Es ist vorgeschlagen,die beiden Anträge – den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Sicherstellung der ambulanten Versorgung in Hessen, Drucks. 18/261, sowie den Dringlichen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Patienten in den Mittelpunkt, Drucks. 18/308 – an den Sozialpolitischen Ausschuss zu überweisen. – Wir verfahren so.
Jetzt ein kurzer Blick auf die Geschäftsführer: Was machen wir mit dem Abgeordnetengesetz? – Das machen wir nach der Mittagspause. Wir treten jetzt also in die Mittagspause ein und unterbrechen die Sitzung
Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend die öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen Thüringen, Hessen und der K+S Kali GmbH – Drucks. 18/163 –
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend öffentlich-rechtlicher Vertrag der Länder Hessen und Thüringen mit der K+S AG – Drucks. 18/208 –
Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend nachhaltige Kaliproduktion – Drucks. 18/256 –
Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend nachhaltige Industriepolitik in Hessen umsetzen: Sicherung von Arbeitsplätzen im Kalibergbau und Verringerung der Salzbelastung von Werra und Weser – Drucks. 18/310 –
Das Wort wird von Frau Schott,Fraktion DIE LINKE,gewünscht. Bitte, Sie haben das Wort. Die Redezeit beträgt zehn Minuten.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie alle Platz zu nehmen und den Geräuschspiegel herunterzufahren, damit man der Rednerin und ihren Ausführungen folgen kann.
Die Herren Geschäftsführer haben, nachdem Sie die Mittagspause jetzt genossen haben,ein bisschen mit darauf zu achten, dass hier Ruhe einkehrt. – Frau Schott, Sie haben das Wort für zehn Minuten.
Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ein Minister am letzten Tag seiner Amtszeit unter weitestgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit, und ohne das Parlament zu informieren – ich vergaß, zu dem Zeitpunkt hatten wir gerade kein Parlament –, eine derart wichtige und langfristig bindende Vereinbarung wie die zwischen dem Düngemittelhersteller Kali + Salz, dem Land Hessen und dem Freistaat Thüringen unterzeichnet, dann muss für Mensch und Umwelt unmittelbar Gefahr in Verzug sein. Die ist selbstverständlich abzuwehren.
So ist es am 4.Februar geschehen,wenige Stunden vor der Konstituierung des neuen Landtags. Das Gefahrenmoment, das eine solche Aktion rechtfertigen würde, hat sich mir aber bis dato nicht erschlossen. Ich kann nicht erkennen,dass ein besonderer Zeitdruck gegeben war;denn der Parlamentsbeschluss, eine Vereinbarung mit Kali + Salz über die Reduktion der Umweltbelastungen zu treffen, stammt aus dem Sommer 2007.
Es wäre die Pflicht des Ministers und nicht mehr als guter demokratischer Stil gewesen, das Parlament von dieser Unterzeichnung umfassend zu informieren. Im vorliegenden Fall hätte er dieses Geschäft seiner Amtsnachfolgerin überlassen müssen.
Undemokratisch war dieses Vorgehen nicht nur wegen der mangelnden Parlamentsbeteiligung. Undemokratisch und geradezu arglistig ist das Zustandekommen dieser Vereinbarung auch mit Blick auf den extra für diese Fragen eingerichteten runden Tisch zum Gewässerschutz an Werra und Weser. Dieser wurde bei der Gestaltung dieser Vereinbarung nicht einbezogen,dient aber im Nachhinein als Legitimation für eine angemessene Beteiligung der Anrainer von Werra und Weser, der von dieser Entscheidung betroffenen Kommunen und der Umweltverbände.
Diese Vorgehensweise hat Vorbilder. Die Landesregierung etabliert runde Tische, um konfliktträchtige Situationen zu befrieden. Die Arbeitsergebnisse dieser runden Tische – manchmal auch „Mediation“ genannt – werden
Dass das so ist, konnten wir in der Fragestunde dieser Woche nochmals deutlich hören:Auf die Frage, welchen Einfluss dieser Anhang auf den Vertrag hat, haben wir von der amtierenden Umweltministerin keine Antwort bekommen.
