Protocol of the Session on April 13, 2011

Daneben bleibt, dass es sicherlich auch Rahmenbedingungen gibt, die das Leben für einen Arzt mehr oder we

niger attraktiv machen. Ich teile durchaus die Position, dass man sich sehr genau überlegen muss, wie für Frauen Arbeitsbedingungen geschaffen werden können, dass sie in ländlichen Räumen eben nicht an vielen Wochenenden Dienst leisten müssen, dass sie eben nicht viele Nachtnotdienste leisten müssen. Ich habe heute auch gehört, dass die Politik mehr in die Entscheidungen eingreifen will, als das in der Vergangenheit möglich war. An anderen Stellen höre ich immer das Gegenteil. Ich frage mich, warum Sie an dieser Stelle mehr eingreifen wollen und mehr Einfluss nehmen wollen.

(Florian Rentsch (FDP): Ich frage mich auch so einiges!)

Wenn Sie das ernsthaft bedenken, dann denken Sie es doch einmal konsequent zu Ende. Schauen Sie nach Schweden, wie das mit den Hausärzten dort geregelt ist. Ist das am Ende die Lösung, dass wir auf dem Land bei den Kommunen angestellte Ärzte haben? Lassen Sie uns das diskutieren. Ich denke auch – –

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Man muss es diskutieren. Ich bin nicht begeistert davon, und ich weiß auch nicht, ob es die Lösung sein kann, die für uns sinnvoll ist. Es hat Vor- und Nachteile, man muss es sich einfach ansehen. Was machen wir denn am Ende, wenn wir die kleineren Räume haben und trotzdem kein Arzt dorthin will? Die kleineren Räume zu schaffen, finde ich notwendig, logisch und sinnvoll. Aber das löst noch nicht zwingend das Problem.

Ich sehe überhaupt, da teile ich Ihre Position und Ihre Fragen, dass ganz viele Dinge überhaupt noch nicht angesprochen worden sind. Ganz viele Probleme bleiben offen. Es gibt eine Idee davon, was man besser machen kann, sie wirft aber gleichzeitig viele Fragen auf, auf die Sie keine Antworten bereitstellen.

Ich sehe auch, dass wir uns auch ohne alle Ostalgie von etwas verabschiedet haben, was wir jetzt mühsam wieder aufzubauen versuchen. Ich finde, medizinische Versorgungszentren haben große Vorteile.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Sie wissen sehr genau, dass man damit einen Teil der Probleme sehr gut angehen kann. Ob das an allen Stellen letztendlich die konsequente Lösung ist, bin ich mir nicht sicher. Es entstehen dann auch solche Situationen, dass das Ganze möglicherweise noch mehr verkonzernt wird und mehr große Player im Gesundheitswesen Fuß fassen können.

Ich möchte noch zwei Sätze dazu verlieren, was wir heute und in der vergangenen Woche mit den Anträgen und mit dem, was in Berlin und auf der Ministerkonferenz passiert ist, auf der politischen Spielwiese erleben durften. Ich finde es schon erstaunlich, dass die CDU/FDP-Koalition hier ganz eilig damit beschäftigt war, die Ministerkonferenz und Herrn Minister Grüttner zu loben, und anschließend feststellen musste, dass das Lob nicht weit reicht, weil die notwendige Rückendeckung aus den Regierungsfraktionen in Berlin gefehlt hat.

Ich finde es geradezu peinlich, welche Anträge wir heute hier vorliegen haben. Wir haben zunächst einen Antrag, dann bekommen wir einen neuen, und der erste wird zurückgezogen. Dann bekommen wir einen SPD-Antrag. Daraufhin gibt es die Ansage: Na ja, eigentlich haben beide ein bisschen recht. – Bei den Anträgen handelt es

sich auch noch um Entschließungsanträge. Wenn man es so eilig hat, dass man einen Entschließungsantrag braucht, dann sollte man doch vielleicht auch im Vorfeld einmal miteinander reden und miteinander reden können. Aber auch das scheint nicht stattgefunden zu haben. Hier reden offensichtlich die Länder mit der Bundesregierung, aber das interessiert die zuständigen Minister dann nicht so ganz. Hier reden die Oppositionsfraktionen und die Regierungsfraktionen ohnehin deutlich zu wenig miteinander. Ich finde, das ist ein trauriges Beispiel dafür, wie man Politik nicht machen sollte. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abg. Dr. Spies das Wort.

