Protocol of the Session on April 2, 2009

Sie laufen sonst Gefahr, erfolglose Anwältin einer Schulpolitik zu werden, die in ihrem Regulierungs- und Zentralisierungswahn Tür und Tor für Vorkommnisse öffnet, wie wir sie bei dem diesjährigen Zentralabitur erlebt haben.

Frau Kultusministerin, die Tatsache, dass Sie in der Presseerklärung vom Montag die Ereignisse des Prüfungsfreitags als „kleinere Pannen“ bezeichnet haben,stimmt nicht eben optimistisch. Dass Herr Irmer zur gleichen Zeit der Presse vermeldet hat, er sei schon richtig zufrieden mit den Konsequenzen des Kultusministeriums, lasse ich unkommentiert. Herr Irmer, ich bin sicher, die betroffenen Schülerinnen und Schüler, die das ganze Wochenende dasaßen und nicht wussten, wie es weitergeht, kämen über diese Aussage sehr gerne mit Ihnen ins Gespräch.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann mitnichten von einer kleineren Panne sprechen, wenn die Prüfungen für Grund- und Leistungskurse jeweils Fehler enthielten, die die Lösung der Aufgabe unmöglich gemacht haben. Es ist auch keine kleinere Panne, wenn um 9 Uhr die Prüfung beginnt und die erste Fehlermeldung um 8:43 Uhr auf den Rechnern der Schule abzurufen ist. Es ist eher als mittlere Katastrophe zu bezeichnen, wenn die Arbeitseinheit Zentrale Abschlussprüfungen im IQ um 8:58 Uhr, also 15 Minuten später, eine Korrektur der Korrektur absendet. Zwei Minuten vor Beginn der Prüfung mussten die Verantwortlichen mitteilen, dass sich in die erste Fehlermeldung für die Prüflinge des Grundkurses ein weiterer Fehler eingeschlichen hatte. Es fehlte nämlich ein Ableitungsstrich bei der zu bearbeitenden Funktion. Meine Mathematikkenntnisse sind nur ru

dimentär, und ich hatte keinen Leistungskurs in Mathematik, Mathias, aber ich weiß, dass dies ausreicht, um die ganze Aufgabenstellung für die Schüler unbrauchbar zu machen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die betroffenen Schüler bedeutete dieser Freitagvormittag Frust, Stress und zusätzliche Nervenbelastungen, die mit Sicherheit nicht übers Wochenende abgestreift wurden. Am Montag warteten die nächsten Klausuren. Viele hatten immer noch Mathe im Kopf, wie die Landesschulsprecherin Katharina Horn formulierte. Außerdem bleibe eine Verunsicherung, ob mit den neuen Aufgaben alles in Ordnung sei. Nach diesem Vorspiel kann ich das nachvollziehen. Manche Prüflinge hatten am Freitag beide Fehlermeldungen bekommen, manche gar keine, manche nur Bruchstücke. Bei einigen dauerte es 20 Minuten, bis die Nachricht sie erreichte, bei einigen weniger, und andere haben sie nicht bekommen.Diese Zeiten fehlten dann auch bei der Vorbereitung für die Klausur. Hier ist von Vergleichbarkeit in der Tat nicht mehr zu reden. Deshalb ist das Angebot folgerichtig, den Schülern einen freiwilligen Termin für eine Wiederholungsprüfung anzubieten.Aber es ist eben nicht gerecht, und gleiche Voraussetzungen lassen sich nicht mehr herstellen.Es ist der Versuch, den angerichteten Schaden zu minimieren.

Frau Kultusministerin, wenn Sie heute auch wieder verkünden, dies werde bei keinem Schüler zu einem Nachteil führen, dann kann ich Ihnen nur entgegnen: Ich glaube, das können Sie nicht beurteilen.Die Schüler sind zum Teil über das Wochenende in dieser nervlichen Situation – –

Frau Kollegin Habermann, Sie müssen zum Schluss kommen.