Das ist die Art des Umgangs mit der Öffentlichkeitsbeteiligung, die genau zu der Politikverdrossenheit führt, die dann an anderer Stelle scheinheilig bedauert wird. Hier wird systematisch und – ich unterstelle – vorsätzlich
Bemerkenswert ist auch, dass der damalige Umweltminister in den letzten Stunden seiner Amtszeit kurzerhand das Ressort gewechselt hat und sich als Wirtschaftsminister betätigte. In der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung selbst wird weder über ein Ende noch über quantifizierende und qualifizierende Festlegungen für die Laugeneinleitung gesprochen. Klare Vereinbarungen zur Verringerung der Umweltbelastungen – eigentlich Aufgabe einer verantwortungsvollen Umweltpolitik – fehlen. Da ist die Rede von „Maßnahmen prüfen“, „Konzepte vorlegen“, „Gesamtstrategien erarbeiten“ usw. – Formulierungen mit dem juristischen Härtegrad eines Puddings.
Im Gegenzug wird Kali + Salz aber die Beibehaltung ihrer bisherigen Entsorgungspraxis zugestanden. Das ermöglicht diesem aufsteigenden DAX-Unternehmen größtmögliche Profite auf Kosten der Umwelt, der Kommunen und künftiger Generationen.
Meine Damen und Herren, die Rechtsabteilung dieses Unternehmens wird uns diese Zusagen entgegenhalten, wenn wir jenseits von Laugeneinleitung und Aufhaldung der Produktionsrückstände auf weiterführenden Maßnahmen zur Einhaltung der EG-Wasserrahmenrichtlinie und des Landtagsbeschlusses vom 2. Juli 2007 bestehen werden.
Diese öffentlich-rechtliche Vereinbarung ermöglicht Kali + Salz die Aufhaldung der Produktionsabfälle aus der Kaliförderung und Düngemittelherstellung sowie die Laugeneinleitung in die Werra für die nächsten 30 Jahre.
Bereits jetzt gibt es Abraumhalden mit Volumina, die 40mal größer sind als die Cheopspyramide. Durch die Ausschwemmung des Haldenmaterials werden aktuell die Oberflächengewässer belastet. Dies wird auch in den nächsten 1.000 Jahren geschehen – denn erst dann werden sie abgetragen sein.
Die entstehende Salzlauge muss aufgefangen und unschädlich entsorgt werden, um weiteren Schaden an Boden, Grundwasser und Oberflächengewässern zu verhindern. Die Entsorgung der Salzlauge durch Versenkung in den Plattendolomit hat ihr Potenzial bereits überschritten. Allein die Genehmigung dieses Entsorgungswegs ist schon ein Skandal.
Herr Fritsche vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie berichtete im Februar 2007 auf einer Anrainerkonferenz in Witzenhausen, dass die diffusen Salzeinträge in die Werra durch die Laugenversenkung verursacht werden.
Nach Schätzungen des HLUG gelangen ca. 30 % der versenkten Salzlauge wieder an die Oberfläche und damit in die Werra. Die Folgen sind bekannt: Grundwasserleiter sind gefährdet, Trinkwasserbrunnen mussten bereits geschlossen werden, Grünland und Ackerbau sind beeinträchtigt.Sicherlich wird sich das Parlament in absehbarer Zeit auch damit beschäftigen müssen, wer für die Kosten aus dieser Fehlplanung aufkommen muss. Der Ausbeutungshorizont der Salzlagerstätte durch Kali + Salz erstreckt sich über 30, maximal 50 Jahre. Das Gefährdungspotenzial durch die aufgeschütteten Produktionsrückstände erstreckt sich aber über mehr als 1.000 Jahre.
Meine Damen und Herren, das ist das Entsorgungskonzept von Kali + Salz.Während K+S seine Gewinne im Jahr 2008 fast versechsfacht hat, nebenbei noch einen milliardenschweren Konkurrenten in den USA aufkauft und für 2010 wieder realistische Chancen einer deutlichen Steigerung bei Umsätzen und Gewinnen sieht, sollen die Kosten für die Folgeprobleme der Produktion auf unabsehbare Zeit sozialisiert werden.
