte zur Schließung von Gerichtsstandorten an der Lernbereitschaft einiger Kolleginnen und Kollegen große Zweifel habe. Doch bei einer Anhörung könnten wir uns nicht nur den politischen und verfassungsrechtlichen Fragen nähern; auch die Praxis sollte und muss betrachtet werden. Was sind die Motive und Probleme einer Polizeiarbeit im Ausland? Wie läuft die Zusammenarbeit vor Ort? Wie steht es um die Führung und Strategie? Welche Fortschritte sind zu verzeichnen? Wie stehen wir im Vergleich zu anderen Bundesländern da? Und: Was genau ist der Auftrag in befreundeten Staaten, in Krisengebieten oder sogar in Kriegsgebieten? Es gibt also viele Fragen, die im Landtag noch nie Thema waren.

Drittens. Aus Sicht der LINKEN gibt es beim Einsatz hessischer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamter eine nicht zu verschiebende Grenze. Wenn es tatsächlich auch die Intention der SPD sein sollte, mit ihrem Gesetzentwurf eine Basis für Auslandseinsätze der Polizei in Kriegsgebieten, wie z. B. Afghanistan, zu schaffen, werden wir dies nicht mittragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass nach Afghanistan keine Polizistinnen und Polizisten entsandt werden sollen, ist nicht nur unsere Haltung, sondern auch die Position z. B. der Gewerkschaft der Polizei oder auch der SPD in Brandenburg. Aus Brandenburg werden – Frau Faeser hat schon darauf hingewiesen – auch keine Kräfte mehr dorthin entsendet.

(Minister Boris Rhein: Das ist beschämend! Das ist das Wegstehlen aus der Solidarität!)

Herr Minister, das ist eine wichtige Entscheidung. In wenigen Wochen jährt sich der Kriegsbeginn in Afghanistan

zum zehnten Mal. Noch immer hat sich dort nichts wesentlich verbessert. Die Spirale der Gewalt konnte auch mit deutscher Beratung nicht einfach durchbrochen werden. Herr Minister, in einem Land, in welchem keine gemeinsame Kultur zum Nationalstaat entwickelt ist,

(Zuruf der Abg. Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

für die Bevölkerung keine Unterscheidung zwischen ausländischer Polizei und ausländischem Militär möglich ist, dürfen keine hessischen Polizisten eingesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die einzige Alternative ist deshalb, die Ausbildung in Deutschland, in Hessen zu organisieren.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist doch Unsinn! – Minister Boris Rhein: Schlimm!)

Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen. Wo die Grenze zwischen Hilfsleistung, zwischen Einsätzen in Kriegsgebieten und Einsätzen in Krisengebieten verläuft, werden wir intensiv beraten müssen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Nächster Redner ist nun für die CDU-Fraktion Herr Kollege Bauer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Wochenende haben wir der dramatischen Ereignisse vom 11. September 2001 gedacht. Erneut haben uns die Bilder und Berichte in Erinnerung gerufen, warum deutsche Soldaten und Polizisten am Hindukusch sind: weil diese Anschläge damals nicht nur perfide Anschläge auf unschuldige Menschen waren, sondern auch auf unsere Freiheit, und weil wir diese Freiheit verteidigen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, die damalige Bundesregierung hat sich entschieden, am Kampf gegen Terror teilzunehmen. Das war und ist auch heute noch richtig. Nicht alle Ziele können erreicht werden. Das wird man heute nüchtern bilanzieren müssen. Aber die Ziele sind nach wie vor richtig, nämlich zu helfen, nicht nur Infrastruktur aufzubauen, sondern die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu stärken, Religions- und Meinungsfreiheit zu gewährleisten und eine freie und demokratische Gesellschaft zu fördern. Wir stehen auch heute noch hinter diesen Zielen, hinter unseren Soldatinnen und Soldaten sowie hinter unseren Polizistinnen und Polizisten, die dort ihren Dienst verrichten.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Angesichts meines Vorredners, Herrn Schaus von den LINKEN, werde ich den Eindruck nicht los, dass es hier nicht nur um das Gesetzesvorhaben geht, sondern auch darum, eine grundsätzliche öffentliche Debatte über den Afghanistan-Einsatz zu führen.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Erlauben Sie mir, die Frage zu stellen – ich konzentriere mich auf den Gesetzentwurf –: Was soll mit dem Gesetzentwurf eigentlich erreicht werden?

(Nancy Faeser (SPD): Eine Absicherung!)

Wenn ich es richtig sehe, sind es drei Ziele. Schauen wir uns konkret an, was sie mit der tatsächlichen Sachlage zu tun haben.

Zunächst geht es um das Verwaltungsgericht. In dem Verfahren war streitig – ich betone die Vergangenheitsform: es war streitig –, wann die Beteiligung der Personalräte erfolgen muss. Die dabei bestehenden rechtlichen Unklarheiten konnten mittlerweile beseitigt werden.

(Nancy Faeser (SPD): Nein!)

Denn mit dem Hauptpersonalrat der Polizei wurde in einem gemeinsamen Grundsatzerlass vereinbart, dass die förmliche Beteiligung nun schon mit der ersten Abordnung zum Vorbereitungsseminar in Deutschland beginnt. Die personalrätliche Beteiligung geht also schon über das rechtlich vorgeschriebene Maß hinaus.

(Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Außerdem wurde bereits vor dem Gerichtsverfahren vereinbart und geprüft, wie der Hauptpersonalrat der Polizei zukünftig am gesamten Verfahren, beginnend bei dem Bewerbungs- und Auswahlverfahren, beteiligt werden kann. Auch hierzu wurde mit dem Hauptpersonalrat eine entsprechende Vorgehensweise vereinbart, sodass der Hauptpersonalrat schon bei der Auswahl der Bewerber beteiligt wird. Auch bei den anderen offenen Fragen, welche etwa die Beteiligung der Personalräte auf Bundesebene betrifft, wurden zwischenzeitlich alle rechtlichen Unklarheiten beseitigt und ein ordentlicher Ablauf sichergestellt. Was soll hier also noch geregelt werden?

Meine Damen und Herren, werfen wir einen Blick auf den zweiten Punkt Ihres Anliegens. Das Entsendegesetz soll nämlich regeln, wie die Absicherung der Polizistinnen und Polizisten erfolgt. Auch hier wieder: Was sagt die Rechtslage? – Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen erhalten die Beamtinnen und Beamten Leistungen in Form der sogenannten Unfallfürsorge und Hinterbliebenenversorgung nach dem Hessischen Beamtenversorgungsgesetz wie bei einem Dienstunfall im Inland. Die Forderung der Gewerkschaften und Personalräte bezog sich auf eine vermeintliche Versorgungslücke bei dem Ausfall der Lebensversicherung für den Fall, dass eine Versicherung Leistungen berechtigt ablehnt. Aber eine solche Versorgungslücke besteht gerade nicht, da der Dienstherr bei Vorliegen eines entsprechenden Lebensversicherungsvertrages regelmäßig in die persönliche Fürsorge des Beamten eintritt. Verweigert also die Lebensversicherung die Leistung, dann zahlt das Land Hessen.

Deshalb darf ich feststellen: Die Polizistinnen und Polizisten sind gut abgesichert. Ich frage Sie erneut: Was wollen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf überhaupt regeln?

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, es bleibt noch der dritte Punkt, und zwar die Beteiligung des Landesparlaments an der Entsendung. Möglich, dass Ihr Gesetzentwurf in diesem Punkt Sinn hat.

(Günter Rudolph (SPD): Nicht so überheblich, Herr Kollege! – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU))

Sie haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Vorschriften für die Entsendung von Soldaten auf der Bundesebene im Wesentlichen übernimmt. Ich darf festhalten: Kein einziges Bundesland hat – soweit ich das sehen kann – ein Entsendegesetz, auch kein Bundesland unter sozialdemokratischer Führung. Dafür gibt es einen guten Grund. Denn unsere Polizisten werden an die Bundespolizei abgeordnet und tragen im Rahmen dieser Abordnung mit dazu bei, die Bündnispflichten der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des zivilen Teils zu erfüllen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Ganz klar ist: Der Innenminister schickt nicht ungefragt Polizistinnen und Polizisten in eine lebensgefährliche Mission. Unsere Polizistinnen und Polizisten entscheiden sich freiwillig. Niemand wird einfach so an den Hindukusch abgeordnet. Lassen Sie mich noch einmal nachdrücklich betonen: Polizisten sind keine Soldaten. Sie werden nicht für einen Kriegseinsatz herangezogen und ungefragt in einen Einsatz entsendet. Deshalb ist es schlicht unsinnig, wie Sie von der SPD es getan haben, den vorliegenden Gesetzentwurf für die Polizei von dem Entsendegesetz für Soldaten abzuschreiben.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, ich darf für uns feststellen: Sie legen einen Gesetzentwurf vor, der unnötig ist. Sie sind uninformiert. Er ist handwerklich schlecht, und er ist – ich betone das zum Schluss – schlicht überflüssig, weil die drei genannten Punkte alle längst geklärt sind. So etwas können, wollen und werden wir nicht mittragen.

Erlauben Sie mir zum Abschluss meiner Rede noch eine Feststellung. Ich möchte zum Abschluss ausdrücklich all denen Dank sagen, die sich als Soldatinnen und Soldaten oder auch als Polizistinnen und Polizisten für unsere Freiheit und für die westlichen Ideale einsetzen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, sie machen das unter Einsatz ihres Lebens, damit sich der 11. September nicht wiederholt,

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

weder in den USA, weder in Deutschland noch irgendwo sonst auf der Welt. – Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Bauer. – Nächster Redner ist Herr Kollege Frömmrich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bauer, ich weiß nicht, warum man auf Ihrer Seite diese Sache so hoch hängt. Ich glaube, es würde uns in einer solch komplizierten Angelegenheit gut anstehen, das Für und Wider einmal zu wägen, in der An

hörung das eine oder andere zu hören und vielleicht auch schlauer zu werden. Das tut uns allen gut und würde vielleicht auch Ihnen guttun, bevor Sie hier alles in Bausch und Bogen ablehnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Bauer, ich erinnere einmal daran: Es ist schon ein bisschen zu bedenken, wenn man die Frage der Entsendung diskutiert, dass es Ihr Verteidigungsminister war – ich glaube, noch zu Guttenberg –, der gesagt hat, in Afghanistan herrschten kriegsähnliche Zustände. Wenn wir unsere Polizeibeamtinnen und -beamten entsenden – auch wenn wir sie an den Bund abordnen, um sie dann in Krisengebiete zu entsenden, und sie sich freiwillig für solche Maßnahmen bewerben –, so ist es doch durchaus überlegenswert, ob man nicht das Prozedere dieser Maßnahme, dieser Abordnung so regelt, indem man einen größtmöglich transparenten Prozess organisiert und ihn auf ordentliche rechtliche Füße stellt. Deswegen plädiere ich dafür, das offen zu diskutieren und in einer Anhörung im Innenausschuss einmal die Experten dazu zu befragen – anstatt es, wie Sie es eben getan haben, in Bausch und Bogen abzulehnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nancy Faeser (SPD))