Ich sage es noch einmal: Im Rahmen der Verlängerung bzw. Evaluierung werden wir uns vertieft mit diesem Thema auseinandersetzen. Aber warum kommen Sie jetzt mit diesem Gesetzentwurf? – Weil Sie von eigenem Fehlverhalten ablenken wollen. Sie haben nämlich eine ganz besondere Vorstellung von der Ordnung im Parlament.
Und wenn es um die Ordnung im Parlament geht, zitiere ich gern den Kollegen Al-Wazir, der sich im Zusammenhang mit der ver.di-Störaktion vor wenigen Wochen in der „FAZ“ äußerte bzw. am 18. Februar 2011 dort zitiert wurde:
Die Gewähr, im Parlament frei und unbeeinflusst von außen sprechen zu können, sei ein hohes und verteidigenswertes Gut.
Im Weiteren geht er auf den Druck ein, dem die Vertreter demokratischer Parteien im Reichstag durch die Nationalsozialisten ausgesetzt gewesen seien. – Dieser Aussage kann nur unumstritten zugestimmt werden,
(Beifall bei der CDU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sollten Sie öfter mal machen!)
trifft es doch meines Erachtens für die Ordnung im Parlament und auch für die Frage der Bannmeile zu.
Sie aber wollen die Ordnung, die Rechte und den Schutz des Parlaments schwächen und die Gesetzgebungsorgane vorführen. Beispiele: Ihr Auftritt in der letzten Sitzung des Parlaments 2010. Nach einer Abstimmungsniederlage, einem demokratischen Vorgang, entrollten Sie Transparente und störten den weiteren Verlauf der Sitzung.
Zu Ihrem Verhalten bei der strafbaren Störung der Parlamentssitzung im Februar dieses Jahres: Unklar mag noch sein, wie Sie beteiligt waren. Sicher jedoch ist, dass Sie die
Betreffenden eingeladen haben und bis heute als einzige Fraktion nicht bereit sind, sich von diesen unhaltbaren Vorgängen zu distanzieren.
Ihr Befeuern der APO, wenn es um Castortransporte geht, Ihre Verniedlichungen der Übergriffe auf die Bahn, Ihre offenen Hinweise, dass Sie sich – so Herr van Ooyen am 5. April 2008 in diesem Landtag – als Bestandteil der außerparlamentarischen Bewegung sehen, zeigen, dass Sie den Druck der Straße ins Parlament tragen wollen – und das machen wir nicht mit.
Der Hessische Landtag solle alte Zöpfe, die wahrlich nicht mehr passen, auch abscheiden. Weder Landtagsabgeordnete noch Minister und Staatssekretäre brauchen „Angst vor der Straße“ zu haben.
Hessen braucht wahrlich kein Bannmeilengesetz, dies gehört in die Geschichtsbücher und die Vitrinen der Revolution von 1848, nicht aber in die reale Welt des hessischen Parlaments im Jahre 2007.
Sie werden es ahnen: Das kann kein Zitat der LINKEN sein, sondern das war das Zitat eines damals veritablen Oppositionsführers namens Jörg-Uwe Hahn.
(Minister Jörg-Uwe Hahn: Danke für dieses Adjek- tiv! – Leif Blum (FDP): Wenn wir die Opposition waren, wo wart ihr denn dann? – Heiterkeit bei der FDP)
Als Oppositionsführer hat Herr Hahn richtige Sachen gesagt. Deswegen konnte man ihm auch zustimmen, so einfach ist das.
Meine Damen und Herren, zum Ernst des Themas: Ich rate den drei Vorrednern dazu, ein bisschen abzurüsten. Wenn wir einen Blick in die Geschichte werfen, sehen wir, dass Bannmeilengesetze einen historischen Hintergrund haben.
Herr Belllino, bei historischen Vergleichen sollte man vorsichtig sein. Das, was sich im Dritten Reich abspielte, die Vorgänge um den Abg. Wels und die Verabschiedung der Ermächtigungsgesetze, sind Beispiele dafür, wie man eine Demokratie kaputt gemacht hat. Wir wollen – das war und ist die Position der SPD –, dass Abgeordnete frei und ungestört diskutieren und entscheiden können. Dieser Grundsatz muss auch künftig gewahrt bleiben. Deswegen darf es unter Demokraten darüber keinen Streit geben. Das sollten wir sehr deutlich sagen.
