Protocol of the Session on November 17, 2010

(Horst Klee (CDU): Na ja!)

Bereits am 2. Juni demonstrierten rund 200 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus Hessen in Stadtallendorf gegen die von der Landesregierung geplante Kürzung des Kommunalen Finanzausgleichs. Für kommenden Montag hat die kommunale Familie eine weitere Protestveranstaltung vor dem Landtag angemeldet. Wir LINKE unterstützen den berechtigten Protest; denn die Finanzausstattung der Kommunen verschlechtert sich von Jahr zu Jahr.

Vor wenigen Tagen verkündete der Landrat des reichsten Kreises der Bundesrepublik, des Hochtaunuskreises, dass im kommenden Jahr das Defizit im Kreishaushalt erstmals in der Geschichte nicht mehr zu decken sei; es klaffe ein Loch von 44,5 Millionen €.

Die meisten Kommunen und Landkreise stecken aber nicht erst seit der Wirtschaftskrise in einer finanziell ausweglosen Situation. Auch in der Vergangenheit wurden ihnen Aufgaben übertragen, ohne einen vollständigen Finanzausgleich sicherzustellen. Ob Rot-Grün, SchwarzRot oder Schwarz-Gelb: Die Steuerpolitik in den vergangenen zehn Jahren ging zulasten der Kommunen, denen stabile und verlässliche Einnahmequellen stetig entzogen wurden. Allein das schwarz-gelbe Wachstumsbeschleunigungsgesetz des Bundes – das seinen Namen wirklich nicht verdient – kostet die Kommunen, die von jeglicher Mitbestimmung ausgeschlossen waren, ab 2010 bundesweit rund 2 Milliarden € im Jahr.

Wichtige Aufgaben wie der flächendeckende Ausbau der Kindertagesstätten oder Investitionen in die Bildung ge

raten unter Finanzierungsvorbehalt. Die finanzielle Auszehrung der Kommunen und die Privatisierung kommunaler Aufgaben gefährden die kommunale Selbstverwaltung und zerstören die demokratische Substanz unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern deshalb planungssichere Einnahmen für die Kommunen sowie ein Steuerrecht, das die öffentliche Daseinsvorsorge stärkt. Die Hessinnen und Hessen brauchen Vereins-, Sozial- und Kultureinrichtungen sowie Investitionen in die Bildung und in den öffentlichen Nahverkehr statt Steuergeschenken für Manager, Banker und Einkommensmillionäre.

(Beifall bei der LINKEN)

Viele Kommunen sind bereits so hoch verschuldet, dass allein die Zinslast erdrückend ist. Kommunale Einnahmen, auch aus Krediten, müssen zur Begleichung dieser Zinslast verwendet werden, sodass notwendige oder rentable Investitionen kaum noch erfolgen können. Bei einer Gesamtverschuldung der hessischen Kommunen von über 17 Milliarden € muss durch die Bundes- und die Landesregierung ein langfristiges Entschuldungsprogramm für die Kommunen organisiert und finanziert werden.

Der vom Herrn Ministerpräsidenten angekündigte Hilfsfonds von 3 Milliarden €, bei dem die Kriterien noch nicht einmal feststehen und sich das Land weitgehend aus der Organisation heraushalten will, reicht nicht: Erstens ist es bis heute bei einer wahltaktischen Ankündigung geblieben, zweitens sind die Kriterien und die Verantwortung des Landes nicht klar, und drittens wird hier nur ein Bruchteil des Finanzproblems überhaupt angegangen.

Ein großes Problem der Kommunen sind aber die Kosten der ihnen übertragenen Sozialaufgaben, die aufgrund der Aushöhlung der sozialen Sicherungssysteme auf der Bundesebene stetig steigen. Die Kommunen sind es, die Lücken bei Löhnen und Renten stopfen und den Betrag auf das gesetzlich vorgeschriebene, ohnehin zu niedrige Mindestniveau aufstocken müssen. Daher fehlen den Kommunen in Hessen in den nächsten Jahren zusätzlich über 1,5 Milliarden € pro Jahr.

