Protocol of the Session on February 2, 2011

Ich muss das schon einmal so ansprechen: Doch, es ist ein Betrieb gewesen, der mit krimineller Energie Futtermittel gepanscht hat. Natürlich – darüber sind wir uns im Klaren – ist auch ein Betrieb einer zu viel. Ich sage Ihnen gleichzeitig, das muss man nüchtern betrachten. Wenn jemand mit krimineller Energie Gesetze umschleichen will, dann helfen auch die Kontrollen im Nachhinein und vorher nichts, weil jemand, der betrügen will, betrügt, auch wenn es einer zu viel ist. Und es war einer zu viel.

Ich sage ganz klar: Es gibt keine Nachsicht bezüglich eines Betrügers. Es kann nicht sein, dass man darüber hinweggeht. So jemand gehört bestraft. So jemand gehört meines Erachtens außer Gefecht gesetzt, indem er solche Dinge nicht mehr produzieren darf, weil das, was er angerichtet hat, im Prinzip schwerst aufholbar ist. Vertrauen ist ganz, ganz langsam aufgebaut und ganz schnell zerstört.

Wenn Sie mit Verbraucherinnen und Verbrauchern reden, ist es schon dramatisch, dass die Ihnen die Antwort geben: Ich glaube, ich kann nichts mehr essen und trinken; es ist alles verseucht. – Das ist das, was so schlimm in der Wirkung ist, dass die Menschen verunsichert sind. Sie wissen nicht mehr, was sie essen können, obwohl wir einen Standard bei den Lebensmitteln haben, der nie so hoch gewesen ist, wie er heute ist. Ein Einziger hat es geschafft, die Verunsicherung herbeizuführen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn heute Zeitungen die Leute interviewen, sagen die: Ich glaube, ich kann in Deutschland nichts mehr essen und trinken, das ist alles schlimm; überall ist es besser. – Das ist das, was man ihm übel nehmen muss. Darunter leiden Verbraucher, Landwirte und alle, die mit der Kette zu tun haben, unerträglich.

Das Zweite, was ich ansprechen möchte, ist: Natürlich sind Lebensmittel so preiswert wie nie. Darüber können wir eine Grundsatzdebatte führen. Das ist richtig. Wenn Sie sehen, gemessen an den Einkommen, was für Lebensmittel ausgegeben wird, ist das dramatisch wenig. Wenn Sie mit Landwirten darüber reden, merken Sie den Konflikt immer wieder. Das ist richtig. Wir sind uns auch darüber einig, es kann nicht sein, dass wir den Menschen sagen müssen: Esst „Bio“, dann lebt ihr gesund. – Der Mensch hat einen Anspruch darauf, dass er – egal, was er kauft – gesund lebt, mit „Bio“ oder mit etwas anderem. Darin sind wir uns auch einig.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aha!)

Wir sind uns hoffentlich auch an der Stelle einig, dass wir jetzt keinen Krieg zwischen der konventionellen Landwirtschaft und denjenigen führen, die die Betriebe ökologisch betreiben. Ich sage klipp und klar: Wir haben eine hervorragende Landwirtschaft in Hessen, die darunter leidet, dass hier einer Futtermittel gepanscht hat, und das ist wiederum unerträglich.

Wir haben in Hessen wirklich ein funktionierendes Kontrollsystem. Ich habe hier immer den Eindruck, dass man, wenn man nicht skandalisiert, angeblich gleich beschwichtigt. Ich sage Ihnen aber auch ganz klar: Ich sehe meine Aufgabe als Verbraucherschutzministerin darin, Realitäten zu benennen und zu sagen, was tatsächlich Sache ist. Ich glaube, die Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht darauf, über Missstände informiert zu werden, aber genauso müssen wir es ihnen sagen, wenn etwas in Ordnung ist.

(Judith Lannert (CDU): Genau!)

