Das weiß ich nicht. Sie machen es anders. Sie gehen damit nicht differenziert um. Vielmehr pauschalisieren Sie und tragen damit zur Stigmatisierung und Dogmatisierung bei.
Eines geht aber nicht. Das ist es, was mich sehr betroffen macht. Dabei geht es um Herrn Abg. Greilich von der FDP.Auf den Hinweis des Herrn Staatsministers Boddenberg habe ich gerufen: „Es gab auch Anträge von der SPD.“ Sie haben dann in Richtung des Herrn SchäferGümbel und des Herrn Rudolph gerufen: Da wurde ein bisschen umgeschrieben und Mist dazu gemacht. – Das halte ich für eine ziemliche Entgleisung.
Eines lasse ich Ihnen nicht durchgehen. Wir, die Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei, haben keinen Nachhilfebedarf. Es gab genug Sozialdemokraten wie auch andere Menschen anderer Organisationen, die verfolgt wurden und in das Gefängnis kamen.Manche kamen sogar zu Tode.Wir brauchen da keinen Nachhilfeunterricht.
In dem Dringlichen Entschließungsantrag steht nichts, was Mist ist. Sie können sagen, Sie halten den Inhalt für falsch. Damit muss ich umgehen können. Das müssen wir ertragen.
Sie sollten jetzt den Mut in den Knochen haben, sich für diese Entgleisung zu entschuldigen. Ansonsten, so muss ich sagen, würden Sie den Beleg dafür liefern, dass es Ihnen nicht um die Sache geht. Das wäre schade. Die deutsche Einheit ist viel zu wichtig, als dass man so reagieren sollte, wie Sie oder Herr Beuth es tun. – Vielen Dank.
Herr Kollege Rudolph, vielen Dank. – Es hat sich Herr Dr. Wagner für die CDU-Fraktion noch einmal zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Redner der SPD-Fraktion und auch die der GRÜNEN haben es für richtig gehalten, auf das Wirken der Blockparteien in den 40 Jahren der DDR hinzuweisen. Ich will deshalb einige wenige Sätze zur geschichtlichen Wahrheit sagen.
Erstens. Die SPD wurde im Jahr 1946 mit der Deutschen Kommunistischen Partei zwangsvereinigt. Es hat dabei Todesurteile, Liquidationen, Hafturteile und dergleichen mehr gegeben. Sozialdemokraten sind geflohen. Der größere Teil der Sozialdemokraten hat sich damals dieser Zwangsvereinigung gebeugt und in der neu entstandenen SED mitgearbeitet.
Zweitens. Es gab auch andere demokratische Parteien. Dazu gehörte die Ost-CDU. Sie war zunächst demokratisch verfasst. Sie wurde dann gleichgeschaltet. Auch dort hat es Liquidationen und Haft gegeben. Es hat auch viele Mitglieder der CDU gegeben, die in den Westen geflohen sind. Ich glaube, das muss man einmal in aller Ruhe und Deutlichkeit sagen,damit wir nicht nur auf der einen Seite die Opfer sehen.
Drittens. Es hat aber auch z. B. im Jahr 1970 Menschen in der DDR gegeben, die in die CDU eingetreten sind. Für die gilt die Geschichte, die ich dargestellt habe, nicht. Da frage ich: Warum sind sie eingetreten? – Sie sind in den allermeisten Fällen in die Ost-CDU eingetreten, weil sie nicht in die SED eintreten wollten. Das war schon eine Demonstration. Zweitens sind sie eingetreten, weil sie sich natürlich mit dem Regime arrangieren wollten. Natürlich haben sie an das eigene berufliche Vorankommen gedacht. Sie haben auch an das schulische Vorankommen ihrer Kinder gedacht.
Da hat doch Frau Schulz-Asche völlig recht: Wer von uns wäre Held gewesen? – Frau Schulz-Asche, da haben Sie völlig recht: Es gibt die Gnade des richtigen Geburtsortes. Ich kann in Eisenach oder in Bad Hersfeld geboren sein.