Sie haben die Zeit,in der sie sich auf neue Prüfungen konzentrieren wollten, damit verbracht, sich Gedanken darüber zu machen, was mit Mathematik wird. Ich kann mir vorstellen, dass die Nachteile für die Einzelnen von uns heute nicht zu beurteilen sind.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, letzter Satz. Wir haben einen Dringlichen Antrag eingebracht, mit dem wir den Landtag auffordern, zu beschließen, in einer Anhörung über die Situation beim Zentralabitur, über die Situation in der Oberstufe allgemein zu diskutieren, die Frage einer wirklich vergleichbaren Prüfung noch einmal aufzuwerfen und dies mit den Betroffenen zu besprechen. Ich erwarte, dass der Landtag dem zustimmt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Greilich, FDPFraktion.

(Günter Rudolph (SPD): Sind Sie jetzt auch noch Bildungsexperte?)

Herr Kollege Rudolph, ich kann Sie beruhigen: Bei uns sitzen 20 Experten in der Fraktion, und das ist eine sehr gute Situation.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ui, ui!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem, was Frau Kollegin Habermann hier mit dem Hinweis vorgetragen hat, Herr Irmer hätte es sich vorher anhören sollen, kann ich nur sagen, nachdem ich ihr aufmerksam gelauscht habe: Das wäre nicht nötig gewesen. Sie haben nichts Neues gebracht, nichts, was nicht schon mehrfach von Ihnen so gesagt worden wäre, was dadurch aber nicht richtiger wird.

(Beifall bei der FDP)

Es war genau wie das,was Herr Wagner hier eingangs vorgetragen hat, schlichtweg überflüssig. Es war der Versuch, eine gute Reaktion einer guten Ministerin auf eine schwierige Situation schlechtzureden und zu skandalisieren.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD: Oh!)

Herr Kollege Wagner, zu spät gekommen sind Sie auch noch; denn die Aktuelle Stunde hatten wir schon selbst beantragt, bevor Sie überhaupt auf die Idee kamen, weil wir uns selbst um die Probleme kümmern.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Meine Damen und Herren, um auf das eigentliche Thema zu kommen: Ministerin Doris Henzler hat heute Morgen sehr genau erklärt, wie sie das Verfahren gemanagt hat. Ich kann nur sagen: Chapeau, das war eine gute Leistung, das ist fantastisch gelaufen, eindeutig richtig.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Super! Das machen wir nächstes Jahr wieder so!)

Herr Kollege Wagner, das hätten Sie gerne. – Das Entscheidende ist, dass die Ministerin – wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie es zur Kenntnis nehmen können – sehr genau dargelegt hat,wie man mit solchen Fehlern umgeht, wie man sie managt, um im nächsten Jahr eine bessere Situation zu haben. Das ist die richtige Botschaft.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Fehler, die offensichtlich auch ein Stück weit im System der Aufgabenstellung bedingt sind, werden abgestellt werden. Wir werden das bis zum nächsten Jahr erledigt haben. Wir werden es im Kulturpolitischen Ausschuss auch noch besprechen. Das Entscheidende ist, eine Diskussion auf Kosten der Schüler, wie Sie sie angezettelt haben, sollten wir uns ersparen.

Ich will es auf den sachlichen Punkt bringen. Es geht um eine zentrale Frage, auch beim Landesabitur: Das ist die Art unserer Schulpolitik in Hessen überhaupt.Wenigstens in dieser Feststellung sind wir uns vielleicht einig. Aber die Antwort darauf ist eine unterschiedliche, ob man hier auf den linken Teil des Hauses oder in die Reihen der Mehrheit schaut.

Meine Damen und Herren, wir sind dafür, dass es in Hessen eine Schulvielfalt gibt, dass es viele Angebote gibt, dass es viele Möglichkeiten gibt, zum Erfolg zu kommen, zum Abitur zu kommen. Dagegen verfolgen Sie die Me

thode der Gleichmacherei in der Einheitsschule, und das ist genau der falsche Weg.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD: Oh!)

