Herr Rudolph, ich bin sehr optimistisch, dass wir zu einem guten Zeitpunkt über das gesamte KAG, die gesamte Systematik reden werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist ein Schnellschuss sicherlich nicht angebracht.
Zweitens, darauf sind Sie überhaupt nicht eingegangen. Bevor wir anfangen, eine Rechtsänderung anzugehen, sind einige schwierige Rechtsfragen zu klären. Das werden Sie nicht in Abrede stellen.
Genau. – Sie greifen schon einiges auf. Das können wir in den verbleibenden 1:48 Minuten nicht mehr ausführen, aber es gibt in diesem Zusammenhang einige rechtliche Fragen zu klären, die für Juristen wirklich interessant sind, wie man beispielsweise den Begriff der Erschließungsanlage definiert, wie der Vorteilsbegriff zu sehen ist, und viele weitere Rechtsfragen. In Rheinland-Pfalz und anderswo haben sich darüber viele kluge Menschen den Kopf zerbrochen, wie Hochschulprofessoren, Steuerrechtler und viele andere. Das ist jedenfalls nichts, was man mit einem Handstreich wegwischen kann.
Im Ergebnis stelle ich deshalb fest: Herr Rudolph, in dem Fall gilt, gut gemeint ist noch nicht gut gemacht.
(Holger Bellino (CDU): Genau! – Günter Rudolph (SPD): Jetzt habe ich den Innenminister gelobt, das ist auch nicht recht!)
Die schnelle Lösung ist nicht immer die beste. Wir wollen eine rechtssichere Lösung, die auch dauerhaft Bestand hat. Lassen Sie mich deswegen zusammenfassen: Wir wollen keine fragmentarische Einzelregelung; das gesamte Kommunalabgabenrecht muss auf den Prüfstand. Wir werden uns dann auch die Frage der wiederkehrenden Straßenbeiträge in aller Ruhe zusammen anschauen. Unser Ziel ist eine bürgernahe, praxistaugliche – und das ist am Ende ganz entscheidend – und rechtssichere Lösung für die Bürger in Hessen. – Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Heinz. – Nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Blechschmidt für die FDP-Fraktion.
Entschuldigung, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! – Herr Rudolph, ob Sie mit dem, was Sie hier begründet haben, dem Thema gerecht wurden, stelle ich erheblich in Zweifel. Man kann, das ist modern, FDP-Beschimpfungen betreiben, aber wenn man das bei jeder Gelegenheit macht und sich dann sogar in dem weiteren Wortbeitrag in Opposition zum eigenen Gesetzentwurf geriert, verstehe ich die Welt nicht mehr.
Meine Fraktion sieht das, was hier beabsichtigt ist, in der Tat sehr kritisch. Ich persönlich hatte beruflich schon in der Praxis mit dem KAG, § 11, zu tun. Ich kenne die Besonderheiten und will versuchen, das, was die FDP kritisch sieht, etwas differenziert und nachdenklich zu begleiten, weil dieses Thema ein sehr wichtiges ist, das wir nicht unter Aktionismus betreiben sollten, so wie dies hier zumindest bei der Einbringungsrede der SPD der Fall war.
Das Kommunalabgabengesetz ist ein sehr wichtiges Gesetz. Es regelt – das sage ich jetzt auch für die Zuhörer und diejenigen, die damit vielleicht nicht tagtäglich beschäftigt sind – die Einnahmesituation der Kommunen, und es ist ein überschaubares Gesetz. Es ist insbesondere ein Steuerfindungsrecht; es regelt die Verwaltungs- und Benutzergebühren und Beiträge, die von den Gemeinden und Landkreisen erhoben werden. Im Kommunalabgabengesetz sind z. B. die Hunde-, Zweitwohnungs-, Spielapparate-, Fischerei-, Jagd- und Gaststättenerlaubnissteuer geregelt, um einmal deutlich zu machen, über welchen Bereich wir reden. Das sind die Möglichkeiten, die die Kommunen und Landkreise haben.
