Protocol of the Session on February 2, 2011

Das sage ich abschließend ganz deutlich: Es geht um die Teilzeit von Männern und Frauen. Solange Sie es ausschließlich als Förderinstrument für Frauen ansehen, wird es tatsächlich so bleiben, wie es ist. Wir müssen zu einer anderen Arbeitskultur kommen, die es sowohl Männern als auch Frauen ermöglicht, den Beruf und die Familie miteinander zu vereinbaren und dies auch so zu tun, dass sie in der Familie ein vernünftiges Familienleben haben. Das ist nicht alleine Aufgabe von Frauen, genauso wie Führung und Führungspositionen nicht alleine Aufgabe von Männern sind. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schulz-Asche. – Die nächste Rednerin ist nun Frau Kollegin Ravensburg für die CDUFraktion.

(Holger Bellino (CDU): Die momentane Frauenquote im Präsidium ist schon gut! – Heiterkeit)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Schulz-Asche, ich freue mich, dass Sie meine Presseerklärungen lesen. Aber es wäre gut gewesen, wenn Sie sie ganz gelesen hätten. Ich will gleich in meiner Rede darauf eingehen.

Sie haben gesagt, Gleichberechtigung – ja, Chancengleichheit – ja. Ich glaube, da sind wir uns einig. Aber über den Weg dahin gibt es völlig unterschiedliche Auffassungen. Meiner Meinung nach kann es keine einheitliche Strategie für alle Bereiche der Landes- und kommunalen Verwaltungen geben; denn wir haben ein sehr unterschiedliches Bild. Wir haben Frauenüberschuss in den Kindertagesstätten und in den Grundschulen, auch in den Leitungen dort. Wir haben gute Werte im Richterberuf,

und wir haben natürlich einen Frauenmangel – das sehe ich auch so – in den Gremien, auch im höheren Dienst, wo wir deutlichen Handlungsbedarf sehen.

Aber das zeigt uns auch, dass wir nach individuellen Lösungen suchen müssen. Da finde ich es richtig und gut, dass wir heute munter streiten und um den richtigen Weg ringen, hier im Landtag, aber auch in Berlin und in der Bundesregierung. Das sage ich zum Thema Quotendebatte.

Wir sprechen uns gegen eine feste Quote aus. Wir lehnen sie ab. Wir finden, das, was Sie eben als ICE-Tempo bezeichnet haben, die Politik der SPD und der GRÜNEN mit Frauenquoten, ist Gleichberechtigungspolitik mit der Brechstange. Das finden wir falsch.

(Beifall des Abg. Holger Bellino (CDU))

Sie haben die Telekom erwähnt. Auch die Telekom braucht keine Quote; denn sie hat selbst gehandelt.

(Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich bin davon überzeugt, dass Quoten alleine deshalb abzulehnen sind, weil sie auch die Männer benachteiligen, weil sie nach außen signalisieren, dass die Frauen die Stellen – ich muss das noch einmal sagen – nur deshalb bekommen haben, weil man die Quote zu erfüllen hatte, obwohl das vielleicht gar nicht so ist.

(Zuruf des Abg. Lothar Quanz (SPD))

Das wollen auch die Frauen nicht. Sie wollen keine Quotenfrauen sein.

Entschuldigen Sie. Frau Kollegin Ravensburg, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke. Ich möchte gerne meine Rede fortführen.

(Petra Fuhrmann (SPD): Auch Seehofer hat die Quote eingeführt! – Gegenruf des Abg. Horst Klee (CDU): Ich habe sie nicht in Wiesbaden und trotzdem 40 % Frauen im Vorstand!)

Ich möchte betonen, dass die Frauen aufgrund ihrer Qualifikationen in Positionen kommen wollen. Das muss auch ohne Quote gehen. Dass das so geht, hat gestern der Präsident der Universität Gießen, Herr Mukherjee, uns eindeutig in seiner Rede bestätigt. Er hat erklärt, dass das Präsidium der Universität Gießen zu 50 % mit Frauen besetzt ist, und das ohne Quote. Dazu kommen steigende Professorinnenzahlen. Das haben Sie eben selbst gesagt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Deshalb haben wir auch ein Problem, über das wir nachdenken müssen: dass das Berufswahlverhalten von Frauen nach wie vor nicht breit genug ist. Deshalb wollen wir früh anfangen; denn auch Frau Gifford, Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland, bedauert, dass es immer noch so ist, dass Führungspositionen bei Microsoft mangels Bewerberinnen nicht mit Frauen besetzt werden können. Sie wünscht den Mädchen mehr Mut, Berufe im IT-Bereich oder in Naturwissenschaften zu ergreifen.

