Protocol of the Session on August 25, 2011

(Gernot Grumbach (SPD): Wer hat Ihnen denn die Rede geschrieben?)

Die Erwartung, dass diejenigen, denen wir helfen wollen, auch in unserem eigenen Interesse, Solidität zeigen, ist eine vernünftige Erwartung. Das Ringen um nationale Souveränität, bis hinunter zum einzelnen Abgeordneten, im Gegensatz zu schneller Entscheidung, das müssen wir auswiegen, nicht zuletzt auch anhand der Leitlinien, die das Bundesverfassungsgericht uns vorgegeben hat.

Aber eines bleibt auch: Wer schreit: „Eurobond, Eurobond“, und auf alle wesentlichen Fragen keine überzeugende Antwort hat, von dem lassen wir uns bei der Frage, wer für dieses Europa einsteht, mit Herz, aber auch mit Verstand, beim besten Willen nicht vorführen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Ministerpräsident. – Für die FDPFraktion hat sich jetzt Herr Blum zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat sich in dieser Debatte schon ein Stück weit etabliert, und deshalb will auch ich starten mit einem Zitat von Helmut Kohl über die damalige Diskussion der Aufnahme Griechenlands in die Eurozone. Helmut Kohl sagt:

Mit mir als Bundeskanzler hätte Deutschland der Aufnahme Griechenlands in die Eurozone in seiner konkreten Situation – die jedem, der genauer hinsah, nicht verborgen bleiben konnte –, also ohne durchgreifende strukturelle Veränderungen im Land, nicht zugestimmt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Entscheidung war nicht mehr von Helmut Kohl und der von CDU und FDP geführten Regierung zu treffen; sie wurde dann von Rot-Grün getroffen. Deswegen ist es schon in Ordnung, wenn man zu Beginn oder im Laufe einer solchen Debatte einmal darauf hinweist, dass diejenigen, die sich jetzt als Feuerwehrleute mit dem Löschwassereimer gerieren, auch diejenigen sind, die ordentlich Holz ins Feuer geschmissen haben.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Gerhard Merz (SPD): Wer hat Sie eigentlich aufgenommen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin durchaus dankbar dafür, dass diese Debatte kontrovers geführt wird. Es ist absolut in Ordnung, dass bei diesem Thema einmal die Unterschiede deutlich werden zwischen dem, was Rot und Grün, und dem, was CDU und FDP in dieser Frage für richtig und im Interesse unseres Landes geboten erachten.

Herr Kollege Al-Wazir, ich sage Ihnen: Es ist nicht derjenige ein guter Europäer, der alles schönredet, sondern es ist derjenige ein guter Europäer, der die Probleme benennt, der sie ernst nimmt und der auch die Sorgen und Ängste der Menschen in diesem europäischen Prozess ernst nimmt und auf sie eingeht.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie hier die Einführung von Eurobonds fordern – das scheint offensichtlich auch die Haltung der Genossinnen und Genossen von der SPD zu sein –, dann sage ich Ihnen, das ist nicht die Lösung des Problems. Denn ein Eurobond ist nichts anderes als eine andere Form der Organisation der jetzt schon bestehenden Schulden.

(Nancy Faeser (SPD): Ja, natürlich!)

Ein Eurobond ist nichts anderes als die Vergemeinschaftung der Schulden, die jetzt schon bestehen, und löst eben nicht die Verschuldungsfrage. Die Lösung des Problems ist der Abbau der Staatsverschuldung. Die Lösung des Problems ist Haushaltsdisziplin in allen Ländern der Eurozone und nicht nur in wenigen.

(Beifall bei der FDP – Nancy Faeser (SPD): Was passiert mit den Schulden?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Land hat sich in den vergangenen Jahren bereits auf einen solchen

Weg gemacht. Wir haben in Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit unserer Gesellschaft und unserer Volkswirtschaft auch dadurch hergestellt, dass wir einen schwierigen, einen mühsamen Weg zur Erreichung von Haushaltsdisziplin gegangen sind.

Das ist durchaus kein einfacher Prozess gewesen. Er war verbunden mit Einschnitten in staatliche Leistungen, mit Verzicht bei den Bürgerinnen und Bürgern, mit moderaten Abschlüssen bei der Frage von Lohnsteigerungen und Lohnniveau. Deswegen ist es richtig, dass wir heute sagen, wir lassen es nicht zu, dass diese Anstrengungen, die unternommen worden sind und die zu einem erfolgreichen Ergebnis geführt haben, am Ende dazu führen, dass wir die Last für diejenigen tragen müssen, die solche Anstrengungen bewusst nicht unternommen haben. Das werden wir im Interesse der Menschen in unserem Land nicht zulassen.

(Beifall bei der FDP)

Ich komme zum Schluss. Deswegen bleibt es dabei: An dieser Stelle wird ein Unterschied deutlich, und das ist auch gut so. Sie befürworten die Einführung von Eurobonds und damit die Vergemeinschaftung und Belastung aller für die Fehler weniger. Wir sind nicht bereit, diesen Weg mitzugehen. Wir werden uns nicht der Untreue an unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig machen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Na, na, na!)