Frau Fuhrmann, Sie haben eben gesagt, die Ministerin habe gesagt, wir hätten keine dioxinbelasteten Lebensmittel, und Sie haben gefragt, wie sie denn eigentlich dazu käme, dass davon keine Gefahr ausginge. – Entschuldigung, das Bundesinstitut für Risikobewertung hat in den letzten Tagen Entwarnung gegeben und gesagt, das, was an Dioxin in Lebensmitteln war, sei für die Menschen nicht gesundheitsschädlich gewesen. Es ist unerträglich, wenn hier Futtermittel gepanscht werden und wir das öffentlich machen müssen; genauso müssen wir es den Verbrauchern aber auch sagen, dass sie keinen gesundheitlichen Schaden davongetragen haben, wenn sie Lebensmittel verzehrt haben, die unter Umständen davon belastet gewesen sind. Das gehört auch zur Aufklärung und zur Realität.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Wir haben die Verantwortung – –

Frau Staatsministerin, gestatten Sie Zwischenfragen?

Nein. – Ich sage ganz klar: Wir haben die Verantwortung, zu informieren. Wir haben nicht die Aufgabe, zu skandalisieren. Wir müssen die Zustände so benennen, wie sie sind.

(Petra Fuhrmann (SPD): Und dann fällt man um!)

Ich sehe meine Aufgabe – wie gesagt – darin, das zu tun, nämlich nichts zu verharmlosen, aber deutlich zu sagen, was Sache ist. Herr May, wenn Sie meinen, dank Ihrer Initiative werde jetzt hierüber gesprochen, dann antworte ich Ihnen: Meine Güte, während Sie hier noch darüber reden, haben wir schon längst gehandelt.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Ach ja!)

Wir haben am 18.01. einen Maßnahmenkatalog beschlossen. Das war schon schwierig genug, weil es Bundesländer gegeben hat, die meinten, sich hier profilieren zu müssen, und eher Parteipolitik betrieben haben, als sachorientiert zu arbeiten, was dann in der Forderung mündete, dass die Bundesministerin zurücktreten solle. Das war der Sache natürlich auch nicht sonderlich dienlich.

Wir haben am 18.01. einen Maßnahmenkatalog besprochen, den ich jetzt im Einzelnen nicht mehr durchgehe, weil wir ihn kennen. In diesem sind wir in großen Teilen gleicher Meinung. Am 18.01. haben wir ihn in unserer Konferenz beschlossen, und am 19.01. wurde es fast wortgleich von den GRÜNEN als Antrag eingebracht. Das ist nicht schlimm. Wenn wir eine gemeinsame Basis haben, ist es in Ordnung. Deshalb lassen Sie uns über Gemeinsamkeiten reden. Lassen Sie uns darüber reden, dass wir das 14-Punkte-Programm selbstverständlich durchführen werden, das jetzt auch durch das Bundeskabinett gegangen ist. Wir werden dieses durchführen müssen, denn ich kann dazu nur eines sagen: Wir haben in Hessen ein großes Interesse daran, dass es in dieser Form durchgeführt wird, wie es beschlossen wurde, weil wir in der Vergangenheit in vielen Bereichen des Verbraucherschutzes federführend waren und auch weiterhin sind, und das lassen wir uns auch nicht schlechtreden. Über das, was gut ist, darf man auch reden.

Lassen Sie mich deshalb auch hier zur Erhellung der Situation einfach ein paar Fakten nennen. Wenn hier wieder dazu Zahlen genannt werden, wer bei uns im Verbraucherschutz tätig ist, stelle ich fest: Es sind 926 Vollzeit äquivalente – so heißt es dann –, also Vollzeitkräfte, die im Verbraucherschutz, der Lebens- und Futtermittelüberwachung tätig sind.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Aber nicht in der Lebensmittelkontrolle allein!)