Eine zentrale Frage in diesem Zusammenhang ist: Wenn ich viele Wege eröffnen will, die zum Ziel führen können, dann muss ich das Ziel klar definieren.Dann muss ich dieses Ziel nachprüfbar gestalten. Deswegen brauchen wir das Landesabitur. Deswegen brauchen wir klar definierte Standards, die landesweit nach einheitlichen Kriterien abgeprüft werden. Das ist die andere Seite der Schulvielfalt, dass wir klar definierte Bildungsstandards bekommen und am Ende eine klar überprüfbare Leistungskontrolle durchführen.

Meine Damen und Herren, hier wurden schon einige Presseverlautbarungen und Kommentare genannt. Ich will das nicht im Einzelnen weiterverfolgen. Ich kann nur sagen, es gibt sehr viele Betroffene, auch Journalisten, die Kinder im Abitur haben.Es gibt im Raume einige – ich gehöre auch dazu –, deren Kinder derzeit Abiturarbeiten schreiben. Die eigene Betroffenheit ein Stück weit wegzuschieben und sich der notwendigen Objektivität zu befleißigen ist nicht nur für Abgeordnete manchmal etwas schwierig.

Herr Kollege Wagner, die Bemerkung erlauben Sie mir hoffentlich: Ich finde es spannend, wenn ausgerechnet Sie – Ihre Vorgänger in der Partei haben sich im Kampf gegen die Springer-Presse und insbesondere einzelne Erzeugnisse immer hervorgetan – sich jetzt als Fan dieser Zeitung outen. Das ist bemerkenswert.

(Lachen bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will ein anderes,etwas unverdächtigeres Blatt zitieren, das „Darmstädter Echo“. Dort hat Jens Kleindienst vorgestern geschrieben – Sie sollten es sehr genau zur Kenntnis nehmen, wenn Sie es nicht schon im Pressespiegel gelesen haben –:

Die Landtagsopposition und die Lehrerverbände sollten sich gut überlegen,ob es der Sache dient,der Ministerin wegen der Abi-Panne am Zeug zu flicken.Als stichhaltiges Argument gegen das Zentralabitur taugen die Fehler jedenfalls nicht. Auch die Lehrer an den Schulen, die bis vor einigen Jahren für das Formulieren der Aufgaben zuständig waren, sind davor nicht gefeit.

Meine Damen und Herren, nehmen Sie es zur Kenntnis, verinnerlichen Sie es, werden Sie ruhiger, und dann wird es auch gut werden.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Meine Damen und Herren, es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist diese Aktuelle Stunde geschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 57 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Rückzug der Polizei aus der Fläche stoppen) – Drucks. 18/286 –

Anschließend wird über Tagesordnungspunkt 30, Entschließungsantrag der Abg. Faeser, Franz, Quanz, Rudolph (SPD) und Fraktion betreffend Stopp des Rückzugs der Polizei aus der Fläche, Drucks. 18/251, und über

Tagesordnungspunkt 70, Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Polizeipräsenz in Hessen, Drucks. 18/299, abgestimmt.

Die Redezeit beträgt fünf Fraktionen je Fraktion, und es beginnt Frau Kollegin Nancy Faeser, SPD-Fraktion.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Können wir den Innenminister bei der Debatte haben? – Günter Rudolph (SPD):Können wir den Innenminister holen oder den Staatssekretär?)

Ich hole ihn nicht.

(Heiterkeit – Günter Rudolph (SPD): Es ist egal, wer ihn holt! – Nancy Faeser (SPD): Es wäre gut, wenn der Innenminister hier wäre!)

Es ist alles gut, was meine Zustimmung trifft. – Ich bitte, sich darum zu kümmern, dass der Innenminister zu diesem Thema zu uns kommt.