Nein, ich bin der Meinung, dass die Großkrotzenburger Sozialdemokraten recht hatten, nicht wie die FDP, die das verurteilt.
Denn hinter dieser Forderung stand doch die Einsicht, dass die Legitimation einer Volksabstimmung vor allem dann hoch sein wird, wenn die Konsequenzen der Entscheidung allen klar sind. Gerade die öffentliche Diskussion darüber, was die Schuldenbremse bedeuten wird, haben alle vier Fraktionen der Schuldenbremsenkoalition aber gemieden. Man braucht kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass dies der Landesregierung noch auf die Füße fallen wird.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, wenn Sie glauben, die Menschen hätten darüber abgestimmt, ob der Kern des Sparens der Verzicht sei, dann irren Sie sich. Sie haben den Eindruck erweckt, die Menschen würden darüber abstimmen, ob der Staat Einnahmen und Ausgaben ausgleichen soll. Das allein aber ist keine Abstimmung wert. Denn selbstverständlich müssen Staaten Ausgaben und Einnahmen langfristig ausgleichen. Das haben wir immer gesagt.
Das musste das Land Hessen auch nach der alten Regelung der Landesverfassung. Was Sie aber gestrichen ha
ben, ist, dass Investitionen des Landes durch Kredite finanziert werden. Erklärt haben Sie das den Menschen aber lieber nicht; denn dann hätten Sie auch über die Folgen Ihres Weges ohne Schulden reden müssen.
Wenn ich aber einmal so tue, als könnte ich dieser Landesregierung glauben, dass sie es ernst meint mit ihrem Weg zu einer schuldenfreien Zukunft, dann blicke ich auf die letzten zwölf Jahre zurück und muss leider feststellen: Seit dem Amtsantritt von Roland Koch haben Sie dafür gesorgt, dass die Einnahmen des Landes gesunken sind. Durch Steuersenkungen, die im Bund von Rot-Grün, Schwarz-Rot und Schwarz-Gelb, hier in Hessen von CDU und FDP mitgetragen wurden, hat das Land etwa ein Viertel seiner Schulden aufgetürmt.
Wenn Ihnen ausgeglichene Haushalte aber so am Herzen liegen, warum haben Sie dies dann zugelassen? Vielleicht, weil Sie Großkonzerne, Reiche, Millionenerben und Hoteliers entlasten wollten? Die politische Entscheidung, Reiche, Großkonzerne, Erben und Hoteliers zu entlasten, sei einer schwarz-gelben Regierung ja zugestanden. Ich kann Sie nur schwer dafür kritisieren, dass Sie Ihre Klientel pflegen; immerhin finanzieren diese Menschen Ihre Parteien in erheblichem Ausmaß.
Was ich Ihnen aber vorwerfe, ist, dass Sie mit der Schuldenbremse versuchen, Ihre Umverteilungspolitik von unten nach oben dauerhaft abzusichern, indem Sie den Menschen weismachen, eine andere Politik sei weder denkbar noch machbar. Denn damit gefährden Sie letztlich den Kern unseres Gemeinwesens, der gerade darin liegt, dass die Gesellschaft, in der wir leben, gestaltbar ist.
Die Schuldenbremse weist aber in eine andere Richtung. Die Schuldenbremse soll für Schwarz-Gelb der Hebel sein, um Kürzungen zu begründen oder, wie jetzt aktuell, trotz steigender Einnahmen ein Mehr an Bildung, sozialer Gerechtigkeit und ökologischem Umbau zu verhindern. Anders, als es uns die vier Parteien immer weismachen wollen, gefährdet die Schuldenbremse die Handlungsfähigkeit des Bundes und der Länder. Sie engt den finanziellen Handlungsspielraum Hessens massiv ein. Sie nimmt dem Land eine wesentliche Möglichkeit, die Zukunft klug zu gestalten.
Lassen Sie mich kurz auf die auch von Ihnen immer wieder thematisierte Generationengerechtigkeit eingehen. Herr Minister, dem Schuldner Staat stehen Gläubiger aus derselben Generation gegenüber, also Personen, die dem Staat Geld leihen. Eine Generation vererbt der nächsten nicht nur die Schulden, sondern auch die Forderungen, sodass ein Blick über die Generationen hinweg belegt, dass es keine Ungerechtigkeiten gibt. Das Problem besteht nicht zwischen Alt und Jung, sondern das Problem besteht zwischen Arm und Reich.
