Protocol of the Session on August 25, 2011

Schwarz-Gelb hat damals nicht gehandelt, weil es an Mut fehlte. Die Verzagtheit regierte, und man hoffte, vor der Landtagswahl in NRW nichts mehr tun zu müssen. Das Ergebnis zeigt, dass fehlender Mut richtig teuer wird, und Herrn Rüttgers hat es am Ende auch nicht geholfen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe mit einem Zitat von Konrad Adenauer aus dem Jahr 1956 begonnen, ich möchte mit Helmut Kohl von gestern schließen. Helmut Kohl

warnte vor einem Auseinanderbrechen der EU. Die Hilfe in der Schuldenkrise, beispielsweise für Griechenland, sei notwendig, denn: „Wir haben keine Wahl, wenn wir Europa nicht auseinanderbrechen lassen wollen“, sagte Helmut Kohl.... Europa brau

che ein „beherztes Zupacken und ein Paket vorausschauender, klug gewogener und unideologischer Maßnahmen, mit dem wir Europa und den Euro wieder auf einen guten Weg bringen und für die Zukunft absichern“.

Meine Damen und Herren, Helmut Kohl hat recht. Fangen wir endlich wieder damit an, beherzte und kluge europäische Politik zu machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Al-Wazir. – Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Reif gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für uns als CDU-Fraktion war es eine Sternstunde, dass Sie mit Konrad Adenauer begonnen und mit Helmut Kohl aufgehört haben.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Herr Al-Wazir, wir widmen uns hier einem sehr komplizierten Sachverhalt. Wir alle miteinander sind nicht die Experten und Spezialisten für Eurobonds und andere damit zusammenhängende Maßnahmen; sonst säßen wir nicht hier, sondern in irgendeinem der Banktürme oder bei Hedgefonds oder wo auch immer und würden das begleiten. Ich rate uns, uns in diesen Dingen gegenseitig ordentlich zuzuhören und zuzugestehen, dass irgendwo im Beitrag des anderen auch etwas Wahrheit sein kann.

Das Zweite, das ich vorbemerken möchte: Ich habe Ihren Entschließungsantrag sehr aufmerksam gelesen. Zu meinem Erstaunen muss ich sagen, ich könnte den ersten fünf Absätzen durchaus zustimmen. Das ist respektabel; alles, was Sie dort geschrieben haben, könnte man unterschreiben.

(Günter Rudolph (SPD): Machen Sie es doch!)

Verehrter Herr Kollege Rudolph, wir haben in den Ausschüssen Gelegenheit, darüber zu sprechen. Soweit ich es erlebt habe, gibt es in den Ausschüssen die Möglichkeit, absatzweise den Anträgen zuzustimmen. Das ist überhaupt kein Problem.

(Günter Rudolph (SPD): Buchstabenweise!)

Ich habe mir gestern noch einmal vergegenwärtigt, dass bonds auf Englisch Fessel heißt. Das ist gar nicht so schlecht, denn bei der Einführung von Eurobonds führt das dazu, dass 17 Euroländer keine eigenen Staatsanleihen mehr herausgeben, um ihre Haushaltslöcher zu stopfen, sondern nur durch gemeinsame Staatsanleihen eben all dieser 17 Staaten diese Anleihen herausgegeben werden. Also sind alle Länder aneinander gefesselt. Denn bei Eurobonds verschulden sich die Länder nicht mehr einzeln, sondern zusammen und halten demzufolge auch zusammen.

Übertragen ins Deutsche würde ich sagen, es entspricht einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Eigenart einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist, dass jeder für das Ganze haftet. Die Frage ist, ob wir das wollen.

Die Einführung von Eurobonds bedeutet also konkret, dass die hoch verschuldeten und damit von Ratingagentu

ren zu Recht schlecht bewerteten Staaten wie Griechenland, Portugal, Italien, Spanien und Irland künftig wesentlich geringere Zinsen zahlen und Deutschland und andere Länder, die von den Ratingagenturen besser bewertet werden, erheblich höhere Zinsen zahlen müssen. Einfach ausgedrückt: Es werden also solche Staaten mit unvertretbar hohen Schulden belohnt, und die anderen, die solide gewirtschaftet haben, werden bestraft. – Das darf aus unserer Sicht nicht sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Al-Wazir, im Gegensatz zu Ihnen gibt es in der Tat ernst zu nehmende Experten, die sagen, dass es in dem Zeitstrahl von ca. zehn Jahren beginnt, mit der Schuldenlast kritisch zu werden. Am Anfang lägen die Schulden bei ca. 2 bis 2,5 Milliarden €. Das wäre zu verkraften. Aber je länger der Zeitstrahl ist, weil Bonds für 15, 20 oder 30 Jahre herausgegeben werden, wird die Zinslast immer dramatischer. Nach zehn Jahren läge man bei 25 Milliarden €. So steigen die Zinsen immer weiter an. Einige sagen, nach 30 Jahren liege man bei über 40 Milliarden € Mehrbelastung. Darin liegt der Kardinalpunkt für die Schwierigkeit der Beurteilung der Bonds.