Es bleibt dabei: Es wird ein Nein der FDP zu Eurobonds heute und auch in Zukunft geben.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schönen Dank, Herr Blum. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Herr Al-Wazir das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in vielen Punkten eine andere inhaltliche Auffassung als der Ministerpräsident. Aber ich bin dankbar dafür, dass er die Debatte nach dem Beitrag von Herrn Hahn wieder auf ein Niveau gebracht hat, auf dem man diskutieren kann.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Ministerpräsident, ich will aber ausdrücklich sagen, Sie müssen am Ende auch bei allen richtigen Fragen, die Sie gestellt haben, die Frage beantworten: Was ist denn Ihre Antwort?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Vor allem müssen Sie darlegen, was die Alternative ist. Denken wir das doch einmal zu Ende. Was passiert, wenn die Eurozone am Ende zerbrechen sollte? Was passiert dann? Es gibt manche, die denken ein bisschen schlicht und sagen: Wir hatten ja vorher die D-Mark, dann haben wir sie eben wieder.

Ich empfehle allen, einmal einen Blick auf die Schweiz zu werfen und auf die Probleme, die die Schweiz mit der rasanten Aufwertung des Franken hat. Es gibt dort inzwischen erste Firmen, die sagen, wir binden unsere Löhne an den Euro.

(Zuruf des Abg. Leif Blum (FDP))

Ich empfehle einen Blick nach Island, das als Ergebnis der Krise sofort gesagt hat: Wir wollen jetzt doch der Eurozone beitreten. – Wenn man sich das anschaut, wird einem schnell klar, dass es zwar Alternativen gibt, dass aber der Preis dieser Alternativen sehr viel höher sein wird als die Rettung der Eurozone, gerade für Deutschland.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Werden wir eigentlich als Exportnation langfristig bestehen können, wenn wir eine eigene Währung in einem demografisch schrumpfenden Staat haben? Werden wir eigentlich bestehen können, wenn China, Brasilien und Indien in den nächsten 10 bis 20 Jahren die Wahl haben, sich an einem Dollar zu orientieren und eben nicht mehr an einem Euro, sondern an vielen verschiedenen europäischen Währungen? Herr Bouffier, auf all diese Fragen kann es aus meiner Sicht nur eine Antwort geben: Wir müssen alles dafür tun, dass die Krise jetzt beendet wird, dass Europa zusammenhält und die Eurozone wieder stabilisiert wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Es ist richtig, dass es hoch problematisch ist, dass die Europäische Zentralbank jetzt nicht nur Geldpolitik, sondern auch Fiskalpolitik macht. Aber warum macht sie das denn? Weil unter anderem die größte Ökonomie und der größte Mitgliedstaat und das größte Land der Eurozone, die Bundesrepublik Deutschland, eine Bundesregierung hat, die nicht handlungsfähig ist. Genau das ist das Problem.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich verstehe all Ihre Fragen. Ich führe auch alle diese Debatten. Herr Ministerpräsident, ich glaube, bei der Frage, was wir für Zinssätze bei den Eurobonds hätten, können wir natürlich nicht mit der Durchschnittsverzinsung von heute rechnen. Man muss sich den Gesamtraum anschauen und dann eine realistische Abschätzung treffen. Es hilft nichts, wenn man auf bestimmte Fragen in pawlowscher Manier mit einem Reflex antwortet. Es ist auch nicht hilfreich – Stichwort: Transaktionssteuer –, wenn Sie am letzten oder vorletzten Wochenende sagen: Wir werden alles dafür tun, dass diese Transaktionssteuer nicht kommt, weil sie am Finanzplatz Frankfurt angeblich 70.000 Arbeitsplätze gefährdet.

Ein Blick in die letzte Finanzplatzstudie der Helaba zeigt, dass in Frankfurt insgesamt 73.500 Arbeitsplätze im Bankensektor vorhanden sind. Es hilft eben nicht, reflexartig mit Schlagworten zu antworten, die, wenn man genau hinschaut, einer Überprüfung nicht mehr standhalten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So viel zum Thema Ökonomie!)

Es wurden heute hier schon sehr viele Zitate verwendet. Am Ende gilt immer noch eines, das zwar in einem anderen Zusammenhang gesagt wurde, aber immer noch gilt.

Jacques Delors hat gesagt: „Europa ist wie ein Fahrrad. Hält man es an, fällt es um.“

Die Frage ist: Was würde uns dieses Umfallen kosten? Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Frage müssen wir alle miteinander beantworten. Niemand, der hier ist, kann ganz sicher sein, was das Richtige ist. Aber es ist fahrlässig, die Eurobonds so absolut auszuschließen, wie Sie es tun.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Schönen Dank, Herr Al-Wazir. – Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Herr van Ooyen das Wort.

(Wolfgang Greilich (FDP): Wie hat das die DDR gelöst?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will noch einmal ganz kurz darauf eingehen, dass es nicht nur um Finanzprobleme geht, die wir in Europa zu bewältigen haben. Ich habe noch einen Satz im Ohr, der in der „FAZ“ stand, als die Griechenland-Krise begann. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, sicherlich jemand, der nicht der LINKEN-Partei zugeneigt ist, hat es noch einmal auf den Punkt gebracht:

Wir haben Europa so eingeteilt, dass wir Koch und Kellner sind und die Südländer

damit meint er auch Griechenland –

eher die Partygäste. Dieses Verhältnis geht aber nur so lange gut, solange die Partygäste Geld haben. Wenn die Partygäste kein Geld mehr haben, braucht man auch keinen Koch und Kellner mehr.