Ich bin weit davon entfernt, das zu kritisieren. Wir haben damals gemeinsam gesagt, das sei unsere Zukunft.
Davon sollten wir jetzt nicht geschichtsklitternd weggehen. Wir wollen jetzt einen anderen Weg gehen, und wir werden keinen Zweifel daran lassen, dass wir diesen Weg gehen.
Ich habe es zigmal gesagt, und ich bleibe dabei: Wenn wir von Versorgungssicherheit reden, dann nicht in diesem etwas schlichten Beitrag von Frau Wissler, um es vorsichtig auszudrücken, sondern wir müssen, solange wir keine funktionsfähige Speichertechnik haben, eine Antwort darauf geben, was ist, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Bis heute gibt es diese Antwort nicht, und das bestreitet niemand ernsthaft.
Es ist doch klar, dass wir in den Parteien darum ringen, welcher Weg der sinnvollste ist. Wir ringen nicht um die Frage, wohin wir wollen. Das ist entschieden. Wir haben uns – ich sage es noch einmal – nahezu als Einzige auf der Welt entschieden, in Zukunft nicht auf Kernenergienutzung zu setzen. Darin sind wir uns einig. Ich bekenne ausdrücklich: Der Weg dorthin ist umstritten,
und das ist auch klug so, weil es zumindest für diejenigen, die die Weisheit nicht gepachtet haben, eine Menge Fragen gibt, die bis heute nicht beantwortet sind. Das wird am Schluss dazu führen, dass man abwägen muss, was größeres und was geringeres Gewicht hat. Dieser naive Glaube an die alternativen Energien
natürlich – muss nüchtern bewertet und umgesetzt werden, und es muss pragmatisch gefragt werden, wie es gehen kann. Deshalb hat diese Landesregierung schon in der Vergangenheit gesagt: Wir haben ein Ziel bis 2020, und das werden wir erreichen. Wir sind auf gutem Wege, und die dazugehörigen Ziele haben wir mehrfach vorgetragen. Aber solange wir die Speichertechniken nicht haben, können Sie sich nur auf Polemik zurückziehen. Sie werden in Berlin im Übrigen niemanden finden, der ernsthaft bezweifelt, dass wir schon heute jedenfalls nicht verantwortlich aus der Kernenergie aussteigen können.
Das bestreitet nicht einmal die Linksfraktion. In Berlin wollen Sie 2014 aussteigen, aber legen wir es einmal zur Seite. Die anderen sagen 2020 oder 2021. Das ist mir persönlich im Moment egal. Umgekehrt folgt daraus, dass alle, die mit dem Thema ernsthaft unterwegs sind, wissen, dass die Kernenergie als Brückentechnologie notwendig ist. Das sollten wir einmal festhalten.
Meine Damen und Herren, damit diskutieren wir über die Frage, wie lange diese Brücke genutzt werden muss. Ich akzeptiere hierbei ausdrücklich eine engagierte Diskussion über die Fragen: Wie lange macht man das? Was ist zuträglich?
An dieser Stelle fällt jetzt sozusagen alles darunter, wie die Frage nach der Versorgungssicherheit, der Bezahlbarkeit,
die Frage der intellektuellen Redlichkeit, worauf ich gleich noch einmal zurückkomme, und die Frage, wie wir unser hoffentlich gemeinsames Ziel erreichen, Deutschland als Wirtschaftsstandort nicht zu schwächen, sondern zu stärken.
Herr Ministerpräsident, Sekunde mal. – Diese Dialoge zwischen der Regierungsbank und dem Parlament unterbinde ich jetzt. Lassen Sie das bitte. – Herr Bouffier, Sie haben das Wort.
Wenn wir um diese Frage ringen, wie wir unseren Wohlstand und die Grundlage dafür erhalten, nämlich moderne und zukunftsfähige Arbeitsplätze, dann hätte ich gern eine Antwort auf die Frage, was wir mit der Strompreisentwicklung machen.
Ich habe das letzte Mal auf ein Beispiel hingewiesen. Wir sind stolz, dass wir in Wiesbaden das modernste Carbontechnikwerk der Welt haben. Das ist eine Zukunftstechnologie, um die uns alle Welt beneidet. Die brauchen rund um die Uhr ein hohes Maß an Energie. Für die sind die Energiekosten ein wichtiger Standortfaktor, und darauf kann man jetzt zwei Antworten geben. Man kann einerseits sagen: „Es ist uns egal“; man reduziert die Diskussion auf so Kinderkram nach dem Motto, die großen Vier müssten entmachtet werden. Das nützt bei dieser Frage nichts.
Ich möchte eine Antwort darauf haben, wie wir damit umgehen. Dazu gibt es auf dem Markt eine ganze Reihe von Antworten, übrigens auch von der Sozialdemokratischen Partei.
Dann höre ich von den einen: Natürlich dürfen wir die Arbeitsplätze in der Industrie nicht gefährden. Deshalb müssen wir die energieintensive Energie aus den hohen Kosten ausnehmen. – Wir müssen daher darüber reden, ob wir das wollen oder nicht. Das ist ein Zielkonflikt.
Deshalb mache ich jetzt einmal Folgendes, damit Sie sehen, dass sich die Debatte lohnt. Gelegentlich macht sie sogar Spaß.
Passen Sie einmal auf. Wie haben denn bisher z. B. die kommunalen Stadtwerke und Versorger ihre Preiskalkulation betrieben? – Das betrifft alle. Sie haben immer denjenigen, die am meisten verbraucht haben, die besten Tarife gegeben.
Warum haben sie das getan? – Sie taten es, weil es darum ging, hohe Erlöse zu erzielen. Das ist, betriebswirtschaftlich gesehen, nicht zu kritisieren.
Überhaupt keine Rolle spielt die Frage: Ist denn der maximale Verbrauch der Ressourcen eigentlich im Sinne der Nachhaltigkeit sinnvoll? – Diese Frage hat früher kein Mensch diskutiert. Diese Frage ist aber wichtig. Wenn Sie sie behandeln, kommen Sie zu einem anderen Ergebnis.
Dann müssen wir doch eine Frage gemeinsam erörtern und sie auch beantworten. Ich will diese Frage beantworten, aber möglichst mit Ihnen gemeinsam. Sie lautet: Ändern wir das? Gehen wir im Sinne der Marktwirtschaft so vor, dass derjenige, der am meisten verbraucht, auch am meisten bezahlen muss, um ihn damit zu zwingen, sich res
sourcenschonend zu verhalten? Er könnte dann z. B. Investitionen in möglichst wenig ressourcenverbrauchende Aggregate tätigen. Das wäre doch ein kluger Weg.
An dem Beispiel kann man doch etwas zeigen. Ich komme damit zurück zu der energieintensiven Industrie. Auf dem Markt der sozialdemokratischen Möglichkeiten finde ich z. B. die Forderung, die energieintensive Industrie müsse entlastet werden. Das kann man so sehen.
Auf dem gleichen Marktplatz finde ich die Forderung, die Mieter dürften auf keinen Fall belastet werden. Darf ich einmal fragen, wie Sie dieses Problem lösen wollen?