Sehr verehrte Frau Kollegin Schott, bei allem Respekt und persönlicher Wertschätzung

(Zurufe von der CDU: Oh!)

gibt es Dinge, die man nicht unwidersprochen stehen lassen kann. Die Übernahme der Propaganda von Kassenärztlicher Bundesvereinigung und FDP, dass ein niedergelassener Arzt ohne Privatpatienten nicht überleben könne, ist, auch wenn sie von der LINKEN wiederholt wird, grober Unfug. Punkt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die gesetzliche Krankenversicherung versichert in diesem Land 90 % der Menschen, und sie organisiert die gesamte Infrastruktur der ärztlichen Versorgung. Sie finanziert sie auch. Die Privaten sind allenfalls ein Dreingebsel, wie selbst Herr Kollege Bartelt eben deutlich gemacht hat, allerdings ein problematisches, weil sie zu Fehlsteuerung führen. An der Stelle so zu tun, als läge die unzureichende Versorgung in sozialen Brennpunkten – ein Problem, das wir seit vielen Jahren kennen – am Mangel an Privatpatienten, ist nicht zutreffend. Das solltest gerade du an dieser Stelle besser wissen.

Das hat mit ganz anderen Aspekten zu tun, z. B. mit Fragen der sozialen Distanz, der unzureichenden Ausbildung der Ärzte, ihrer Nichtorientierung auf soziale Zusammenhänge und den Schwierigkeiten, mit dem erhöhten Aufwand, den es bedeutet, dort zu arbeiten. Das ist vor allen Dingen mehr Mühe. Es ist keineswegs ein Problem der schlechteren Bezahlung.

Deshalb ganz ehrlich: Man mag in diesem Haus zu vielen Thesen stehen. Die Probleme der Versorgung in sozialen Brennpunkten, aber auch im ländlichen Raum lassen sich gerade nicht durch Geld lösen. Wer behauptet, die gesetzliche Krankenversicherung würde den ärztlichen Bereich unzureichend honorieren, der erzählt Unsinn.

Die gesetzliche Krankenversicherung stellt sicher, dass in diesem Land für alle eine gute Versorgung vorhanden ist. Dazu ist sie erforderlich, und dazu muss man sie zur Bürgerversicherung ausbauen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sicherlich ist es richtig, dass es mehr oder weniger attraktive Arbeitsbereiche im ärztlichen Bereich gibt. Sicherlich ist es für einen Arzt etwas anderes, irgendwo zu arbeiten und zu leben, wo das Umfeld eher der eigenen gesellschaftlichen Befindlichkeit und Wahrnehmung entspricht als woanders. Das wird überhaupt nicht bestritten, und das habe ich nicht in Abrede gestellt.

Wenn wir aber so eine eklatante Differenz in der ärztlichen Versorgung zwischen den Gebieten feststellen, in denen arme Menschen leben, und den Gebieten, in denen Menschen leben, denen es wirtschaftlich besser geht, bis hin zur Überversorgung – das alles haben wir heute gemeinsam beschrieben –, dann müssen wir uns fragen: Sind die Leistungen, die die Krankenkassen bringen, wirklich die Leistungen, die gebraucht werden, oder sind sie nur noch das Minimum, das der Mensch hat, um zu überleben?

Sie selbst haben in anderen Diskussion schon gesagt: Wir brauchen andere Formen der Finanzierung der Krankenversicherung. Wir brauchen andere Formen der Finanzierung, damit wir mehr Geld in dem Topf haben, damit all die Leistungen möglich sind, die Menschen wirklich brauchen.

Ich bin ganz sicher, aus Gesprächen mit Ärzten habe ich das immer wieder bestätigt bekommen, Ärzte haben keine Lust darauf, immer nur darauf zu schauen: Kann ich es mir noch leisten, dieses oder jenes zu verordnen, oder ist mein Budget erschöpft? Kann ich es mir leisten, das tatsächlich zu machen, oder nicht?

Sie schauen sehr genau hin, was im Rahmen ihrer Möglichkeiten im jeweiligen Quartal noch drin ist und was nicht mehr. Sie sind entnervt von Abrechnungen, die sie leisten müssen, und von Reklamationen dieser Abrechnungen. Das ist das, was Ärzte mir berichten. Nur das gebe ich hier wieder.

Wenn das nicht stimmt, strafen Sie Ihre Kollegen Lügen. Ich kann es dann auch nicht ändern. Aber genau das ist die Situation, die berichtet wird. Natürlich will ein Arzt seine Arbeit so gut wie möglich machen. Das heißt auch, er will nicht darüber nachdenken müssen, welche Möglichkeiten er noch im Budget hat. Er will darüber nachdenken müssen, was er einem Patienten an Leistungen anbieten kann, die dieser braucht, um seinen gesundheitlichen Zustand zu verbessern.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Abg. Rentsch, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte zeigt, wie unterschiedlich die Ansätze der einzelnen Fraktionen im Hause bei der Frage der Gesundheitsversorgung sind. Ich bin deshalb dankbar, dass CDU und FDP heute mit diesem Antrag das begrüßen, was in den letzten Monaten passiert ist, nämlich die gute