Ihren „Häuslebauer“ haben Sie in Ihrer Rede leider nicht angesprochen. Aber er steht in Ihrem Manuskript. Er kann immerhin etwas vererben. Das ist auch dann der Fall, wenn er die Nettotilgung noch nicht erledigen konnte. Mit der Schuldenbremse erben zukünftige Generationen dramatisch schlechtere Straßen-, Schienen-, Wasser-, Energie- und Kommunikationsnetze.
Es geht nicht um die Schulden, sondern es geht um die kreditfinanzierten Investitionen. Das ist der Punkt. Das soll jetzt verhindert werden.
Schon heute ist hier ein drastischer Investitionsstau aufgelaufen. Was also an einer Schuldenbremse verantwortlich, nachhaltig und generationengerecht sein soll, wenn sie einzig und allein als Argument für Kürzungen dient, das müssen Sie mir noch erklären.
Die Schuldenbremse gefährdet den sozialen Zusammenhang in Hessen. Die zu erwartenden, massiven Kürzungen werden zulasten der ohnehin Benachteiligten gehen. Das sind die Armen, die Menschen mit Behinderung, die älteren Menschen, die Arbeitslosen, die Menschen in prekärer Beschäftigung, alleinerziehende Mütter und Väter, Migrantinnen und Migranten.
(Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Wie kommen Sie denn darauf? – Alexander Noll (FDP): Ich würde da gerne den Zusammenhang wissen! – Gegenruf: Das steht da aufgeschrieben! – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Wer hat denn die Rede geschrieben?)
Unbestritten ist aber, dass die Lage der öffentlichen Haushalte auch hier in Hessen keine gute ist. Allerdings ist die desolate Lage der öffentlichen Haushalte nicht zu hohen Ausgaben, sondern den zu geringen Einnahmen geschuldet.
Schon in den Jahren vor der Finanz- und Wirtschaftskrise war die Ausgabenpolitik Hessens auch im internationalen Vergleich extrem restriktiv. So stiegen die Ausgaben des Landeshaushalts in den Jahren 2000 bis 2008 jährlich im Durchschnitt um ca. 2 %. Inflationsbereinigt bedeutete das in manchen Jahren sogar einen Rückgang. Vor diesem Hintergrund kann von explodierenden Ausgaben erkennbar ebenso wenig die Rede sein wie von weiteren Kürzungspotenzialen.
Hessen hat hingegen seit Jahren unter unzureichenden Steuereinnahmen zu leiden. Die Konsolidierung des Landeshaushalts kann deshalb nur über höhere Einnahmen erfolgen. Dies setzt zum einen ein höheres Wachstum voraus. Das hat der Herr Minister heute mehrfach betont. Das setzt aber zum anderen auch eine Steuerpolitik voraus, die hohe Einkommen und Vermögen adäquat zur Finanzierung unseres Gemeinwesens heranzieht, denn starke Schultern müssen endlich wieder mehr als schwache tragen.
Auch die aktuelle Debatte über neuerliche Steuersenkungen weist in die falsche Richtung. Mit dem Aufschwung kamen die Jubelmeldungen. Nach einem Absturz mit minus 4,7 % im Jahr 2009 ist die deutsche Wirtschaft 2010 mit einem Plus von 3,8 % durchgestartet. Das sagen Sie. Allerdings ist die Wirtschaftsleistung erst jetzt nach einem Plus von 1,5 % im ersten Quartal 2011 wieder auf dem Stand des Jahres 2008 angekommen. Ob der Aufschwung nachhaltig sein wird, wird sich noch erweisen.
Herr Dr. Schäfer, Sie haben in der heute abgegebenen Regierungserklärung, aber auch bereits in der vom Kollegen Kaufmann zitierten Ausgabe der „Frankfurter Rund
Wir, die wir uns mit der Kritik der politischen Ökonomie, mit Marx und Engels beschäftigt haben, wissen, dass sich der Kapitalismus von Krise zu Krise hangelt. Die Tiefe solcher Krisen ist schwer vorhersehbar. Leider kann auch nicht die Frage beantwortet werde, ob wir zwei oder drei Jahre vor der nächsten Krise stehen.
Deshalb ist die Euphorie einiger politischer Repräsentanten über den Aufschwung und die Steuerschätzung leider völlig unangebracht. Klar ist: Der Aufschwung ist vor allem ein Aufschwung der Profite. Die Unternehmen haben im Jahr 2010 ein Plus von rund 13 % eingefahren. 2011 ist mit neuen Rekordwerten zu rechnen.
