Protocol of the Session on June 7, 2011

700 Millionen € wurden an die Träger gezahlt. Natürlich habe ich Verständnis für Träger, die sich in ihrer Arbeit in Zukunft darauf ausrichten, dass sie sich natürlich auch selbst finanzieren wollen; aber Sie müssten mir doch eigentlich zustimmen, dass dieser Zustand, wenn man sich dies vorstellt, nicht weiter fortgeführt werden kann und nicht haltbar ist.

Es gibt einen Kritikpunkt der Maßnahmenträger, der sich in den vorliegenden Anträgen widerspiegelt, nämlich die Begrenzung der Fallpauschale im Bereich der Arbeitsgelegenheiten auf monatlich 150 €. Auch dazu gehört einmal zur Wahrheit gesagt, dass es im Hinblick auf die durchschnittlichen Fallpauschalen für Arbeitsgelegenheiten der gemeinsamen Einrichtungen eine Erhebung der Bundesagentur für Arbeit gibt und dass die Spanne von 0 bis 1.000 € reicht.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Hier müssen wir zum jetzigen Zeitpunkt wirklich davon ausgehen, dass eine Festschreibung der Fallpauschale keine Auswirkungen auf die Förderungen haben wird. Wir sollten nicht wie bisher relativ großzügig auf Ein-EuroJobs oder Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante zurückgreifen. Dass dies zurzeit in relativ großzügigem Umfang geschieht, sieht man daran – Herr Kollege Rock hat die Zahlen eben genannt –, dass bis zu 50 % der Mittel mancher Jobcenter durch diese beiden Varianten gebunden sind. Es kann nicht sein, dass 50 % der Arbeitslosen massivste Schwierigkeiten haben, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Hier sind die Instrumente falsch eingesetzt; hier wird zum Teil eine an den Bedürfnissen vorbeigehende Politik betrieben. Ich denke, dass es an dieser Stelle notwendig ist, sich auch damit auseinanderzusetzen.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Ja!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass auch die geäußerte Befürchtung, der Grundsatz des Förderns und Forderns würde mit der jetzigen Instrumentenreform auf der Strecke bleiben, nicht geteilt werden kann.

Insgesamt werden wir uns als Land Hessen mit eigenen Vorschlägen in das Gesetzgebungsverfahren einbringen. Wir haben als Hessisches Sozialministerium einen eigenständigen Vorschlag zur Instrumentenreform gemacht. Wir müssen an dieser Stelle konstatieren, dass dieser Vorschlag nicht die Zustimmung der Bundesregierung und des Bundesarbeitsministeriums bekommen hat. Damit konnten wir noch leben, weil wir das dann über ein Bundesratsverfahren einbringen können, aber leider waren wir in dem Länderkonzert ziemlich allein auf weiter Flur. Das ist sehr bedauerlich, aber es heißt auch, dass wir nicht locker lassen werden, im laufenden Gesetzgebungsverfahren für Positionen im Bereich der Instrumentenreform einzutreten, die in Zukunft eine zielgenauere, einfachere und auf regionaler Ebene zu verantwortende Arbeitsmarktpolitik möglich machen wird.

Deswegen werden wir in der Unterausschusssitzung versuchen, die für den Bereich der Instrumentenreform jetzt konstituiert ist und am 16. Juni zum ersten Mal tagen wird, uns mit den Ländern dahin gehend zu verständigen, zu dem entsprechenden Gesetzentwurf gemeinsam eine Stellungnahme abzugeben, der insbesondere eine Stärkung der Kompetenzen vor Ort vorsieht.

Meine Damen und Herren, ich will am Ende noch auf einen Punkt eingehen, weil es eben wieder Gegenstand einer Presseerklärung einer größeren Oppositionsfraktion

war. Herr Rock, da haben wir im Grundsatz wieder das, was die Fragestellung der sachgerechten Auseinandersetzung mit Arbeitsmarktpolitik in diesem Landtag und durch die veröffentlichte Meinung angeht: Das ist von einer sachgerechten und sachlichen Auseinandersetzung weit weg, weil unterstellt wird, die Landesregierung oder namentlich eine Bundesministerin oder ein Bundesminister sparten bei den Ärmsten der Armen.

