Protocol of the Session on May 17, 2011

Für fast 8 Millionen Beschäftigte würden die Einkommen um mehr als 26 Milliarden € steigen. Dies wäre auch ein deutlicher Beitrag zur Stärkung der privaten Binnennachfrage.

Meine Partei, DIE LINKE, rechnet es in unserem Steuerkonzept detailliert vor. 180 Milliarden € Mehreinnahmen sind möglich, wenn die großen Vermögen angemessen an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligt werden.

Dabei werden vor allem kleine und mittlere Einkommen entlastet, während Konzerne und Millionäre endlich wieder mehr zum Gemeinwohl beitragen würden. Wer nach unserem Konzept weniger als 6.000 € im Monat verdient, würde entlastet. Erst wer mehr verdient, müsste höhere Steuern als heute zahlen. Eine andere Politik ist also möglich.

(Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU))

Verehrte Damen und Herren, die Schuldenbremsen-Parteien versuchen, uns glauben zu machen, die Schuldenbremse sei eine finanztechnische Angelegenheit. Sie ist aber eine politische Angelegenheit von tief greifender Bedeutung, denn sie beschränkt die Souveränität von Parlamenten und Regierungen. Wo es eine Schuldenbremse gibt, können Parlamente und Regierungen nicht mehr souverän darüber entscheiden, welche politischen Vorhaben sie mit welchen Finanzmitteln in ihrer Politik erreichen wollen.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Sind die die Schuldenbeschleuniger?)

Wir sind die Einnahmeförderer des Staates, Herr Dr. Arnold. Das ist unsere Aufgabenstellung bei aller Wenigkeit.

(Beifall bei der LINKEN – Alexander Noll (FDP): Schuldenbeschleuniger sind Sie allein!)

Die Landesparlamente und Landesregierungen haben keinen Einfluss auf die Einnahmepolitik, und so hängen sie am Tropf der bundespolitischen Vorgaben. Wenn dort Steuergeschenke an die großen Unternehmen und die Inhaber großer Vermögen verteilt werden, haben die Landesregierungen, weil sie durch die Schuldenbremse gefesselt sind, keine Möglichkeit mehr, politisch gegenzusteuern.

Denkt man diese Situation konsequent zu Ende, kann man eigentlich auf Wahlen in den Ländern verzichten. Es genügen dann von der Bundesregierung eingesetzte Verwaltungen, die im zentral vorgegebenen Finanzrahmen agieren.

Wir brauchen keine Schuldenbremse, sondern wir brauchen eine Steuerpolitik, die die großen Unternehmen und die Inhaberinnen und Inhaber großer Vermögen endlich wieder angemessen an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligt.

Meine Damen und Herren, und das – ich wiederhole mich gerne – ist nicht nur eine finanztechnische Frage, auch nicht nur eine Frage der Vermögensverteilung, sondern eine Frage der Demokratie, eine Frage der Mitgestaltung der Gesellschaft. Das Geld gehört dort hin, wo die Menschen sind. Es gehört von oben nach unten umverteilt, um allen ein lebenswürdiges Dasein zu ermöglichen.

Die Schuldenbremse zementiert die Verhältnisse. Sie verhindert sozialen Fortschritt, und dies erst recht, wenn man – wie diese Landesregierung – Haushalte nur durch Kürzungen ausgleichen will. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr van Ooyen. – Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Milde zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin dem Finanzminister sehr dankbar, dass er heute in seiner Regierungserklärung noch einmal auf den 27. März hingewiesen hat. Am 27. März waren einige besser und einige schlechter dran. Die einen hatten mehr Grund zur Freude, die anderen weniger Grund zur Freude. Aber letztlich hatte das ganze Land einen Grund zur Freude, da die hessischen Bürgerinnen und Bürger entschieden haben, dass ab 2020 keine neuen Schulden mehr gemacht werden. Das ist nämlich generationengerecht.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Alexander Noll (FDP))

Ich will es gleich am Anfang sagen, weil Kollege Kaufmann so nebenher erklärt hat, worin eigentlich der Unterschied liege, ob das in der Landeshaushaltsordnung untergebracht oder durch eine Volksabstimmung erreicht wird; wichtig sei, was am Ende herauskommt. Es stimmt natürlich, dass es wichtig ist, was am Ende herauskommt. Ich

finde es für einen GRÜNEN bemerkenswert, dass Sie sagen, es ist doch gar kein Unterschied. Wenn wir die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes fragen, ob sie bereit sind, mit der Landespolitik eine Vereinbarung zu treffen, dass ab 2020 keine neue Schulden mehr gemacht werden, ist es allemal eine höhere Bürgerbeteiligung und sinnvoller, die Menschen mitzunehmen, als es einfach in der Landeshaushaltsordnung festzulegen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Alexander Noll (FDP))

