Natürlich stellt sich die Frage: Werden es wirklich vier bis fünf von 1.000 Studierenden sein? Das ist nämlich Glückssache. Das Problem ist ja: Die Hochschulen müssen selbst Stifter finden. Sie müssen sie motivieren, zu spenden. Da wird es regional zu großen Unterschieden kommen. Es kommt natürlich darauf an, ob eine Universität in einer strukturschwachen oder in einer strukturstarken Region beheimatet ist. Für Hessen heißt das konkret: Die Universität in Fulda wird viel größere Probleme haben als z. B. die in Frankfurt.
Wenn dann doch ein paar Studierende auserlesen sind, dieses Stipendium zu bekommen, heißt es, bitte das Kleingedruckte zu lesen. Denn gefördert wird nicht etwa das ganze Studium, wie man vielleicht meinen könnte. Nein, gefördert wird oft nur für zwei Semester. Eigentlich lautet eine allgemeine Empfehlung für Studierende: Bleiben Sie mobil, bleiben Sie flexibel. – Das gilt gerade mit Blick auf die Bologna-Reform. Das Schwierige ist: Wer ein Deutschlandstipendium hat, muss an der Hochschule bleiben, für die er es bekommen hat.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag vollmundig angekündigt, Sie wollen eine Bundesratsinitiative ergreifen, um besonders leistungsfähige Studierende mit einem Stipendienprogramm zu fördern. Sie haben sogar gesagt, wenn die anderen nicht mitzögen, wollten Sie ein solches Programm notfalls alleine in die Wege leiten. Es ist ein bisschen sonderbar: Jetzt kommt der Bund auf Sie im Bundesrat zu, und Sie sagen: Nein, alles vergessen, machen Sie das mal alleine.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, ich will Sie aber dafür nicht zu sehr kritisieren; denn als GRÜNE kann ich ja fast dankbar sein, dass Sie Ihre Parteigenossen im Bund im Stich gelassen haben.
Es löst die Probleme nicht, die wir in unserem Bildungssystem haben. Wir befürchten sogar, es verstärkt sie eher.
Die einzig verbindlichen Kriterien für die Vergabe eines Stipendiums sind nämlich Leistung und Begabung. Soziale Aspekte bleiben völlig unberücksichtigt. Dabei müsste doch auch Ihnen klar sein, dass man Leistung vor dem Hintergrund einer schwierigen Biografie anders bewerten muss, z. B. dann, wenn Personen besondere Herausforderungen zu meistern haben. Das Problem unserer Gesellschaft ist doch nicht, dass Akademikerkinder mit Bestnoten nicht mehr studieren wollen und können. Unser Problem ist, dass junge Menschen aufgrund ihrer sozialen Herkunft oder augrund schwieriger persönlicher Lebensumstände nicht studieren können, obwohl sie eine Menge Potenzial, eine große Begabung haben. 83 von 100 Akademikerkindern gelangen an eine Hochschule. Von den Nichtakademikerkindern sind es nur 23 von 100. Das ist ein Ergebnis unseres ungerechten Bildungssystems. Wenn Sie das nicht berührt, meine Damen und Herren von FDP und CDU, dann müssten Sie zumindest über den spürbaren Fachkräftemangel nachdenken.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Wir GRÜNEN sehen Stipendienprogramme als durchaus sinnvoll an. Es ist sehr sinnvoll, gerade junge Menschen zu fördern. Es kommt aber darauf an, wie man sie fördert.
Erstens. Stipendien können immer nur ein Zusatzangebot im Rahmen einer starken Studienfinanzierung mit transparenten Rechtsansprüchen sein. Hier geht es also um BAföG.
Herr Büger, Sie haben gesagt, ein Viertel der Studierenden werde über BAföG finanziert. Wenn man sich das aber genau anschaut, sieht man: Nur ein Bruchteil dieser 25 % der Studierenden bekommt den Höchstsatz. Ganz viele bekommen nur wenige Euro auf ihr Konto überwiesen. Da lohnt sich der administrative Aufwand fast nicht.
Die Grundlage der Förderung ist also eine ordentliche BAföG-Novelle. Was ist aber im Bundestag passiert? Sie haben von einem „Korb“ gesprochen. Ich sage ganz klar: Die BAföG-Novelle wurde im Bundtag ausgespielt, weil Bundesministerin Schavan unbedingt ihr Stipendienprogramm durchdrücken wollte. Danach fand ein monatelanges Tauziehen statt. Was war das Ergebnis? Geringfügige Verbesserungen, z. B., um es bildlich zu machen: Höchstsatzempfänger bekommen jetzt ganze 12 € mehr. – Das sind die, die am bedürftigsten sind. Sie bekommen 12 € mehr.
Zweitens. Ein gutes Stipendienprogramm wäre nach Auffassung der GRÜNEN nicht einseitig am Begriff Leistung ausgerichtet. Es kommt eben auf die Definition von Begabung und Leistung an. Gleichzeitig muss aber immer auch die individuelle Lebensleistung berücksichtigt werden. Ein Notendurchschnitt zeigt immer nur eine Facette eines jungen Menschen.
