Sie sagen das immer irgendwie alles; aber es kommt darauf an, in welcher Reihenfolge, in welchem Kontext und in welchem Ton Sie es ausdrücken.
Die überwältigende Mehrheit der Muslime setzen Sie mit dieser Debatte unter einen andauernden Verteidigungsund Rechtfertigungszwang. Das haben Sie eben auch getan.
Sie werden für die Gedanken, Worte und Werke von Menschen mit verantwortlich gemacht, die sie nicht kennen und mit denen sie nichts gemeinsam haben außer dem Namen Muslim.
Da dies alles so ist, ist es nicht zulässig, die Bekämpfung des Islamismus in seiner extremistischen oder auch in seiner terroristischen Erscheinungsform den friedliebenden Muslimen als Aufgabe oder auch als Pflicht vor die Haustür zu legen. Es ist nicht zulässig, immer wieder eine Situation herbeizureden, in der die Muslime sowie ihre Organisationen und Verbände sich rechtfertigen müssen für oder distanzieren müssen von Dingen, mit denen sie nichts zu tun haben und auch nichts zu tun haben wollen.
Es ist nicht zulässig – ausgesprochen oder unausgesprochen –, die Integration auf die Frage des Verhältnisses von nicht deutschen Muslimen zu deutschen Nichtmuslimen oder überhaupt auf das Thema Islam zu reduzieren, wie es leider nach wie vor allzu häufig und eben auch in Ihrem Antrag geschieht. Es ist auch nicht zulässig, den Islam immer nur in seinen extremistisch verzerrten Formen zu betrachten und daraus resultierend die Integrationspolitik in den Dienst der Extremismusbekämpfung zu stellen.
Meine Damen und Herren, der Extremismus, auch der islamistische, entspringt aus mehr Wurzeln als aus denen, die mit einer vernünftigen Integrationspolitik zu bewältigen wären. Umgekehrt sind die Herausforderungen der Integrationspolitik vielfältiger und größer, als Sie es z. B. auch in diesem Antrag glauben machen.
Ich will ein anderes Beispiel heranziehen. Man hat oft gesagt, um Rechtsextremismus unter Jugendlichen zu bekämpfen, müsse die Jugendarbeitslosigkeit bekämpft werden, müssten mehr Angebote in der Jugendarbeit gemacht werden und anderes mehr. Ich habe dazu immer gesagt: Man muss Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen, weil man den Skandal der Jugendarbeitslosigkeit nicht hinnehmen darf. Man muss gute Angebote für Jugendarbeit machen, weil das für alle Jugendlichen gut ist, nicht nur für die rechtsextremistischen. Für die Integrationspolitik gilt mit veränderten Vorzeichen dasselbe. Man muss Integra
Wir haben in der Enquetekommission dieses Landtags gelernt, – Herr Kollege Bellino, auch als Sie noch Vorsitzender waren – dass es praktisch in allen Problemfeldern der Integrationspolitik in erster Linie die soziale Lage der Migrantinnen und Migranten ist, die für Benachteiligung und Probleme bei der erfolgreichen Integration verantwortlich ist. Wir haben gelernt, dass sich Menschen bei gleicher sozialer Lage mit und ohne Migrationshintergrund keinen Deut unterschiedlich verhalten und dass soziale Benachteiligung und nicht Religion, Kultur oder gar subjektive Verweigerungshaltungen die Hauptursachen für misslingende Integration sind. Diese Erkenntnis hat Konsequenzen für praktische Integrationspolitik, die in erster Linie eine gesamtgesellschaftliche Integrationspolitik sein muss.
Die Deutschen und die Nichtdeutschen und die Muslime und die Nichtmuslime haben in dieser Perspektive mehr gemeinsam, als man denkt. Zu einer guten und so verstandenen Integrationspolitik gehört eben auch eine vernünftige und realistische Islampolitik. Davon sind Sie, meine Damen und Herren, ausweislich des heute vorgelegten Antrags leider nach wie vor weit entfernt. Damit stellt sich die Frage, inwieweit der, der Teil des Problems ist, gleichzeitig Teil der Lösung sein kann.
Ein Faktor, der aus meiner Sicht das Entstehen einer verzerrten Version von Islam und islamistischem Extremismus begünstigt, mag eben auch sein, dass die Muslime in diesem Land spüren, dass sie und ihre Religion bei vielen nicht erwünscht sind und dass sie bestenfalls auf eine geduldete Randexistenz hoffen können. Das Zurückgewiesen-Fühlen, gepaart mit der realen sozialen Benachteiligung, mag zu Prozessen der Überidentifikation führen und zum Rückfall oder Vorfall in eine islamistische Haltung, die dem Zerrbild vom Islam, das die selbst ernannten Islamkritiker zeichnen, dann auf fatale Weise entspricht, etwa im Sinne einer Self-Fulfilling Prophecy.
