Protocol of the Session on March 3, 2011

Ich sage abschließend: Der vorliegende Entschließungsantrag ist sicherlich nicht erschöpfend, um alle Probleme im Zusammenhang mit dem Internet zu lösen. Ich glaube aber, er ist ein Versuch, diese Probleme zu bewältigen, und ein guter Anfang. Ich bin sicher, das ist der richtige Weg.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Schönen Dank, Herr Kollege Reißer. – Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Herr Schaus.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Jedes Jahr beraten wir im Landtag erneut intensiv über Fragen des Datenschutzes. Der Bericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten veranlasst uns regelmäßig dazu, über die Verbesserung des Schutzes personenbezogener Daten nachzudenken. Das ist gut und richtig so.

Dabei kommen wir stets zu dem Ergebnis, dass im öffentlichen Dienst, aber insbesondere in Privatbetrieben eine Verbesserung dringend erforderlich ist.

Die vorliegenden Anträge der Koalitionsfraktionen und der SPD drücken – bei allen positiven Ansätzen – wiederum eher unsere Hilflosigkeit bei der Entwicklung eines kritischen Datenschutzbewusstseins aus, insbesondere bei jungen Menschen. Herr Greilich, auch wenn wir auf Facebook nicht „befreundet“ sind: Wir werden beiden Anträge zustimmen, aber damit ist auch das Gefühl verbunden, nichts Wesentliches verbessert zu haben. Dennoch denken wir, dass es ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Wie lässt sich ein kritisches Bewusstsein beim Umgang mit den eigenen Daten in Zeiten von Facebook, Twitter, studi- und schülerVZ überhaupt entwickeln? Wie können wir insbesondere Jugendliche – Herr Reißer hat eben sogar von den Kindergärten gesprochen – dafür sensibilisieren, mit ihren persönlichen Daten selbstkritischer umzugehen und nicht alles Private als Text, Foto oder Video ins Netz zu stellen?

Zu glauben, mit der Beschlussfassung der vorliegenden Anträge den Herausforderungen beim Datenschutz wirksam begegnen zu können, wäre falsch. Wir reden hier vielmehr über kleine Schritte in die richtige Richtung.

Wenn man die Wirkung der neuen Telekommunikationsformen angemessen einschätzen will, kann man sich deren Bedeutung für die Freiheitsbewegungen in Nordafrika oder in Arabien anschauen. Diese Menschen werden nicht umsonst „Generation Internet“ genannt; denn die sozialen Netzwerke scheinen hier im Zentrum der Organisation und Kommunikation zu stehen. Das Herausragende des Internets ist dabei die weitgehende Unkontrollierbarkeit für Regime und die grenzüberschreitende Verfügbarkeit von Informationen für nahezu jedermann.

In sozialen Netzwerken entsteht Aufklärung durch die Zivilgesellschaft selbst. Sie nutzt die neue Möglichkeit weltweiter Kommunikation, was weltweite Auswirkungen hat. Über die Plattform Wikileaks wurde die Öffentlichkeit nicht nur über die Einschätzungen der US-Diplomatie zu Politikerinnen und Politikern informiert – zugegeben sehr undiplomatisch –, sondern sie wurde auch über die Verbrechen der Militärs im Irak oder in Afghanistan aufgeklärt.

(Vizepräsidentin Sarah Sorge übernimmt den Vor- sitz.)

„Spiegel Online“ schrieb am Dienstag dieser Woche unter dem Titel „Netz besiegt Minister“ – ich darf zitieren –:

Karl-Theodor zu Guttenbergs Rücktritt ist ein Sieg des Internets. [...] Die Debatte wäre anders verlaufen, hätte diese neue Macht nicht das getan, was sie am Besten kann: Transparenz herstellen, Informa

tionen verfügbar machen, Kommunikation optimieren.

Ich denke, angesichts der jüngsten Ereignisse mit ihren weitreichenden Auswirkungen wird der Antrag der Bedeutung sozialer Netzwerke im Internet eben nicht gerecht. Soziale Netzwerke werden nicht umsonst so bezeichnet: Sie können zwar sowohl persönlich als auch gesellschaftlich soziale Wirkungen entfalten; aber es kann eben auch eine unsoziale Kontrolle und Überwachung über sie ausgeübt werden. Viele von uns wissen, dass wir täglich unsere virtuelle DNA im Datennetz hinterlassen. Aber gibt es dazu eine Alternative?