So bin ich auch der Meinung, dass der Weg, den die Hessische Landesregierung einschlägt, der richtige ist. Wir brauchen viele Bausteine. Wir brauchen gezielte Personalentwicklung. Wir brauchen gezielte Vereinbarkeitspolitik. Wir brauchen eine Kultur in der Landesverwaltung, dass sich auch Männer an Familienarbeit beteiligen können. Außerdem müssen wir – das haben wir eben gehört – die Vorurteile über Teilzeitarbeit abbauen. Teilzeitarbeit darf kein Karrierehemmnis sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was wollen Sie denn machen?)

Aber eines müssen wir auch bedenken. Frauen wählen sehr bewusst den öffentlichen Dienst aus, weil sie dort die Möglichkeit haben, ein möglichst flexibles Teilzeitangebot zu finden. Ich erwähne, dass es die Möglichkeit gibt, sich im öffentlichen Dienst bis zu zwölf Jahre komplett oder unter 50 % beurlauben zu lassen.

Wenn diese Frauen dann wiederkommen – das ist ganz klar, und das muss man ihnen auch vorher sagen –, dann haben sie Probleme, wieder in die Karriere einzusteigen. Deshalb müssen wir genau auf diesen Übergang, die Rückkehr nach der Familienpause, unsere Politik richten.

Die Frage ist, was wir tun können. Ich möchte die gezielte Wiedereinstiegsplanung der Oberfinanzdirektion in der Steuerverwaltung nennen. Dort wird schon beim Ausstieg der Wiedereinstieg geplant. Das ist richtig. Man muss sich schon vorher mit den Frauen und auch den Männern unterhalten, die aussteigen, wie sie den Kontakt zum Arbeitsplatz halten können, wie sie im Thema bleiben, wie sie über strukturelle oder gesetzliche Veränderungen informiert werden. Man muss ihnen Fortbildungsmöglichkeiten bieten.

Meine Damen und Herren, es ist so, dass im Bericht erwähnt wird, dass viele Frauen in der Ausstiegsphase keinen Bedarf sehen, Fortbildungen zu besuchen. Da müssen wir überlegen, neue Angebote zu machen. Oftmals hat das etwas damit zu tun, dass sie die Teilnahme an externen mehrtägigen Seminaren nicht mit der Kinderbetreuung vereinbaren können. Ich glaube, wir haben die Möglichkeit, gezielt daran zu arbeiten.

Ich möchte noch erwähnen, wie wichtig die Modellvorhaben sind. Ich freue mich, dass jetzt noch sehr viel mehr Teile der Landesverwaltung in diesem Bereich aktiv sind. Wir haben hier ein flexibles Personalbudget, und wir brauchen ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die es Frauen ermöglichen, leichter in Führungspositionen zu kommen. Ich denke, wir sollten bei der Behandlung dieses Themas im Ausschuss noch einmal genau darüber nachdenken, welche Möglichkeiten wir haben.

Wir sollten künftig mehr Wert auf die individuellen Chancen der Frauen legen. Wir sollten überlegen, wie die Fortbildungsmaßnahmen besser vereinbar gemacht werden. Dann haben wir auch die Chance, um bessere Lösungen zu ringen. Frauen sollten nicht „gegen“ die Männer gefördert werden, sondern es sollten – im besten Sinne von Chancengleichheit – allen die gleichen Chancen in der Landesverwaltung eingeräumt werden. Dafür ist der Bericht ein guter Ansatz und eine Entscheidungsgrundlage für die Debatte, die wir im Ausschuss führen werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank, Frau Ravensburg. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Ravensburg, ich bin froh, dass wenigstens zu Ihrer Rede einige Ihrer Kolleginnen und Kollegen gekommen sind; denn ein deutlicheres Interesse an diesem Thema als die leeren Reihen, die wir uns übrigens zu fotografieren erlaubt haben – –

(Holger Bellino (CDU): Hatten Sie die Erlaubnis, das zu tun?)

