Protocol of the Session on April 14, 2011

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Herr Rudolph, man kann also auch in diesem Sinne ernsthaft über dieses Thema diskutieren. Das erwarten die Unternehmen nicht nur von uns, sondern auch von Ihnen.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat aber auch einen anderen Punkt, der für die Frage des Fachkräftemangels sehr entscheidend ist, in Angriff genommen, nämlich die Frage, wie wir die Altersgrenzen flexibilisieren.

(Zuruf der Abg. Brigitte Hofmeyer (SPD))

Es ist gut und richtig, dass die Bundesregierung einen Strategiewechsel vorgenommen hat, indem sie die Hinzuverdienstgrenzen bei der gesetzlichen Rentenversicherung für die, die schon in der Rente sind, verändert hat, sodass es in Zukunft einen Anreiz gibt, gerade für ältere Arbeitnehmer, die aus dem Berufsleben ausscheiden, trotzdem noch ein Stück weit im Unternehmen zu bleiben, sich dort zu engagieren und ihre Fachkenntnisse einzubringen. Den Anreiz gab es bisher nicht, weil die Hinzuverdienstgrenzen viel zu niedrig waren. Das hat die Bundesregie

rung jetzt geändert. Dafür geht unser herzlichster Dank auch einmal in Richtung Berlin.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben aber auch eine sehr, sehr niedrige Weiterbildungsquote. Hier sind wir mit Qualifizierungsschecks dabei, bis zu 500 € Zuschüsse für Arbeitnehmer, Teilzeitkräfte und Ungelernte zu geben, um die Weiterbildung deutlich zu steigern. Wir werden für die überbetriebliche Ausbildung weiterhin 4,7 Millionen € Landesmittel zur Verfügung stellen. Wir werden auch im Rahmen der investiven Förderung der Ausbildungsstätten 2011 weiterhin 2,3 Millionen € an Landesmitteln und 2 Millionen € an EFRE-Mitteln aufwenden.

Ich habe schon gesagt: Wir haben auf dem Gebiet der Ausbildung mit unserem Hauptschülerprogramm, dem Um switchen, dass wir stärker auf die Ausbildungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler, die in die Betriebe kommen, setzen, und weniger auf die Generierung neuer Ausbildungsplätze – denn wir haben einen ausgeglichen Ausbildungsmarkt –, einen aus meiner Sicht sehr positiven Erfolg gehabt. Wir haben in dem Zeitraum, den wir uns gesetzt haben, nicht nur alle Plätze belegen können, sondern wir haben sogar mehr Bewerbungen gehabt, als wir Plätze anbieten konnten. Deswegen werden wir für den Haushalt 2012 hieraus auch Konsequenzen ziehen müssen und dieses Programm weiter ausbauen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir werden auch bei den Übergangssystemen Optimierungen vornehmen müssen, weil es aus unserer Sicht nicht sinnvoll ist, dass wir in den Übergangssystemen weiterhin eine so hohe Anzahl an Auszubildenden haben. Die hessische Wirtschaft hat mit uns gemeinsam ein Ziel vereinbart, das sich auch im Ausbildungspakt 2012 wiederfindet, dass wir die Übergangssysteme optimieren und zurückführen wollen, um die jungen Menschen in den ersten Ausbildungsmarkt zu integrieren. Das ist auch sinnvoll und notwendig.

Meine Damen und Herren, das duale Studium, über das heute zu sprechen ist, wird eine immer wichtigere Säule der hessischen Fachkräftesicherung.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir haben von 2008 bis 2010 eine Kampagne hierzu durchgeführt. So weit hat Herr Grumbach mit seiner einen Minute recht.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wir haben es mit dieser Kampagne immerhin geschafft, die Zahl der Studierenden um 62 % zu erhöhen. Der eine oder andere in einem Unternehmen würde sich freuen, wenn er Umsatzzuwächse von 62 % hätte. Wir haben das mit der Kampagne geschafft. Wir kooperieren im dualen Studium mittlerweile mit 1.000 kleinen und mittleren Unternehmen, mit Hochschulen und mit Berufsakademien. Wir haben sieben neue duale Studiengänge geschaffen. Wenn man weiß, wie schwierig die Abstimmung zwischen Wirtschaft, den Hochschulen und den Fachhochschulen auf der einen Seite und dem Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium auf der anderen Seite ist – denn wir müssen schauen, dass wir die Mittel auch fokussiert und effizient einsetzen –, dann wird klar, dass die Schaffung von sieben neuen dualen Studiengängen ein Riesen

