Protocol of the Session on April 12, 2011

Bei Herrn Schäfer-Gümbel gab es keine Nachdenklichkeit. Er nannte keine Argumente. Es gab Rechthaberei aus der Vergangenheit heraus. Das führt nicht weiter.

Herr Schäfer-Gümbel, ich muss Ihnen einen weiteren Vorhalt machen. Ihre Fraktion hat heute einen Dringlichen Antrag eingereicht. Dem zufolge soll ein „Sonderausschuss Atomausstieg und Energiewende“ gegründet wenden. Wenn Sie dieselbe Bereitschaft wie der Ministerpräsident gehabt hätten, zusammenzuführen, dann hätten Sie wenigstens einmal mit den Vertretern der anderen Fraktionen dieses Landtags vor der heutigen Sitzung gesprochen und hätten gefragt:

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Darf ich euch, die Vertreter der CDU, der FDP und der anderen Fraktionen, dazu einladen? Sind Sie bereit, mitzumachen? Vielleicht wollen Sie einen Änderungsantrag stellen? Wir würden ihn dann mit hineinnehmen.

Der Dringliche Antrag, den Sie heute aus der Tasche gezogen haben, ist ein reiner Schauantrag. Er ist weder abgestimmt noch in der Sache erforderlich.

Man kann das bei Ihnen psychologisch erklären. Es ist der hilflose Versuch, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, nachdem der Ministerpräsident in der letzten Woche sehr eindrucksvoll zu einem parteiübergreifenden Energiegipfel eingeladen hatte. Das ist zu billig.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich sage Ihnen auch ganz offen: Wir brauchen diesen Sonderausschuss nicht. Denn wir haben eine ausreichende Zahl zuständiger und kompetenter Fachausschüsse in diesem Landtag. Sie werden sich mit dieser Thematik beschäftigen müssen. Das ist auch meine feste

Überzeugung. Das ist auch die Überzeugung der Mitglieder meiner Fraktion.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns in aller Ruhe und in dem Bemühen, nicht nur in Konfrontation zu leben, zu dem Thema Folgendes sachlich feststellen: Im März dieses Jahres haben zwei Naturkatastrophen, nämlich ein Erdbeben kaum vorstellbaren Ausmaßes und ein Tsunami, großes Leid über die Menschen in Japan gebracht. In dieser Bewertung sind wir uns alle einig. Wir teilen die in Japan bestehenden Sorgen und Nöte.

Wahrscheinlich mehr als 28.000 Todesopfer und über 400.000 Obdachlose sind die traurige Bilanz. Den Menschen in Japan gebühren unsere Anteilnahme und unsere Solidarität. Das hat zu Beginn der heutigen Sitzung der Landtagspräsident für uns zum Ausdruck gebracht.

Nun komme ich auf das zu sprechen, über das wir uns in Deutschland infolge dieser Naturkatastrophe unterhalten. Die teilweise Zerstörung der Kernkraftwerke in Fukushima hat in Deutschland eine Debatte über die Sicherheit unserer eigenen Kernkraftwerke ausgelöst.

In der in Deutschland aufgeladenen emotionalen Stimmungslage war es, wie ich meine und wie die Mitglieder meiner Fraktion auch meinen, eine staatspolitisch kluge Entscheidung der Bundeskanzlerin Angela Merkel, am 14. März 2011 ein Moratorium zu verkünden. Nach dem Willen der Bundeskanzlerin soll die erst kürzlich beschlossene Verlängerung der Laufzeit der deutschen Kernkraftwerke ausgesetzt werden. Angesichts der Ereignisse in Japan sollen alle Kernkraftwerke einer erneuten und umfassenden Sicherheitsprüfung unterzogen werden. Das geschieht nun.

Ist es nicht richtig, dass man angesichts dessen, was wir alle nicht erwartet haben, und angesichts der Ereignisse in Japan sagt: „Halt, wir wollen einen Aufschub vornehmen und nachdenken, wir wollen nachfragen, ob unsere bisherige Sicherheitsphilosophie richtig war, wir wollen Fachleute hinzuziehen, wir wollen mit den gesellschaftspolitisch relevanten Gruppen darüber reden und wollen uns darüber Gedanken machen, ob es uns gelingt, bei diesem Thema zusammenzuführen“? – Das ist doch eigentlich vernünftig und – ich wiederhole es –, staatspolitisch gesehen, klug.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Angela Merkel hat am 14. März 2011 in ihrer Pressekonferenz Folgendes wörtlich gesagt:

Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und die bisherige unbestrittene Sicherheit unserer kerntechnischen Anlagen zum Maßstab auch des künftigen Handels machen, ohne dass wir infolge der jüngsten Ereignisse einmal innehalten.