Arbeit des hessischen Gesundheitsministers und die gute Arbeit des Bundesgesundheitsministers,

(Beifall bei der FDP und der CDU – Lachen des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

die dazu beigetragen haben, dass wir in Zukunft mehr Möglichkeiten haben werden, auf Landesebene Entscheidungen zu treffen, die dringend notwendig sind.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Frau Kollegin Schulz-Asche, die GRÜNEN sind zurzeit sehr aufgeregt und sehr motiviert. Deshalb gibt es wahrscheinlich Ihre ständigen Zwischenrufe. Wenn Sie aber mit uns in der Sache diskutieren – –

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

Herr Kollege Rudolph, das mag sein, und das will ich nicht bestreiten. Es mag bei allen eine gewisse Nervosität bestehen. Grundsätzlich geht es hier doch um einen Diskurs, den wir alle nur begrüßen können, wie wir es nämlich schaffen können, das zu lösen, was wir an vielen Stellen als Politiker bei uns im Bundesland erfahren – Versorgungsprobleme im fachärztlichen oder hausärztlichen Bereich.

Anders als Frau Kollegin Schulz-Asche bin ich nicht nur der Auffassung, dass wir eine gute Versorgung mit Hausärzten brauchen. Hausärzte sind wichtig. Aber wir brauchen auch eine gute fachärztliche Versorgung in unserem Bundesland, sonst wäre Kollege Bartelt arbeitslos. Das wäre ärgerlich. Wir wollen auch Fachärzten die Möglichkeit geben, in Zukunft für Patienten in unserem Land da zu sein.

Wir wollen in zweiter Linie endlich erreichen, dass wir in Gegenden, wo wir wissen, dass die Infrastruktur insgesamt dünner wird – von der Frage der demografischen Entwicklung über Schule und all das, was Geschäfte und Wirtschaft angeht –, eine Antwort geben können, wenn Ärzte fragen: Bin ich in einer solchen Region richtig aufgehoben, oder gehe ich in eine andere Region?

Der Arzt ist kein Gut, das man einfach so planwirtschaftlich hin- und herschiebt. Wir müssen auch weitere Anreize setzen, um Gegenden für Menschen attraktiv zu machen. Dazu gehört auch der Ärzteberuf.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich will nicht bestreiten, dass wir uns in einem nicht gerade marktwirtschaftlich, sondern eher in einem planwirtschaftlich orientierten Bereich befinden, der aber auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen muss.

Um für die Zuhörer zu erklären, worüber wir reden: Wir debattieren darüber, wie wir es schaffen, Ärzte in die Fläche zu bekommen, um insgesamt eine breite und gute Versorgung in unserem Bundesland sicherzustellen. Das merken viele Bürger auch. Wenn man in Hessen unterwegs ist, merkt man, dass man vor Ort immer wieder sowohl bei der Frage der Termine bei Haus- oder Fachärzten Probleme bekommt, als auch längere Wegstrecken in Kauf nehmen muss – Kollege Bartelt hat das vorhin gesagt –; dazu kommt, dass ältere Ärzte Probleme haben, ihre Praxis an jüngere Kollegen zu übergeben, weil es für die nicht attraktiv ist, in die Fläche zu gehen.

Es besteht zwischen den Fraktionen im Haus darüber Einigkeit, dass das die Problemlage ist. Man kann darauf unterschiedlich reagieren. Man kann das machen, was zum Teil jetzt gemacht wird. Man kann versuchen, die An

reize gerade für die ländlichen Regionen etwas zu steigern, indem man das versucht zu verändern, was dort als Situation vor Ort – viele ältere Patienten, die zu vielen Abrechnungsproblemen führen, was die Frage Arzneimittelbudget usw. angeht – besteht.

Ich bin Stefan Grüttner sehr dankbar, dass er – ich sage das bewusst – auch als ehemaliger kommunaler Dezernent, der das von einer anderen Ebene und nicht nur von der Landesseite gesehen hat, seine Erfahrung dort eingebracht hat und dass wir auf Bundesebene jetzt einen Schritt weiter sind.

Wir kritisieren, dass wir noch nicht komplett grünes Licht haben. Aber das ist ein Diskussionsprozess. Bei den Eckpunkten ist klar, in welche Richtung sie gehen sollen. Sie werden auch weit getragen. Es wurde vom Kollegen Spies angeregt, es gebe eine Phalanx zwischen einer Fraktion, deren Name ich nicht nennen muss, und uns. Herr Kollege Spies, das ist nicht ganz richtig. Das wissen Sie auch.