Die Hessische Landesregierung ist Teil des Problems und nicht der Lösung. Die Absenkung des Kommunalen Finanzausgleichs um 360 Millionen € pro Jahr, die mitten in der schlimmsten Krise der kommunalen Finanzen erfolgt, ist unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Landesregierung will weiterhin alles unternehmen, um in der Bundesrepublik die politische Speerspitze für unsoziale Ungleichheit zu bleiben.

Damit den Kommunen in Hessen nicht die Existenzgrundlage entzogen wird, muss das Land seine Kürzungspläne zurücknehmen und für zusätzliche Einnahmen bei den Kommunen sorgen. Dies könnte z. B. durch einen freiwilligen Verzicht auf die Einnahmen aus der Gewerbesteuerumlage unmittelbar geschehen. Dafür müssten Sie kein Bundesrecht ändern. Das könnte und muss die Landesregierung sofort tun. Die Handlungsfähigkeit der Kommunen würde so gestärkt werden.

Die katastrophale Finanzsituation der Kommunen wurde politisch verursacht und durch die Wirtschaftskrise noch verstärkt. Jetzt dürfen wir es nicht zulassen, dass die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger diese Krise be

zahlen müssen, während Banker, Manager und Spekulanten weiterhin verschont bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Entwurf des Einzelplans 03 in der gebotenen Kürze exemplarisch drei Änderungsvorschläge unserer Fraktion herausgreifen.

Erstens. Wie in den zurückliegenden Jahren setzen wir uns erneut für eine Erhöhung der Zahl der Anwärterinnen und Anwärter bei der hessischen Polizei auf 600 ein. Das ist von der Kapazität her an den Verwaltungsfachhochschulen möglich. Das wäre zudem dringend notwendig, um die seit dem Jahr 2004 entstandene Personallücke in absehbarer Zeit zu schließen.

Zweitens schlagen wir vor, die Förderung der Privatisierung sowie die Privatisierung im Landesdienst einzustellen und die Kommunen bei der Rekommunalisierung zu beraten, damit sie selbst in sinnvolle Wirtschaftstätigkeiten einsteigen können.

(Beifall der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das ist das Gebot der Zeit. Es sollte in unser aller Interesse sein, dass die Kommunen z. B. ihre Versorgungsnetze zurückkaufen und selbst betreiben. Die wohnortnahe und flexible Versorgung mindert Kosten und Verluste. Die Nutzung der erneuerbaren Energien bringt Unabhängigkeit von langfristigen Preissteigerungen. Nicht zuletzt werden mit dem Einsatz regenerativer Rohstoffe immense Zukunftsrisiken vermieden. Man schaue sich dazu nur die Diskussion um die Nutzung der Atomenergie an.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor diesem Hintergrund schlagen wir vor, dass das Land Hessen diese nachhaltige Rekommunalisierung der Energieversorgung unterstützt. Deswegen sollen die Zuschüsse für die Beratungstätigkeit für Public-PrivatePartnership-Projekte gänzlich eingestellt und stattdessen eine neue Koordinierungs- und Beratungsstelle für die Rekommunalisierung eingerichtet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens möchte ich wieder einmal auf das Thema Rechtsextremismus hinweisen. Wir müssen den Kampf gegen rechts ernst nehmen und gesellschaftlich gegensteuern – ich glaube, das ist in der Anhörung, bei der es auch um Jugendgewalt ging, klar geworden –, indem wir die vorhandenen zivilen Netzwerke und die Jugendarbeit stärken und ausbauen.

Mit dem Verfassungsschutz schaffen Sie all das nicht. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Die Diskussionen werden im Geheimen geführt, und es wird im Geheimen analysiert, anstatt das Thema in die Gesellschaft zu bringen. Wir fordern daher, dass die Mittel für den Verfassungsschutz auf das Niveau des Jahres 2006 zurückgefahren werden, um die dadurch frei gewordenen Gelder für Vereine und Projekte wie z. B. die Mobile Intervention gegen Rechtsextremismus einzusetzen, die sich der Jugend- und Weiterbildung, der Förderung interkultureller Begegnungen und dem zivilgesellschaftlichen Engagement gegen rechts widmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit der Beschreibung dieser drei Schwerpunkte aus unseren Änderungsanträgen habe ich versucht, die Themenauswahl für eine andere Innenpolitik darzustellen. Das soll deutlich machen, dass ein Ende des Personalabbaus

und der Privatisierung sowie der Kampf gegen den Neofaschismus dringend geboten und möglich sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Das Wort erhält nun Herr Staatsminister Rhein.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Der Redner wendet sich Vizepräsident Frank Lortz zu.)