Damit ist insbesondere zum Ausbildungsbudget zu kommen. Es ist eine Kürzung des Ausbildungsbudgets, und es ist gar keine Frage, dass sie auch der mittelfristigen Finanzplanung geschuldet ist.

Aber ich will an dieser Stelle schon einmal sagen: Wir haben insgesamt ein Mittelvolumen bei dem Ausbildungsund Arbeitsmarktbudget im Jahr 2011 von 19,3 Millionen €. Festzuhalten ist, dass das Sozialministerium damit für die Arbeitsmarkt- und Ausbildungsförderung noch über 30 Millionen € jährlich an Fördermitteln zur Verfügung hat und diese vergibt, und zwar für das Ausbildungsbudget, das Arbeitsmarktbudget, das Perspektivbudget sowie für die Abfinanzierung von Altprogrammen, von denen wir nicht sagen können, dass sie einfach aufhören.

Die strategische Neuausrichtung der Landesförderung auf regionalisierte Budgets in Verbindung mit dem Abschluss von Zielvereinbarungen ist trotz dieser Kürzung mit allen Kommunen und kommunalen Gebietskörperschaften erfolgreich umgesetzt worden. Da geht auch mein Dank an diejenigen, die vor Ort Arbeitsmarktpolitik betreiben. Sie haben sich auf diesen Prozess eingelassen, und sie haben es mit uns erfolgreich zu einer Zielvereinbarung gebracht.

Die Regionalisierung bringt den Kreisen und kreisfreien Städten neue Handlungsmöglichkeiten. Denn die Probleme am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt werden vor Ort am deutlichsten. Die Kreise und kreisfreien Städte sind durch ihre ganzheitliche kommunale Sichtweise besser darin, passgenaue Lösungen zu finden. Deswegen will ich das auch noch einmal in Zahlen deutlich machen. Im Rahmen des Ausbildungsbudgets können nach unseren Schätzungen noch immer über 464 Ausbildungen gefördert und 200 Plätze für die Ausbildungsvorbereitung finanziert werden. Es ist davon auszugehen, dass der anhaltende konjunkturelle Aufschwung sich auch weiterhin positiv auf den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt in Hessen auswirkt und wir insofern eine weiterhin aktive und erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik in Hessen betreiben können. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Grüttner. – Mir liegen keine Wortmeldungen vor.

Es ist vorgeschlagen, die beiden eben besprochenen Anträge zur weiteren Beratung an den Sozialpolitischen Ausschuss zu überweisen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Bevor wir in die Mittagspause eintreten, möchte ich noch darauf hinweisen, dass das Gespräch mit den Ausschussvorsitzenden zu EU-Angelegenheiten in einem anderen Sitzungsraum stattfindet als ursprünglich angegeben, nämlich im Sitzungsraum 510 W.

Ich unterbreche die Sitzung für die Mittagspause und wünsche Ihnen allen einen guten Appetit. Um 14 Uhr geht es weiter.

(Unterbrechung von 12:53 bis 14:02 Uhr)

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort, nachdem in der Mittagspause die Ausschussvorsitzenden und der Landtagspräsident sich auf ein Verfahren zum Umgang mit den EUFrühwarndokumenten geeinigt haben.

Wir steigen jetzt in die Tagesordnung ein. Tagesordnungspunkt 27:

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern neu regeln – das Kindeswohl stärken – Drucks. 18/3918 –

Es ist eine Redezeit von zehn Minuten vereinbart. Als Erster hat sich Kollege Müller für die FDP-Fraktion gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege Müller, Sie haben das Wort.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ja eine Riesenresonanz bei dem Setzpunkt!)

Ich würde eher bedauern, dass bei den GRÜNEN bei diesem Thema nur einer sitzt.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Drei!)

Frau Enslin steht.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe doch, dass sich gleich bei diesem doch sehr alten und viel diskutierten und auch sehr emotionalen Thema noch der eine oder andere Abgeordnete hier im Plenum einfinden wird.