Das ist das Einzige, was Ihnen dazu einfällt?

Frau Kollegin Schott, da muss ich tatsächlich intervenieren. Hier im Saal darf nur dann fotografiert werden, wenn vorher die Erlaubnis dazu eingeholt wurde. Ich bitte, das bei der Veröffentlichung der Fotos zu berücksichtigen.

Ich lege auf dieses Intervenieren deutlich Wert; denn daran wird noch einmal sichtbar, dass es offensichtlich vollkommen in Ordnung ist, wenn die CDU-Fraktion durch Abwesenheit glänzt, es aber nicht in Ordnung ist, wenn man das öffentlich macht.

(Holger Bellino (CDU): Unerhört! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich finde es wirklich tröstend für die Kollegin, dass ihre Kolleginnen und Kollegen immerhin zu ihrer Rede in den Saal gekommen sind; aber man sieht nach wie vor, wie viel „Interesse“ die CDU-Fraktionsspitze an diesem Thema hat.

Seit ungefähr 20 Jahren haben wir in Hessen ein Gleichberechtigungsgesetz. Als es damals eingeführt worden ist,

(Holger Bellino (CDU): Waren Sie noch nicht dabei!)

war ich immerhin ein erwachsener, denkender, die Politik beobachtender Mensch, auch wenn ich nicht im Parlament gesessen habe. Offensichtlich sind Sie nicht in der Lage, sich das vorzustellen.

(Zurufe von der CDU)

Als das Gleichberechtigungsgesetz eingeführt worden ist, bin ich davon ausgegangen, dass es sicherlich einige Jahre dauern würde, bis die Ziele dieses Gesetzes erreicht sein würden; denn es war klar, es geht nur über einen langsamen Generationenwechsel. Dass wir allerdings von den Zielen dieses Gesetzes immer noch so weit entfernt sind, das entsetzt mich schon.

Von einer Gleichstellung der Frauen sind wir nach wie vor weit entfernt. Das gilt für die sogenannte freie Wirtschaft ebenso wie für die Wissenschaft, die Kunst und die Politik. Das ist bedauerlich. Umso wichtiger ist eine gründliche Bestandsaufnahme auf den Gebieten, die einer politischen Gestaltbarkeit am ehesten zugänglich sind. Das ist nun einmal der öffentliche Dienst. Von einer gründlichen Bestandsaufnahme und von wegweisenden Maßnahmen kann beim vorliegenden Bericht allerdings leider keine

Rede sein. Ich fand es vorhin sehr eindrucksvoll, das mit siebeneinhalb Minuten Schweigen darzustellen.

Schaut man sich die Verwirklichung der Chancengleichheit in den hessischen Regierungsfraktionen an, ist das aber nicht weiter verwunderlich. Entsprechend der Frauenquote in den beiden Regierungsfraktionen ist der Bericht ein Dokument der Gleichgültigkeit gegenüber den Problemen und den geringen Fortschritten bei der Gleichberechtigung der Geschlechter.

(Beifall bei der LINKEN)

Kenntlich wird diese Gleichgültigkeit erstens daran, dass der Bericht bei der Benennung der Probleme stehen bleibt. Ich zitiere aus dem Bericht, Seite 3:

Von 18 angeschriebenen Landkreisen haben 17 Berichte abgegeben, von 429 angeschriebenen Städten und Gemeinden haben nur 157 geantwortet, wobei der Anteil verwertbarer Berichte aus den Gemeinden nochmals erheblich geringer war.

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Die Landesregierung hat offenbar alle Städte angeschrieben, aber zwei Drittel der Angeschriebenen hatten es nicht nötig, zu antworten. Wenn Mann oder Frau sich einmal anschaut, was die Regierung dazu sagt oder daraus gemacht hat: Dazu findet man nichts.

Ein weiteres Beispiel. Die Frauenquoten in diversen Gremien der hessischen Ministerien sind zum Teil skandalös niedrig. Der Bericht deutet allerdings nicht einmal in einem Nebensatz an, dass – und vielleicht sogar wie – dieser Missstand angegangen werden könnte. Das ist mindestens bedauerlich. Das Beispiel des Kunstbeirates deutet darauf hin, dass es auch anders laufen kann.