Protocol of the Session on March 31, 2009

Wir werden im Ausschuss entsprechende Änderungen einbringen.

Noch kurz zu dem Antrag von CDU und FDP.Mit der Ratifizierung der UN-Konvention, insbesondere Art. 24, haben wir uns verpflichtet, „Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund ihrer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem“ auszuschließen. Dies verträgt sich aus rechtlichen und politischen Gründen nicht mit Ihrer Absicht, Frau Kultusministerin Henzler, eigene Sonderklassen in Regelschulen einzurichten. Es verträgt sich nicht damit, das „differenzierte sonderpädagogische Fördersystem“ weiterzuentwickeln, wie Sie in Ihrem Antrag sagen, und es verträgt sich unseres Erachtens nicht mit dem Ausbau der Diagnose- und Förderzentren,da diese weiter nur einen geringen Anteil ihres Personalbudgets für GU in den Regelschulen verwenden.

Wir begrüßen den Schulversuch in Mühlheim ebenso wie den Hauptschulabschluss für Schülerinnen und Schüler an Schulen für Lernhilfe und Erziehungshilfe. Aber eines versichere ich Ihnen: Auch mit diesen Einzelmaßnähmchen werden Sie sich nicht um die längst überfällige Schulstrukturreform herummogeln können.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit geht zu Ende.

Ich bin sofort zu Ende. – Allerdings sind das möglicherweise verlorene Jahre für viele Kinder und ihre Eltern.

Wir wissen, dass Ihre Koalition mit Zähnen und Klauen das gegliederte Schulsystem verteidigt und natürlich die Ausstrahlungskraft fürchtet, die eine zunehmende Inklusion von Kindern mit Beeinträchtigungen auf das gesamte Schulsystem haben wird. Denn dadurch wird bewiesen, dass eine Schule für alle machbar und auch für alle gut ist. – Ich freue mich sehr auf die Diskussion und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich erteile Herrn Abg. Schork für die Fraktion der CDU das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die UN-Konvention, die zu Beginn des Jahres in der Bundesrepublik Deutschland durch Gesetz eingeführt worden ist, besteht nicht nur aus dem Art. 24,

(Willi van Ooyen (DIE LINKE):Aber auch!)

der das Thema Bildung darstellt, sondern sie beinhaltet auch den Art. 7 – das will ich an den Anfang meiner Ausführungen stellen –, in dem zu Kindern mit Behinderungen in Abs. 2 ausgeführt wird:

Bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen betreffen, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Deshalb muss man sie wegsperren,oder wie? – Gegenruf des Abg.Hans-Jürgen Irmer (CDU):Das mit dem Wegsperren war in der Ostzone!)

Dieser Grundsatz wird dann auch in Art. 24 Abs. 2 e noch einmal dargestellt:

… dass in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame, individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Ja, darum geht es!)

Damit ist klar, dass auch in der UN-Konvention für Kinder mit Behinderungen und Beeinträchtigungen das Kindeswohl im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen muss. Das ist auch die Politik, die die CDU in den letzten Jahren in diesem Land betrieben hat.

(Beifall bei der CDU – Heike Habermann (SPD): Entscheiden das nicht die Eltern? – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Deshalb Sonderschulen?)

Daraus folgt auch,dass nicht generalistische Maßnahmen, wie in den Anträgen von SPD und GRÜNEN gefordert, die Lösung des Problems darstellen, sondern dass differenziert zu entscheiden und vorzugehen ist.

(Zuruf der Abg. Petra Fuhrmann (SPD) – Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie differenzieren doch gar nicht!)

Dazu müssen wir feststellen, dass in den vergangenen Jahren in Hessen zur Förderung behinderter und von Behin

derung bedrohter Schülerinnen und Schüler ein differenziertes sonderpädagogisches Fördersystem aufgebaut worden ist, das auch und vorrangig das Ziel hat, dass Kinder mit Behinderungen in den normalen Regelschulen bleiben können.

(Dr. Andreas Jürgens (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist doch blanker Unsinn, was Sie erzählen!)

Dazu haben wir ein Netz von sonderpädagogischen Beratungs- und Förderzentren aufgebaut. Es gibt dezentrale Schulen für Erziehungshilfe, alle mit der klaren Zielsetzung, die von Ihnen geforderte Regelbeschulung in der normalen Schule durchzusetzen. Natürlich müssen wir in dem Bereich weiter arbeiten – so steht es auch in unserem Antrag –, die Beratungs- und Förderzentren weiter ausbauen und das Netzwerk insgesamt weiter ausbauen.Welche Wege es dazu gibt, dazu dient auch der Modellversuch in Offenbach, der von unserem Kultusminister Jürgen Banzer noch in seiner Amtszeit genehmigt wurde und der von der jetzigen Kultusministerin Frau Henzler sicher fortgeführt wird. Was Sie fordern, ist bereits vorhanden. Die Ergebnisse, die sich dort zeigen werden, müssen intensiv begleitet und ausgewertet werden. Ich denke, auch das ist unstrittig.

