Frau Wissler, ich muss Ihnen sagen, Ihre Zwischenrufe werden immer niveauloser. Es tut mir schrecklich leid.
Ich denke, dass man ganz vernünftig dabei vorgehen und die Vor- und Nachteile in aller Ruhe und ohne Schaum vor dem Mund abwägen muss.
Bei so elementaren Fragen, die wir diskutieren, sollten wir uns den Eingangsappell des Abg. Bellino im Rahmen der ersten Lesung vor Augen führen, der nämlich gesagt hat, man solle dieses Thema möglichst einvernehmlich behandeln. Ich finde es erfreulich, dass wir bei unterschiedlichen Auffassungen, die natürlich bestehen, einen Konsens in einem Punkt haben, dass wir nämlich die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land stärker als bisher partizipieren lassen wollen, sie stärker einbinden wollen und ihre Interessen durch ein Volksbegehren artikuliert haben wollen.
Darüber sollten wir uns nicht streiten, denn das ist ein Anliegen, das wir alle gemeinsam haben. Das ist es dann aber auch schon mit dem Konsens. Insbesondere haben wir einen Dissens über die Höhe der Quoren – alle Redner haben es bereits angesprochen. Nach meiner Sicht der Dinge kann man mit guten Gründen für die eine oder für die andere Lösung sein. Für die Landesregierung will ich das aber auch sehr deutlich sagen: Ich halte nach wie vor die von CDU und FDP vorgeschlagene Absenkung des Zulassungsquorums auf 2 % für sachgerecht.
Ich halte es deswegen für einen sachgerechten Weg, weil das Zulassungsquorum in einem angemessenen Verhältnis zu dem Quorum für das spätere Volksbegehren stehen muss. Alles andere führt dazu, dass die mit einem Volksbegehren verbundenen Hoffnungen, die die Bürgerinnen und Bürger haben, die aber insbesondere auch die Initiatorinnen und Initiatoren haben, enttäuscht werden. Damit erreicht man dann genau das Gegenteil von dem, was man eigentlich erreichen wollte. Insoweit stimme ich dem zu, was Herr Dr. Blechschmidt gesagt hat: Die Opposition verfährt hier nach dem Motto: Wer bietet weniger? – So geht es meines Erachtens in diesem Sachverhalt nicht.
Das hört sich im ersten Moment gut an, und damit macht man sich bei denjenigen, um die es geht, auch unheimlich beliebt. Das hört sich bürgerfreundlich an. Ich bin der festen Überzeugung, dass es am Ende definitiv nicht dem Ziel dient, die Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern zu stärken. Am Ende wird es so sein, dass Sie die Menschen damit enttäuschen und die Menschen verdrossen sein werden.
Ich meine schon, dass die Diskussion über die Höhe der einzelnen Quoren den Blick auf etwas ganz Wesentliches verstellt hat. Herr Dr. Blechschmidt hat es angesprochen. Sie verstellt den Blick darauf, dass der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen für die Bürgerinnen und Bürger spürbare und zahlreiche Verbesserungen enthält. Ich darf an dieser Stelle auf eine Regelung des Gesetzentwurfs hinweisen: Der Landtag muss sich zukünftig im Wege der Selbstbindung mit einem Volksbegehren beschäftigen, wenn das Zulassungsquorum erreicht wurde. – Das ist eine ganz neue Möglichkeit, das ist eine sehr weitreichende Möglichkeit, und das ist eine echte bürgerfreundliche Möglichkeit. Das ist Partizipation.