erfolg ist. Die 3,5 Millionen €, die wir hierfür einsetzen, sind gut angelegtes Geld.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Aber wenn man etwas im ländlichen Raum in Hessen unterwegs ist, spürt man auch, dass dieses duale Studium für kleine und mittlere Unternehmen gerade im ländlichen Raum die Chance ist, Fachkräfte zu halten; denn die Bindung in einem dualen Studium ist für das Unternehmen wesentlich stärker, als wenn man sich auf dem freien Arbeitsmarkt um Arbeitnehmer bemühen muss. Deswegen ist das duale Studium nicht nur eine Maßnahme zur Behebung des Fachkräftemangels insgesamt, sondern sie ist auch ein wesentliches Element zur Stärkung des ländlichen Raums. Deswegen ist es auch in Zukunft weiter auszubauen. Wir müssen daher die Kampagne „Duales Studium Hessen“ fortsetzen.

Wir werden das mit zwei Projekten mit einem Fördervolumen von rund 2,5 Millionen € tun, regional mit der IHK Darmstadt und der Hochschule Darmstadt zum Aufbau eines Studienzentrums für duale Studiengänge, und – das ist schon angesprochen worden – Hessenmetall baut branchenspezifisch eine Clusterinitiative aus, wo es zu Kooperationen zwischen den Unternehmen und Bildungsanbietern zunächst aus der Metall- und Elektroindustrie kommt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, das Tolle am dualen Studium ist, dass es die Erkenntnisse aus der dualen Ausbildung aufnimmt und auf das Hochschulstudium überträgt. Das heißt, diejenigen Abiturienten, die sich erst einmal für eine berufliche Ausbildung entscheiden und nicht für eine wissenschaftliche, haben die Chance, hier ein wissenschaftliches Studium aufzusetzen. Zum anderen haben die Betriebe die Chance, auf die wissenschaftliche Ausbildung Einfluss zu nehmen.

(Florian Rentsch (FDP): So ist es!)

Das ist ein ganz entscheidender Punkt und wird dazu beitragen, dass das duale Studium in Zukunft weiter die hohe Akzeptanz gerade auch für die kleinen und mittleren Unternehmen hat, weil sie die Chance haben, den beruflichen Alltag und die berufliche Praxis in die wissenschaftliche Ausbildung zu integrieren. Das ist das Großartige an diesem dualen Studium. Herr Grumbach, deswegen ist das nicht nur zehn Minuten wert, sondern auch Applaus von Ihrer Seite. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank, Herr Staatssekretär. – Damit sind wir am Ende der Aussprache. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.

Zwischen den Geschäftsführern ist Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr, federführend, und den Ausschuss für Wissenschaft und Kunst, beteiligt, besprochen worden. – Dem ist so.

Dann rufe ich den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Ergebnisse des „Runden Tisches Heimerziehung“ umsetzen – Drucks. 18/3599 –

Die Redezeit beträgt fünf Minuten. Herr Dr. Jürgens, Sie haben das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Landtag hat sich bereits mehrfach mit der Situation der ehemaligen Heimkinder in der frühen Bundesrepublik der Fünfziger- und Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts beschäftigt. Ausgangspunkt war ein Beschluss des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages. Darin wurde nicht nur die Einrichtung eines „Runden Tisches Heimerziehung“ gefordert, sondern es wurden auch die Bundesländer aufgefordert, sich ihrer Verantwortung für die damalige Situation zu stellen.

Der damalige Ausschuss für Arbeit, Familie und Gesundheit hat deshalb am 29. Oktober 2009 hier im Hessischen Landtag eine ganztägige Anhörung mit Fachleuten und vor allem auch mit Betroffenen der damaligen Zeit durchgeführt. Die teilweise sehr erschütternden Berichte der Betroffenen haben uns alle aufgewühlt und angerührt. Sie flossen in einen Entschließungsantrag ein, der am 24. März 2010 vom Landtag einstimmig angenommen wurde.

Darin hat sich der Landtag als Vertreter des hessischen Volkes bei den Betroffenen für das erlittene Unrecht entschuldigt. Zugleich wurden einige Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen der damaligen Zeit gezogen.

Gleichzeitig wurde der runde Tisch in Berlin gebeten – ich zitiere aus unserem Beschluss von damals –,

Vorschläge für die sinnvollerweise nur bundesweit zu treffenden Regelungen etwa hinsichtlich einer möglichen Entschädigung und der Berücksichtigung von Rentenzeiten zu erarbeiten.