Mit der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung ist keine nachhaltige Kaliproduktion in Hessen und Thüringen möglich, wie die Fraktionen von CDU und FDP in ihrem Antrag beschließen lassen wollen,auch wenn sich hier der Nachhaltigkeitsbegriff nur auf die Produktion bezieht. Eine nachhaltige Verbesserung der Gewässerqualität oder gar eine nachhaltige Kaliproduktion im Sinne einer ökologischen, ressourcen- und umweltschonenden Produktion wird durch diese Vereinbarung geradezu verhindert.
Es ist ungeheuerlich, dass nicht nur nicht darüber nachgedacht wird, die Salzhalden unter Tage zu verbringen, sondern im Gegenteil von stabil nutzbaren Entsorgungswegen nach Beendigung des Kalibergbaus die Rede ist. Das heißt nichts anderes als die Verhinderung des Rückbaus der Salzhalden. Die Verbringung des Haldenmaterials könnte einerseits zur bergmännischen Sicherung unter Tage eingesetzt werden und andererseits die Ausschwemmungen über Tage beenden.
Dieses Konzept ist kein unmögliches Wunschdenken von Umweltidealisten, sondern wird an anderen Förderstätten und von anderen Firmen bereits angewandt.Wie Prof. Brinckmann, der Leiter des runden Tisches, vor dem Thüringer Landtag berichtete,ist der Maßnahmenkatalog von Kali + Salz zur Reduktion der Laugeneinleitung bei gegebener Produktion nicht ausreichend. Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen kann man die Salzbelastung der Werra nicht auf 400 bis 500 mg Chlorid pro Liter reduzieren.
Meine Damen und Herren, das ist die zu erreichende Zielgröße, wenn die Werra, wie im Landtagsbeschluss vom 2. Juli 2007 festgelegt, ab 2020 wieder zu einem naturnahen Gewässer werden soll. Es ist klar festzustellen, und da gibt es wenig Interpretationsspielraum, dass durch die in der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung über 30 Jahre festgeschriebene Entsorgungspraxis Kali + Salz faktisch nicht mehr an die in der EG-Wasserrahmenrichtlinie festgelegten Fristen zur Erreichung eines guten ökologischen Gewässerzustands gebunden ist. Damit wird Umweltrecht gebrochen.
Der Landtagsbeschluss vom 2. Juli 2007, sich die Werra ab 2020 wieder zu einem naturnahen Gewässer entwickeln zu lassen, kann mit der Akzeptanz der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung nicht erreicht werden – es sei denn, die Landesregierung argumentiert, dass die Zeitangabe „ab 2020“ die folgenden 1.000 Jahre mit einschließt. Die Landesregierung – nicht nur Kali + Salz – muss die Frage beantworten, wie mit dem vorgelegten Maßnahmenkatalog und dem in der Vereinbarung gebilligten Entsorgungspfad die Ziele der EG-Wasserrahmenrichtlinie und des Landtagsbeschlusses aus dem Jahre 2007 erreicht werden sollen. Es wird sich zeigen, ob Kali + Salz bereit sein wird, die Kosten der viel diskutierten Laugenpipeline zu übernehmen, die die Umweltproblematik auch nur an die Küste verlagert.
Bemerkenswert ist, dass allein die Einhaltung geltenden Rechts bereits helfen würde, die Umweltbelastung durch die Kaliförderung und Düngemittelherstellung entscheidend zu verringern. Die Landesregierungen von Thüringen und Hessen machen sich aber zu Erfüllungsgehilfen, die es Kali + Salz ermöglichen, Umweltgesetzgebung zu unterlaufen und Parlamentsbeschlüsse zu brechen. Es könnte sich zeigen, dass der ehemalige Umweltminister Dietzel auch den Beschäftigten bei Kali + Salz einen Bärendienst erwiesen hat.
Um es nochmals deutlich zu formulieren: Es geht hier um den Bruch von Gesetzen und Beschlüssen, um den Schutz der Umwelt und natürlicher Ressourcen. Es geht aber auch – das scheinen viele Verantwortliche überhaupt nicht im Blick zu haben – um hohe Folgekosten aus einer unverantwortlichen Produktion, die Vernichtung von Werten und Gefährdung der Existenzgrundlagen, nicht nur von Flussanrainern,sondern auch von Landwirten,bis hin zur Trinkwasserversorgung.