(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Herr Kollege Wagner, genau so ist es. Man kann sich da auskennen. Ich führe Sie gern einmal in die Gesundheitspolitik ein. Sie sind da sehr interessiert.
Wir können gerne einmal darüber diskutieren, wo die wahren Probleme liegen. Ich glaube, ein hauptsächliches Problem besteht darin, dass wir da viel Demotivation haben.
Zweitens. Frau Kollegin Fuhrmann, einmal abgesehen von der Tatsache, dass Sie mit Ihren Zwischenrufen die Debatte immer bereichern, muss es doch auf der anderen Seite darum gehen, ein bisschen – –
Ja, ansonsten nimmt an dieser Debatte kaum jemand von den Sozialdemokraten teil. Ich will Ihnen das nicht verübeln.
Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass wir das Instrumentarium nutzen, das wir zur Verfügung haben. Deshalb will ich eines noch einmal ausdrücklich sagen. Herr Kollege Bartelt hat das schon gesagt. Das, was Stefan Grüttner als Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz gemacht hat, stellt in der Debatte um die Frage, wie man die Gesundheitsversorgung richtig organisiert, einen beachtlichen Schritt dar. Deshalb ist das kein profanes Dankeschön an einen Minister, wie es Regierungsfraktionen ihrer Ansicht nach per se machen sollten. Vielmehr ist das ein ehrliches Dankeschön, weil er bei dieser Frage wirklich einen Meilenstein gesetzt hat.
(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Dr. Thomas Spies (SPD): Herr Rentsch, das ist ein bisschen arg!)
Nein, das ist nicht ein bisschen arg. Denn es war schon sehr schwierig, die verschiedenen Positionen, die es in den Bundesländern gibt, und auch die Strukturunterschiede zusammenzuführen.
Herr Kollege Spies, wenn bei meiner jetzt gehaltenen Rede sogar Frau Kollegin Schulz-Asche nickt, dann sollte man einfach einmal festhalten, dass ich vielleicht doch recht habe. Vielleicht ist es doch so, dass ich da nicht falsch liege.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU – Dr. Thomas Spies (SPD): Herr Rentsch, das mit der Einstimmigkeit stand schon im Jahr 2010 fest!)
Ich möchte jetzt auf die konkreten Probleme zu sprechen kommen. Damit komme ich wieder zur Ausgangsfrage zurück.
Es gibt heute eine Meldung vom Bundesverband der gesetzlichen Krankenkassen, die sagt, die potenziellen Mehrkosten in diesem Bereich werde sich dieses Land nicht leisten können. Ich sage: Wir können es uns nicht leisten, ländliche Strukturen und Gebiete nicht ärztlich versorgt zu halten. Darum muss es gehen.
Deshalb muss es oberstes Ziel sein – für den Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr genauso wie für den Vorsitzenden der Gesundheitsministerkonferenz Stefan Grüttner –, eine ärztliche Versorgung im ambulanten und stationären Bereich sicherzustellen, wo Menschen das Vertrauen haben, dass sie, wenn sie krank werden, die optimale Versorgung bekommen.
Ich möchte mit einem Umstand aufräumen, den Sie vorhin genannt haben, Kollege Spies. Ich habe – das gebe ich zu – meine Meinung beim Thema MVZ ein Stück geändert, weil ich schon glaube, dass es keinen Sinn macht, in einem ländlichen Gebiet – nehmen wir den Landkreis Werra-Meißner – ein Krankenhaus zu haben und es nicht für die ambulante Versorgung zu öffnen, wenn kein ambulanter Arzt da ist. Da sind wir uns einig.
Ich sage Ihnen auch, warum ich das anders gesehen habe: weil das, was Ulla Schmidt gemacht hat, darauf ausgelegt war, den freiberuflich niedergelassenen Arzt aus der Fläche zu verdrängen. Das will ich nicht; denn der freiberufliche Arzt haftet mit eigenem Geld, eigenem Vermögen, aber auch dem eigenen Namen – und günstiger werden Sie ein System nie organisieren können, wenn Sie den Staat dagegen stellen.
Trotzdem bin ich der Auffassung, dass wir dort auch innovative Modelle brauchen, völlig richtig. Es ist richtig und unbestritten so – auch Stefan Grüttner hat das gesagt –, dass wir eine Veränderung im Berufsbild der Ärzte haben: Mehr Frauen – –
Da gibt es gar keinen Dissens, ich will gerade darauf kommen, Frau Kollegin Schulz-Asche, dass wir dort natürlich auch andere Strukturen brauchen. – Da ist die Situation eines angestellten Arztes möglicherweise besser als die eines Freiberuflers, weil er über geregelte Arbeitszeiten verfügt und Teilzeit ermöglichen kann. Natürlich ist das für Frauen eine einfachere Möglichkeit – übrigens auch für Männer, die in dieser Frage familiäre Verantwortung übernehmen.