Am Ende müssen alle Bemühungen darauf ausgerichtet sein – das ist die Politik der CDU, das ist die Politik der Koalition –, ein qualifiziertes Wahlrecht der Eltern herzustellen und das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt der ganzen Überlegungen zu stellen.

(Heike Habermann (SPD): Sie wissen überhaupt nicht, was das bedeutet, ein qualifiziertes Wahlrecht der Eltern!)

Das ist die Aufgabe und das Ziel, und darüber lassen Sie uns gerne im Ausschuss gemeinsam diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank. – Ich begrüße den obersten hessischen Feuerwehrmann auf der Tribüne. Herr Ackermann, es dauert noch ein bisschen, haben Sie Geduld, wir kommen noch fast alle hin.

(Beifall)

Nächste Wortmeldung,Herr Kollege Wagner für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will gerade nach dem Beitrag des Herrn Kollegen Schork noch einmal sagen, worum es geht. Die Bundesrepublik Deutschland – der Bundesrat und der Bundestag – hat die UN-Konvention, das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, unterzeichnet. Dort heißt es in Art. 24:

Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung.Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirk

lichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen …

(Beifall des Abg.Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Andere Übersetzungen sprechen sogar von einem „inklusiven Bildungssystem“. Herr Kollege Schork, dazu hat sich die Bundesrepublik Deutschland, haben sich die Bundesländer verpflichtet. Die einzige Frage ist jetzt:Wie setzen wir das um? Es geht nicht mehr um das Ob, es geht um das Wie.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Nach der Rede des Kollegen Schork und auch nach dem Antrag, der hier vorliegt, muss ich nur mit großem Bedauern feststellen, dass ein Teil dieses Hauses das Ob bestreitet, dass ein Teil dieses Hauses gar nicht über das Wie reden will, sondern das Ob bestreitet. Das finde ich sehr bedauerlich; denn eigentlich waren wir mit dem Beschluss des Bundestages und des Bundesrates einen Schritt weiter. Zwei Fraktionen gehen hier wieder einen deutlichen Schritt zurück.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn Sie die inklusive Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen nicht wollen, dann sagen Sie das doch hier ganz klar, und machen Sie keine Arabesken. Dann sagen Sie, dass Sie das nicht richtig finden. Meine Fraktion findet es richtig. Deshalb legen wir Ihnen heute einen Antrag vor, mit dem wir Punkt für Punkt, Schritt für Schritt zeigen, wie wir die UN-Konvention in Hessen endlich umsetzen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wir schlagen Ihnen als ersten Schritt vor,dass wir die Stellen für den gemeinsamen Unterricht weiter ausweiten. Wir alle kennen die Realität in Hessen. Die Stellen wurden deutlich gekürzt. Es gibt schon jetzt eine wesentlich höhere Nachfrage, als es ein Angebot gibt. Deshalb müssen wir diese Stellen Schritt für Schritt ausweiten, damit wir der Nachfrage nachkommen.

Aber wir müssen ein Zweites tun, und das ist der systemische Schritt, den wir gehen müssen. Wir müssen dorthin kommen, dass der GU von der Ausnahme zur Regel wird, dass der gemeinsame Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen die Regel wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Dann können wir darüber entscheiden, ob es in einzelnen Fällen, wo die Eltern es wünschen, die Ausnahme von der Regel gibt.Derzeit haben wir genau das umgekehrte Prinzip. Die gemeinsame Beschulung ist die Ausnahme, und die Beschulung an den Förderschulen ist die Regel. Das wollen wir umkehren, und dazu sollte sich dieser Hessische Landtag heute bekennen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir wollen die Umkehrung dieses Prinzips zunächst in einem Schulträgerbezirk erproben, damit wir dort Erfahrungen machen. Dass sich Offenbach-Land mit einem Modellversuch auf den Weg macht, begrüßen wir ausdrücklich. Für unseren Geschmack dürften es noch mehr Schulträger sein. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen wollen wir dann den nächsten Schritt gehen und es in ganz

Hessen machen.Wir finden, das ist ein klares Konzept, ein umsetzbarer Stufenplan.

An die Kollegen der LINKEN kann ich nur sagen: Wer selbst kein eigenes Konzept hat, sollte an den Konzepten der anderen nicht herumnörgeln.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist unsere klare Zielsetzung. Wir wollen den gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderungen. Wir wollen, dass er die Regel in Hessen wird. Schritt für Schritt wollen wir das umsetzen. Ich bin einigermaßen überrascht über den Antrag, den CDU und FDP hier vorlegen. Wir reden hier über das Recht auf gemeinsame Beschulung, aber Sie legen einen Antrag vor, in dem Sie beschreiben, wie Sie die Beratungs- und Förderzentren ausweiten wollen, also nicht die integrative Beschulung, sondern die Beschulung in gesonderten Schulen.