Der wichtigste Punkt ist: Es muss Anreize geben. Wir wollen, dass andere Länder sparen, das Geld nicht in Sozialpolitik verpulvern, sondern sich endlich auch einmal anstrengen, um irgendwann einmal Geberland zu werden, anstatt sich nur aus der Solidarkasse zu bedienen, wie es jetzt der Fall ist.
(Tarek Al-Wazir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wird bei der FDP enden wie bei der Gesundheitspolitik: immer nur Papier – und nachher kein Konzept!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin den Fraktionen von CDU und FDP sehr dankbar, dass sie das Thema Länderfinanzausgleich heute erneut auf die Tagesordnung der Landtagssitzung gesetzt haben. Ich wundere mich ein klein wenig über die Reaktion nach dem Motto: Müssen wir denn schon wieder darüber reden?
Wenn ich mir ansehe, welche Belastungsgrößenordnung der Länderfinanzausgleich Jahr für Jahr in unserem Haushalt ausmacht, dann reden wir hier von Plenarrunde zu Plenarrunde aus meiner Sicht auch häufig über finanziell weitaus unbedeutendere Fragestellungen. Wenn wir jedes Jahr zwischen 1,8 und 3 Milliarden € dort einzahlen, ist es wirklich angemessen, wenn sich dieses Parlament im Dialog mit der Regierung sehr viel häufiger mit dieser Fragestellung beschäftigt. Denn, ich wiederhole, es ist die größte Belastung unseres Landeshaushalts, und damit müssen wir uns beschäftigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kollege van Ooyen versucht gerne, an den Fakten herumzudrehen. Schauen wir uns die Ländersteuerkraft an. Vor Beginn aller Ausgleichsmechanismen stehen wir da auf Platz 3 der deutschen Skala. Bereits nach der Stufe des Länderfinanzausgleichs – vor den Bundesergänzungszuweisungen – stehen wir auf Platz 11; nach den Bundesergänzungszuweisungen auf Platz 14 bei der Ländersteuerkraft.
Das ist das Faktum, und das ist die Motivation, weswegen wir sagen, es ist ungerecht, dass diejenigen, die mehr können, am Ende des Tages weniger haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb haben wir uns als Regierung auf Ihren Auftrag hin – der Beschluss vom März des Jahres 2010 war heute schon mehrfach Gegenstand der Erörterung – auf den Weg gemacht, diesen Kurs sehr konsequent umzusetzen.
Richtig ist auch, dass natürlich der bloße Hinweis: „Der Hessische Landtag hat uns gebeten, mit euch zu verhandeln“, die Bereitschaft der anderen Bundesländer, darüber zu reden, sicher nur rudimentär gestärkt hat.
Deshalb war der Weg richtig, sich zunächst gemeinsam mit den Ländern Bayern und Baden-Württemberg rechtlich beraten zu lassen und in Gutachten sehr detailliert analysieren zu lassen, wo die juristischen Schwachpunkte des gegenwärtigen Systems sind, um mit diesen Gutachten im Rücken dann mit den Kabinetten eine gemeinsame Beschlussfassung herbeizuführen: Ja, wir wollen verhandeln, aber mit der juristischen Expertise im Rücken, den anderen Nehmerländern ein Argument auch für sich selbst in die Hand zu geben: Lasst uns lieber mit den Geberländern verhandeln, dann wird die Konsequenz für die eigenen Haushalte möglicherweise geringer sein, als wenn
wir es am Ende auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichts ankommen lassen. – Nur mit dieser Motivation bekommt man doch am Ende des Tages eine vernünftige Verhandlungsstruktur hin.
Das haben wir geschafft. Die Gutachten sind im Herbst des letzten Jahres vorgelegt worden. Die Kabinette haben jetzt beschlossen, zunächst den Verhandlungsweg zu beschreiten. Die Ministerpräsidenten der drei Länder haben an ihre Kollegen geschrieben.
Mit den ersten Reaktionen auf diese Schreiben bin ich gar nicht unzufrieden. Natürlich, Ministerpräsidenten von Nehmerländern, die gerade im Wahlkampf sind, haben eine andere Emotionalität. Ich glaube, das muss man ein Stück herausnehmen, das ist so.
Das ist völlig egal. Sie sind auch lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass die Emotionalität unserer Berufsgruppe in Wahlkampfzeiten eine andere ist. Ich glaube, das ist menschlich und nicht parteipolitisch geprägt.
Gleichwohl hat mich so manche Reaktion aus RheinlandPfalz durchaus überrascht: im Bundesrat einen Antrag zu stellen, die Zerlegungsstrukturen der Abgeltungsteuer schlagartig zu verändern. Dieser Vorschlag hätte Rheinland-Pfalz im Jahr 7 Millionen € gebracht, uns hätte er 140 Millionen € gekostet, aber den Landeshaushalt von Nordrhein-Westfalen hätte das gnadenlos ruiniert. Der einzige Gewinner dieses Projektes wäre Herr Schäuble gewesen, er hätte 200 Millionen € im Jahr gewonnen.
Das scheint mir eher ein wahlkampfgetriebener Schuss aus der Hüfte gewesen zu sein. Meine Damen und Herren, das wollen wir beiseitenehmen.