Die Aktionäre der 30 DAX-Konzerne bejubeln den Anstieg der Profite um knapp 19 Milliarden € im ersten Quartal 2011. Zu Beginn des Jahres 2009 waren es nicht einmal 6 Milliarden €, die sie eingenommen hatten. Seit dem Jahr 2000 sind die Profite der Unternehmer, der Vermögenden und der Reichen um 36 % gestiegen. Wohlgemerkt: Das ist preisbereinigt.
Bei den Beschäftigten herrscht seit Jahren Ebbe in der Kasse. Ich will noch einmal daran erinnern, dass wir gemeinsam mit dem DGB an das Gewerkschaftshaus in Frankfurt eine sogenannte Reichtumsuhr gehängt haben. Ich habe mich heute Morgen informiert. Das Nettoprivatvermögen in Deutschland ist auf 7,264 Billionen € angestiegen. Das reichste Zehntel besitzt davon 4.551 Milliarden €.
Noch eines will ich sagen: Das untere Zehntel hat Schulden in einer Größenordnung von 13,176 Milliarden €.
Ein Hinweis sei gestattet: Die Schulden des Bundes, der Länder und der Gemeinden wachsen langsamer als die Vermögen. Nach der Rechnung des Statistischen Bundesamtes stagnieren die preisbereinigten Löhne. Die Internationale Arbeitsorganisation geht sogar davon aus, dass ein Lohnverlust von fast 5 % zu erwarten ist.
Aber selbst im Aufschwung verbessert sich die Lage nicht. Bei den Beschäftigten ist Schmalhans weiterhin Küchenmeister. Die Tariferhöhungen werden in diesem Jahr voraussichtlich 1,7 % betragen. Da die Preise jedoch um etwa 2,4 % zulegen werden, wird unterm Strich eine reale Lohnsenkung herauskommen.
Die Forschungsinstitute und die Bundesregierung gehen davon aus, dass sich die Konjunkturdynamik abschwächen wird. Das wird besonders im nächsten Jahr der Fall sein, weil dann die Exportüberschüsse voraussichtlich nicht mehr so stark wie bisher steigen werden.
Das ist durchaus wünschenswert. Denn verkauft ein Land dauerhaft mehr Waren und Dienstleistungen an das Ausland, als es dort einkauft, müssen sich die Handelspartner zunehmend verschulden. Im März 2011 haben sich z. B. andere Staaten in Europa um weitere 15 Milliarden € verschuldet. Die Eurokrise zeigt, dass das auf Dauer nicht gut geht.
Herr Minister, Sie haben übrigens Irland in einem Satz mit Griechenland und Portugal genannt. Ich erwarte von einem Finanzminister doch eine gewisse Differenzierung. Das ist zumal der Fall, weil Sie von einer Kehrtwendung in der Politik gesprochen haben. In Irland gibt es andere Probleme als in Griechenland.
Ich will nur eines einmal deutlich machen: Man hätte den Banken vielleicht nicht helfen sollen. Ich weiß nicht, ob die Deutsche Bank das hätte durchgehen lassen. Na ja.
Wenn die Wirtschaft allerdings nicht mehr vom Exportüberschuss angetrieben wird, muss die Binnenwirtschaft gestärkt werden. Das heißt vor allem: Die Löhne müssen kräftig steigen. Das wissen auch Sie und das hessische Kabinett. Aber Sie tun nichts, sondern lassen den stummen Zwang des Lohndumpings wirken.
Und der hat einen Namen: Agenda 2010 mit Befristungen, Leihjobs, Minijobs und Hartz IV. Dies hat die Beschäftigten erpressbar gemacht und die Lohnsetzungsmacht der Gewerkschaften geschwächt. Denn wer streikt schon, wenn er befristet beschäftigt ist oder nur einen Leihjob hat? Die Angst vor der Arbeitslosigkeit und dem Absturz in Hartz IV wirkten als Streikbremse. So sind die Gewerkschaften systematisch von der Politik geschwächt worden.
Deshalb benötigen wir vor allem die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 10 €. Sie von der CDU bewegen sich auf dem Weg zu 7,50 € hin.
Man lässt sich darauf ein, ob nicht etwas in Bewegung gerät. Laut einer Studie von Prognos würde das die öffentlichen Haushalte immerhin jährlich um 13 Milliarden € entlasten. Das wäre ein guter Hintergrund dafür, dass man das Arbeitslosengeld II problemlos auf 500 € erhöhen könnte.
Für fast 8 Millionen Beschäftigte würden die Einkommen um mehr als 26 Milliarden € steigen. Dies wäre auch ein deutlicher Beitrag zur Stärkung der privaten Binnennachfrage.