Protocol of the Session on June 8, 2011

Wenn Sie das alles summieren, Herr Innenminister, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn die Beamtinnen und Beamten den Eindruck haben: Der Dienstherr, also Sie, nimmt es mit dem Alimentationsprinzip nicht ernst. – Die Beamtinnen und Beamten sind keine Verfügungsmasse des Haushalts. Daher müssen Sie dafür sorgen, dass der Staat seine Mitarbeiter ordentlich entlohnen kann. Sie müssen auch dafür sorgen, dass der Staat handlungsfähig ist, beispielsweise über entsprechende Staatseinnahmen. Der Hinweis auf die Schuldenbremse und Ähnliches schlägt an dieser Stelle fehl.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Kollege Bauer, was Sie hier für CDU und FDP vorlegen, ist nicht in Ordnung. Es ist ein erneutes Sonderopfer. Sechs bzw. sieben Monate wird die Besoldungserhöhung ausgesetzt. Die Einmalzahlung fällt weg. Damit bekommen die Beamtinnen und Beamten für das Jahr 2011 eine Besoldungserhöhung von vielleicht 0,7 % – wahrlich eine Riesenzahl.

Meine Damen und Herren, Sie merken das auch an der Kritik. Das kann man ignorieren. Ich will aber sagen, Herr Spieß vom Beamtenbund hat sich mit seiner Pressemeldung vergriffen, indem er die Abgeordneten wegen der Diätenerhöhung angegriffen hat. Die Position der SPD ist stringent, und zwar von Anfang an. Wir haben seit Wochen gefordert, die Tariferhöhung umzusetzen. Das kann man nicht miteinander vergleichen. Ich kann den Ärger von

Herrn Spieß über diese Landesregierung verstehen, dass Sie die Beamten erneut benachteiligen, das andere nicht.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Herr Kollege Rudolph, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Wir werden deswegen dem Änderungsantrag der LINKEN, die Tariferhöhung auch für die Beamten umzusetzen, zustimmen. Das ist sachgerecht, und was sachgerecht ist, findet unsere Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Mi- nisters Boris Rhein)

Vielen Dank, Herr Kollege Rudolph. – Herr Kollege Rudolph, Sie haben gerade in Ihrer Rede darauf hingewiesen: Ich habe vergessen, den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE mit aufzurufen. Aber selbstverständlich ist er in der Debatte schon beinhaltet gewesen. Ich rufe ihn der Form halber hiermit für diese Debatte auf.

Passend dazu hat jetzt Herr Kollege Schaus für die Fraktion DIE LINKE Gelegenheit, seinen Redebeitrag zu bringen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits in der letzten Plenarsitzung habe ich es gesagt: Wir hören in jeder Landtagssitzung das Lob und den Dank an die Beschäftigten verschiedener Landesbehörden. Aber immer dann, wenn es darauf ankommt, wird klar, welche Politik diese Landesregierung macht.

Da gaukelt Innenminister Rhein noch vor Wochen der Öffentlichkeit vor, das Tarifergebnis für die hessischen Landesbeschäftigen würde 1 : 1 auf die Beamtinnen und Beamten übertragen, und dann stellen wir im Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen schnell fest, dass dies überhaupt nicht stimmt.

(Alexander Bauer (CDU): Im prozentualen Bereich! Genau zitieren!)

Herr Bauer, genau darauf habe ich gewartet. Die prozentuale Erhöhung werde 1 : 1 übernommen.

(Alexander Bauer (CDU): Das ist korrekt!)

Das stimmt doch nicht. Die 1:1-Übernahme einer prozentualen Erhöhung beinhaltet die zeitgleiche Übernahme. Das können Sie und auch Sie, Herr Minister, nicht wegdiskutieren.

Ich will es Ihnen einmal vorrechnen. Herr Rudolph hat schon darauf hingewiesen: Wenn Sie für vier Monate in diesem Jahr um 1,5 % erhöhen, dann sind das acht Nullmonate. Dann ist das von 1,5 % sozusagen ein Drittel. Das sind 0,5 % Erhöhung, auf das Jahr gerechnet, nicht mehr und nicht weniger. Das ist nicht 1 : 1, Herr Bauer und Herr Minister, das ist das Gegenteil davon. Das ist fast nichts für dieses Jahr.

Im Tarifvertrag ist auch geregelt, dass die Tarifbeschäftigten eine Einmalzahlung von 360 € in diesem Jahr erhalten. Die Beamten erhalten nichts. Im Tarifvertrag ist geregelt, dass die Auszubildenden eine Einmalzahlung von 120 € erhalten. Die Beamtenanwärter erhalten nichts.