Die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse in diesem Bereich zeigen besonders deutlich, was sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert hat. Ich will gleich sagen, dass ich mir wünsche, dass wir das Thema möglichst sachlich und ruhig diskutieren. Es ist ein sehr emotionales Thema. Es wird unter Juristen heute diskutiert. Von daher hoffe ich, dass wir in der Tat auch sehr sachlich und ruhig argumentieren können.

Wir vertreten damit weder die Väterseite, die sehr emotional argumentiert, noch die Mütterseite. Uns geht es einzig und allein darum, wie wir dem Wohl des Kindes dienen können und wie wir eine Lösung im Sinne des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts finden können. Ich glaube, wenn wir auf dieser Grundlage diskutieren, dann wird das sehr gut werden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will zu Beginn noch einmal einen kurzen Abriss der Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Sorgerecht geben.

Bis 1970 war der Vater eines unehelichen Kindes mit diesem nicht verwandt. Wenn er als Vater feststand, musste er lediglich Unterhalt zahlen. Die Mutter war allein zuständig. Sie hatte das Recht und die Pflicht, für das Kind zu

sorgen. Sie war aber auch nicht gesetzliche Vertreterin. Für das Kind wurde ein Vormund bestellt. Diese Regelung war meinetwegen zu Anfang des letzten Jahrhunderts noch gesellschaftlicher Konsens. Man muss sich anschauen, warum das der Fall war. Das war deswegen so, weil das uneheliche Kind keine Ansprüche und insbesondere keine Erbschaftsansprüche gegen den Vater haben sollte, wenn dieser sich unter Umständen mit dem Zimmermädchen aus dem Hause eingelassen hatte. Das mag vor 100 Jahren gesellschaftliche Realität gewesen sein. Heutzutage ist es das nicht mehr. Darauf müssen wir reagieren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Erst 1970 wurde auf Druck des Bundesverfassungsgerichts ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass sogenannte Nichtehelichengesetz, nach dem der Vater jetzt mit dem Kind verwandt sein sollte, aber noch immer hatte die Mutter nicht die elterliche Sorge, sondern es wurde ein Pfleger zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben bestellt. Es schockiert mich noch ein wenig mehr, dass das 1970 immer noch so war. Immerhin hatte jetzt der Vater erstmals das Recht zum persönlichen Umgang mit dem Kind. Umgekehrt hatte das Kind einen Erbersatzanspruch gegenüber dem Vater, aber eben auch nur einen Erbersatzanspruch.

1980 trat dann das Sorgerechtsänderungsgesetz in Kraft, das das Umgangsrecht des nicht ehelichen Vaters gestärkt hat. Aber immer noch konnte ein Umgang – wir reden hier nicht von Sorgerecht – gegen den Willen der Mutter nicht stattfinden.

Erst mit dem Kindschaftsreformgesetz aus dem Jahr 1998 – das war vor zwölf Jahren – wurde erstmals die Regelung getroffen, dass nicht miteinander verheiratete Eltern gemeinsam sorgeberechtigt werden konnten, wenn sie beide eine entsprechende Erklärung abgegeben haben. Das heißt, dass es erst seit zwölf Jahren überhaupt möglich ist, dass Vater und Mutter, die nicht verheiratet sind, ein gemeinsames Sorgerecht für das Kind haben können – und auch dann nur, wenn die Mutter damit einverstanden ist. Es gibt kein Klagerecht für den Vater, um sich ein gemeinsames Sorgerecht gerichtlich zu erstreiten.

Dann gab es noch weitere Diskussionen, ob und in welchem Umfang die Väter ausreichend an dem Sorgerecht beteiligt sind. Das Bundesverfassungsgericht hat 2003 gesagt, dass die Regelung grundsätzlich verfassungskonform ist, aber eben beobachtet werden muss, wie die Regelung tatsächlich umgesetzt wird.

Dann hatten wir 2009 die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der gesagt hat, die Regelung in § 1626a BGB ist nicht durch das Kindeswohl gerechtfertigt. Das Bundesverfassungsgericht hat 2010 dann ebenfalls festgestellt, dass Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes und auch Gründe des Kindeswohls die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfbarkeit erfordern.

