Protocol of the Session on April 2, 2009

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Und so wundert es auch nicht, dass die „Bild“-Zeitung vom 30.03., die mit Ihnen ein Interview darüber geführt hat, welche Konsequenzen Sie ziehen wollen, schreibt – ich zitiere –:

Einen solchen Interviewpartner hatte ich in 35 Jahren als Journalist noch nie. Hessens Kultusministerin, Dorothea Henzler, weiß einen Tag nach der Blamage beim Abi nichts. Kaum eine Antwort auf konkrete Fragen.

Auch das kennen wir. Das kennzeichnete die Amtszeit von Karin Wolff.

(Florian Rentsch (FDP): Seit wann zitieren Sie die Springer-Presse?)

Sie sind offenkundig auf ihren Spuren, Frau Ministerin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich kann nur sagen,gerade weil Herr Banzer hier auch auf der Regierungsbank sitzt – ich hätte nie gedacht, dass ich es so früh sagen würde; ich hatte eigentlich gedacht, ich würde es auch nie sagen, aber ich bin mir sicher –: Dieses dilettantische Krisenmanagement wäre Herrn Banzer nicht passiert, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Frau Ministerin, die entscheidende Frage ist:Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dieser größtmöglichen Blamage der Bildungspolitik von CDU und FDP? Das wird es sein, woran wir Sie die nächsten Wochen und Monate messen werden. Welche Konsequenzen ziehen Sie? Sind Sie bereit, endlich den Zentralismuswahn, die Misstrauenskultur im Kultusministerium gegenüber den Schulen zu beenden? Das ist Ihre zentrale Aufgabe. Sie müssen unseren Schulen,den Schülern,Lehrern und Eltern endlich wieder vertrauen und etwas zutrauen. Sie müssen mit ihnen arbeiten und aufhören, aus dem Kultusministerium gegen unsere Schulen zu arbeiten. Das ist die zentrale Herausforderung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Frau Ministerin, Sie sollen eine weitere Bewährungschance haben.

(Lachen bei der CDU – Anhaltende Zurufe von der FDP)

Nein, Sie sollen sie haben. Ich habe gesagt, die erste Bewährungsprobe ist nicht bestanden. Frau Henzler, aber auch Sie sollen Ihre 100 Tage haben.

(Anhaltende Unruhe bei der CDU und der FDP)

Aber Sie müssen unter Beweis stellen, dass Sie dem Kultusministerium nicht nur einen gelben Anstrich geben, sondern dass Sie es von Grund auf renovieren wollen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Cárdenas für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wie uns die Landesschülervertretung mitteilt, betrachtet sie das Verhalten von Frau Ministerin Henzler

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Haben Sie gelegentlich auch eine eigene Meinung?)

bezüglich der fehlerhaften Mathe-Prüfungen im Landesabitur vom letzten Freitag erst einmal als „großen Erfolg“. Ich zitiere:

Jeder Schüler und jede Schülerin darf nun die Prüfung wiederholen, Benachteiligungen sollen ausgeschlossen werden – und selbstverständlich ist die Regierung hinterher, derlei für die Zukunft verbindlich auszuschließen.

Was bleibt, ist unter anderem ein äußerst übler Nachgeschmack, insbesondere bei den betroffenen Schülerinnen und Schülern,die nun in einem ungeheuren Kraftaufwand derlei existenzielle Prüfung erneut ablegen müssen, überdies aber auch und vor allem Kritik, die weit über diesen „Mathe-Fehler“ hinausreicht. Ich halte es für notwendig, dass wir uns den Problemen vor allem aus Sicht der Schülerinnen und Schüler zuwenden, und werde daher aus der Fülle der E-Mails von Schülerinnen und Schülern der Landesschülervertretung, die uns dieser Tage erreichen, zitieren:

Es ist wichtig, einen Konsens über die Prüfungsanfangszeiten zu finden.Teilweise haben Schüler während der Lesephase bereits zu schreiben beginnen dürfen – andere durften dies nicht.