Ich wiederhole es: Es geht um Innehalten und nicht um Polemisieren.

Denn die Ereignisse in Japan lehren uns, dass etwas, was nach allen wissenschaftlichen Maßstäben für unmöglich gehalten wurde, doch möglich werden könnte.... Das verändert

so Angela Merkel –

die Lage auch in Deutschland... Diese Lage muss vorbehaltlos, rückhaltlos und umfassend analysiert werden. Erst danach folgen Entscheidungen.

Die CDU-Landtagsfraktion in Hessen unterstützt Angela Merkel ausdrücklich mit ihren Zielen, unsere bisherige Sicherheitsphilosophie kritisch zu überdenken und das für unser Land schicksalhafte Thema der sicheren, ausreichenden, wettbewerbsfähigen und umweltfreundlichen Energieversorgung verantwortungsvoll und sachlich zu diskutieren. Herr Schäfer-Gümbel, das wäre ein schöner Leitfaden für Ihre Rede hier gewesen. Ich wiederhole es erneut: Sie haben diese Chance schmählich verpasst.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Nach der gründlichen Analyse müssen dann die Ergebnisse präsentiert werden. Das muss nach der Analyse geschehen, und nicht umgekehrt. Wer schon vorher Ergebnisse verkündet, verzichtet offenbar auf den Prozess des Nachdenkens und Analysierens.

Angesichts der großen und langfristigen Auswirkungen energiepolitischer Entscheidungen auf unsere Gesellschaft sind wir insgesamt aufgefordert, mit aller Anstrengung die Möglichkeiten eines Konsenses zwischen den Parteien und den Bürgern auszuloten. Es erscheint mir daher wichtig, Ideologien und Emotionen, aber auch parteipolitische Taktiererei beiseitezuschieben und in Verantwortung für unsere Gesellschaft über valide Fakten und gemeinsame Ziele zu sprechen.

Ich will das nochmals betonen: Wir müssen auch über valide Fakten sprechen. Herr Al-Wazir, es hat mir sehr gefallen, dass Sie in einer der letzten Diskussionen sagten – ich glaube, es war bei dem Energiegipfel –, wir müssen uns auch über die Fakten verständigen, wir müssen erst einmal von gemeinsamen Fakten ausgehen. Häufig streiten wir uns über die Fakten und gehen von unterschiedlichen Fakten aus. Wichtig ist, dass wir erst einmal eine solide Basis für eine gemeinsame Diskussion schaffen, die schwer genug zu finden sein wird.

Herr Ministerpräsident Bouffier, an dieser Stelle möchte ich nochmals ausdrücklich sagen, dass Ihnen mein Dank dafür gilt, dass Sie zu dem überparteilichen Energiegipfel eingeladen haben. Ich war selbst dabei. Ich finde, dass der Auftakt vielversprechend war.

Sie haben gesagt, dass wir auch über die Zusammensetzung noch einmal nachdenken können. Wir können einige Ergänzungen vornehmen. Wir sind da nicht festgelegt. Wir wollen aufnehmen, aufgreifen und zusammenführen. Das unterscheidet uns vor Herrn Schäfer-Gümbel.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Ereignisse in Fukushima haben in der deutschen Bevölkerung große Ängste und Besorgnisse ausgelöst. Diese Ängste müssen ernst genommen werden. Sie sind ein gesellschaftspolitisches Faktum und dürfen deshalb nicht ignoriert werden.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns heute über die Zukunft der Kernenergie in Deutschland unterhalten, lassen Sie uns sine ira et studio die historische Entwicklung in Erinnerung rufen.

(Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Machen Sie bitte am Ende meiner Darstellung Ihrem Ärger oder Ihrer Zustimmung Luft, aber lassen Sie mich Ihnen das in aller Ruhe vortragen.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Zum Beispiel Hiroshima 1945!)