Die Eurobonds schaffen also eine riesige Umverteilungsmaschinerie, Transferunion genannt. Sie sind also dem ungerechten Länderfinanzausgleich vergleichbar, den wir bereits in Deutschland haben. Dabei werden auch finanzstarke Länder auf der einen Seite gezwungen, finanzschwachen Ländern Gelder zu überweisen. Wir wissen, wie schwierig es ist, aus dieser Konstellation jemals wieder herauszukommen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich bin mit Ihnen einig, zu sagen, wir schaffen die Bedingungen so, dass man eine Fesselung zusätzlich einbaut, indem man Kriterien schafft, die es einem Land, das Schulden macht, nicht erlauben, dies weiter zu tun. Lieber Herr Kollege Al-Wazir, ich hätte da wenig Vertrauen. Gerade Sie haben in Ihrer Regierungszeit zu Zeiten von Schröder und Fischer bewiesen, wie Kriterien aufgeweicht werden. Die Stabilitätskriterien, die in Maastricht niedergelegt waren, wurden gerade durch Rot-Grün, als es für Sie schwierig wurde, aufgeweicht und haben im Grunde genommen zu der Malaise geführt, in der wir heute sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Man darf also in der ganzen Konstellation Ursache und Wirkung nicht verwechseln.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ursache ist dies sicherlich nicht alleine gewesen, aber es war eine wesentliche Ursache, dass wir nicht mehr auf die ursprünglich niedergelegten Stabilitätskriterien von Maastricht zurückgreifen können.

Wer garantiert uns eigentlich, dass nicht eine deutsche oder eine andere Regierung im Euroraum dazu führt, dass es wieder zu einer Aufweichung von neu gesetzten Stabilitätskriterien kommt? Solange dies nicht garantiert ist, können wir über dieses Thema nicht ernsthaft und seriös sprechen. Deshalb bin ich ein strikter Gegner dieser Eurobonds, ebenso auch meine Fraktion, denn letztlich muss als Schuldner immer der gerettet werden, der sich nicht anstrengt. Wer einmal Eurobonds eingeführt hat, wird sie aus unserer Sicht so schnell nicht mehr losbekommen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, wir können uns auch nicht Schuldenmachern, die keine Bereitschaft dazu haben, sich in dem Verschulden einzuschränken, wahllos ausliefern. Hingegen muss auch aus unserer Sicht künftig gelten: Wer Schulden macht, muss diese anschließend selbst zurückzahlen können und kann nicht seinen Nachbarn mit in die Verantwortung ziehen, denn jedes Land hat ein hohes Maß an Eigenverantwortung. Auch künftig muss es diese Eigenverantwortung wahrnehmen und kann sie nicht auf andere abwälzen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich und unsere Fraktion sind der Auffassung, dass wir bei diesem Thema nicht am Ende der Diskussion stehen. Es muss verschiedene Möglichkeiten geben, über die wir tabufrei reden. Über diese Möglichkeiten darf es meines Erachtens keine Gelegenheit geben, dass jemand diskriminiert wird, der ganz einfach einen Vorschlag macht, der vielleicht politisch nicht in die Welt passt. Es geht auch deshalb nicht, weil wir uns vergegenwärtigen müssen, dass die Schuldenlast von einigen Euroländern so hoch ist, dass wir selbst wissen, dass diese ihre Schulden aus eigener Kraft nicht zurückzahlen können.

Also muss man auch darüber reden, wie man beispielsweise einen Kapitalschnitt, einen Schuldenschnitt, eine Entschuldung oder diese Form, die wir in Deutschland als private Insolvenzen haben, als Staatsinsolvenzen mit in Betracht zieht, um diese Staaten wieder an uns heranzuführen, um sie wieder in die Gemeinschaft zurückzuholen, um ihnen wieder die Gelegenheit zu geben, Kreditabilität und Bonität an den Märkten zu zeigen, um damit im Euroraum wieder eine gewisse finanzpolitische Rolle zu spielen.