Das, was der Kollege Hahn gesagt hat, betrifft etwas anderes. Ich nehme an, dass er nicht alles, was er vor drei Jahren gesagt hat, heute für falsch hält; sonst müsste ich ihm unterstellen, er habe sich damals keine Gedanken gemacht und habe das locker-flockig dahergesagt. Nein, darüber hat sich Herr Hahn sicherlich Gedanken gemacht. Ich habe neulich gelesen, dass er manches heute aber wohl nicht mehr so sieht. Die Frage, ob ein Bannmeilengesetz aktuell noch notwendig ist, können wir ja gemeinsam stellen.
Die LINKEN haben den Eindruck erweckt, eine Bannmeilenregelung gebe es in anderen Ländern – ja, Thüringen hat die Regelung aufgehoben – und auf Bundesebene nicht. Letzteres ist falsch. Nach dem Umzug von Bonn nach Berlin haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Verfassungsorganen des Bundes wurde die Bannmeile durch einen Bannkreis ersetzt. In Art. 16 des Versammlungsgesetzes wurden Verbotsnormen eingeführt. Die damals eingeführte Norm verbietet, zu öffentlichen Versammlungen und Aufzügen innerhalb des Bannkreises aufzufordern. An der Stelle wurde das Versammlungsgesetz also verschärft, was das Gebiet um das Brandenburger Tor und andere historische Stätten betrifft, um deutlich zu machen: Der Bundestag will ungestört entscheiden können, demokratische Willensbildung und Entscheidungsprozesse müssen geschützt werden, ohne Wenn und Aber.
Dem steht natürlich das grundgesetzlich garantierte Recht auf Versammlungsfreiheit gegenüber. Das war also eine Abwägungsfrage. Deswegen haben es sich die LINKEN und Sie, Herr Kollege Dr. Wilken, mit dem, was Sie vorgetragen haben, zu einfach gemacht.
Herr Kollege Bellino, Sie sagen, das Gesetz laufe 2012 aus. Auf welcher Basis wollen Sie es denn evaluieren? Es gibt dafür keine Grundlage. Wer stellt das denn fest? Das Gesetz läuft aus. Vielleicht bringen CDU und FDP einen neuen Gesetzentwurf ein. Sie gesagt haben, eigentlich möchten Sie das Bannmeilengesetz aufrechterhalten. Dann müssen wir über dessen Ausgestaltung reden. Deshalb ist die Frage, ob wir uns – jenseits eines Gesetzentwurfs – gemeinsam darauf verständigen, zeitig eine Anhörung vorzubereiten, in die Analyse und in die Auswertung gehen.
Ich bin sehr dafür, dass Spielregeln eingehalten werden. Dafür bietet das Hausrecht entsprechende Möglichkeiten. Das ist in der letzten Sitzung praktiziert worden; dazu haben Sie etwas gesagt. Wenn jemand die Beratungen des Parlaments stört, muss es Sanktionen geben. Das ist völlig unstrittig. Eigentlich müsste es strafverschärfend wirken, wenn solche Leute auch noch schlecht oder falsch singen.
Ich bin nicht für eine Verknüpfung mit dem Bannmeilengesetz – damit das klar ist –, aber ich will, dass wir ungestört, ohne Beeinträchtigungen hier im Parlament tagen und Entscheidungen treffen können. Das muss uns die Geschichte lehren.
Eine Diskussion über die Frage, ob wir das Bannmeilengesetz noch brauchen oder ob wir auf andere Instrumente im Versammlungsgesetz zurückgreifen – die Zuständigkeit für diesen Bereich ist im Rahmen der Föderalismusreform an die Länder delegiert worden –, würde sich loh
nen. Deshalb sind wir für eine Anhörung, in der wir das Für und Wider gegeneinander abwägen können. Aber ganz so einfach, ganz so locker-flockig, wie es die LINKEN gemacht haben, geht es nicht. Ich glaube, das sollten wir als Demokraten gemeinsam so sehen.
Deshalb bieten wir Ihnen an, im Ältestenrat – unter Beteiligung des Innenausschusses – in eine Anhörung darüber zu gehen. Jetzt haben wir noch Zeit, bevor das Gesetz ausläuft. Wir können uns Erfahrungen aus anderen Bundesländern einholen. Der Kollege Hahn kann als Sachverständiger eingeladen werden.