Das ist ein Problem.Wie werden Sie sich hierzu verhalten, Frau Henzler? – Nun zum nächsten Zitat:

Hallo! Am 24.03.2009 habe ich das Physikabitur

es geht nämlich auch um das Physik-, nicht nur um das Mathe-Abitur –

im Leistungskurs geschrieben. Leider waren Fehler enthalten. Auch die Korrektur des Kultusministeriums war fehlerhaft bzw. nicht eindeutig zuordenbar: In der E-Mail war sowohl von Grundkurs als auch Leistungskurs die Rede, die Änderung bezog sich aber nur auf den Leistungskurs. Des Weiteren war in zwei Vorschlägen dasselbe Thema enthalten, sodass es keine Auswahlmöglichkeit mehr gab. Auch enthielt eine Aufgabe Teile, die nicht in den Handreichungen des Kultusministeriums zu finden waren, die also offiziell gar nicht abiturrelevant hät

ten sein dürfen. Da es nur wenige Schüler/-innen in Hessen gibt, die Physik geschrieben haben bzw. Physik-Leistungskurs haben, bitte ich daher um besondere Aufmerksamkeit, da wir allein nichts erreichen können. Mein Ziel ist es, das Physikabitur wiederholen zu dürfen, so wie es auch den Mathematikkursen erlaubt wurde, wobei bei Physik die Fehler/Korrekturen viel schwerwiegender waren.

Wie kommt es, Frau Henzler, dass von diesen Problemen in der Öffentlichkeit noch nichts zu hören ist und anscheinend niemand vom Kultusministerium sich diesbezüglich um eine Lösung für das Problem bemüht?

Von ähnlichen Erfahrungen berichten Dutzende Schülerinnen und Schüler. Einige Beispiele:

Ich habe gestern Mathe-Abi im Grundkurs geschrieben. Wir hatten alle katastrophale Resonanzen, nicht nur wegen der Fehler, sondern auch, weil das Niveau einfach unlösbar war – das geben auch die Lehrer zu!

Nächstes Zitat:

Das Niveau vom 27.03.2009 war ja nicht mit dem Niveau der letzten beiden Jahre zu vergleichen. Auch die Aufgabenmenge war vollkommen übertrieben!

Oder, wie die Schülervertretung der Liebigschule aus Frankfurt in einem offenen Brief an die Kultusministerin schreibt:

(Leif Blum (FDP): Sagen Sie noch etwas Eigenes oder nur eine Zitatensammlung?)

Ich habe sieben Minuten lang Zeit. Ich werde schon noch etwas dazu sagen.

Auch... war der Schwierigkeitsgrad im Vergleich zu früheren Prüfungen deutlich höher einzuordnen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Das regt Sie schon auf, wenn man einmal das Volk zitiert! – Gegenruf des Abg. Leif Blum (FDP): Das ist schon tendenziös!)

Klar. – Frau Henzler, ist es nötig, Kinder und Jugendliche in Prüfungen zu demütigen, vor allem angesichts der zunehmenden Zahl seelischer Erkrankungen bei Schülerinnen und Schülern und solch schrecklicher Vorkommnisse wie Amokläufen an unseren Schulen, über die wir hier auch noch sprechen werden? Die Landesschülervertretung hat insgesamt folgende Einschätzung:

Unserer Meinung

der können wir uns anschließen, das ist auch meine Meinung dazu –

(Hans-Jürgen Irmer (CDU):Ach ja!)

und unseren Beobachtungen nach verschlechtert sich die Unterrichtsqualität an unseren Schulen durch das Zentralabitur,

(Beifall bei der LINKEN)

weil das ganze letzte Jahr nur noch mittels dumpfen Frontalunterrichts auf Prüfungserfolge hin gelernt wird. Die Schüler lernen nur noch auf die Prüfung und nicht mehr für das Leben.

An den Schulen ist diesbezüglich bereits das Wort – Sie wissen es bereits – des „Bulimielernens“ geprägt und in Umlauf.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Meine Güte!)

Frau Ministerin Henzler, haben Sie schon einmal darüber nachgedacht,was hieraus wird,wenn man G 8 und den damit verbundenen inhumanen Leistungsdruck noch „hinzuaddiert“?

(Florian Rentsch (FDP): „Inhuman“, oh!)