Ich bedanke mich herzlich für den Beitrag des Herrn Kollegen Heinz. Denn in der Tat ist es so, dass man das, was Sie beantragt haben, sehr differenziert sehen muss. Ich sage dazu einfach: So geht es nicht. Selbst wenn man es so machen wollte, so geht es nicht.
Nein, so geht es nicht. Das sieht man, wenn man § 11a Abs. 1 Satz 3 Ihres Gesetzentwurfs betrachtet. Das ist genau das, was Herr Kollege Heinz hervorgehoben hat. Da haben Sie das abgeschrieben, was in anderen Ländern praktiziert wird.
Ich möchte nur einmal am Rande Folgendes anführen: Hamburg hat seit 1986 das Kommunalabgabengesetz nicht verändert. Bayern hat das seit 1993 nicht getan. In Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen wurde es seit dem Jahr 2005 nicht mehr verändert. In Rheinland-Pfalz wurde es im Jahr 2009 zuletzt geändert.
Die aktuelle Diskussion ist Rheinland-Pfalz und Thüringen, vor allem aber Rheinland-Pfalz, geschuldet. Da gibt es rechtliche Aspekte. Bei dieser Gemengelage kommt es auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Verkehrsanlage und darauf an, ob sie demjenigen besondere Vorteile oder entsprechende Möglichkeiten bietet.
Das, was Sie abgeschrieben haben, steht in § 10 Abs. 1 Satz 3. Herr Kollege Heinz hat es auf den Punkt gebracht. Da übersehen Sie einfach, dass es dazu auch in dem Bundesland, das so modern sein soll, eine Rechtsprechung gibt, nämlich die des Verwaltungsgerichts Koblenz. Herr Kollege Heinz hat es hervorgehoben. Das ist die Rechtsprechung vom 1. August 2011. Da wird gerade das in Abrede gestellt und problematisiert.
Das Verwaltungsgericht Koblenz hält nämlich die §§ 10 und 10a des dortigen Kommunalabgabengesetzes für verfassungswidrig. Da geht es um die Satzung der Ortsgemeinde Staudernheim. Es begründet das auch.
Da habe ich die Bitte, darüber nachdenklich zu werden. Bei allem Aktionismus und bei allem Frohlocken darüber, dass man in der Opposition ist und hier entsprechende Diktionen machen kann, muss man das doch berücksichtigen. Denn wir müssen jetzt erst einmal sehen, ob dieser § 11a Kommunalabgabengesetz, der hier aktionistisch mit dem Gesetzentwurf eingebracht wurde, dem Rechnung trägt. Da wurde einfach abgeschrieben.
Erstens. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Koblenz fehlt dem Land die Gesetzgebungskompetenz zur Einführung des neuen Begriffs der Anlage.
Zweitens. Ferner würde Bundesrecht bei der Erweiterung des Anbaustraßennetzes durch die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage missachtet.
Drittens. Das hat Herr Kollege Heinz schon erwähnt. Das Verwaltungsgericht Koblenz vertritt die Auffassung, dass der Begriff der „einheitlichen öffentlichen Einrichtung“ in § 10 Kommunalabgabengesetz Rheinland-Pfalz – das ist das, was Sie uns hier als § 11a verkaufen wollen – gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes verstößt.
Viertens. Zudem sei es mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normenwahrheit und Normenklarheit nicht vereinbar, da alle Anbaustraßen einer Gemeinde eine einheitliche Einrichtung darstellen. Herr Kollege Heinz hat das sehr vorsichtig gesagt. Das ist ein Gesichtspunkt, auf den Sie überhaupt nicht eingegangen sind. Hier haben Sie mit Klamauk auf Juristen verwiesen. Aber wir machen im Landtag Juristerei, mit der auch Juristen leben müssen.
Der wichtigste Punkt ist, dass der Grundsatz der Gleichheit ebenfalls verletzt sei. Ein Beitrag dürfe nur erhoben werden, wenn der Beitragsschuldner durch eine Maßnahme einen Sondervorteil habe. Ungeachtet des Politischen ist das für uns ein wesentlicher Gesichtspunkt, weshalb wir sagen: So geht das nicht.