Im Tarifvertrag – das ist schon angesprochen worden – ist wiederum geregelt, dass die Beschäftigten im Jahr 2011 eine Erhöhung von 1,5 % ab dem 1. April erhalten. Die Beamten erhalten bis September 2011, wie schon erwähnt, nichts, und das sind sechs Nullmonate im Vergleich. Für nächstes Jahr ist im Tarifvertrag eine Erhöhung von 2,6 % ab März 2012 geregelt. Die Beamten erhalten bis September 2012 nichts. Das sind weitere sieben NullMonate.

Eines setzt dem Ganzen die Krone auf; auch das ist noch zu erwähnen. Die Sonderzahlung für die Versorgungsempfänger – erst ab dem 1. Oktober 2012, auch das wird hier verschwiegen – wird um 1,51 Prozentpunkte gesenkt. Das betrifft die erwähnten 60.000 Versorgungsempfänger; sie erhalten eine Absenkung.

Das ist das kleine Einmaleins der CDU und der FDP, aber eben keine 1:1-Übertragung, obwohl es so dargestellt wird. Das ist vielmehr ein Sonderopfer aller hessischen Beamtinnen und Beamten zur Haushaltskonsolidierung. Das steht ja auch ganz klar in Ihrer Begründung.

Die Gewerkschaft der Polizei hat den Einkommensverlust für jede Polizeibeamtin und jeden Polizeibeamten auf insgesamt 1.500 € beziffert. Sie geht sogar noch weiter und spricht bei einem Vergleich der Erhöhungen im tariflichen Bereich und in der Beamtenbesoldung von einem Einkommensverlust in den letzten acht Jahren, also seit 2003, von insgesamt 17 %. Das ist kein Pappenstiel, Herr Rhein. Dass Sie bei solchen Zahlen unruhig werden, kann ich durchaus verstehen.

(Minister Boris Rhein: Ich bin ganz ruhig!)

Die Gewerkschaft ver.di schreibt in ihrer jüngsten Info – ich zitiere –:

Die massive Abkopplung der Besoldungs- und Versorgungsentwicklung in Hessen von der vergleichbaren Tarifentwicklung ist nicht begründbar und auch nicht akzeptabel. Schon der Tarifabschluss kam auch unter Beachtung einer möglichen Übertragung seines Ergebnisses auf die Beamtinnen und Beamten zustande.

Das war nämlich der Diskussionsstand, auch bei den Tarifverhandlungen.

(Minister Boris Rhein: Das ist doch gar nicht mög- lich! Das wissen Sie doch selbst!)

Dies alles geschieht bei einer aktuellen Preissteigerungsrate von 2,4 %, was einen realen Einkommensrückgang für alle Betroffenen bedeutet. Sie von der Regierung sparen so bis Ende 2012 125 Millionen € bei den Beamtinnen und Beamten ein und geben faktisch nur die Hälfte des Tarifergebnisses weiter – also ein weiteres Sonderopfer der Beschäftigten im Landesdienst, das Sie offen mit der Schuldenbremse begründen.

Der Beamtenbund verweist zu Recht darauf, dass Hessen seinen Beamtinnen und Beamten die höchste Wochenarbeitszeit aller Bundesländer zumutet, nämlich 42 Stunden.

Herr Kollege Schaus, ich darf Sie bitten, zum Schluss Ihrer Rede zu kommen.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht – Kollege Rudolph hat darauf schon hingewiesen –, weil wir Ihnen das nicht einfach durchgehen lassen. Wir fordern eine zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses. Dieser Debatte müssen Sie sich im Anhörungsverfahren stellen; deshalb unser Änderungsantrag. Wir hoffen, dass Sie zu einem anderen Ergebnis als bisher kommen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Das Wort hat Herr Kollege Frömmrich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Vorsitzende, meine sehr geehrten Damen und Herren! Am Anfang der Debatte muss man festhalten, dass es durchaus erfreulich ist, dass auch die Beamtinnen und Beamten im nächsten und im übernächsten Jahr an der Einkommensentwicklung teilhaben sollen.

Wir haben hinsichtlich der Besoldung der Beamtinnen und Beamten immer die Auffassung vertreten, dass der Beamtenbereich dem Tarifbereich folgen sollte. Deswegen kann ich verstehen, dass es viele Aufgeregtheiten und auch viele E-Mails und Briefe von Gewerkschaftsvertreterinnen und -vertretern gibt, die uns erreichen, in denen bemängelt wird – da ist auch die Kritik anzusetzen –, dass Sie von etwas abweichen, was Sie versprochen haben. Der Innenminister hat nämlich öffentlich versprochen – ich zitiere aus der „Frankfurter Rundschau“ vom 18. Mai –, die prozentuale Erhöhung werde „1 : 1 an die Beamten weitergegeben“. Herr Innenminister, dieses Versprechen, das Sie öffentlich gegeben haben, halten Sie mit dem, was die CDU- und die FDP-Fraktion heute hier vorlegen, nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Zweitens. Der Fairness halber muss man auch sagen, Sie setzen die Erhöhungen nicht so um, wie sie im Tarifbereich vereinbart worden sind. Im Tarifbereich gibt es die Erhöhung ab April; im Beamtenbereich soll es sie ab Oktober 2011 geben, also um sechs Monate verschoben. Im Jahr 2012 soll die Erhöhung für die Beamten von März auf Oktober verschoben werden – also noch einmal sieben Monate, in denen die Erhöhung nicht weitergegeben wird.