Ich finde, wir sollten das hier in aller Ruhe und Deutlichkeit besprechen und den Mund nicht zu weit aufmachen. Wir sollten uns fragen:Was wäre gewesen, wenn ich in der DDR geboren worden wäre?
Viertens. Auch das gehört zur geschichtlichen Wahrheit dazu. Die CDU West hat auch im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung die Mitglieder der CDU Ost aufgenommen.
Dazu bekennen wir uns. Darüber gibt es keine Diskussion. Ich werde gleich noch einiges zu Ihrer Partei sagen.
Wir haben diese Mitglieder der Ost-CDU aber auf ein demokratisches, rechtsstaatliches und freiheitliches Programm verpflichtet.Das ist die große demokratische Leistung der West-CDU.Auch das muss gesagt werden.
Fünftens.Während in der DDR die meisten keine Helden waren, auch nicht die Mitglieder der Ost-CDU, hat die SPD West im Jahre 1987 gemeinsame weltanschauliche Gespräche mit der SED geführt und ein gemeinsames Weltanschauungspapier verabschiedet.
Meine Damen und Herren, das haben Sie freiwillig und nicht unter den Bedingungen der Diktatur getan.
In diesem Papier steht unter anderem:Wir deutsche Kommunisten und Sozialdemokraten erkennen die Existenzberechtigung beider Seiten an. Sozialdemokraten und Kommunisten berufen sich beide auf das kommunistische Erbe Europas, usw.
Meine Damen und Herren, das muss ich Ihnen auch ins Stammbuch schreiben, wenn Sie schon versuchen, die Geschichte zu deuten:
(Dr. Thomas Spies (SPD): Sie schreiben gar nichts! – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Von Ihnen lassen wir uns gar nichts ins Stammbuch schreiben!)
Sie haben unter den Bedingungen der Freiheit und ohne Not mit der Nachfolgepartei der SED in verschiedenen Bundesländern,
Letzter Gedanke. Sie haben gesagt, es gebe keinen CDUPremiumanteil an der Wiedervereinigung, Herr Quanz. Dann wollen wir einmal Folgendes festhalten. Am 30. September 1989,also morgen vor 21 Jahren,als Hans-Dietrich Genscher den DDR-Flüchtlingen in der Prager Botschaft sagte, sie seien frei, hat der SPD-Landesparteitag Hessen am selben Tag beschlossen: „Die deutsche Politik hat zur Kenntnis zu nehmen,dass 50 Jahre nach dem deutschen Überfall auf Polen und 40 Jahre nach Gründung zweier deutscher Staaten weder bei unseren westlichen Partnern noch bei unseren östlichen Nachbarn die Bereitschaft geweckt werden kann, die Einheit Deutschlands auf die Tagesordnung zu stellen.“
Herr Dr.Wagner,entschuldigen Sie kurz.Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.
Lassen Sie mich noch zwei Sätze vortragen. – In diesem SPD-Infodienst steht: „Der Begriff Wiedervereinigung ist
ohnehin ein problematisches Schlagwort. Zusätzlich unterminiert das Wiedervereinigungsgetöse alle Ansätze einer vernünftigen deutschen Politik.“
Letzter Satz. Joschka Fischer hat in meinem Beisein, da saß ich hier auf der Regierungsbank, am 20. September 1989 im Hessischen Landtag unter anderem gesagt: Vergessen wir die Wiedervereinigung. Sie glauben daran. Ich glaube nicht daran. Warum halten wir nicht für die nächsten 20 Jahre die Schnauze darüber? – Die GRÜNEN haben nach 20 Jahren Gelegenheit, jetzt dazu Stellung zu nehmen. Auch das ist die geschichtliche und politische Wahrheit.
(Lothar Quanz (SPD): Wenn das der neue Stil sein soll! – Gegenruf der Abg. Judith Lannert (CDU): Wer hat denn angefangen?)