Der nationale und erst recht der Landesgesetzgeber stehen also wie der Ochs vorm Berg. Die technische Beschleunigung und Entgrenzung lässt auch notwendige Regelungsversuche nahezu wirkungslos erscheinen. Dennoch muss der Gesetzgeber die Menschen dort schützen, wo er sie schützen kann, um Schaden zu verhindern und Grenzen zu ziehen.

Zumindest in dieser Hinsicht gehen die Forderungen der beiden vorliegenden Anträge in die richtige Richtung. Sowohl die Nutzung aller möglichen technischen Voraussetzungen zum Schutz der persönlichen Daten in den sozialen Netzwerken als auch der jederzeitige Ausstieg und die Löschung aller Daten müssen den Anbietern gesetzlich vorgeschrieben werden. Ein Lob der Bundesregierung, wie es im vierten Absatz des CDU/FDP-Antrags steht, halte ich dennoch für nicht angebracht; denn dass sie den Datenschutz an das Internetzeitalter anpasst, ist doch schon seit Jahren überfällig.

Auch die Zusammenlegung des öffentlichen und des privaten Datenschutzes in Hessen entspringt nicht unbedingt bei allen vernünftiger Einsicht, sondern ist wohl eher auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zurückzuführen. Der Erfolg dieser Umorganisation wird jedoch davon abhängig sein, wie die personelle und sächliche Ausstattung tatsächlich vorgenommen wird. Ob diese Zusammenlegung zudem eine Wirkung auf die sozialen Netzwerke hat, deren Anbieter fast ausschließlich nicht in Hessen, sondern im Ausland sitzen, darf deshalb sehr bezweifelt werden.

Mir würde es hier aber durchaus genügen, wenn durch diese Umorganisation ein erfolgreicher Datenschutz in den privaten Betrieben sichergestellt werden könnte. Aus Sicht der LINKEN ist ein Schutz der Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmerdaten durch ein durchgreifendes Arbeitnehmerdatenschutzgesetz ebenso dringend notwendig wie der endgültige Verzicht auf ELENA.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Gleiche gilt für die sogenannte Datenwirtschaft, in der sich ein ganzer Zweig auf das Sammeln, Auswerten und Verkaufen von Kundeninformationen spezialisiert hat. Mein Vorredner hat das schon angesprochen. Statt einer Selbstverpflichtung müssen hier endlich wirksame gesetzliche Regelungen her. Grundsätzlich aber sollten die Nutzer über den Umfang der Erhebung, der Nutzung und der Weitergabemöglichkeiten ihrer Daten informiert werden, und sie müssen über ihre Daten dauerhaft verfügen sowie Entscheidungen jederzeit und ohne großen Aufwand im Netz selbst löschen können.

Ziel muss es aber sein, eine persönliche Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen in Bezug auf die Veröffentlichung ihrer eigenen Daten zu entwickeln. Kritisch und selbstkritisch mit den sozialen Netzwerken umzuge

hen muss erlernt werden. Deshalb gefällt mir der Ansatz des SPD-Antrags sehr gut, dies als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu begreifen und Datenschutz und Medienkunde verstärkt in die Schulen zu bringen.

Es muss uns gelingen, über bessere Angebote in den Schulen Medienkompetenz und Datenbewusstsein intensiv zu vermitteln; denn letztlich können wir das Internet nicht regulieren. Umso wichtiger ist es, vor allem junge Menschen mit der kritischen Nutzung vertraut zu machen. Es geht darum, die Chancen sozialer Netzwerke zu nutzen, aber gleichzeitig auch die persönlichen Risiken richtig einzuschätzen.

Das wäre meine Aufforderung an die Landesregierung, insbesondere an die Frau Kultusministerin.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schaus. – Für die Landesregierung hat Herr Innenminister Rhein das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin den Fraktionen der CDU und der FDP ausdrücklich dankbar, dass sie dieses Thema heute auf die parlamentarische Tagesordnung gesetzt haben; denn damit greifen sie ein Thema auf, das mir sehr am Herzen liegt. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass wir heute im Grunde genommen eine große Einigkeit über die Fraktions- und Parteigrenzen hinweg erzielt haben. Ich glaube auch, dass das der Sache angemessen ist.

