Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Schulz-Asche, ich bin immer noch ziemlich erschrocken über die Rede, die ich gerade gehört habe. Eigentlich müsste ich nicht erschrocken darüber sein, aber gelegentlich trifft es mich doch noch einmal, wenn ich feststellen muss, wie die GRÜNEN in der Zwischenzeit argumentieren.
Nein, ich bin nicht bereit, an eine bestimmte Realität, die eine Bundesregierung vorgibt, die das Leben der Menschen jedes Jahr in ganz vielen Lebensbereichen immer schlechter macht, kleine Pflästerchen draufzugeben und zu sagen: Die Welt ist nun einmal so, und deswegen können wir nur noch dieses oder jenes kleine bisschen ändern.
Dazu bin ich nicht bereit. Vielleicht mache ich das auch, wenn ich einmal zehn Jahre hier sitze. Aber im Moment kann ich das einfach noch nicht.
Wir leben in einem Land, in dem es vor wenigen Jahren noch völlig unvorstellbar war, dass jemand ein Krankenhaus betreibt, um daraus Gewinne zu ziehen. In der Zwischenzeit ist das aber Normalität. In der Zwischenzeit finden Veränderungen in diesem Gesundheitswesen in einer Art und Weise statt, wie sie noch vor ganz kurzer Zeit unvorstellbar waren. Wir haben keine paritätische Finanzierung des Gesundheitswesens mehr. Da passieren Dinge, die mich mit Grauen erfüllen, muss ich einfach sagen. Ich bin nicht willens, dann immer nur zu schauen, wo ich an ganz kleinen Stellen ein bisschen herumdoktern kann. Das mache ich nicht.
Im Übrigen, die Personalstandards hätten wir haben können, wenn die GRÜNEN das 2008 mitgemacht hätten. An der Stelle frage ich mich, warum diese Diskussion hier so geführt wird.
Nein, ich habe jetzt ohnehin schon mit der Erwiderung so viel von meiner Redezeit verbraucht, und ich habe einige Punkte von dem zu erörtern, was wir an Änderungen eingebracht haben.
Wir sollten uns anschauen, wie die Situation in hessischen Krankenhäusern aussieht. Dazu gehört auch, dass jeden Tag ein Mensch in einem hessischen Krankenhaus stirbt – in der Folge von vermeidbaren Fehlern.
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit hat eine Untersuchung mit Angaben zur Mortalität in deutschen Krankenhäusern veröffentlicht und kommt auf eine Mortalitätsrate von 0,1 % aufgrund dieser vermeidbaren Fehler. Bundesweit bedeutet das 17.000 vermeidbare Todesfälle. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit ist ein unabhängig arbeitender Verein, der der Universität Bonn angeschlossen ist und unter der Schirmherrschaft des Bundesgesundheitsministers steht.
Mit den genannten Todesfällen ist die Herausforderung an das Gesetz nur ansatzweise beschrieben; denn die Todesfälle sind nur die Spitze des Eisbergs. Hinzu kommen Infektionen und andere Folgen von Fehlern, die nicht oder nicht unmittelbar zum Tod führen, aber eben mit unnötigen Leiden verbunden sind. Es besteht also kein Zweifel, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Auch das Aktionsbündnis Patientensicherheit kommt zu diesem Schluss.
Unsere Vorschläge gegenüber dieser Herausforderung haben wir unter die Leitlinie „Qualität statt Kommerz“ gestellt. Auch wenn ich das hier nicht betonen muss: Wir schreiben nicht ab. Ich glaube, wenn Sie mit einer so kleinen Fraktion arbeiten müssten, wären Sie gelegentlich auch ein bisschen langsamer als eine große Fraktion. Herr Kollege Spies, das bedeutet noch lange nicht, dass man abgeschrieben haben muss.
Wir wollen den Kommerz aber ausdrücklich überhaupt nicht in der Gesundheitsversorgung haben. Um gewollte Fehlinterpretationen und deren Verbreitung auszuschließen: Gegen Wirtschaftlichkeit in der Führung von Krankenhäusern ist überhaupt nichts einzuwenden, sie ist sogar zu befürworten. Was heißt denn Wirtschaftlichkeit? Das bedeutet, mit knappen Ressourcen möglichst sparsam umzugehen. Das heißt auch, Überversorgung zu vermeiden. So, wie unser Gesundheitssystem zurzeit gestrickt ist, sind die Patienten davor aber keineswegs geschützt. Wenn der Druck der Umsatzerzielung in Krankenhäu
sern immer höher wird, wird die Hemmschwelle, die eine oder andere Maßnahme auch noch zu ergreifen, immer niedriger. Daran ändern auch DRGs nichts.
Aus den Gesundheitsbedürfnissen der Menschen darf kein Geschäft gemacht und kein Gewinn gezogen werden. Und für Krankheiten und Verletzungen gilt das noch viel mehr.
Das ist es, was wir – und nicht nur wir, sondern auch viele außerparlamentarische Organisationen wie Attac und die Gewerkschaften – meinen, wenn wir sagen, Gesundheit ist keine Ware, „Qualität statt Kommerz“ also.
Was verstehen wir unter Qualität? Qualität definieren und präzisieren wir entlang von zwei Themenkomplexen: erstens mehr Sicherheit und größtmögliches Wohlbefinden der Patienten durch gute Arbeitsbedingungen aller im Krankenhaus Beschäftigten, zweitens wirtschaftliche Steuerung und Weiterentwicklung der Versorgung.