Wenn man das Kommunalabgabengesetz betrachtet, erkennt man, dass es für die Kommunen auch eine Einnahmequelle ist. Ich kenne die Besonderheiten vor Ort. Ich war mit einem Kollegen bei der Kreisstadt Dietzenbach und habe mich erkundigt, was sie dort für eine Gemengelage haben. Wir haben wirklich wohlwollend festgestellt, dass die sich dort seit zwei oder drei Jahren bemühen, eine Katastrierung der Anlagen vorzunehmen. Sie haben viele Bürgerversammlungen durchgeführt, um das entsprechend objektiv zu gestalten.
Herr Kollege Dr. Blechschmidt, ich darf Sie darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit bereits abgelaufen ist.
Das passt sehr gut, denn ich komme zu meinen letzten Sätzen. – Wir befürchten, dass eben dies die Ausnahme ist. Ich sage ausdrücklich, dass ich Dietzenbach da jetzt einmal außen vor lasse. Wir von der FDP sehen die Gefahr, dass klamme Kommunen diese Gelder trotz der rechtlichen Bindung der Beiträge für den Straßenbau für andere Maßnahmen nehmen könnten. Dann würde eine Straßensteuer erhoben, die nicht objektiv begründbar und im Grunde genommen auch rechtlich nicht haltbar ist. Ich habe eben versucht, das darzustellen. Das müssen wir berücksichtigen. – Danke schön.
Herr Kollege Dr. Blechschmidt, vielen Dank. – Nächste Rednerin ist nun für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Enslin.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Rudolph hat schon die angespannte Finanzsituation der Kommunen angesprochen. Im laufenden Anhörungsverfahren zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung haben die Kommunalen Spitzenverbände unter anderem auch den Vorschlag der wiederkehrenden Straßenbeiträge mit eingebracht. Sie wollen die Möglichkeit haben, eine Umlage und nicht nur einmalig hohe Straßenbeiträge zu erheben. Diesen Vorschlag greift der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion auf.
Nach dem Vorbild von Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Thüringen und dem Saarland soll das hessische Kommunalabgabengesetz eine Öffnungsklausel erhalten, die es den Gemeinden ermöglichen würde, wiederkehrende Straßenbeiträge zu erheben, um so marode Straßen zu sanieren.
Mit diesem Vorschlag sehen wir wirklich die Chance, den Kommunen die Arbeit vor Ort zu erleichtern. Leider war von der Landesregierung bisher zu diesem Thema nichts zu hören.
Mit dem Konsolidierungserlass vom Mai 2010 wurden die Kommunen aufgefordert, bei defizitären Haushalten unter anderem eine Straßenbeitragssatzung zu erlassen, sofern noch keine gilt. Bisher besteht in Hessen nur die Möglichkeit, gemäß § 11 Kommunalabgabengesetz die Grundstückseigentümer in einer Gemeinde über die Erhebung eines einmaligen Beitrags an den Kosten für den Straßenbau zu beteiligen. Das führt dann zu Zahlungsverpflichtungen der Grundstückseigentümer bis hin zu Eurobeträgen in fünfstelliger Höhe. Sie belasten den Einzelnen finanziell schwer.
Kann der Grundstückeigentümer dann nicht zahlen, bleiben die Kommunen zeitweise oder sogar teilweise auf den Kosten sitzen. Wenn Straßenbeitragssatzungen erlassen werden sollen, entbrennen deshalb auch in etlichen Kommunen heftige Diskussionen in der betroffenen Bürgerschaft. Dies geschieht z. B. mit Verweis auf Nachbarkommunen, die noch keine Straßenbeitragssatzung haben.
Eine Alternative dazu sind die wiederkehrenden Straßenbeiträge. Hier werden alle Grundstückseigentümer in der Kommune an den Kosten der Straßenerneuerung solidarisch beteiligt. Das führt zu mehr Gerechtigkeit.