Hinzufügen will ich: Ich unterstreiche das, was Herr Greilich gesagt hat. Das Internet und die sozialen Netzwerke bieten uns große Chancen. Aber man darf dabei nicht vergessen, dass es auch Risiken gibt: ernsthafte Risiken, Risiken, die wir nicht unterschätzen dürfen, und Risiken, bei denen wir die Aufgabe haben, durch das Setzen richtiger Rahmenbedingungen dafür zu sorgen, dass sie so gering wie möglich gehalten werden. Wir müssen uns auch vertieft mit ihnen befassen.

Rund 30 Millionen Deutsche sind Mitglieder sogenannter sozialer Netzwerke. Rund 10 Millionen geben an, bei Facebook registrierte Mitglieder zu sein. 24 Millionen Internetnutzer haben ein sogenanntes Profil ausgefüllt. Sie haben also einem der Internetanbieter höchstpersönliche Angaben übermittelt. Wir stellen auch fest, dass vielfach sehr persönliche Daten, etwa Fotos von Geburtstagsfeiern, Partys und Urlauben, ins Internet eingestellt werden.

Wir diskutieren zu Recht sehr intensiv und sehr häufig darüber, wie wir den Datenschutz verbessern können. Ich glaube, dass wir, was den Datenschutz insgesamt betrifft, mit der Zusammenführung des privaten und des öffentlichen Datenschutzes einen richtigen Weg gehen.

Wir diskutieren teilweise sehr strittig über das Thema Volkszählung, das Thema Zensus und über andere Dinge. Aber in dem Bereich, über den wir heute diskutieren, fehlt aus meiner Sicht den Nutzern vielfach jegliches Bewusstsein dafür, dass sie mit der Veröffentlichung ihrer Daten in einem der Netzwerke jegliche Kontrolle über deren Verbleib und auch über deren Nutzung verlieren.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie bringen den Anbietern mit erstaunlicher Sorglosigkeit ein wirklich blindes Vertrauen entgegen. Gerade bei Kindern und Jugendlichen haben wir die besorgniserregende Situation, dass die erheblichen Gefahren, die in Bezug auf die Privatsphäre und die Persönlichkeitsrechte im Netz lauern, unterschätzt werden.

Es werden Daten veröffentlicht. Es werden Fotos im Internet veröffentlicht. Das ist so, als würden sie ans schwarze Brett gepinnt werden. Das ist für alle anderen Nutzer jederzeit unter allen Umständen und ohne jegliche Beschränkung und ohne jeglichen Schutz zugänglich und sichtbar.

Sie sind dann auch über Internetsuchmaschinen über ein einfaches Stichwort ermittel- und auffindbar. Sie können dann von jedermann für jeden Zweck verwendet werden. Er kann sie verwenden, wofür er will. Das führt zu erheblichen Problemen.

Das führt zum Thema Identitätsverlust. Das ist ein hoch interessantes, aber mindestens genauso bedrohliches Thema. Das führt aber in vielen Fällen auch dazu, dass jemand beispielsweise einen Arbeitsplatz erst gar nicht erhält, weil man nach ihm im Internet gesucht und möglicherweise ein Foto von ihm gefunden hat, das mit der Philosophie des Unternehmens nicht übereinstimmt, in dem er gerne angestellt werden würde. Das kann auch dazu führen, dass man sich von dem einen oder anderen Arbeitnehmer trennt, weil man ihn in welcher Situation auch immer im Internet auf einem Foto abgebildet gesehen hat.

„Das Internet vergisst nichts.“ Das ist ein hoch interessanter Ausspruch. Er ist genauso interessant wie richtig. Er bedeutet, dass die Nutzerkonten im Internet für alle Zeit einsehbar sind. Sie verbleiben im Internet für alle Zeit. Das ist selbst dann der Fall, wenn jemand jahrelang nicht mehr aktiv geworden ist. Oftmals wird die Löschung eines einmal angelegten Nutzerkontos und der entsprechenden persönlichen Daten nicht mehr angeboten. Das gehört zu dem Stichwort: Das Internet vergisst nichts.

