Protocol of the Session on February 1, 2011

Dabei wollen wir auch bestehende Netzwerke und Partnerschaften auf- und ausbauen, etwa zu der Republik Vietnam. Eine deutsch-vietnamesische Universität gibt es bereits. Wir wollen aber auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu den Entwicklungsländern in Afrika ausbauen. Die Bundesregierung hat damit begonnen, die Entwicklungshilfe umzustrukturieren und im stärkeren Maße Hilfe bei der wirtschaftlichen Entwicklung zu leisten. Gerade für uns in Hessen, mit unserer Nähe zu wichtigen Entwicklungshilfeorganisationen, ergeben sich daraus neue Chancen.

Die Intensivierung der außenwirtschaftlichen Aktivitäten soll dabei mehrere strategische Ziele verfolgen: Wir wollen damit Wohlstand und Arbeitsplätze in Hessen sichern. Wir wollen und werden damit auch zum Wohlstand in den Schwellen- und Entwicklungsländern beitragen.

Länder wie China und Brasilien zeigen, dass die Einbindung in die internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu einer erheblichen Steigerung des Wohlstands in der gesamten Bevölkerung beigetragen hat. Dort gibt es keine schmale Oberschicht und keine Massenarmut mehr, sondern es entwickelt sich auch eine immer breiter werdende Mittelschicht.

Das beantwortet auch die Fragen im Zusammenhang mit dem Antrag der Linkspartei und der SPD.

(Beifall bei der FDP – Hermann Schaus (DIE LINKE): Da sagen aber alle Wissenschaftler genau das Gegenteil von dem, was Sie sagen!)

Auch die Menschen in unseren Partnerregionen werden also von dem Ausbau der außenwirtschaftlichen Beziehungen profitieren. Nicht zuletzt werden engere Beziehungen zu den Ländern, in denen es Defizite bei Menschenrechten und demokratischen Prinzipien gibt, Demokratisierungsprozesse befördern.

Alle diese Anstrengungen ergeben aber nur dann einen Sinn, wenn sie mittel- und langfristig angelegt werden. Ganz wichtig dabei ist das Vertrauen. Vertrauen kann man nicht innerhalb eines Quartals aufbauen. Dazu bedarf es vieler Jahre. Deshalb ist Kontinuität sehr wichtig.

Wir wollen diesen Weg gehen und mit großem Respekt vor unseren Partnerländern und Regionen sowie mit großem Respekt vor den Kulturen und Werten dieser Länder den Ausbau der außenwirtschaftlichen Beziehungen beharrlich vorantreiben. Herr Siebel, um erfolgreich zu sein, wollen wir, dass die Maßnahmen des Landes eng mit den regionalen Wirtschaftsförderorganisationen und auch mit den Verbänden abgestimmt und verzahnt werden.

Aufgrund knapper werdender Ressourcen, und um ein klares Profil bilden zu können, müssen außerdem klare Aufgabenschwerpunkte mit klaren Schwerpunktregionen und Schwerpunktbranchen benannt werden. Herr Siebel, was Sie eben angesprochen haben, wäre sehr wünschenswert. Das würde aber so viel Geld kosten, dass wir es für die Außenwirtschaft mit Sicherheit nicht werden aufbringen können.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Nur so können wir einen unüberschaubaren Flickenteppich von Einzelmaßnahmen vermeiden. Wir erreichen damit eine integrierte und kohärente Strategie unserer außenwirtschaftlichen Aktivitäten.

Um dieses Ziel sicherzustellen, wollen wir, dass die Aktivitäten regelmäßig auf Wirksamkeit und Außenwirkung

überprüft werden. Durch die Evaluierung werden die Maßnahmen schrittweise noch zielschärfer werden. Damit wird ein effizienter Einsatz der Mittel sichergestellt werden.

Wir wollen, dass in Zukunft in allen Bereichen der monetären und nicht monetären Außenwirtschaftsförderung entsprechend den gerade genannten Vorgaben und Festlegungen vorgegangen wird. Das betrifft die Finanzierung der Gründungen und des Wachstums, die Förderung der Messe und vor allem auch die Förderung der Beratung, etwa die der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen.