Florian Rentsch hat ja bereits geschildert: Stanislaw Tillich hat sich entsprechend geäußert, ebenso Peter Harry Carstensen – denn natürlich leiden auch die Nehmerländer am gleichen Phänomen wie wir: Aus einem Mehrbetrag von 100 Millionen € werden bei bestimmten Grenzen am Ende 5 Millionen € im eigenen Landeshaushalt ankommen. Das ergibt doch keinen Sinn, denn das motiviert niemanden, sich anzustrengen. Das motiviert keine Landesregierung, sich dafür einzusetzen, möglicherweise nicht ganz einfache Entscheidungen zur Gewerbeansiedlung von Großbetrieben herbeizuführen, die in der Bevölkerung nicht immer beliebt sind – wenn am Ende des Tages der Schaden einer solchen Ansiedlungspolitik für die politische Diskussion in Abwägung mit dem gebracht wird, was im Landeshaushalt ankommt.
Deshalb müssen wir an diese Strukturen heran. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das geht eben nur mit einer grundsätzlichen Veränderung.
Lassen Sie mich ein Weiteres hinzufügen. Die Gutachten, die uns vorliegen, liefern nicht nur Anhaltspunkte für die Fragestellung, wo das juristisch angreifbar ist. Vielmehr liefern sie in der Tat auch Stellschrauben, an welchen Punkten man sinnvollerweise schauen muss, ob die bisherigen, tradierten Strukturen vernünftig sind.
Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich – ich glaube, letztmals Ende der Sechzigerjahre – mit der sogenannten Einwohnerveredelung der Stadtstaaten auseinandergesetzt. Irgendwie leuchtet es mir nicht ein, dass der durchschnitt
liche Bremer – Christean Wagner, Entschuldigung, dass ich jetzt auch die Bremer nennen muss –, Hamburger und Berliner 135 % von dem wert sein soll, was ein durchschnittlicher Hesse wert ist.
Jetzt kann man mit Fug und Recht sagen, Stadtstaaten haben eine andere Struktur. Warum aber Bremen, Hamburg und Berlin mit 135 % identisch bewertet sind, das kann man heutzutage niemandem mehr erklären.
Das aber ist ein Schlüssel des Länderfinanzausgleichs. Von den etwa 7 Milliarden € des Ausgleichsvolumens des letzten Jahres sind in der Größenordnung gut 3 Milliarden € allein in die Stadtstaaten Berlin – mit 2,8 Milliarden € – und Bremen – mit 400 Millionen € – geflossen. Das heißt, dies ist eine zentrale Stellschraube, an der man etwas tun kann und aus unserer Sicht auch muss.
Jetzt kann man sich auf den Standpunkt stellen, die Bundesseite muss sich nach amerikanischem Vorbild vollständig aus Bundesmitteln um ihre Bundeshauptstadt kümmern. So weit will ich gar nicht gehen. Ich glaube, es ist notwendig, im Länderkonzert zu Verständigungen zu kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu gehört natürlich auch die Diskussion: Wenn Ausgleichsbeträge des Länderfinanzausgleichs dazu genutzt werden, Dinge zu finanzieren, die sich die anderen Länder so nicht leisten können, dann ist das natürlich keine Neiddebatte, sondern am Ende eine Frage der Gerechtigkeit.
Diejenigen, die mit ihrer Wirtschaftskraft und Infrastruktur Erträge generieren, die am Ende an anderen Stellen ausgegeben werden, können sich diese Ausgaben nicht leisten, weil sie die Belastung dafür haben, dass es diese Wirtschaftskraft gibt.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir jenseits des parteipolitischen Streits des Alltags bei dem gemeinsamen Kurs bleiben, diesen Länderfinanzausgleich im Interesse unserer Menschen hier in Hessen zu ändern. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit sind wir am Ende aller Aktuellen Stunden des heutigen Vormittags.
Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Hessen unterstützt Einstieg in ein nationales Stipendienprogramm – Drucks. 18/3638 –
Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend nationales Stipendienprogramm führt zu keiner sozialen Öffnung der Hochschulen und bürdet Hochschulen Kosten auf – Drucks. 18/3676 –
Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend nationales Stipendienprogramm stoppen – BAföG erhalten und ausbauen – Drucks. 18/3679 –
Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend Vorrang für das BAföG statt Stipendienprogramm – Drucks. 18/3681 –
Als Erster hat sich Herr Dr. Büger für die FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. Zehn Minuten Redezeit, Herr Dr. Büger.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was wir im Jahr 2011 bei der Finanzierung von Studierenden in Deutschland erleben, ist nichts weniger als ein Epochenwechsel. Mit der Einführung des nationalen Stipendienprogramms zum Sommersemester 2011 wird ein neues Kapitel bei der Förderung junger Akademiker aufgeschlagen, das das Bildungssystem in Hessen und in Deutschland nachhaltig stärken wird. Darüber freuen wir uns.
In der Zukunft werden die Länder dieser Erde in erster Linie nicht mehr um Rohstoffe, sondern um die besten Köpfe konkurrieren. Nur wer die besten Köpfe ausbildet, sie fördert, sie wertschätzt und sie im Land hält, wird langfristig den Wohlstand dieses Landes sichern. Wir müssen deshalb alles tun, damit junge, motivierte, leistungsbereite Menschen, wenn sie dies wollen, ein Studium aufnehmen können und sich mit aller Kraft diesem Studium widmen können.
Der Grundsatz, dass die Eltern, wenn sie dazu finanziell in der Lage sind, ihren Kindern den Lebensunterhalt während der Zeit der Ausbildung finanzieren, ist richtig, und er gilt im Übrigen seit dem Bestehen dieses Landes. Sind die Eltern dazu finanziell nicht in der Lage, darf dies kein Hindernis für die Aufnahme eines Studiums sein. Hier gibt es seit vielen Jahrzehnten in Deutschland das BAföG, und das ist auch richtig so.