Protocol of the Session on November 17, 2010

(Holger Bellino (CDU): Na, na, na!)

und verstecken Sie sich nicht hinter sinnlosen Parolen, wir hätten kein Einnahmeproblem in diesem Staat, und es ginge ohne Einnahmeerhöhungen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rentsch, wenn Sie sagen, es sei lächerlich, dass man die Grunderwerbsteuer erhöhen wolle, und das ginge in landespolitischer Kompetenz nicht

(Zurufe von der FDP)

guten Morgen, das geht seit dem Jahr 2006 –, dann frage ich Sie: Wer macht sich hier eigentlich lächerlich: jemand, der die Rechtslage nicht kennt, oder jemand, der konkrete Vorschläge macht?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Wagner, die Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme zum Schluss. – Schwarz-Gelb gilt als die Wespenkoalition, und Sie verhalten sich auch ein bisschen so, Herr Kollege Rentsch. Wespen im Herbst fangen an zu stechen, weil sie wissen, es geht bald zu Ende. So verhalten Sie sich hier auch: Sie stechen auf die Opposition ein, ohne eigene Vorschläge zu haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP: Oh!)

Herr Kollege Rentsch.

Herr Präsident! Herr Kollege Wagner, es ist unstreitig – dann haben Sie mich falsch verstanden, anders als jedenfalls meine Fraktion und die CDU-Fraktion –, dass die Grunderwerbsteuer in der Landeskompetenz liegt. Ich habe Ihnen gesagt, wir wollen sie politisch nicht erhöhen, weil wir nicht ständig Menschen in Hessen weiter belasten wollen. Das ist der Unterschied zwischen uns.

(Beifall bei der FDP)

Ich kann Ihnen aber sagen: Ja, es gibt eine Gemeinsamkeit. Auch wir sagen, natürlich braucht das Land stabile Einnahmen und, wenn es geht, höhere Einnahmen. Aber es gibt zwei Philosophien, wie man dazu kommen kann. Wir wollen die Einnahmesituation dadurch stärken und verbessern, dass wir in Hessen mehr Wirtschaftswachstum, mehr Arbeitsplätze, mehr Wertschöpfung haben und die Leute nicht mehr belasten. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Wir vertrauen den Menschen. Wir glauben auch, dass die Menschen, wenn sie einen Arbeitsplatz in Hessen haben, letztendlich durch ihre Lohnsteuer, durch die direkten und indirekten Steuern, die sie zahlen, in diesem Land etwas Positives erreichen.

Sie sehen zurzeit, wie die Realität ist. Die Realität ist, dass aufgrund des Wirtschaftswachstums in Hessen die Steuereinnahmen sprudeln – nicht andersherum, nicht weil RotGrün irgendwelche Abgaben und Steuern erhöht hat, sondern weil die Menschen es selbst erwirtschaftet haben. Das ist der Unterschied.

Ja, mit uns wird es keine Steuer- und Abgabenerhöhungen in Hessen geben. Das ist ein unterschiedlicher Gesellschaftsentwurf. Wir sagen, es muss ein Ende mit der Belastung der Bürger haben. Wir wollen Mehreinnahmen durch mehr Wachstum und nicht durch mehr Steuern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Wortmeldung)

Das geht nicht mehr mit der Zwischenfrage. Macht es unter euch aus.

Jetzt kommt der Kollege Willi van Ooyen, Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Beratung des Haushaltsentwurfs dieser Regierung dokumentiert einfach die Unfähigkeit, die Zeichen der Zeit zu erkennen und tatsächlich grundsätzliche Positionierungen vorzunehmen, die im Interesse der Menschen in unserem Lande sehr wichtig wären.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch wenn allerorten von einem deutschen Wirtschaftswunder die Rede ist – Herr Bouffier, Sie haben das heute Morgen schon wieder getan – und sich die Regierung die Massenarbeitslosigkeit schönrechnet: Diese Krise ist noch nicht vorüber.

Lieber Tarek Al-Wazir, auch ich bin erfreut über Zahlen, wenn ich beispielsweise diese 5,6 % Arbeitslosigkeit in Nordhessen sehe. Nur, wir müssen dazusagen, dass die Produktionsstunden insgesamt weniger geworden sind, also weniger gearbeitet wird, auch wenn sich die Arbeit anders verteilt. Zweitens. Auch bei dem Vorzeigeprojekt SMA höre ich – diese 5,6 % sind sicherlich die Momentaufnahme zum Monatsende –, dass dort 500 Entlassungen anstehen. Ich will nur andeuten, dass die Situation im Moment labiler ist als das, was man einfach unter freudigen Ereignissen abhaken will.

In dieser Krise wurde heftig umverteilt. Die Politik sozialisierte die Verluste aus den „Kathedralen des Kapitalismus“. Aus privaten Schulden wurden öffentliche Schulden. Aus der Finanz- und Wirtschaftskrise wurde eine Krise der Staatsfinanzen.

(Zuruf des Abg. Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU))

Trotz aller Euphorie muss man nüchtern feststellen: Die größte Wirtschafts- und Finanzkrise seit Jahrzehnten dauert an. Die Symptome sind einfach unübersehbar: Mit Griechenland und Irland sind zumindest zwei Staaten innerhalb der Europäischen Währungsunion kurz vor dem sozialen und ökonomischen Kollaps.