Genau darum geht es jetzt für uns, nämlich eine Regelung zu finden, die diese rechtliche Überprüfbarkeit auch ermöglicht. Hier gibt es eine ganze Reihe von Varianten, die diskutiert werden. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass die veränderten gesellschaftlichen Einstellungen in unserer modernen Gesellschaft eben auch ihren Eingang in die rechtlichen Regelungen finden. Wir haben in unserer Gesellschaft immer mehr Lebensentwürfe – veränderte Lebensentwürfe gegenüber denen von vor 100 Jahren. Das kann man gut finden oder nicht. Aber es ist nicht zu leug

nen, dass es auch bei uns immer häufiger nicht eheliche Lebensgemeinschaften gibt, in denen auch Kinder auf die Welt gebracht werden. Wir halten es für wichtig, dass, wenn jeder seinen eigenen Lebensentwurf wählen kann – das ist für uns als Liberale selbstverständlich sehr wichtig –, man dann aber auch immer noch ein besonderes Augenmerk auf die Kinder legen muss. Denn sie müssen in jedem Fall immer die bestmöglichen Chancen erhalten, um ihren eigenen Lebensweg zu finden.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir sind gefordert, diese modernen gesellschaftlichen Rahmenbedingen auch auf rechtlicher Ebene umzusetzen. Es gibt verschiedene Ansätze, die vertreten werden. Die eine Variante sagt: Grundsätzlich ist das Sorgerecht bei der Mutter, und der Vater kann einen Antrag beim Familiengericht stellen. – Die andere Variante sagt: Grundsätzlich gibt es ein gemeinsames Sorgerecht, und die Mutter hat die Möglichkeit, unter Umständen zu widersprechen. – Es gibt eine ganze Reihe von Zwischenlösungen, die dann auch relativ kompliziert sein können. Danach hat die Mutter das Sorgerecht, der Vater kann einen Antrag auf das Sorgerecht stellen, dem die Mutter dann widersprechen kann, und daraufhin kann der Vater dann wiederum beim Familiengericht klagen.

Aus Sicht der FDP müssen wir eine Lösung finden, die möglichst einfach ist und die das Kindeswohl in den Mittelpunkt der Entscheidung stellt. Da hält es die FDP im Hinblick auf das Kindeswohl für das Beste, wenn beide Elternteile – gleich, ob sie verheiratet sind oder nicht – gemeinsam das Sorgerecht für das gemeinsame Kind ausüben.

(Beifall bei der FDP)

Dieses Grundverständnis soll unserer Auffassung nach eben auch die Grundlage einer Neuregelung des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern sein. Man kann entgegenhalten, dass die Mutter das alleinige Sorgerecht behalten soll, weil sie die meisten Lasten zu tragen hat: Die Geburt, die ersten Wochen und Monate, die in der Tat sehr schwierig sind. Das ist auch alles richtig. Aber ist es deswegen auch richtig, den Vater von vornherein aus seiner Verantwortung zu entlassen? Ist es richtig, vom Gesetz her zu sagen: „Vater, du hast keine Verantwortung für das Aufwachsen und die Erziehung des Kindes“? – So ist es bislang in § 1626a geregelt. Die Mutter hat die elterliche Sorgepflicht.

Wir glauben, dass grundsätzlich auch der Vater in die Pflicht zu nehmen ist und auch ihm das Recht einzuräumen ist, sich um sein Kind zu kümmern. Eigentlich kommt ihm diese Verantwortung auch nach dem Grundgesetz direkt zu. Nach Art. 6 Abs. 2 haben die Eltern das natürliche Recht und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht zur Pflege und Erziehung des Kindes. Abs. 5 regelt dann, dass den unehelichen Kindern „durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen“ sind wie den ehelichen Kindern.

Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass es für die Entwicklung eines Kindes das Beste ist, wenn es von Vater und Mutter erzogen aufwächst. Das setzt vom Grundsatz her voraus, dass auch bei Kindern nicht verheirateter Eltern das gemeinsame Sorgerecht beider Eltern gesetzlich begründet wird.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)