Protocol of the Session on December 14, 2010

Wenn ein Beruf dermaßen unattraktiv wird, weil die Arbeitsbedingungen so sind, wie sie sind, und weil die Vergütungsregelungen so sind, wie sie sind, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn wir einen Pflegenotstand haben.

Wir müssen an diesen Bedingungen etwas ändern. Dazu gehört, die Belastung zu reduzieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Schott. – Herr Dr. Bartelt, Sie haben Gelegenheit zur Antwort.

Ich habe drei Punkte. Wenn Sie dieses Zerrbild der Wirklichkeit der Pflegeberufe hier weiter so verbreiten, ist das sicherlich kein guter Beitrag, junge Menschen für den Pflegeberuf zu motivieren. Lassen Sie das sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Ich verwahre mich auch gegen die Unterstellung, dass Krankenhausleitungen, die Sie, verehrter Herr Kollege Spies, eben noch so gelobt haben in der Kooperation zwischen kaufmännischer Leitung, Pflegeleitung und ärztlicher Leitung, so unverantwortlich mit ihrem Pflegekräften umgehen. Auch das ist nicht richtig. Da wir gerade von einem Mangel an Kräften und einem Überangebot an Stellen gesprochen haben, passt dieses Zerrbild erst recht nicht. Denn hier ist es so, dass sich der Arbeitnehmer den Platz aussuchen kann. Wir wollen Menschen für diese Berufe motivieren. Da werden und müssen wir ihnen etwas anbieten.

Ein letzter Gesichtspunkt. Das Wort Mindestlöhne haben Sie gar nicht erwähnt. Sie hätten es sicherlich erwähnt, wenn es nicht Mindestlöhne durch Vereinbarungen im Pflegebereich geben würde. Daran sehen Sie jetzt aber auch, dass diese vereinbarten Mindestlöhne, die wir befürworten, das Problem allein nicht lösen. Das, was Sie noch vor einigen Wochen ins Zentrum Ihrer Rede gerückt haben, haben Sie jetzt sein gelassen. So werden auch alle anderen Argumente von Ihnen implodieren. – Besten Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Bartelt. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt ihr Vorsitzender, Herr Rentsch.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen, dass ich selten einen so heftigen Streit zwischen den GRÜNEN und der Linkspartei in diesem Landtag erlebt habe.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD: Oh! – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Da sind Sie ganz traurig! – Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Ich will nicht sagen, dass das für die GRÜNEN nicht schlecht sein kann, sondern das ist ein Aufbruch in die Moderne.

(Zuruf des Abg. Dr. Thomas Spies (SPD))

Herr Spies!

(Weitere Zurufe)

Ich fange einmal vorne an. – Herr Kaufmann, Sie und Oberlehrer – das ist schwierig.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Zweitens. Herr Spies, die SPD ist bei diesem Thema von mir gar nicht genannt worden. Sie hat gar keine Rolle gespielt. Aber ich komme gern zu Ihnen, weil Frau Schott und Frau Schulz-Asche gefragt haben, wie denn eigentlich das Jahr 2008 ausgegangen ist und warum Frau Ypsilanti nicht Ministerpräsidentin geworden ist. Das lag daran – ich finde, dass man das an einem solchen Tag ruhig einmal erwähnen kann –, dass es wenigstens vier aufrechte Sozialdemokraten gab, die sich an das Wahlversprechen der SPD erinnert haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das nur am Rande. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Planungen des Landtags und der Landesregierung zu einer Weiterentwicklung des Hessischen Krankenhausgesetzes sind mittlerweile auf der Zielgeraden. Ich möchte ein herzliches Dankeschön loswerden. Ich möchte meiner Fraktion, den Kollegen der CDU, der Landesregierung, voran dem neuen Gesundheitsminister Stefan Grüttner, der Staatssekretärin, aber auch – das sage ich ganz bewusst – der Fachabteilung im Hessischen Sozialministerium herzlich für diese Unterstützung danken. Es zeigt sich darin, dass wir, so glaube ich, einen guten Wurf gelandet haben: Ich habe selten eine Anhörung erlebt, in der so viel Lob für einen Gesetzentwurf ausgedrückt worden ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das ist nicht immer so. Das gebe ich auch zu. Deshalb glaube ich, dass man erwähnen muss, dass wir hier ein Krankenhausgesetz auf den Weg bringen, das bundesweit Vorbildcharakter hat.