Meine Damen und Herren, insofern bin ich mit der Zustimmung von 70 %, die es am 27. März für diese Schuldenbremse gegeben hat, außerordentlich zufrieden. Natürlich gab es – auch Finanzminister Dr. Schäfer hat darauf hingewiesen – bei vielen Menschen Bedenken. Ich komme im Laufe meiner Rede darauf zurück, dass wir diese Bedenken ernst nehmen müssen, was die Umsetzung der Schuldenbremse angeht. Aber es ist auch wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger erkannt haben, dass Schulden des Staates am Ende mehr schaden als nützen.

Ich will Ihnen eine Zahl nennen, die damit zu tun hat, was in den letzten Jahren in Deutschland wirtschaftlich passiert ist. Wir haben in Hessen jährlich inzwischen 1,5 Milliarden € an Zinsen zu bezahlen. Das ist nicht ganz so wahnsinnig viel mehr, als wir im Jahr 2000 oder 1999 gezahlt haben. Darauf komme ich gleich noch einmal zurück. Aber diese Zahl macht doch deutlich, dass wir anstelle von 1,5 Milliarden € für Zinsen, die wir heute ausgeben müssen, z. B. 30.000 Lehrer anstellen könnten, hätten wir diese Schulden nicht gemacht. Ich weiß auch, dass es nicht so einfach ist.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Meine Damen und Herren, es macht deutlich, dass es der verkehrte Weg ist, die Zukunft über Schulden zu finanzieren. Ich will Ihnen mit vollem Selbstbewusstsein und vollem Stolz auch sagen, dass das, was wir in den letzten Jahren gemacht haben, zum Wohle des Landes Hessen gewesen ist und dass wir in die Köpfe der Kinder dieses Landes investiert haben. Ich werde zum Thema Bildung noch etwas sagen. Herr Kaufmann, die Schulden, die Sie eben in Ihrer Grafik aufgezählt haben, die die Köpfe der hessischen Schülerinnen und Schüler und der Studentinnen und Studenten betreffen,

(Petra Fuhrmann (SPD): Den Wasserkopf der Staatskanzlei aber auch!)

werden unser Land voranbringen. Es sind gute Schulden gewesen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich sage auch, dass die Schuldenbremse die Voraussetzung dafür ist, dass in Zukunft auf entsprechendem Niveau in Bildung und soziale Infrastruktur investiert werden kann. Das sieht nicht jedes Bundesland so. Herr Kaufmann, ich wundere mich, mit welchem Mut Sie hier vor das Plenum treten und erklären, wie schlimm alles sei, was in Hessen passiert ist. Ich will Ihnen einmal sagen, was Ihre grünen Freunde in Nordrhein-Westfalen und BadenWürttemberg gerade beschlossen haben.

In Baden-Württemberg wurde gerade gesagt, dass vor 2020 ein ausgeglichener Haushalt undenkbar ist, weil Ausgaben wichtiger sind. In Nordrhein-Westfalen – das ist jetzt über den Ticker gelaufen – wird wieder geklagt, und zwar gegen den aktuellen Haushalt 2011, weil dort 4,8 Millionen € neue Schulden in diesem Jahr gemacht wer

den und nur 3,9 Milliarden € investiert werden. Allein in Nordrhein-Westfalen liegt die Verschuldung inzwischen bei 120 Milliarden €.

(Norbert Schmitt (SPD): Wie ist das in Hessen?)

Das nennen Sie eine nachhaltige Politik. – Jetzt kommt der Spruch vom Herrn Kollegen Schmitt, wie es in Hessen ist. Abgesehen davon, dass wir im Gegensatz zu Nord rhein-Westfalen ein Geberland im Länderfinanzausgleich sind

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Kollege Schmitt, ganz ruhig –, hat sich in den letzten Jahren gar nichts verändert. Als wir 1999 in Hessen an die Regierung kamen, war Hessen bei der absoluten Verschuldung pro Einwohner auf dem vierten Platz in Deutschland, etwa gleich mit Mecklenburg-Vorpommern. Es ist richtig, dass Mecklenburg-Vorpommern ganz leicht vor uns liegt und wir deswegen auf den fünften Platz abgerutscht sind.