Sie haben es dargestellt: Die Betreiber sind in der Regel am Datenschutz nicht sonderlich interessiert. Sie haben die wirtschaftlichen Interessen im Blick. Ich will die Betreiber dafür nicht kritisieren. Das ist deren Geschäftszweck. Sie haben ihr Geschäftsmodell. Damit machen sie ihr Geld. Dafür wird ihr Dienst auch kostenlos angeboten. Das will ich wirklich nicht kritisieren. Frau Faeser hat zu dem Thema gesagt, was zu sagen ist.

Eines kommt aber erschwerend hinzu. Es kommt erschwerend hinzu, dass es genauso ist, wie Sie es dargestellt haben. Der Datenschutz im Internet ist in Deutschland definitiv nicht ausreichend geregelt. Das Bundesdatenschutzgesetz taugt in diesem Zusammenhang nicht. Auch im Telemediengesetz werden keine besonderen Regeln für das Internet normiert.

Ich glaube, deswegen besteht eine Schutzlücke. Deswegen besteht für uns als Landesregierung und für die Politik enormer Handlungsbedarf. Genau aus diesem Grund wird die Hessische Landesregierung eine Initiative für eine Änderung des Telemediengesetzes in den Bundesrat einbringen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Ich will Ihnen nur ganz punktuell einige der Tatbestände darstellen, bei denen unserer Ansicht nach ein dringender Handlungsbedarf besteht. Dabei geht es nicht nur um re

pressive Angelegenheiten. Ich glaube, dass auf der präventiven Ebene viel mehr zu tun und zu erreichen ist. Deswegen ist das eine Mischung aus repressiven, aber insbesondere auch aus präventiven Ansätzen.

Erstens halten wir es für notwendig, dass der Nutzer mehr Transparenz über ein Internetangebot erhält. Deswegen müssen die Anbieter verpflichtet werden, besser zu informieren. Nutzer müssen klarer, als es bisher der Fall ist, wissen, was mit ihren Daten passiert. Sie müssen wissen, was für eine Verarbeitung beabsichtigt ist, wie die Daten genutzt werden und was mit ihnen passiert.

Es ist schon so, dass das einen oft erstaunt. Ich kann an das anknüpfen, was Frau Faeser geschildert hat. Wenn man im Internet unterwegs ist, springen teilweise Fensterchen auf, bei denen man sich nur wundert, weil man das Gefühl hat, da hat sich jemand sehr genau über die Interessen, also die politischen, die thematischen oder ähnliche Interessen, informiert.

Ich möchte als Nutzer wissen, was derjenige, der meine Daten hat, mit meinen Daten macht und wofür er sie nutzt. Es muss natürlich auch feststehen, dass die Nutzer über die Risiken einer Veröffentlichung personenbezogener Daten unterrichtet werden. Dabei geht es zum einen um die Risiken, die dem Nutzer drohen, wenn er unbedacht Daten oder Fotos von sich preisgibt.

Zum anderen geht es aber auch um ein anderes Risiko, nämlich um die Folgen, die dem Nutzer drohen, wenn er, möglicherweise gar nicht einmal mit Absicht, unüberlegt Fotos von anderen Personen im Internet veröffentlicht, ohne vorher deren Einwilligung eingeholt zu haben. Das ist ein Thema, bei dem es vielfach zu Rechtsstreitigkeiten, aber auch zu Schadensersatzansprüchen kommt. Ich finde, darauf müssen die Nutzer aufmerksam gemacht werden.

Zweitens müssen wir meiner festen Überzeugung nach bei den Nutzern ein größeres Risikobewusstsein hervorrufen. Wir müssen sie weitaus mehr sensibilisieren, als das bislang geschieht.

Auch da sind die Anbieter wieder in der Verpflichtung. Sie müssen verpflichtet werden, Hinweise auf die Gefahren entsprechend zu platzieren, die durch die Nutzung des Angebots für das eigene Persönlichkeitsrecht, aber auch für das Persönlichkeitsrecht Dritter entstehen können. Das muss in allgemein verständlicher Form geschehen. Sie müssen für den Nutzer leicht erkennbar sein. Sie müssen unmittelbar erreichbar sein.

Es darf nicht so sein, wie es heute ist. Heute sind sie irgendwo im Impressum, in den allgemeinen Geschäftsbedingungen oder wo auch immer versteckt. Vielmehr müssen sie nach meiner Sicht der Dinge spätestens auf den zweiten Klick gefunden werden können. Am besten wäre es, wenn sie noch unmittelbarer als auf den zweiten Klick erreichbar wären.