Wir trennen jetzt erst einmal. Wir nehmen einmal die Futtermittelüberwachung, damit wir sauber getrennt haben.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Was eben mit Futtermitteln zu tun hatte, fiel unter die Futtermittelkontrolle. Darin sind wir uns einig. Dieser Bereich ist nicht kommunalisiert. Es sind insgesamt zehn Personen, die diesbezüglich im Innen- und Außendienst tätig sind. An der gesamten Futtermittelproduktion in Deutschland hat Hessen – das muss man am Rande vielleicht einmal dazusagen – gerade einmal einen vierprozentigen Anteil. Die hohe Zahl der Betriebe, die hier gemeldet sind, hängt damit zusammen, dass jeder Landwirt,

der in irgendeiner Form Futtermittel zusammensetzt, also irgendetwas dazukauft, gleichzeitig ein Betrieb ist. Unsere Mitarbeiter in der Futtermittelkontrolle waren mehr als verärgert und irritiert, dass die Opposition immer wieder ihre Arbeit schlechtmacht und behauptet, dass hier nicht ordentlich gearbeitet würde.

(Petra Fuhrmann (SPD): Unfair!)

Alle haben ihre Arbeit, nachdem es zu dem Futtermittel skandal kam, sofort und an den Wochenenden in Kontakt mit anderen Bundesländern gut und gründlich gemacht. Frau Fuhrmann, ich finde es unerträglich, wenn Sie die Formulierung wählen, der Skandal habe Hessen erreicht, und er habe sich in Hessen ausgebreitet. – Gott sei Dank nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Alle Verdachtsfälle, die es in Hessen gegeben hat, haben sich nicht bestätigt. Ich erwarte von Ihnen – das sage ich Ihnen auch –, dass Sie hier eine ganz klare Definition der Vorgänge vornehmen; ansonsten tun Sie eines, was auch die anderen getan haben, nämlich die Verbraucher zu verunsichern. Wir haben keinen einzigen bestätigten Verdachtsfall.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD))

Jetzt kommen wir noch einmal zu den Zahlen, die ich Ihnen gerade angedeutet hatte. Wir haben in den Bereichen, die ich eben genannt habe, insgesamt 926 vollzeitäquivalente Kräfte; allein davon haben wir rund 400 Personen, die im Vollzug der Lebensmittelüberwachung tätig sind. Ich lasse die einzelnen Bereiche jetzt einmal weg, weil das zu viel Zeit kostet. Sie haben recht: Von diesen 400 Personen sind 135 als Lebensmittelkontrolleure in den Landkreisen tätig.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Oh! – Judith Lannert (CDU): Das ist doch was!)

Na klar, das ist doch so. – Was Sie jetzt natürlich verschweigen, ist erstens, dass wir inzwischen insgesamt einen Personalbestand haben, der 926 Vollzeitkräften entspricht. Darin sind die 135 Personen, die ich eben nannte, enthalten. Was Sie natürlich auch nicht benannt haben, sind diejenigen, die auch noch rundherum damit zu tun haben, z. B. 173 amtlich bestellte Tierärzte oder 125 amtliche Fachassistenten, die auch noch dazukommen. Betrachten Sie also bitte erst einmal alles, und nehmen Sie sich nicht einzelne Segmente heraus.

(Petra Fuhrmann (SPD): Aber ja, immer Lebensmittelkontrolleure!)

Es ist doch ganz klar – was ich selbstverständlich getan habe –, dass wir in einer solchen Situation wie gerade eben über diese reden und schauen, wo Schwachstellen sind, und dass wir an den Stellen, wo wir meinen, dass nachgesteuert werden muss, auch nachsteuern. Im Schlechten gibt es immer auch etwas Gutes. Das heißt, wenn man Skandale hat, kann man überprüfen, evaluieren und nachjustieren. Deshalb habe ich auch mit dem Verband der Lebensmittelkontrolleure in Hessen gesprochen. Dieses Gespräch hat am Montag stattgefunden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Da gibt es hauptsächlich Klagen wie diese 80 fehlenden Stellen. Diese Klage kann ich nicht nachvollziehen. Ich muss auch sagen, dass es an keiner Stelle irgendwie belegt

oder belastbar ist. Ich weiß nicht, woher diese Zahl kommt. Was wir machen, ist erstens, zu fragen, was die Mitarbeiter machen.