Das ist diese Möglichkeit, die wir in Hessen neu schaffen wollen. Diese Möglichkeit bietet ein Mehr an Mitwirkungschancen. Deswegen kann ich überhaupt nicht verstehen, dass keiner von Ihnen in irgendeiner der Reden, die gehalten worden sind – Sie haben ja jetzt wieder Kärtchen abgegeben –, darauf eingegangen ist. Das ist schade, weil es ein echtes Novum ist, das etwas bringen wird. Die Bürgerinnen und Bürger erhalten erstmals die Gelegenheit, den Landtag mit einem konkreten Gesetzentwurf zu befassen. Das ist etwas ganz Neues und etwas sehr Weitreichendes. Ich begrüße das.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Satz sagen. Ich sehe die zweite Lesung des Gesetzentwurfes von CDU und FDP nicht als Abschluss einer Diskussion. Die Diskussion wird immer weitergehen, sie wird sich auch immer wieder erneuern müssen. Ich sehe sie als eine weitere Station in einem gemeinsamen Bemühen, das wir offensichtlich haben, nämlich das Verhältnis von direkter zu repräsentativer Demokratie neu zu justieren und den Bürgerinnen und Bürgern eine bessere demokratische Teilhabe an der Ausübung der Staatsgewalt zu ermöglichen. Für diese Etappe ist der Gesetzentwurf, den CDU und FDP vorgelegt haben, der bessere Gesetzentwurf, der Gesetzentwurf, der den Bürgerinnen und Bürgern am meisten bringen wird. Ich würde mich sehr freuen, wenn er eine breite Mehrheit finden würde. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Innenminister. Sie haben es schon angekündigt, es wurden weitere Kärtchen abgegeben. – Herr Kollege Frömmrich hat noch einmal das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Klee, Sie haben dazwischengerufen, das alles habe den Ausschuss schon beschäftigt. Das ist in der Tat so. Wenn man allein die Reden Ihrer Fraktion gehört hat, hat man gemerkt, dass offensichtlich die Anhörung, die wir im Ausschuss durchgeführt haben, nicht dazu geführt hat, sich in die Richtung zu bewegen, in die die Sachverständigen im Ausschuss gewirkt haben. Deswegen muss man das noch einmal im Plenum erörtern, sehr geehrter Herr Vorsitzender des Innenausschusses.
Ich habe mich darüber gefreut, dass der Innenminister nach vorne gegangen ist und gesagt hat, es bestehe Einigkeit darüber, dass man eine stärke Einbindung haben wolle, eine stärkere Anteilnahme, und die Möglichkeit schaffe, damit Bürgerinnen und Bürger besser partizipieren können. Darüber sind wir uns alle einig.
Die Frage, über die wir uns streiten, betrifft den Weg und das Quorum. Herr Innenminister, es war so, dass die Redezeit etwas zusammengeschmolzen wurde, sonst wären auch wir auf die Frage der Volksinitiative eingegangen. Natürlich ist das etwas, was Sie neu schaffen und was im Grundsatz etwas Richtiges ist. Herr Innenminister, ich frage Sie: Warum versehen Sie es denn nicht mit dem
Frau Zeimetz-Lorz hat seinerzeit ein Quorum von 1 % gefordert. Sie hat damals gesagt, das sei etwas, worüber man reden könne. Oder man nimmt das Quorum, das die Kolleginnen und Kollegen von der SPD vorgeschlagen haben. Das bietet die Möglichkeit, dass Bürgerinnen und Bürger ein Volksbegehren initiieren, das Einleitungsquorum schaffen und sich der Landtag dann damit beschäftigen muss. Das wäre ein wirkliches Mehr an Partizipation.
Aber wenn Sie die Hürde für das Einleitungsquorum so hoch legen, dass niemand darüber springen kann, dann ist das, wie ich es vorhin gesagt habe, Placebopolitik. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das bringt uns in diesem Punkt nicht weiter.
Was ist denn daran eigentlich so schlimm und so schwer? Herr Innenminister, Sie betonen hier, das sei ein Balanceakt zwischen direkter und parlamentarischer Demokratie. Ist denn in Hessen der Untergang des Abendlandes, was in Bayern und Baden-Württemberg bei Volksbegehren und Volksentscheiden der Regelfall ist? Ist es der Untergang des Abendlandes, dass in Bayern Volksbegehren stattfinden – mit einem Einleitungsquorum von 0,27 %, nämlich mit 25.000 Unterschriften? In Hessen liegt das Einleitungsquorum zurzeit bei 131.000 Unterschriften; wenn Sie das jetzt mit Ihrem Quorum versehen, also 2 %, liegen wir bei 87.000 Unterschriften. Mit dem Quorum, das wir vorgeschlagen haben, nämlich 1 %, wären es immer noch 43.000 Unterschriften, fast doppelt so viele, wie in Bayern für die Einleitung von Volksbegehren als Einleitungsquorum notwendig sind. Wenn Sie sich schon nicht an der Opposition orientieren, dann können Sie sich doch wenigstens an dem Bundesland Bayern orientieren. Dort regieren immerhin CSU und mittlerweile auch die FDP.