Wer den einfachen Satz: „Der Islam gehört zu Deutschland“, verneint, leugnet oder bekämpft, muss sich nicht wundern, wenn Muslime daran zweifeln, ob sie tatsächlich dazugehören sollen und können, und der muss sich dann auch nicht wundern, wenn sich der eine oder andere am Ende auch so benimmt. Das ist und bleibt inakzeptabel, aber wirklich wundern muss man sich darüber dann auch nicht.
Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass Integration vor allem eine Frage der inneren Haltung ist. Sie ist auch in besonderer Weise eine Frage von Vertrauen. Vertrauen kann nur der erwecken und erwarten, der den Menschen selbst vertraut und ihnen nicht mit dem Misstrauen begegnet, dass sie vielleicht doch nur böse Unterwanderer oder Deutschlandabschaffer sind. Von einer solchen Haltung des Vertrauens sind Sie mit diesem Antrag weit entfernt, und das ist schade.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Integration fördern, Extremismus bekämpfen, Demokratie verteidigen und stärken ist der richtige Dreiklang, der aus meiner Sicht notwendig ist, um eine der großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Wir alle haben mitbekommen, und es ist von den Kollegen Bellino und Merz schon darauf hingewiesen worden, dass islamistische und fundamentalistische Gruppierungen in jüngster Zeit Zulauf erhalten haben, und das wurde alles durch den Auftritt der beiden fundamentalistischen Hassprediger Bilal Philips und Pierre Vogel vor einigen Wochen in Frankfurt verdeutlicht. Ich möchte aber auch erwähnen, dass wir aus diesem Auftritt und insbesondere durch die Art und Weise, wie damit umgegangen wurde, etwas Positives konstatieren können, nämlich dass unser Rechtsstaat, unser System, sehr gut funktioniert und für diese Herausforderungen sehr gut gewappnet ist.
Ich gebe zu, ich selbst habe mich darüber geärgert, als die Verbotsverfügung in letzter Sekunde vom VGH kassiert worden war. Ich fand es auch unerträglich, wie diese beiden Prediger dort aufgetreten sind. Aber im Nachhinein muss man doch sagen, dass es die richtige Entscheidung war, denn es ist immer besser, wenn solche Personen ihre Argumente und Thesen der Öffentlichkeit präsentieren können und auch der öffentlichen Debatte stellen müssen, damit wir sie im öffentlichen Raum diskutieren können, als wenn sich diese durch Verbote zu Märtyrern und Opfern staatlicher Stellen hochstilisieren können. Insofern war es im Nachhinein gut, dass der Auftritt hat stattfinden können, und es war auch gut und weitsichtig, dass die entsprechenden Auflagen gemacht wurden. So ist, denke ich, dem Rechtsfrieden im Nachhinein am besten gedient worden.
Herr Kollege Merz, ich denke, Sie haben in Ihrer Kritik an Herrn Bellino einen Punkt übersehen. Sie haben dem Kollegen Bellino eben vorgeworfen, dass er den Verbänden sozusagen das Problem des Islamismus und solcher Erscheinungen quasi vor die Haustür lege. Was Sie aber übersehen haben, ist, dass gerade in Frankfurt einige Moscheevereine selbst auf die Idee gekommen sind, sich von solchen Organisationen, von solchen Predigern zu distanzieren. Das ist auch etwas Positives, was Sie aus der Debatte ziehen können, dass sie sich mittlerweile in unserer Gesellschaft, im Konsens der Demokraten, schon so verankert sehen, dass sie auf die Idee kommen
Deswegen ist es auch überhaupt nicht nötig, denen irgendetwas vor die Tür zu legen. Es ist doch etwas Positives, dass sie sich gemeinsam, im Konsens der Demokraten, davon distanzieren. Das ist ein gutes und positives Erscheinungsbild.
Zum Thema „Extremismus bekämpfen“. Bei aller Toleranz muss Extremismus natürlich auch bekämpft werden. Es darf gegenüber der Intoleranz keine Toleranz geben. Das muss man auch ganz klar sagen.
Insofern kann ich das, was der Kollege Bellino eben gesagt hat, voll und ganz unterschreiben. Ich dachte eigentlich auch, dass es hier keinen Dissens zwischen den Fraktionen unseres Hauses geben könnte. Diejenigen, die unsere Demokratie bekämpfen, müssen auch mit einer harten Gegenwehr rechnen, und es ist gut, dass die Landesregierung mit dem Verfassungsschutz und der Polizei so entschieden gegen Terroristen und Gewalttäter vorgeht.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Punkt „Integration fördern“. Als weiteren Punkt müssen wir natürlich gleichzeitig den Menschen das Gefühl geben, dass diese, unsere offene Gesellschaft allen Menschen unabhängig vom Ansehen der Person oder der Herkunft eine Heimat bietet. Deswegen haben wir als FDP schon im vergangenen Landtagswahlkampf so einen großen Schwerpunkt auf das Thema Integration gelegt, und deswegen ist die Integrationspolitik auch eines der zentralen Politikfelder dieser Landesregierung unter Volker Bouffier und JörgUwe Hahn.