Zweitens kann ich nicht nachvollziehen, dass von den Einzelnen mehr als 1.000 Betriebe geprüft werden müssten. Das deckt sich nicht mit unseren Zahlen. Wir fragen selbstverständlich nach, wie es vor Ort aussieht. Wir werden demnächst die entsprechenden Amtsleiter einladen und mit ihnen darüber reden, wie es vor Ort aussieht und wo unter Umständen die Schwächen liegen. Worüber die Lebensmittelkontrolleure aber besonders klagen, sind die ungleiche Bezahlung, zeitverzögerte Nachbesetzungen, d. h. Vakanzen, und auch das Thema Ausbildung.

Vielleicht an der Stelle nur ganz kurz, weil ich meine Redezeit schon überschritten habe, wie ich gerade sehe: Wir werden insbesondere in den Bereichen, in denen wir etwas tun können, auch den Lebensmittelkontrolleuren die entsprechende Unterstützung anbieten – insbesondere beim Thema Ausbildung. Im Moment ist es so, dass jemand, wenn er beim Landkreis eingestellt wird, mit der Einstellung erst die Ausbildung macht. Diese dauert zwei Jahre lang. Das heißt, dass er nicht voll zur Verfügung steht. Wir werden von unserer Seite auf Bundesebene initiativ werden, damit die Ausbildung anders laufen kann und diejenigen, die eingesetzt werden, nicht erst nach zwei Jahren zur Verfügung stehen, sondern dass man es in Modulen aufbauen kann, damit sie früher einsatzfähig sind und aus der Praxis ein Stück lernen können. Das ist ein Teil dessen, was ich eben angesprochen habe.

Gehen Sie deshalb davon aus: Wir sind bei diesem Skandal, der eben durch die Lande gegangen ist, zum Glück nicht mit Fällen betroffen gewesen, die sich bestätigt haben. Das ist wichtig. Die Menschen können die Lebensmittel in der Tat – das ist das Ergebnis des BfR, das Entwarnung gegeben hat – essen, ohne gesundheitliche Schäden davonzutragen. Das muss man im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher und derjenigen, die sie produzieren, offen und ehrlich sagen. Selbstverständlich werden wir all das, was wir bei unserem funktionierenden Kontrollsystem haben, dennoch evaluieren und an den Stellen nachsteuern, wo es notwendig ist. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Ministerin, herzlichen Dank. – Es gab zwar noch den Wunsch einer Zwischenfrage, aber die Ministerin hatte zu Beginn gesagt, sie lasse keine Zwischenfragen zu. Deshalb sind wir darauf nicht mehr eingegangen. Es gibt aber die Möglichkeit, dass Sie sich noch zu Wort melden. Der Kollege Al-Wazir, der Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hat sich noch zum Thema zu Wort gemeldet. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet; denn wenn man einmal unter das, was die Ministerin und auch die Vertreterin und der Vertreter der Koalitionsfraktionen gesagt haben, einen Strich zieht, könnte man auf die Idee kommen, dass eigentlich gar nichts oder relativ wenig passiert sei.

(Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Es sei gar nicht so gefährlich, und das System funktioniere eigentlich super. Herr von Zech hat sogar gesagt, der Skandal sei vom Verursacher selbst aufgedeckt worden – das ist eine gewagte Aussage gewesen, Herr Kollege –,

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja, ganz gewagt!)

und im Prinzip sei noch mehr industrialisierte Landwirtschaft die Lösung. Frau Ministerin, wissen Sie, es ist jetzt fünf Jahre her, dass wir die Lebensmittelkontrolle kommunalisiert haben. Daher finde ich, dass es einmal an der Zeit sein müsste, zu fragen: Ist das richtig gewesen?

(Petra Fuhrmann (SPD): Funktioniert das eigentlich?)

Sie sind, obwohl Sie dafür – in Anführungszeichen – gar nicht mehr zuständig sind, trotzdem jederzeit die Ansprechpartnerin für diese Fragen. Das Problem haben Sie am eigenen Leib erlebt. Die Frage ist: Läuft das eigentlich? Wie läuft das? Läuft das gut? Läuft das schlecht? Werden die Stellen, die zugewiesen wurden, wirklich in diesen Bereichen eingesetzt, und, und, und? Darüber könnte man reden, wenn man sich ernsthaft mit der Sache beschäftigen würde.