Wir wollen, dass gerade auch Informationsveranstaltungen, Delegationsreisen, um Kontakte herzustellen, und Kooperationsbörsen in diesem Sinne entwickelt werden. Mit den Delegationsreisen von Vertretern des Wirtschaftsministeriums unter Leitung des Ministers oder des Staatssekretärs wurden regionale Schwerpunkte der Förderung der Außenwirtschaft gesetzt. Dabei geht es vor allem um China, Russland und Brasilien.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Diese Instrumente sollen und werden mit den Partnern der Wirtschaft klar fokussiert werden. Mit der Ausweitung und der Stärkung der Beziehungen entwickeln wir für die hessischen Unternehmen, und zwar gerade für den Mittelstand, neue Chancen und Perspektiven. CDU und FDP sichern den Wohlstand in Hessen. Sie tragen zum Wachstum in Schwellen- und Entwicklungsländern bei.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Enge wirtschaftliche Beziehungen helfen allen Betroffenen. Sie wecken gegenseitiges Verständnis und sind letztlich auch ein Garant für ein friedliches Miteinander. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Herr Lenders, vielen Dank. – Als Nächster spricht Herr Abg. Klose für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, als ich Ihnen eben zugehört habe, habe ich mich schon ein wenig gefragt, wozu es den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP noch braucht. Denn offensichtlich sind Sie der Auffassung, alles was da drinnen steht, längst umgesetzt zu haben. Aber schön, wir werden uns während einer Ausschusssitzung über diesen Antrag noch ausführlich unterhalten können.

Herr Minister Posch und auch Herr Kollege Lenders haben uns soeben ausführlich dargelegt, warum ihres Erachtens der Exporterfolg der hessischen Wirtschaft so uneingeschränkt positiv ist. Sie sagten, es sei ihre Landesregierung, die dazu wahnsinnig viel beigetragen habe.

(Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Es wird Sie wenig überraschen, dass wir beides in dieser Absolutheit bestreiten. Das tun wir auch deshalb, weil es gerade einmal zwei Jahre her ist, dass die Erkenntnis, wir

können nicht so weiterwirtschaften, wie es bisher geschah, eine der bleibenden Lehren der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise sein sollte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schon starren wir wieder auf die Exportquoten, als gebe es kein Morgen mehr. Das kann es doch nun wirklich nicht gewesen sein. Aus Anlass dieser Regierungserklärung lohnt es sich deshalb, das Thema einmal ein wenig grundsätzlicher zu betrachten.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das ist richtig!)

Was zeigt uns ein hoher Exportanteil? – Ein hoher Exportanteil ist ein Indikator dafür, dass ein Unternehmen, eine Branche oder eine Volkswirtschaft insgesamt wettbewerbsfähig sind und dass sie attraktive Produkte herstellen, und zwar nicht nur im nationalen Vergleich, sondern auch in der internationalen Konkurrenz.

Einen ähnlichen Indikator für einen attraktiven Standort bilden die sogenannten Direktinvestitionen. Das sind die Investitionen, die von ausländischen Unternehmen im Inland durchgeführt werden.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das geht aber nicht von allein!)

Herr Dr. Arnold, da gebe ich Ihnen absolut recht. – In einer entwickelten Volkswirtschaft wie der unsrigen ist es aber andererseits auch so, dass ein hoher Exportanteil weder über niedrige Löhne noch darüber zu erreichen ist, dass man die sozialen Standards oder die Umweltstandards anderer Länder unterbietet. Ich hoffe, auch darüber besteht Einigkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Unsere Unternehmen erreichen ihre starke Position beim Export in erster Linie durch Forschung und Innovation, durch besonders qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch durch die Erforschung der weltweiten Kundschaft und ihrer Wünsche. Insofern sind ein hoher Exportanteil und viele Direktinvestitionen auch aus unserer Sicht durchaus positive Indikatoren für den Zustand der hessischen Wirtschaft.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Sehr gut!)

Angesichts der krisenhaft schwankenden Weltmärkte taugt das allerdings nicht als alleinige und primäre Zielsetzung.

Wenn vom deutschen Export die Rede ist, dann denken wir – ich glaube, das tun mit uns auch die meisten Mitbürgerinnen und Mitbürger – fast selbstverständlich an die Industrieprodukte. Wer sich in den USA oder in den chinesischen Wachstumszentren bewegt, weiß, auf welchen Straßen ein guter Teil der Autos aus deutschen Fabriken fährt.

Dieses Bild zeigt natürlich nur einen Teil der Wahrheit. Denn gerade auch die deutschen Maschinen sind ein Exportschlager. Sie sind in vielen Fabriken auf allen Kontinenten im Einsatz, ohne dass das sofort sichtbar wird.