Zwischen 1962 und 1982 wurden insgesamt 24 Kernkraftwerke für die kommerzielle Stromerzeugung gebaut. Das Nächste, was ich sage, hat nichts mit einem Vorhalt zu tun. Mit wenigen Ausnahmen wurden alle unter den sozialdemokratisch geführten Regierungen von Willy Brandt und Helmut Schmidt gebaut.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja!)

Die SPD hat im Jahr 1986 unter dem Eindruck des katastrophalen Unglücks von Tschernobyl mit ihrem damaligen Kanzlerkandidaten Johannes Rau ihre bis dahin befürwortende Haltung zur Kernenergie geändert.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist es!)

Die GRÜNEN haben seit ihrer Gründung konsequent die friedliche Nutzung der Kernenergie abgelehnt. Um mich keinen Missverständnissen auszusetzen, will ich in diesem Zusammenhang klar und deutlich sagen: Ich halte nichts von den Hinweisen einzelner Vertreter meiner eigenen Partei außerhalb Hessens, die sagen, die Kernkraftwerke seien das Erbe Helmut Schmidts und der SPD. Dies teile ich ausdrücklich nicht. Ich will es auch begründen:

Erstens. Es gab zwischen Union, SPD und FDP einen überparteilichen Konsens für den Betrieb von Kernkraftwerken.

Zweitens waren es Union und FDP, die in den vergangenen 25 Jahren die Kernenergie mit nachvollziehbarer Begründung befürwortet haben. Dazu stehen wir von der Union, auch zu dieser Vergangenheit und auch zu dem, was wir damals an Gründen vorgetragen haben.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich Folgendes hinzufügen. Wie Sie wissen, war ich 1986/87 Staatssekretär im frisch gegründeten Bundesumweltministerium, damals noch in Bonn.

(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Erfinder des Wallmann-Ventils!)

Schon damals und bis zum heutigen Tag hat die Sicherheit der Kernkraftwerke für die Union oberste Priorität besessen – immer oberste Priorität besessen.

(Beifall bei der CDU)

Die Sicherheit aller deutschen Kernkraftwerke erfüllte immer die internationalen Standards der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien. Hier hat es in der deutschen Atomaufsicht zu keinem Zeitpunkt Sorglosigkeit oder gar Verantwortungslosigkeit gegeben. Das gilt auch – der Herr Ministerpräsident hat bereits in anderem Zusammenhang darauf hingewiesen – für die ehemaligen Bundesumweltminister und Kernenergiegegner Trittin und Gabriel. Andernfalls wären sie kraft Gesetzes verpflichtet gewesen, wegen Zweifeln an der Sicherheit die deutschen Kernkraftwerke sofort abzuschalten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auf ein weiteres Faktum verweisen. Die Kernenergie ist nach Überzeugung der Union eine Brückentechnologie, und zwar sagen wir das nicht erst nach Fukushima. Dies haben wir im Dezember 2007 in unserem Grundsatzprogramm erarbeitet und dann auch verabschiedet. In unserem CDU-Grundsatzprogramm heißt es: Die Kernenergie

... ermöglicht es, den Zeitraum zu überbrücken, bis neue klimafreundliche und wirtschaftliche Energieträger in ausreichendem Umfang verfügbar sind.

Das macht klar und deutlich, dass wir intellektuell redlich über die jetzt im Raum stehende Frage miteinander spre

chen wollen und uns nicht etwa auf der Stelle gewendet hätten. Die christlich-liberale Koalition in Berlin hat ein Gesetz mit einer befristeten Laufzeitverlängerung beschlossen. Der Unterschied zu Rot-Grün besteht darin, dass die christlich-liberale Koalition in Berlin die Frist bis zum Ausstieg verlängert hat. Das ist der sachliche Unterschied, über den wir in diesen Tagen und Wochen zu diskutieren haben.

Meine Damen und Herren, wenn man bei dem Bild der Brückentechnologie bleiben will, bestehen unterschiedliche Auffassungen über die Länge der Brücke oder über das Tempo, mit dem wir uns über die Brücke bewegen wollen. Auch SPD und GRÜNE wollten nicht sofort aussteigen,