Zum ersten Komplex: mehr Sicherheit und ein möglichst hohes Maß an Wohlbefinden der Patienten durch gute Arbeitsbedingungen. Für mehr Sicherheit für die Patienten ist die Einführung von Personalmindeststandards unabdingbar. Ich gehe darauf jetzt nicht noch einmal im Detail ein; denn darüber ist hier schon gesprochen worden.
Ein weiterer Punkt sind Überlastungsanzeigen und Maßnahmen gegen Überlastungen. Um die Sicherheit für die Patienten zu erhöhen, sind Überlastungsanzeigen und Maßnahmen gegen Überlastungen zu dokumentieren, und diese sind auch dem Ministerium vorzulegen.
In deutschen Kliniken erleiden jährlich bis zu 1,5 Millionen Patienten Infektionen durch Bakterien. Eine Regelung für Hygienemaßnahmen in Krankenhäusern ist daher unverzichtbar. Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht hierzu Maßnahmen zur Bekämpfung und Erfassung von Infektionen vor, und das finden wir ausdrücklich gut. Aber im Interesse der Patientensicherheit muss das ergänzt werden um Maßnahmen der Erkennung und Verhütung. Die Begründung hierfür ist einfach: Ohne erfolgreiche Erkennung kann man nur schwer verhüten und bekämpfen. Und verhüten – also vorbeugen – ist besser als bekämpfen.
Förderung vom Land sollten nur Krankenhäuser erhalten, die Bedingungen für die Verbesserung der Sicherheit der Patienten einhalten. Das sind für uns die Einhaltung der Personalmindeststandards und die Bezahlung nach Tarif. Um das lang Bekannte noch einmal deutlich zu sagen: Arbeitswissenschaftliche Studien sagen unisono, die Motivation hängt eng mit der Gratifikation zusammen, und die Motivation hängt eng mit der Arbeitsbelastung zusammen.
Es ist unmittelbar einleuchtend, dass motiviertes Personal weniger Fehler macht und gegenüber den Patientinnen zu intensiverer Betreuung und Zuwendung und damit zu einem höheren Behandlungserfolg in der Lage ist als schlecht motiviertes Personal.
Um nun das Ganze auch für die Krankenhäuser finanzierbar zu machen, müssen die entsprechenden Vergütungen erbracht werden. Ich weise darauf hin: Die Kranken
Mein letzter Punkt zum Thema motivierte Beschäftigte als Voraussetzung hoher Sicherheit und Qualität für die Patientinnen. Es ist nicht einzusehen, dass es Mitarbeitergruppen geben könnte, die an den Liquiditätserlösen nicht partizipieren sollen. Die Leistungen des Krankenhauses sind ein Ergebnis der Leistung aller Mitarbeiterinnen. Daher sind auch alle zu beteiligen.
An dieser Stelle gäbe es noch einiges zu erörtern. Einiges liest sich in der Begründung zu unserem Änderungsantrag.
Mit Sicherheit ist es ein Gewinn für alle, wenn wir auf mehr Qualität und auf weniger Kommerz achten. Daher bitte ich, unserem Antrag zuzustimmen. – Danke.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil sowohl der Kollege Dr. Spies als auch jetzt Frau Schott behauptet haben, wenn es die Weigerung der GRÜNEN nicht gegeben hätte, würde es in Hessen längst Personalstandards geben. Dazu möchte ich mich kurz äußern.
Ich habe vorhin ausgeführt, dass ich die Problematik in der Pflege durchaus sehe, das aber nicht für eine reine Quantitätsfrage, sondern für eine Frage von Qualität und Quantität halte. Deswegen begrüße ich es, dass wir derzeit im Sozialministerium ein Ausschreibungsverfahren haben, das sich mit genau dieser Frage befasst. Diese Ausschreibung wurde, wenn ich mich richtig erinnere, im Jahr 2008 mit den Stimmen aller Fraktionen dieses Hauses beschlossen. Von mir aus hätte das schneller gehen können. Man muss nicht zwei Jahre warten, bis man so weit kommt. Aber jetzt ist es so weit. Daher halte ich es für richtig, darüber nachzudenken, wie man hier Qualität und Quantität zusammenbringt.
Auf jeden Fall kann ich sagen: Wenn die beiden Vorschläge von der Linkspartei und der SPD damals umgesetzt worden wären, dann wären die meisten kommunalen Krankenhäuser heute längst wirtschaftlich pleite – mehr noch, als sie es heute schon sind. Es ist keine verantwortungsvolle Oppositionspolitik, hier mit solchen Anträgen hereinzukommen, von denen man weiß, sie führen eher zum Untergang der Krankenhäuser als tatsächlich nach vorne.
Vielen Dank, Frau Schulz-Asche. – Frau Schott, Sie haben Gelegenheit zur Antwort. Ebenfalls zwei Minuten Redezeit.
Wie lange wollen wir denn zusehen, wie die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern immer schlechter werden? Wie, bitte schön, schützen wir kommunale Krankenhäuser: indem wir es zulassen, dass die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden, oder indem wir an anderen Stellen dafür sorgen, dass sie geschützt werden?
Wir werden sie sicherlich nicht dadurch schützen, dass wir die Arbeitsbedingungen der Menschen, die dort beschäftigt sind, so schlecht machen, dass die Qualität der Krankenhäuser so schlecht wird, dass man am Ende noch eine Begründung hat, um zu sagen – –
(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Von Arbeitsbedingungen verstehen Sie ja etwas! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Unsinn! Sie reden die Bedingungen gerade schlecht!)