(Holger Bellino (CDU): Wie weit ist denn die DDR gekommen? – Gegenruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE): Quatsch, die war nie in der EU, Herr Bellino!)

Die gibt es schon ungefähr 20 Jahre nicht mehr, Herr Bellino.

Die amerikanische Notenbank greift mit einer massiven Ausweitung der Geldmenge zu radikalen Schritten, um die nächste Rezession abzuwenden. Ganz im Gegensatz zu dieser wirtschaftspolitisch aktiven Rolle treibt die Bundesregierung mit ihrem aggressiven Sparkurs ganz Europa zum Kürzen und gefährdet dadurch alles, was ein soziales Europa zusammenführt.

Die Politik des Kürzens und Streichens unter dem Banner des Sachzwangs betreibt auch diese Landesregierung in Hessen. Zusätzlich kommt sie mit der wahnwitzigen Idee, eine Schuldenbremse in die Landesverfassung zu schreiben. Damit signalisieren Sie, dass Sie dem Land jede Möglichkeit nehmen, in Zukunft noch Politik zu gestalten. Mit einer Schuldenbremse machen Sie Hessen endgültig davon abhängig, ob die Steuersenkungspartei, die FDP, im Bund weiter die Agenda bestimmt und die Einnahmebasis des Staates weiter nachhaltig zerstört. Lassen Sie diesen Unsinn.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Walter Arnold (CDU): So ein Blödsinn!)

Selbst die GRÜNEN müssen mit ihrem Konzept zur Schuldenbremse eingestehen, dass es ohne zusätzliche Einnahmen auf Bundesebene unmöglich wird, die Haushalte des Landes zu konsolidieren.

(Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben wir schon immer gesagt! – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Na ja, es gab so eine Phase, wo ihr ziemlich massiv eingeschnitten habt und die Einnahmen nicht erhöht, sondern radikal gesenkt habt. Ich will das nur in Erinnerung rufen.

Da hilft auch kein Dreischritt von Kürzungen, Verschlechterungen im öffentlichen Dienst und Einnahmeverbesserungen auf Landesebene. Statt Kreditsperren brauchen die öffentlichen Haushalte Steuersenkungsbremsen und eine solidarische Steuerpolitik – das will ich nur andeuten; das ist unsere Erkenntnis, die wir schon länger haben –, mit der man mehr als 1,8 Milliarden € Mehreinnahmen bei Vermögenden und Großerben für das Land Hessen realisieren könnten. Es gibt also Alternativen. Wir sollten bereden, wie zukünftige Generationen investieren können, damit auch nach uns Bildung, Ökologie und sozialer Zusammenhalt finanziert werden können. Es darf kein Verbot geben, Kredite aufzunehmen.

Aber nun zum Haushaltsentwurf selbst. Dass das Land Hessen dieses Jahr mehr als 2,8 Milliarden € an Neuverschuldung aufnehmen soll, kann auch für DIE LINKE kein Grund für Beifall sein. Denn wir nehmen diese Schulden auf, um nicht nur das Versagen von Managern, Aufsichtsräten und Politikern zu bezahlen, sondern weil

dieser Kapitalismus schlichtweg versagt hat. Das Versagen dieses Systems darf jetzt die Allgemeinheit reparieren, statt Alternativen für eine soziale, demokratische und ökologische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu errichten.

(Holger Bellino (CDU): Freiheit für die Planwirtschaft!)

Es geht darum, dass wir jetzt noch einmal diese Grundfragen stellen. Es gibt nämlich nicht diejenigen, die alle zufrieden sind, sondern wir haben es – das haben einige Vorredner schon gesagt – mit einer deutlichen Spaltung in dieser Gesellschaft zu tun, und die nehmen Sie nicht wahr.

(Minister Michael Boddenberg: Welche Grundfra- gen?)

Ich jedenfalls war am letzten Samstag in Stuttgart, mit 45.000 Menschen, die gesagt haben: Wir wollen diese Rente mit 67 nicht, und wir wollen ein anderes, gerechteres System, mit Steuern finanziert, erhalten. – Allein 45.000 in Stuttgart.

(Holger Bellino (CDU): Sie tragen die Leute doch zum Jagen, wenn es ums Demonstrieren geht!)

Nein, die kommen von selbst hin. Ich war im Wendland, andere waren an anderer Stelle. Wir sind der Meinung, dass man die Wochenenden mit vielen Menschen gemeinsam verbringen muss.

(Beifall bei der LINKEN – Heiterkeit bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Minister Michael Boddenberg: Sie haben zu viel Zeit!)

Während die Banken – –

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Rentsch macht sogar Fotos von seinen Wochenenden und zeigt sie dann im Landtag! – Heiterkeit – Glockenzeichen des Präsidenten)

Der Protest ist wichtig, Widerstand ist wichtig. Das habt ihr früher auch mal draufgehabt.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Minister Michael Boddenberg: Haben Sie das in der DDR früher auch praktiziert?)

Ich war immer in Frankfurt, Herr Boddenberg. Sie kennen mich. Spätestens seit den Siebzigerjahren war ich immer da.