Es hat aus meiner Sicht in den Strukturen, wie wir Krankenhausplanung in den nächsten Jahren steuern wollen, die richtigen Akzente gesetzt und wird sie setzen. Hessen war im Bereich der Krankenhaussteuerung, was das angeht, was wir als Gesetzgeber steuern können, schon in den letzten Jahren gut aufgestellt. Das sage ich ganz ausdrücklich. Wir haben alles darangesetzt, dass wir einen Mix aus verschiedenen Krankenhausträgern haben. Wir haben private, frei-gemeinnützige und kommunale Träger. Wir haben dafür gesorgt, dass sich das Land aus nicht notwendigen Planungen zurückgezogen hat. Wir haben dafür gesorgt, dass mehr Freiheiten in die Kliniken kommen. Wir haben dafür gesorgt, dass vor Ort, wo die Entscheidungen getroffen werden müssen, die Entscheidungen getroffen werden. Das setzt sich mit diesem Gesetzentwurf fort. Wir werden mehr Eigenständigkeit und mehr Selbstständigkeit der Krankenhäuser bekommen, ebenso wie eine Qualitätssteigerung. Beides ist der richtige Weg für das Hessische Krankenhausgesetz.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Mehr Eigenständigkeit beispielsweise bei der Entscheidung über Investitionen, die Berücksichtigung des Sachverstandes von Pflegern und Ärzten in der Krankenhausleitung – das haben wir gerade noch mit dem Änderungsantrag eingebracht –, die Frage der Kooperation zwischen den verschiedenen Bereichen – stationär und ambulant –, das haben wir, so glaube ich, im Gesetz so formuliert, dass den Menschen, die vor Ort Versorgung brauchen, die ein Krankenhaus brauchen, die einen ambulanten Mediziner brauchen, mit diesem Gesetz ein guter Rahmen geboten wird.

Wir wissen natürlich von den vielen Problemen, die es vor Ort gibt, wenn ein Krankenhaus nicht verfügbar ist, wenn die Leistung, die man benötigt, nicht angeboten werden kann oder, vor allem, wenn Mediziner im ambulanten Bereich sagen, sie wollen eine Praxis auf dem Land nicht mehr aufrechterhalten. Dann müssen wir als Bundesland Antworten finden. Auch dort – das wird der Gesundheitsminister sicherlich unterstützend ausführen – sind wir auf einem guten Weg. Ich sage das ganz bewusst: Wir haben auch dort die Weichen richtig gestellt. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Monaten auch hier Ergebnisse liefern können, die die Opposition sicherlich zu Recht von uns erwartet.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, natürlich muss man bei der Frage, wie man das Krankenhauswesen organisiert, auch darüber reden – deshalb bin ich an einigen Stellen schon der Auffassung, dass Frau Kollegin Schulz-Asche aus ihrer Sicht nichts Falsches gesagt hat; ich würde dem sogar zustimmen – –

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute ist vor Weihnachten. Da muss man all das wiedergutmachen, was man im Jahr möglicherweise falsch gemacht hat.

(Heiterkeit – Beifall bei der FDP und bei Abgeord- neten der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Das schaffen Sie nicht an einem Tag, Herr Rentsch!)

Frau Wissler, ich konzentriere mich erst einmal auf die GRÜNEN. Mit allen kann ich es nicht aufnehmen. Bei Ihnen machen wir vielleicht nächstes Jahr weiter.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Ernst der Sache zurück, und das Thema ist zu wichtig, um es sozusagen in einem Spaß zu benennen. – Frau Schulz-Asche hat von den unterschiedlichen Versorgungsstrukturen in Hessen gesprochen, und die sind ein Problem. Ich will ganz konkret sagen, dass wir in diesem Gesetz einen Sachverhalt nicht geregelt haben, an den wir heran müssen. Wir brauchen eine Krankenhaussteuerung, die dafür sorgt, dass wir in den Gebieten, wo wir eine Überversorgung haben – ich unterstreiche es dreimal: wir haben im Rhein-Main-Gebiet eine Überversorgung mit Krankenhäusern; in anderen Landesteilen würden wir dringend mehr brauchen –, diese Überversorgung abbauen und woanders Unterversorgung auflösen.

Ja, ich glaube, dass wir über eine Qualitätssteuerung, mit Qualitätskriterien dort Möglichkeiten hätten, eine Überversorgung zu lösen. Denn für die Versicherten, die hier oben sitzen, ist doch wichtig: Das Land Hessen gibt im Rahmen seiner Gesundheitsversorgung den Großteil seines Geldes als Land – aber natürlich auch diejenigen, die versichert sind – für die stationäre Versorgung aus. Es ist ein wichtiger Punkt. Wenn wir in dem Gesetz über die Öffnung des ambulanten und des stationären Sektors reden, dann heißt das für uns aber nicht, dass es immer nur in eine Richtung gehen kann nach dem Motto: Der stationäre Sektor öffnet sich für ambulante Behandlungen. – Es muss auch andersherum organisiert werden.