Das Dritte ist die Beteiligung der Wirtschaft. Auch wir GRÜNEN empfinden es als richtig und wichtig, dass sich die Wirtschaft am Stipendienprogramm beteiligt. Herr Büger, Sie haben vorhin gesagt: Warum kommt es dann so spät? – Sie behaupten, es liege an der linken Seite des Plenarsaals, an Rot-Grün, die immer nur auf die Förderung von sozial Schwachen setzen. Um es ganz klar zu sagen: Die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände haben jahre
lang versprochen, es komme zu einem Programm. Leider ist nichts passiert. Jetzt hat die öffentliche Hand das Programm mitgefördert; nun kommt es ins Rollen. Es ist nicht so, dass die linke Seite schuld ist.
Es ist wichtig, dass die Wirtschaft an Stipendien beteiligt wird, aber es ist auch wichtig, dass sie keinen Einfluss auf die Auswahlkriterien bekommt. Sie haben gerade gesagt, die Auswahl erfolge alleine durch die Hochschulen. Ich habe von der TU Berlin – da war ja gestern die Auftaktveranstaltung – einen Prospekt mitgebracht. Da heißt es: „Junge Talente gemeinsam entdecken und fördern“. Es ist also ein Prospekt über das Deutschlandstipendium. Da steht – ich zitiere –:
Als Stifter fördern Sie mehrere Stipendiatinnen oder Stipendiaten für ein oder mehrere Jahre. Sie können den Studiengang oder das Fach der Stipendiatin/des Stipendiaten bestimmen, die Auswahlkriterien mitbestimmen, die Auswahlkommission beraten und Ihre Stipendien nach Wunsch benennen.
Das ist schon ein bisschen mehr, als dass man sagen könnte, dass die Hochschule alleine auswählt. Man hat es in Nordrhein-Westfalen schon erlebt: Wir haben ein deutliches Ungleichgewicht in der Förderung, beispielsweise zwischen Rechtswissenschaften und Kulturwissenschaften. Die Förderung muss aber unabhängig von den Bereichen erfolgen, die für die Wirtschaft explizit von Vorteil sind. Insofern müsste man eher über einen Fonds nachdenken. Den gibt es zwar auch, das ist aber nur ein ganz kleiner Bereich des Deutschlandstipendiums. Das müsste ein größerer Fonds sein, an dem sich die Wirtschaft sehr gerne beteiligen kann. Das wäre absolut lobens- und unterstützenswert.
Der vierte Punkt, der uns bei einem Stipendiensystem wichtig wäre: Die Hochschulen dürfen mit dem finanziellen und personellen Aufwand nicht alleine gelassen werden. Wir hatten eben im Rahmen der Aktuellen Stunde eine lange Diskussion, was die Hochschulen alles meistern müssen, mit welchen Kürzungen sie es zu tun haben. Das Problem ist: Die Hochschulen haben einen immensen Verwaltungsaufwand. Ich habe schon gesagt: Je nach Region ist es unterschiedlich schwierig, überhaupt an Stifter zu kommen. Die Hochschulen bekommen derzeit zur Deckung ihrer Verwaltungskosten ganze 7 % der selbst eingeworbenen Mittel. Sie von der FDP haben ja, schätze ich, zu Herrn Pinkwart ein sehr gutes Verhältnis. Sie sollten ihn einmal fragen, wie viel Geld er gebraucht hat. Dann sehen Sie nämlich, dass mindestens 25 % der eingeworbenen Mittel notwendig ist, damit die Hochschulen das überhaupt meistern können.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ich würde mit Ihnen im Ausschuss gern wirklich über die Stipendien diskutieren. Ich würde gern mit Ihnen darüber diskutieren, wie man das bundesweite Stipendienprogramm so regeln kann, dass es wirklich besser wird und dass alle Studierenden mit Potenzial eine Chance haben, dort aufgenommen zu werden. Wie kann man es schaffen, das BAföG auf eine solide Grundlage zu stellen?
Ihr Koalitionsvertrag steht noch aus. Sie haben gesagt, Sie wollten eigene Mittel in die Hand nehmen. Vielleicht wollen Sie doch noch ein eigenes Stipendienprogramm auf
Angesichts Ihres Antrags und unter dem Eindruck der Rede, die Herr Büger gerade gehalten hat, habe ich aber wenig Hoffnung, da der Leistungsgedanke immer an oberster Stelle steht und Leistung das Einzige ist, was jetzt gefördert werden soll. Man muss da komplexer denken. Insofern bleiben die – –
(Zuruf von der FDP, zu BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN gewandt: Nun klatschen Sie doch! – Gegenruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war doch mitten im Satz!)
Ich komme zum Schluss. – Wir fordern Sie auf: Verfolgen Sie nicht weiter den Weg, diejenigen zu fördern, die ohnehin die Bildungsgewinner sind, und vernachlässigen Sie nicht diejenigen, die sich gern entfalten würden, es aber noch nicht können. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Dorn. – Zur Begründung des Antrags der Fraktion DIE LINKE wird jetzt Frau Wissler zu uns sprechen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Taschengeld für die Elite“, so wurde das nationale Stipendienprogramm der Bundesregierung in den Medien genannt, völlig zu Recht. Ursprünglich war geplant, dass 160.000 Studierende, die Leistungsstärksten 10 % eines Jahrgangs, für besondere Studienleistungen 300 € monatlich bekommen. Die Hälfte sollte von privaten Sponsoren kommen, die andere Hälfte wollten sich Bund und Länder teilen.