Wie viel Redezeit habe ich eigentlich?

Die Landesregierung hat noch 43:16 Minuten. Wenn du die gesamte Redezeit nimmst, spricht von der Landesregierung niemand mehr.

(Heiterkeit)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte mich hier eigentlich ganz furchtbar echauffieren. Wenn ich aber so in das Halbrund und nach oben schaue, stelle ich fest, dass meine Rauflust sehr gering ist. Das gebe ich offen zu.

Frau Faeser und die Mitglieder ihrer Fraktion zeigen auch, was sie von der inneren Sicherheit in unserem Land halten. Sie haben nicht einmal mehr eine Minute Redezeit übrig und müssen deshalb mit einer Kurzintervention reagieren. Das tut mir leid. Aber das ist eben so.

Jürgen Frömmrich will bei der inneren Sicherheit sparen. Das finde ich in Teilen gut. Bei der Feuerwehr können wir in der Tat darüber reden.

Ich bin schon ein bisschen erstaunt, wie insbesondere Rot und Grün, aber natürlich auch ganz Rot über das Thema innere Sicherheit reden. Ich will jetzt nicht die vergangenen elf Jahre und die Jahre davor Revue passieren lassen. Aber eines muss ich ganz ehrlich sagen: Dass gerade Sie sich aufschwingen, zu dem Thema so zu reden, wie Sie es immer gerne tun, das tut mir innerlich einfach richtig weh. Denn jeder, der sich angesehen hat, wie es in Hessen hinsichtlich der inneren Sicherheit vor 1999 ausgesehen hat, weiß, dass das ein Thema war, das Sie sträflich vernachlässigt haben. Sie haben es sträflich vernachlässigt.

In allen Statistiken waren wir die Letzten. Die Kriminalitätsbelastung war die höchste in Deutschland. Die Aufklärungsquote war die niedrigste in Deutschland. Das war damals die Realität.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Als junger Abgeordneter bin ich damals in meinen Wahlkreis in Frankfurt gegangen und habe mir einmal ein paar Reviere angeschaut. Die Autos waren in einem Zustand, wie man sie heute nicht einmal mehr auf irgendeinem Müllhaufen findet. Es gab keine EDV. Der bauliche Zustand der Reviere war ekelerregend. In den einen Revieren gab es Befall mit irgendwelchem Ungeziefer, in den anderen Revieren gab es kaputte Böden. Bei den Fahr

zeugen hat man auf den hinteren Sitzen bis zu den Schultern drinnen gesteckt, weil in den Autos Löcher waren. Hören Sie also auf, uns etwas zum Thema innere Sicherheit zu erzählen.

Ich bin Herrn Greilich und Alexander Bauer für etwas sehr dankbar. Denn sie haben es verdeutlicht: Hessen wurde in den vergangenen elf Jahren zu einem der sichers ten Bundesländer in Deutschland. Wir haben bei der hessischen Polizei mittlerweile eine moderne Exper tentruppe mit modernster Ausstattung und mit einem wirkungsvollen rechtlichen Instrumentarium.

Auch das ist ein ganz wichtiger Punkt. Während Ihrer Regierungszeit gab es kein rechtliches Instrumentarium, mit dem die Polizei hätte ordentlich arbeiten können. Die Schleierfahndung ist heute für uns bei der inneren Sicherheit eine Selbstverständlichkeit. Das gab es bei Ihnen nicht. Den Freiwilligen Polizeidienst gibt es heute. Die Wachpolizei gibt es heute. Wir haben Möglichkeiten der Bekämpfung des Terrorismus und der Kriminalität. Das alles hat während Ihrer Regierungszeit nicht stattgefunden.

Schauen Sie sich einmal die Zahlen an, die wir vorzuweisen haben. Sie sprechen eine wirklich außergewöhnlich deutliche Sprache. Die Aufklärungsquote beträgt 57,8 %.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Matthias Büger (FDP))