Aber insgesamt hat sich deutlich gezeigt, dass die Problematik von Schulden in den letzten zwölf Jahren ein gesamtdeutsches Problem gewesen ist, das sich nicht in Hessen manifestiert hat. Im Gegenteil zeigen die Einnahmen, dass Hessen besonders gut aus der Krise herausgekommen ist. Wir sollten diese Erfolge auch einmal ordentlich feiern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Lachen und Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD): Feiern!)

Kollege Schmitt und Kollege Kaufmann, es gehört auch ein bisschen zum Anstand, dass Sie einmal deutlich sagen, wer denn für diese Schuldenbremse im Lande gekämpft hat. Es liegt nicht nur an dem Wahlkampf, der stattgefunden hat, wo ich die Flyer und die Plakate von den GRÜNEN und der SPD vermisst habe.

(Norbert Schmitt (SPD): Das war Sparpolitik!)

Der Kollege hat verschiedene Beispiele genannt. Wie unterschiedlich man damit umgegangen ist, lag auch daran, dass nicht bei jedem die Partei so richtig dahintergestanden hat. Das kann ich alles nachvollziehen.

Aber es gehört dazu, offen und ehrlich zu sagen, dass die Schuldenbremse so nicht umsetzbar gewesen wäre, wenn Ministerpräsident Bouffier es zusammen mit der FDP nicht geschafft hätte, Rot-Grün an einen Tisch zu holen, und sie nicht gemeinsam für einen Kompromiss geworben hätten. Deswegen sage ich das ganz offen: Mein ganz herzlicher Dank geht an den Ministerpräsidenten Volker Bouffier für diese Leistung. Mein Dank geht auch an die FDP, dass sie mit uns zusammen Sie überzeugt hat und wir das geschafft haben.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

So viel lassen Sie mich als finanzpolitischer Sprecher hier aber auch sagen: Die Schuldenbremse an sich – ich betone das immer einmal wieder – ist nicht die Erfindung von Ressortpolitikern, von Leuten, die eher dazu neigen, Geld auszugeben. Es ist eine Erfindung der Haushaltspolitiker in Deutschland. Insofern glaube ich auch, dass wir richtigerweise den Anstoß dafür gegeben haben, dass die Schuldenbremse möglichst in alle Verfassungen in Deutschland aufgenommen wird.

Ich komme gerade von einer Tagung – sie ist schon viel zitiert worden – der finanzpolitischen Sprecher von CDU und CSU aller Bundesländer.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Alle anderen Bundesländer interessieren sich für das Modell, weil auch sie der Meinung sind, dass es richtig ist, die Bevölkerung eng einzubinden, gerade weil sie wissen, was es bedeutet, diesen Weg zu einem von neuen Schulden befreiten Land zu gehen.

Wir haben bis heute schon viel dafür getan, dass die Schuldenbremse umgesetzt werden kann. Aber wir haben auch immer Prioritäten gesetzt. Das ist jetzt schon einmal erlaubt, zu sagen: Seit 1999 ist das Hochschulbudget um mehr als 45 % erhöht worden. Im gleichen Zeitraum sind bis zum Ende der Legislaturperiode 6.500 Lehrer neu eingestellt worden. Wir haben den Bildungsetat Schule um weit über 1 Milliarde € – ich glaube, 1,1 oder 1,2 Milliarden € – erhöht.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sehr richtig!)

Das ist richtig. Es stimmt, dass auch das im Landeshaushalt steckt.

Wir haben uns entschieden – auch das will ich noch einmal betonen –, das Konjunkturpaket, das übrigens großen Einfluss auf die Entwicklung hatte, die wir im Moment sehen, fast ausschließlich in Bildung zu investieren: 1,2 Milliarden € in die Schulen in Hessen und 500 Millionen € in die Hochschulen. Hier ist doch eine kluge Politik betrieben worden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich will auch sagen, dass die Politiker in Deutschland insgesamt kluge Entscheidungen getroffen haben bei der Frage, wie wir aus der Krise herauskommen. Meine Damen und Herren, auch der Hinweis auf das von vielen so bekämpfte Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit einer Entlastung von 23 Milliarden € sei erlaubt. Was ist da in Deutschland passiert? Allein durch die höhere Absetzbarkeit der Krankenversicherung wurden die Bürgerinnen und Bürger in Höhe von 15 Milliarden € entlastet. Wir haben in der Zeit die Senkung der Beiträge der Kranken- und Pflegeversicherung erlebt. Wir haben das Kurzarbeitergeld aufrechterhalten und erweitert.