Nicht nur wir LINKE fanden das Programm von Anfang an wenig überzeugend. Die Mehrheit der Studierenden lehnt das Programm ab, viele Hochschulen lehnen das Programm ab, und auch die Länder wollten es nicht unterstützen.
Aber Frau Schavan weigert sich, das Programm zu beerdigen, und will es offensichtlich gegen alle Widerstände durchsetzen. Es ist ihr so wichtig, dass der Bund schließlich sogar den Anteil übernommen hat, der eigentlich den Ländern zugedacht war, um so die Zustimmung der CDU-Länder zu erkaufen.
Deshalb, meine Herren von der FDP, ist schon die Überschrift Ihres Antrags schlicht falsch. Die Überschrift Ihres Antrags lautet: „Hessen unterstützt Einstieg in ein nationales Stipendienprogramm“. Aber, Herr Büger, das stimmt doch überhaupt nicht. Sie bejubeln hier ein Programm und haben sich dabei geweigert, auch nur einen einzigen Cent aus Landesmitteln dafür bereitzustellen.
Frau Ministerin, liebe Landesregierung, für diese Entscheidung werden wir LINKE Sie ausnahmsweise einmal
nicht kritisieren. Wir werden Sie dafür nicht kritisieren. Das war ausnahmsweise eine richtige Entscheidung. Das braucht man jetzt nicht allzu sehr zu bejubeln. Auch eine kaputte Uhr hat zweimal am Tag recht. Von daher hat die Landesregierung eben auch einmal einen Glückstreffer gelandet.
Das Programm war groß angedacht. Eine neue Stiftungskultur sollte entstehen. Aber nun ist das Programm zusammengeschrumpft. Es geht jetzt noch um lächerliche 10.000 Studierende. Nicht die Studierenden sind lächerlich, sondern deren Anzahl ist es. Die Kosten sollen sich jetzt Bund und Wirtschaft teilen.
Aber die Bundesregierung hat wohl übersehen oder vielleicht auch übersehen wollen, dass die Unternehmen ihre Spenden von der Steuer absetzen können. Damit schrumpft der private Anteil ganz erheblich.
Vor wenigen Tagen fand in Berlin die Auftaktveranstaltung zum Startschuss für das nationale Stipendienprogramm statt. Dort hat Frau Schavan ihr Programm den Unternehmen vorgestellt. Die Veranstaltung wurde von Protesten Studierender begleitet, die zeigen wollten, dass sie eine derartige Eliteförderung ablehnen.
Frau Schavan wirbt für das Programm mit dem Satz: „Junge Talente fördern kostet jetzt nur noch halb so viel.“ Das ist natürlich Unfug; die Förderung kostet immer noch genauso viel. Nur zahlt jetzt der Steuerzahler einen großen Teil, weil die Unternehmen ihre Ankündigungen nicht umgesetzt haben.
Das Problem bei dem Stipendienprogramm ist aber seine grundsätzliche Stoßrichtung. Es forciert die soziale Selektion im Bildungssystem und zielt darauf ab, den ohnehin privilegierten Studierenden ein Extrataschengeld zukommen zu lassen, während eine steigende Zahl von Studierenden unter der Armutsgrenze lebend studiert.
Das nationale Stipendienprogramm, so steht es in der Begründung des Gesetzes, soll die Motivation zur Aufnahme eines Studiums steigern. Drei Viertel der Abiturienten, die auf ein Studium verzichten, nennen als Gründe dafür finanzielle Probleme und die Angst, sich für das Studium zu verschulden. Ich frage mich: Wie sollen denn die potenziellen Studierenden motiviert werden, wenn die Aussicht auf ein Stipendium völlig ungewiss ist? Im Gegensatz zum BAföG gibt es hier nämlich keinen Rechtsanspruch, und es existieren vor allem überhaupt keine sozialen Kriterien, die bei der Vergabe angelegt werden können.
Deshalb sind wir LINKE der Meinung, dass Stipendien grundsätzlich hochgradig sozial selektiv sind; denn sie werden in der Regel nach Leistungen vergeben, und das begünstigt natürlich Studierende aus Akademikerfamilien. Die haben aufgrund ihres familiären Umfelds meistens bessere Chancen, bessere Leistungen zu erbringen, und oftmals werden sie auch dann bevorzugt, wenn ihre Leistungen real gar nicht besser sind als die anderer.
Hinzu kommt – das hat die Kollegin Dorn schon angesprochen –, dass die Stipendien direkt über die Hochschulen abgewickelt werden. Deshalb haben wir das Problem, dass viele Studierende ihre Hochschule nicht mehr wechseln können, weil sie Angst haben müssen, ihr Stipendium zu verlieren. Das ist natürlich hanebüchen angesichts des