Des Weiteren ist es so, dass die Einmalzahlung in Höhe von 360 € an die Beamtinnen und Beamten und von 120 € an die Anwärterinnen und Anwärter nicht weitergegeben wird.

Man kann sich relativ schnell erklären, warum Sie das tun. Der Kollege Bauer hat es ja gerade angesprochen. Das wird natürlich damit begründet, dass die Haushaltslage des Landes so ist, wie sie ist, und dass man als Gesetzge

ber darauf achten muss, einen Interessenausgleich herzustellen, und zwar zwischen den Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die natürlich in ordentlichem Umfang an der Einkommensentwicklung teilhaben sollen, und dem Interesse des Landes, den Landeshaushalt im Einklang zu halten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, warum machen Sie ein solches Modell, das Sie uns hier vorgelegt haben? Warum greifen Sie nicht zu einem intelligenteren Modell, wenn Sie schon dem Gedanken verhaftet sind, dass Sie in dem Bereich auch auf die Kostenseite schauen wollen? Herr Innenminister, ich glaube schon, dass es ein Unterschied ist, ob man einem Beschäftigten auf einer A-6-Stelle – das sind in der letzten Altersstufe 2.191 € – die Einmalzahlung von 360 € wegnimmt oder ob man Beamten in den Besoldungsgruppen B 1 bis B 11, also zwischen 5.300 und 11.300 €, 360 € wegnimmt. Da ist der Unterschied, und da ist die Gerechtigkeitslücke. Deswegen kritisieren wir das. Es ist ohne Sinn, was Sie hier gemacht haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es stellt sich auch die Frage, warum man die Einkommenserhöhung auch bei den unteren Besoldungsgruppen auf Oktober verschiebt und keinen früheren Zeitpunkt wählt. Der Kollege Rudolph hat sich gerade auf das Amt eines Justizwachtmeisters bezogen. Für jemanden, der in diesen Gehaltskategorien arbeitet, ist die Aussetzung einer Erhöhung um sechs Monate und das Wegfallen von 360 € wirklich ein elementares Problem. Für den ist das viel Geld. In der B-Besoldung kann man durchaus darauf verzichten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, es rächt sich hier auch ein bisschen, dass Sie in diesem Bereich in den letzten Jahren viel Stückwerk angerichtet haben und dass wir über mögliche Veränderungen im Beamtenbereich insgesamt bisher keine offenere und auch zielgerichtetere Debatte geführt haben. Die Vorschläge der Expertenkommission, die seinerzeit von Ministerpräsident Koch eingerichtet worden ist, liegen vor. Warum reden wir z. B. nicht darüber, den einfachen Dienst ganz wegfallen zu lassen? Denn das sind Gehaltskategorien, bei denen es schwierig ist, auf Erhöhungen und Einmalzahlungen zu verzichten. Es ist z. B. auch die Frage zu stellen, ob man Gehaltserhöhungen aus dem Tarifbereich für die kleinen Gehaltsgruppen zeitnah übernimmt, während man bei den höheren Gehaltsgruppen darüber nachdenken kann, das eine oder andere auszusetzen.

Ich glaube, dass wir – wir werden das in der Anhörung tun – in diesem Bereich einmal grundständiger über das Gehaltsgefüge und über die Bezahlung unserer Beamtinnen und Beamten reden müssen. Es geht nämlich nicht nur darum, Tariferhöhungen mitzunehmen. Ich glaube, wir müssen auch darüber nachdenken, wie wir den Bereich der Beschäftigten, die Beamtinnen und Beamte sind, zukunftssicher machen. Wir werden in Zukunft auf einem wachsenden Arbeitsmarkt um gute Kräfte ringen müssen. Das heißt, wir werden auch andere Lohn- und Einkommenshöhen anbieten müssen, damit wir die Leute überhaupt dazu bewegen, im öffentlichen Dienst zu arbeiten.

Herr Kollege Frömmrich, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Wir müssen in dem Bereich wirklich konkurrenzfähig werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin sehr gespannt auf die Anhörung. Ich glaube, dass man auch den Haushalt im Blick haben muss, wenn man solche Gesetze verabschiedet. Das muss man aber mit Sinn und Verstand, mit Augenmaß und so tun, dass keine Gerechtigkeitslücken entstehen, wie das bei Ihrer Regelung der Fall ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)