Dies ist unsere Auffassung. Ich glaube, dieser Antrag kann einiges zur Versachlichung der Diskussion auf unserer Ebene beitragen. Ich würde mich freuen, wenn wir ihn in den entsprechenden Ausschüssen weiterverfolgen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Kollege Reif. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Reuter das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Reif, Sie haben uns gebeten, zuzuhören. Das habe ich auch. Mir sind zwei Dinge aufgefallen. Zunächst einmal habe ich ein absolutes Ja oder ein absolutes Nein zu Eurobonds nicht gehört. Es war ein „darüber kann man reden“. Das ist das eine, was mich etwas verblüfft hat.

Das Zweite war: Wir befinden uns in einer verbundenen Debatte. Zu Ihrem eigenen Antrag mit der Beteiligung von Parlamenten haben Sie gar nichts gesagt. Okay, ich nehme das so zur Kenntnis. Ich werde versuchen, zu Ihrem nicht begründeten Antrag Stellung zu nehmen.

Es ist schon bedrückend, diese Szenen eines Schauspiels zu sehen, das fast schon einer Dramaturgie gleicht: Lammert gegen Kauder und umgekehrt Lammert gegen Schäuble, Wulff gegen EZB und indirekt auch gegen Frau

Merkel, Kohl gegen laue Europäer, und von der Leyen will Goldpfand für EU-Anleihen.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist goldig!)

Die Eurozone in der Krise, Finanzmärkte und Börsen spielen verrückt. In immer kürzeren Abständen trifft sich der Europäische Rat oder Frau Merkel mit Herrn Sarkozy. Es werden Beschlüsse gefasst, und das Urteil der Börsen ist, wie wir in den letzten Wochen gesehen haben, vernichtend: Kurzstürze mit beunruhigenden Zahlen. Der Daumen zeigt nach unten, und das ist das Signal der Börsen, will damit sagen: Das, was Merkel und Sarkozy vereinbart haben, reicht nicht aus.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Dass die Bundeskanzlerin in den vergangenen Monaten zu inaktiv, zu zögerlich war, das weiß mittlerweile jeder, und das ist ein ganz großer Teil des Problems. Dies ist sehr aktuell gestern vom Bundespräsidenten Wulff indirekt bestätigt worden, indem er die EU-Regierungen – er hat keine deutsche ausgenommen – als Getriebene charakterisiert hat, die es versäumt hätten, politische Leitplanken einzuziehen.

Genau in dieser Zeit, wo sich die Nachrichten überschlagen, wo plötzlich heute gilt, was gestern noch undenkbar war, schickt sich der Hessische Landtag an, über dieses schwierige Thema zu debattieren. Das ist zum einen der Koalitionsantrag der CDU und der FDP. Der kommt von der Überschrift ganz gut daher: Beteiligungsrechte der Länder bei der Ausgestaltung des ESM und beim EuroPlus-Pakt. Wer kann etwas dagegen haben, dass der Bundestag und der Bundesrat bei so wichtigen Entscheidungen beteiligt werden? – Wohl niemand. Dies müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Darüber müsste man eigentlich kein weiteres Wort verlieren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine solche Beteiligung kann man allerdings nur dann umsetzen, wenn man selbst das Heft des Handelns in der Hand hält und nicht, wie Frau Merkel wegen ihres Zögerns und Zauderns, am Ende zu harten Entscheidungen in nächtlichen Sitzungen gezwungen ist. Vielleicht wäre daher von Herrn Bouffier und Herrn Hahn ein vorgetragener Hinweis an die handelnden CDU/FDP-Akteure auf Bundesebene genauso wie die heutige Debatte angebracht. Das ganze Dilemma, ja das politische Chaos wird deutlich, wenn man in das „Handelsblatt“ von gestern schaut: „Schäubles Geheimdiplomatie: Parlament unerwünscht“.

Was ist mit dem Budgetrecht, dem sogenannten Königsrecht der Parlamente? – Die öffentlich ausgetragenen Dispute zwischen den CDU-Parteifreunden Lammert und Kauder, Lammert gegen Schäuble geben derzeit einen kleinen Vorgeschmack, was wir auf der Berliner Ebene noch erleben dürfen.

Was den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anbetrifft, der unter anderem die Einführung von Eurobonds und eine Finanztransaktionssteuer zum Gegenstand hat, werden wir diesem zustimmen: denn der eigentliche Kern des Problems ist ein anderer. Die Europäische Union steht aktuell an einem ganz entscheidenden Punkt ihrer Geschichte. Alle Stabilisierungsversuche der letzten Zeit haben die Märkte nicht beruhigen und das Vertrauen nicht wiederherstellen können, seien es der

EFSF, der ab 2013 geltende ESM und die Interventionen der EZB.