Maßnahmen, die den Bildungsbereich berühren, wie etwa bessere Sprachförderung und bessere Integration in den Arbeitsmarkt, helfen, dass sich die Menschen besser in der Gesellschaft zurechtfinden und hier ein glückliches und selbstbestimmtes Leben führen können. Das sollte im Interesse fast aller Menschen sein, unabhängig von der Herkunft und der Religion, wie Sie es, Herr Kollege Merz, zu Recht ausgeführt haben. Insofern ist das doch eine richtige Maßnahme und ein entscheidender Baustein der Prävention.
Auch die Einführung des islamischen Religionsunterrichts ist von immanenter Bedeutung, da es notwendig ist, dass die Kinder unserer Gesellschaft eben nicht von Leuten wie Herrn Vogel oder Herrn Philips über den Islam unterrichtet werden, sondern von richtigen Lehrern auf dem Boden unseres Grundgesetzes.
Herr Kollege Merz, ich muss jetzt noch einmal auf Sie eingehen, wenn Sie sagen, dass Islamismus und Extremismus immer in einen Topf geworfen werden. Natürlich gehört das zusammen und dient der Prävention, wenn Kinder in der Schule den richtigen Islam lernen und eben nicht darauf angewiesen sind, den Islam von solchen Extremisten beigebracht zu bekommen. Insofern kann man das natürlich auch verbinden, und es ist auch als Baustein der Extremismusprävention notwendig, einen solchen islamischen Religionsunterricht anzubieten. Darauf hat Herr Kollege Bellino vollkommen zu Recht hingewiesen.
Klar gibt es Unterschiede, aber Sie müssen sich in der Debatte auch davon lösen, nur die Dinge zu hören, die Sie hören wollen. Herr Kollege Bellino hat natürlich darauf hingewiesen, dass die überwältigende Mehrheit der Muslime in unserem Land friedlich ist. Ich denke, auch das ist ein Punkt, auf den wir uns alle verständigen können. Herr Merz, man sollte da den Kollegen, auch wenn man an dem
einen oder anderen Punkt vielleicht anderer Auffassung ist, nicht Sachen in den Mund legen, die sie nicht gesagt haben.
Ich komme zum Punkt „Demokratie verteidigen und stärken“. Dabei möchte ich besonders auf einen Punkt hinweisen. Sie hatten auch gesagt, wir sollten einmal konkrete Umstände und Gemeinsamkeiten benennen. Ich möchte insbesondere auf den Punkt der Jugendlichen hinweisen. Islamisten rekrutieren ihren Nachwuchs natürlich vor allem bei Jugendlichen. Das Jugendalter – wir können uns selbst noch alle daran erinnern, bei den einen ist es länger her, bei den anderen nicht so lange – ist natürlich auch eine Phase, wo man sich das erste Mal für Nachrichten und politische Vorgänge interessiert und wo man so eine Art politisches Erweckungserlebnis hat. Man beginnt, sich für Politik zu interessieren. Vielleicht geht der eine oder andere auch in eine politische Jugendorganisation oder fängt an, sich in einem Verein zu engagieren.
Natürlich ist das auch die Zeit, in der man mit hergebrachten Konventionen brechen möchte. Man möchte sich selbst finden und seinem Leben einen Sinn geben. Man sucht nach seinem Platz in der Gesellschaft. Deshalb ist es natürlich so, dass gerade Jugendliche in diesem Alter des Suchens besonders anfällig für Menschen sind, die ihnen falsche Vorbilder sein können, seien dies Islamisten, Rechtsextreme oder Linksextreme.
Das wird auch deutlich, wenn man sich den Werdegang einiger derjenigen anschaut, die im Zuge der Vorbereitung der Anschläge verhaftet wurden. Ich denke z. B. an einige der sogenannten Sauerland-Attentäter. Das waren islamistisch motivierte Attentäter. Da waren natürlich nicht nur Männer mit muslimischem Hintergrund im weitesten Sinne dabei, deren Eltern vielleicht aus Marokko, Pakistan oder sonst wo herkamen. Vielmehr waren da auch Leute dabei, die aus einem – ich sage es einmal so – autochthon deutschen Elternhaus gekommen sind und von ihrer Prägung her eigentlich mit dem Islam und dem Islamismus im weitesten Sinne überhaupt nichts zu tun hatten.
Bei diesen Männern und Jugendlichen habe ich immer den Eindruck, dass es eigentlich nur Zufälligkeiten und der Freundeskreis sind, von dem es abhängt, ob sie dem Islamismus, dem Rechtsextremismus oder den Neokommunisten anheimfallen. Das sind Zufälligkeiten. Das ist etwas, was wir genereller diskutieren müssen. Das ist also auch eine Frage der Jugendpolitik insgesamt.