Meine Damen und Herren, gehen Sie doch endlich diesen Weg. Es ist nicht der Untergang des Abendlandes, wenn man Bürgerinnen und Bürgern die Beteiligung an der Gesetzgebung ermöglicht.
Schauen Sie sich doch das Argument an, das hier immer wieder vorgetragen wird. Es wird so getan, als gäbe es durch die Ermöglichung von Volksbegehren und Volksentscheiden eine Unmenge dieser Volksgesetzgebung.
Schauen Sie sich beispielsweise an, was in Bayern seit 1946 diesbezüglich passiert ist, obwohl dort die Quoren so niedrig sind. In Bayern gab es 38 Initiativen auf ein Volksbegehren. Davon haben 19 den Weg ins Begehren geschafft. Ganze fünf davon sind zum Entscheid gekommen. Das ist von den Bürgerinnen und Bürgern doch nicht inflationär wahrgenommen worden, sondern sehr weitsichtig. Daran sieht man auch, dass die Bürgerinnen und Bürger so etwas wirklich nur dann tun, wenn es ihnen auf den Nägeln brennt.
Schauen Sie sich doch an, welche Themen das beispielsweise in Bayern waren, die angenommen worden sind.
Das war beispielsweise der Volksentscheid über Bürgerbehehren in Gemeinden und Landkreisen – er wurde angenommen. Das war der Bürgerentscheid über den schlanken Staat ohne Senat. Da wurde eine gute Entscheidung gefällt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist aber doch richtig, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Interessen selbst in die Hand nehmen und sich dann, wenn sie meinen, ein Thema muss dringend anders geregelt werden, zusammenschließen, Unterschriften sammeln und diesen Weg gehen. Das ist ein Mehr an Demokratie. Meine Damen und Herren, wir rufen Sie auf, endlich diesen Weg mit uns zu gehen.
Frau Präsidentin, ich werde mich kurz fassen. Ich weiß, die Kolleginnen und Kollegen möchten in die Mittagspause.
Herr Kollege Blechschmidt, ich möchte eines klarstellen: Ich habe mich hier nicht über die Redezeit beklagt. Zu Beginn meiner Rede habe ich mich deshalb zum parlamentarischen Verfahren geäußert, weil der Kollege Bellino im Anschluss an die Rede des Kollegen Frömmrich gerufen hat: Eine Minute hätte auch gereicht.
Darauf habe ich reagiert, denn ich empfinde das als sehr unparlamentarisch. Nein, so kann man mit den Kolleginnen und Kollegen nicht umgehen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf der Abg. Ju- dith Lannert (CDU) – Holger Bellino (CDU): Peinlicher geht es nicht!)
Herr Kollege Blechschmidt und auch Herr Innenminister, offenbar ist es leider nicht so, dass hier ein Grundkonsens über mehr Bürgerbeteiligung besteht. Wenn Sie wirklich Bürger beteiligen wollten, dann hätten Sie sich angesehen, was andere Bundesländer machen. Dann hätten Sie
Ich nenne Ihnen einmal ein paar Zahlen zur Senkung des Quorums. Sie senken auf 87.000 Stimmen. In Niedersachsen sind es 25.000 Stimmen, in Thüringen 5.000 Stimmen, in Nordrhein-Westfalen sind es nur 3.000 Stimmen, in Baden-Württemberg – ein sehr großes Bundesland – nur 10.000 Stimmen. Es gibt also keinen Grund, dass Sie sich dafür loben.