Neben dem In- und Export solcher Industriegüter wird eines immer wichtiger. Das ist der weltweite Austausch der Dienstleistungen. Deshalb kommt es bei dieser Debatte darauf an, den Blick nicht nur auf die Höhe der Exporte zu richten, sondern auch auf ihre Struktur. Dabei ist festzustellen, dass neben dem Austausch der Waren der Austausch der Beratungsleistungen, des Know-hows und der

Software zunehmend an Bedeutung gewinnt. Statt bloßer Industrieprodukte verlangen die Weltmärkte komplette Problemlösungen. Immer mehr dieser Industrieprodukte können Sie nur noch verkaufen, wenn Sie gleichzeitig ein ganzes Bündel exzellenter Dienstleistungen mit anbieten können. Der Weltmarkt verlangt Komplettpakete inklusive der Beratung und der Vernetzung, der regelmäßigen Softwareaktualisierung sowie maßgeschneiderte Finanzdienstleistungen.

Gerade dieser Aspekt der internationalen Wirtschaftsentwicklung ist für uns in Hessen besonders interessant. Denn hier sind im Umfeld der ansässigen Industrieunternehmen besonders viele Dienstleister vorhanden, die genau dies anbieten können. Hier kann sich das Land durchaus sinnvoll als Wegbereiter betätigen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Dr. Walter Arnold (CDU) und Jürgen Lenders (FDP) – Dr. Walter Arnold (CDU): Das ist richtig, das machen wir doch!)

Wenn wir kleineren Unternehmen helfen wollen, im nationalen und internationalen Markt zu bleiben und ihre Anteile auszubauen, dann liegt in der Nutzung solcher Unternehmensdienstleister ein Schlüssel. Wir alle wissen doch auch, dass sich gerade Mittelständler nicht selten scheuen, externe Expertisen anzunehmen. Man will sich nicht hereinreden lassen. Man hält die externe Beratung für zu teuer. Es gibt da einen bunten Strauß an Vorurteilen.

Das ist genau die Stelle, an der unserer Ansicht nach die Wirtschaftsförderung intensiver werden sollte. Herr Minister, genau dazu wäre die Neuaufstellung der HessenAgentur notwendig, die Sie in Ihrer Rede zwar kurz berührt haben. Sie haben das aber leider erneut ohne echte Konkretisierung getan. Nach einer langen Phase der Ankündigung dieser Neustrukturierung haben Sie uns heute ein paar Bruchstücke der Entscheidungen serviert, die offensichtlich hinsichtlich der Neustrukturierung der Hessen-Agentur anstehen.

Auf eine systematische Präsentation, wie diese Neustrukturierung aussehen soll, warten wir nach wie vor.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Michael Siebel (SPD) und Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Gleichzeitig können wir über die hessische Exportwirtschaft nicht sprechen, ohne einzuräumen, dass Hessen wirtschaftlich signifikant anders als die Bundesrepublik insgesamt aufgestellt ist. Deshalb ist es jenseits der Feststellung, dass Deutschland derzeit erfreuliche Exporterfolge zu verzeichnen hat, wichtig, genau auf die Verhältnisse in Hessen zu schauen.

Da die Wirtschaftsstruktur in Hessen erheblich vom deutschen Durchschnitt abweicht, ist auch die Art der hessischen Exporte besonders. Während in Deutschland insgesamt rund 27 % der Wertschöpfung aus Industrie und Bauwirtschaft stammen, sind es in Hessen nur rund 22 %. Aus der Finanzierung, Vermietung und unternehmensnahen Dienstleistungen hingegen stammen in Deutschland 31 % der Wertschöpfung, in Hessen sogar 39 % – immer bezogen auf die Zahlen aus 2009.

Hessen hat – das ist wahrlich keine neue Erkenntnis – einen vergleichsweise großen Dienstleistungs-, insbesondere Finanzsektor. Der spielt bei uns eine größere Rolle als anderswo in Deutschland.

Ich hatte schon gesagt, dass Ausfuhren der Industrie an Autos, Maschinen und Chemieprodukten usw. sofort leicht anschaulich werden. Die Chancen, aber auch die Risiken sind hoch. Sie hängen an der Weltwirtschaft. Sie hängen nach wie vor zu einem guten Teil an dem Wohlergehen der USA und zunehmend – das ist völlig unstrittig – am Wohlergehen Chinas und anderer Schwellenländer.