Deshalb: Ja, meine Damen und Herren, diese Strukturveränderungen sind richtig. Was ich aber nicht möchte – –
Herr Spies, ich würde nachher eine Kurzintervention vorschlagen, dann können wir die Debatte verlängern; die Kollegen sind begeistert von dem Thema.
Ich würde auf eine Sache hinweisen, vor der ich wirklich warne: Wenn man sagt, die stationäre darf sich der ambulanten Seite öffnen – ich glaube, da gibt es keinen Streit; bei der Frage des Umfangs werden wir streiten, aber bei der Grundsatzfrage gibt es keinen Streit –, dann geht es auf der anderen Seite nicht, dass sich der ambulante Bereich nicht dem stationären Bereich öffnen darf. Den ambulanten und stationären Bereich beiderseitig mehr zu verzahnen – –
Ja, Kollege Spies, aber auch aus den Krankenhäusern – glauben Sie mir: da bin ich, so wie Sie, einigermaßen drin – wissen wir beide, dass die Vorbehalte dort sehr strikt sind. Deshalb: Wenn es darum geht, beide Sektoren zu öffnen, müssen sich auch beide Sektoren öffnen. Das muss es sein.
Meine Damen und Herren, wenn wir über diese Probleme reden – und das kann das Versorgungsgesetz nur schwer lösen –, geht es auch darum, dass gleiche Leistung mit gleichem Geld belohnt wird. Was keinen Sinn macht, ist, dass ein Mediziner, der in Frankfurt, Oberursel, Bad Homburg oder Werra-Meißner niedergelassen ist, weniger Geld dafür bekommt, wenn er in Hessen einen Patienten behandelt, als ein Kollege, der in Hamburg oder Bremen arbeitet.
Ich will Ihnen das einmal an einem Beispiel erläutern: Wir haben im Gesundheitssystem noch unter Ihrer Verantwortung – Ulla Schmidt, Herr Kollege Spies – eingeführt, dass es einen Ausgleich im Gesundheitssystem gibt, der dafür Sorge trägt, dass die starken Bundesländer, in denen mehr Einnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung erwirtschaftet werden, quasi einen Ausgleich für die strukturschwachen Gebiete in der Bundesrepublik zahlen, den sogenannten Gesundheitsfonds. Ich sage Ihnen ganz offen: Ich halte diesen Gesundheitsfonds für den größten Blödsinn, den wir jemals eingeführt haben.
Er trägt nicht nur Sorge dafür, dass wir unglaubliche Verwaltungskosten haben. Die Schätzungen gehen davon aus, dass von jedem Euro, den ein Versicherter zahlt, 50 % in der Verwaltung versickern. Das ist das Hauptproblem unseres Gesundheitssystems: dass dieser Gesundheitsfonds neben dem Länderfinanzausgleich dafür Sorge trägt, dass er den Regionen in Deutschland, in denen Menschen mit besonderem Fleiß und besonderem Engagement zum Wohlstand einer Region beitragen, zusätzlich zum Länderfinanzausgleich – der uns nächstes Jahr ca. 2,5 Milliarden € kosten wird, um nur mal eine Summe zu nennen – und neben den Steuern, die die Menschen zahlen, quasi noch zusätzlich Geld aus Hessen abzieht und in andere Bereiche bringt. Ich muss sagen, das hat nichts mehr mit Solidarität zu tun. Es ist nicht fair, dass wir in diesem Bereich doppelt und dreifach bestraft werden.
Deshalb muss es eines der vordringlichsten Ziele sein, dass gleiche Leistung gleich belohnt wird; dabei bleibe ich. Ich weiß, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung das nicht gern hört, weil sie nicht weiß, wie sie diese Melange, die sie dort mit den unterschiedlichen Tarifen der Ostländer und der Flächenländer gestrickt hat, realisieren kann. Aber ich sage: Wenn das nicht passiert, wird es für Hessen in den nächsten Jahren nicht besser werden. Die Warnung, die wir als FDP damals vor diesem Gesundheitsfonds ausgegeben haben, hat sich in der Regel abso
lut bestätigt: Dieser Fonds sorgt dafür, dass nicht mehr, sondern weniger Ärzte nach Hessen kommen, weil die Menschen keine Lust haben, in Hessen weniger zu verdienen als in anderen Bundesländern.
Nein, Herr Lauterbach ist nicht mehr wichtig, ganz ehrlich. Der ist abgeschlossen, den haben wir für uns in die Mottenkiste verbannt. Bei Ihnen scheint er noch präsent zu sein, aber wir haben ihn jetzt abgelegt; wir tragen auch keine Gedächtnisfliegen mehr, um an Herrn Lauterbach zu erinnern.
Aber ein Problem, Kollege Spies, ist mit Sicherheit die Frage einer Gesellschaft, die sich verändert, was Demografie und Alter angeht.