Dann werden wir am Schluss bewerten können, in welcher Form wir sicherstellen, dass dieser Hessische Landtag seiner verfassungsrechtlichen Aufgabe gerecht werden kann, frei und ungestört tagen kann und trotzdem das Recht auf Versammlungsfreiheit gewährleistet ist. In der Abwägung sind wir für einen vernünftigen Prozess und ein vernünftiges Ergebnis. Wir wollen einen ordentlichen Prozess organisieren und laden Sie dazu herzlich ein.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage des Für und Wider einer Bannmeilenregelung hier in Hessen muss sicherlich ernsthaft diskutiert werden. Sie hat, das ist in den Debattenbeiträgen der Kollegen schon angeklungen, viele Facetten und Aspekte.
Es geht auf der einen Seite um die Frage, ob Abgeordnete in einem verfassungsrechtlich besonders geschützten Raum frei von Beeinflussung, frei von Druck, ihrem Gewissen verpflichtet, Entscheidungen zum Wohl und im Interesse der Menschen in unserem Lande treffen können. Es geht auf der anderen Seite natürlich auch um die Frage, ob und inwieweit Abgeordnete, die für das Volk da sind, die vom Volk gewählt worden sind, nicht auch Nähe, Transparenz und Offenheit in ihren Entscheidungen gegenüber dem Volk dokumentieren sollten. Das sind Fragen, die immer wieder neu aufzuwerfen sind, die im Lichte der Erfahrungen und Entwicklungen immer wieder neu zu betrachten sind.
Genau das wollen wir als FDP-Fraktion tun. Das eint uns mit zumindest weiten Teilen dieses Hauses. Genau das wollen wir tun, wenn das Bannmeilengesetz im Jahr 2012 ausläuft, wenn es einer Evaluation und Überprüfung unterzogen werden muss, ob es sich in seiner jetzigen Form bewährt hat, ob es andere Möglichkeiten gibt, ein entsprechendes Gesetz auszugestalten, um beiden Fragestellungen, die ich aufgeworfen habe, gerecht zu werden.
In diese Diskussion, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, werden viele Punkte einfließen. In diese Diskussion werden die Erfahrungen einfließen, die wir in den letzten ein bis zwei Jahren mit Demonstrationen, mit Kundgebungen rund um dieses Parlament gemacht haben. Ich erinnere mich sehr genau an
In diese Überlegungen werden außerdem polizeitaktische Erwägungen einfließen. Ich denke, die Landesregierung wird dem Parlament in dieser ihm ureigenen Entscheidung entsprechende Hinweise geben können. Natürlich werden in diese Diskussion auch die berechtigten und kritischen Ansätze einfließen, die sowohl der heutige Justizminister als auch die heutige Staatssekretärin in diesem Punkt formuliert haben, weil diese Anmerkungen genau den Kern der Fragen berühren, die wir uns immer und immer wieder stellen müssen, wenn wir über die Angemessenheit einer Bannmeilenregelung in der heutigen Zeit reden.
Folgendes werden wir aber nicht machen – damit will ich mich Ihrem Gesetzentwurf zuwenden –: Erstens. Wir werden dieses gerade für das Parlament so bedeutsame Thema nicht missbrauchen, um in irgendeiner Form politischen Klamauk zu veranstalten. Da nutzt es nichts, Herr Kollege Wilken, wenn Sie sich hier ans Pult stellen und die Unwahrheit erzählen. Ich kann Ihnen versichern, die Pressemeldung von Frau Kollegin Beer ist immer noch auf der Internetseite der Landtagsfraktion der FDP zu finden. Wenn Sie das nicht selbst finden können, bin ich gerne bereit, durch meine Mitarbeiter Ihnen und Ihren Mitarbeitern eine Schulung zukommen zu lassen. Danach werden Sie diese Meldung im Netz finden.
Zweitens. Das, was Sie hier gemacht haben, nämlich Ihre Gesetzesbegründung dadurch zu gestalten, dass Sie einen Kurzaufsatz des Kollegen Hahn angefügt haben, ist nichts anderes als der relativ durchschaubare Versuch, in irgendeiner Form etwas die CDU und die FDP Trennendes zu finden und hier zu thematisieren.