Dies hat der runde Tisch inzwischen auch getan. Im Dezember 2010 hat er seine Vorschläge unterbreitet. Der Antrag, den wir Ihnen heute vorlegen, sieht vor, diese Vorschläge aufzugreifen und den hessischen Beitrag dazu zu leisten, dass sie auch tatsächlich umgesetzt werden können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, an sich wäre dieses Thema sicher für einen fraktionsübergreifenden Antrag geeignet gewesen. Nun habe ich persönlich allerdings – gerade auch bei diesem Themenbereich – mit dem Versuch, gemeinsame Anträge herbeizuführen, schlechte Erfahrungen gemacht. Deshalb haben wir uns entschlossen, einen eigenen Antrag einzubringen. Aber wir sind natürlich bereit, gegebenenfalls Anregungen anderer Fraktionen aufzunehmen, um so vielleicht doch wiederum zu einer gemeinsam getragenen Beschlussfassung zu kommen.

Ich darf daran erinnern: Der runde Tisch hat vorgeschlagen, regionale Anlauf- und Beratungsstellen für die Betroffenen zu schaffen, in denen diese individuelle Unterstützung bei der Aufarbeitung ihrer Problematik erhalten können. Diese Anlaufstellen sollen eine niedrigschwellige Erreichbarkeit gewährleisten. Sie sollen partizipativ und aktivierend tätig und zielgruppenspezifisch ausgerichtet sein. Ihre Aufgabe ist vor allem, für die Betroffenen eine Lotsenfunktion in Sachen Akteneinsicht, Geltendma

chung von Ansprüchen, oder was immer man sich vorstellen kann, zu erfüllen.

Wir halten das für sinnvoll. Wir sind der Auffassung, dass eine solche Einrichtung auch in Hessen entstehen sollte, die sich wiederum an der vorgesehenen bundesweiten Vernetzung beteiligen sollte. Das ist der erste Punkt unseres Antrags.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der runde Tisch in Berlin hat weiterhin vorgeschlagen, einen Entschädigungsfonds für die Betroffenen einzurichten. Es wurde vorgeschlagen, den Fonds mit einem Betrag von insgesamt 120 Millionen € auszustatten. Davon sollen 20 Millionen € für einen Rentenersatzfonds und 100 Millionen € für Folgeschäden der Heimerziehung zur Ver fügung gestellt werden.

Getragen bzw. aufgefüllt werden soll dieser Fonds zu jeweils einem Drittel vom Bund, von Ländern und Kommunen als zweitem Bereich sowie von den Kirchen, deren Wohlfahrtsverbänden und Ordensgemeinschaften als drittem Bereich.

Das würde bedeuten, dass der Anteil der Länder und Kommunen 40 Millionen € betragen würde. Würde man eine Verteilung unter den Bundesländern nach dem Königsteiner Schlüssel vornehmen, dann würden davon auf Hessen 7,22 %, also rund 2,88 Millionen €, entfallen.

Natürlich ist das viel Geld. Aus unserer Sicht sollte das aber aufgebracht werden, um den Menschen ein Stückchen mehr Gerechtigkeit gewähren zu können.

Schließlich schlagen wir vor – wie das auch der runde Tisch getan hat –, die Geschichte der Heimerziehung in die Curricula der einschlägigen Ausbildungs- und Studiengänge der sozialen Arbeit aufzunehmen, soweit das nicht bereits geschehen ist. Auch hierbei handelt es sich um eine originäre Zuständigkeit des Landes, von dem die Vorschläge des runden Tisches aufgegriffen werden können.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns im Ausschuss ernsthaft darüber reden, wie wir den Betroffenen ein Mindestmaß an Genugtuung und Wiedergutmachung verschaffen können, auf das sie aus unserer Sicht Anspruch haben. Die Aufarbeitung der damaligen Zeit hat lange genug gedauert. Wir sollten jetzt zügig die Vorschläge des runden Tisches umsetzen. Das ist das Mindeste, was wir für die Betroffenen tun können. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Willi van Ooyen und Janine Wissler (DIE LINKE))

Schönen Dank, Herr Dr. Jürgens. – Für die Fraktion DIE LINKE hat jetzt Frau Schott das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin der Fraktion der GRÜNEN für diesen Antrag sehr dankbar. Ich finde es ausgesprochen wichtig, dass wir uns mit diesem Thema hier wieder befassen.