Es gibt im ambulanten Bereich eine ganze Menge von Sachen, die dort ausgeführt werden können. Ich möchte die Praxiskliniken nennen. Ambulante Operationen, die man aus dem stationären Bereich herausnehmen kann, sind von der Qualität her teilweise deutlich besser für die Ver

sicherten. Es geht deutlich schneller, und es kostet die Versicherten weniger. Auch über solche Modelle und darüber, wie man solche Strukturen stärken kann, muss man nachdenken.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, einen letzten Punkt will ich ansprechen: die Hygiene. Ich glaube, dass wir beim Thema Hygiene einen Punkt erreicht haben, wo wir gemeinsam mit den Krankenhäusern handeln müssen. Es gibt eine ganze Reihe von Krankenhäusern, beispielsweise die HSK in Wiesbaden, die bei Risikopatienten schon jetzt eine gute Arbeit machen, indem sie ein freiwilliges Screening von Risikopatienten nach multiresistenten Erregern vornehmen. MRSA ist das Stichwort, das werden viele kennen.

Ich glaube, dass wir es nicht dem Zufall überlassen dürfen, welche Krankenhäuser das machen können, weil es die GKV bezahlt, oder welche Krankenhäuser auf den Kosten sitzen bleiben. Ich glaube schon, dass wir darangehen müssen, beim Thema multiresistente Erreger Qualitätsstandards zu setzen, sodass Risikogruppen von Patienten verpflichtend untersucht werden und keine Keime in die Kliniken gebracht werden. Denn natürlich ist es ein Problem. Wenn wir über eine Dunkelziffer von 40.000 Toten jedes Jahr in deutschen Krankenhäusern reden, müssen wir an dieser Stelle handeln.

(Beifall bei der FDP)

Herr Rentsch, kommen Sie bitte zum Schluss.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Das ist ein sehr ernstes Thema, und ich glaube, dass dies auch ein Thema sein kann, bei dem die Fraktionen im Hessischen Landtag parteiübergreifend schauen, wie sie gemeinsam Lösungen finden. Das könnte aus meiner Sicht außerhalb des Parteienstreits liegen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Danke schön, Herr Rentsch. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Staatsminister Grüttner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin den Kollegen Rentsch und Dr. Bartelt ausdrücklich dankbar, dass sie noch einmal deutlich gemacht haben, dass dieses Gesetzgebungsvorhaben in der Anhörung eine sehr breite und eindeutige Zustimmung erfahren hat. Diese Zustimmung macht sich letztlich auch in den Anträgen bemerkbar, die die Fraktionen von SPD und GRÜNEN – auf die gehe ich ein, auf die der LINKEN eher weniger – in den Geschäftsgang gebracht haben. Denn an der Grundstruktur des Krankenhausgesetzes ändern diese Änderungsanträge überhaupt nichts. Die Grundstruktur bleibt die gleiche.

Der Versuch wird gemacht, und Herr Dr. Spies hat versucht, das etwas blumig darzustellen: Man müsse noch ein paar wenige Sachen ändern, weil das Gesetz insgesamt komisch sei, und wenn er die Zeit hätte, ein neues Gesetz zu schreiben – – Das ist natürlich falsch.

Erstens gibt es immer die Möglichkeit, unabhängig von Gesetzgebungsvorhaben der Landesregierung Gesetzentwürfe in den Landtag einzubringen, auch als Fraktion. Zweitens ist es schon erstaunlich, dass Änderungsanträge der SPD zu einem Zeitpunkt eingebracht werden, an dem die Beratungen im Ausschuss schon längst vorbei gewesen sind. Man hat schon ein bisschen den Verdacht, dass eine besondere Öffentlichkeit gesucht wird, vor allem wenn noch Vorschläge zusammen mit dem ver.di-Vorsitzenden von Hessen zum Krankenhausgesetz vorgestellt werden.

(Dr. Thomas Spies (SPD): Das haben wir gut gemacht!)

Ich gehe auf Ihre Anträge ein. – Dies führt dann zu einem Antrag und einer wesentlichen Botschaft, dass das, was die SPD vorschlägt, eigentlich überhaupt nicht umsetzbar ist.

Denn wenn von Ihnen vorgeschlagen wird – das gilt auch für alle anderen, die diesen Vorschlag gemacht haben –, dass verbindliche Personalmindeststandards einzuführen sind, dann hätten Sie wenigstens den Blick nach Bremen richten können, Herr Dr. Spies. Die dortige Landesregierung kennt sich genauso wie die Hessische Landesregierung aus und weiß, was Bundesrecht ist und was kein Bundesrecht ist. Deswegen hat das Land Bremen im Rahmen der Beratungen zum GKV-Finanzierungsgesetz einen Änderungsantrag eingebracht, damit es überhaupt eine bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage für solche Standards gibt. – Die gibt es überhaupt nicht. Bremen ist gescheitert.