Protocol of the Session on September 28, 2010

Nach der jetzigen Rechtslage verfügen Schulleiter bei der Einstellung des lehrenden Personals bereits über weitgehende Befugnisse. Sie können wählen, ob sie eine Stelle über das Ranglistenverfahren oder über eine schulbezogene Ausschreibung besetzen. Bei der schulbezogenen Ausschreibung obliegt ihnen die Auswahlentscheidung. Diese bewährten Verfahren werden wir nicht verändern.

Darüber hinaus wollen wir es ermöglichen, dass Lehrkräfte neben dem Kernunterricht flexibler eingesetzt werden können, etwa für Intensivkurse zur individuellen Förderung oder für Konzeptarbeit zur Schulentwicklung. Hier prüfen wir eine Änderung der Pflichtstundenverordnung.

Überprüfen werden wir auch Veränderungen des Leitungsdeputats. Für mehr Flexibilität ist es sinnvoll, dass Schulen ein Gesamtbudget an Deputatstunden erhalten, über dessen Verteilung die Schulleitung entscheidet. Sie kann so die Leitungszeit verändern und Leitungsaufgaben an Mitglieder der Schulleitung delegieren. Das Personal einer Schule soll abgestimmt auf das Schulprofil zusammengesetzt werden können.Auch der Einsatz von pädagogischen und nicht pädagogischen Kräften für Projekte und organisatorische Aufgaben soll damit mittelfristig möglich werden. Ziel ist es, dass Schulleiter diese Personen selbst einstellen dürfen. Dafür überarbeiten wir die Zuständigkeitsverordnung.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Die beruflichen Schulen nehmen auf dem Weg zu mehr Selbstständigkeit eine Sonderstellung ein. Mit Ablauf des nächsten Jahres endet der Modellversuch SV+. Die 17 Projektschulen haben darin mit viel Engagement Pionierarbeit geleistet. Dafür möchte ich ihnen schon jetzt meine Anerkennung und meinen großen Dank aussprechen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie haben Grenzen und Hindernisse für selbstständiges Arbeiten aufgezeigt, die wir beseitigen wollen.Wir haben nun schon vor offizieller Beendigung des Modellversuchs den Transferprozess eingeleitet, um auch den anderen beruflichen Schulen frühzeitig die Chance zu geben, in die Selbstständigkeit zu gehen. Das Qualitätshandbuch, das sie dabei unterstützen soll und die Zuständigkeiten von Schulämtern und Schulleitungen genau regelt, ist in Arbeit und wird, wie vereinbart, im Mai 2011 vorliegen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ausgehend von den Erfahrungen mit dem Modellversuch wollen wir den beruflichen Schulen mit dem Schulgesetzentwurf die Möglichkeit einrichten, eine eigene Schulverfassung zu entwickeln. Kernelement soll der Schulvorstand sein. Er ersetzt die Schulkonferenz, übernimmt ihre Rechte und Pflichten und wahrt die Partizipationsrechte von Schülerschaft, Eltern und Kollegium.

Eine wichtige Frage, die sich ausschließlich im Zusammenhang mit der Selbstständigkeit der beruflichen Schulen im Hessencampus stellt, ist die Frage nach der Rechtsfähigkeit einer Schule. Die Beratungen zu diesem Thema laufen noch. Hier gibt es nach wie vor große Bedenken bei den freien Weiterbildungsträgern, der Wirtschaft und den Kammern. Wir werden aber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens einen Regelungsvorschlag einbringen. Alle anderen Schulen können aufgrund des neuen Schulgesetzes im Rahmen der Eigenverantwortung sämtliche gewünschten Tätigkeiten mit ihrem jetzigen Rechtsstatus als nicht rechtsfähige öffentliche Anstalt ausüben.

Selbstständige Schulen benötigen ein Unterstützungssystem,das an ihren Bedürfnissen ausgerichtet ist.Schul- und Qualitätsentwicklung müssen daher neu aufeinander abgestimmt werden. Die Rolle der Staatlichen Schulämter wird sich ändern. Jedes Staatliche Schulamt wird zukünftig nach drei Aufgabenbereichen gegliedert sein: Unterstützung, Service, Aufsicht. – Nach der Schulinspektion vereinbart die Schulaufsicht mit der jeweiligen Schule eine Zielvereinbarung zur Qualitätsverbesserung. Die Schule wird auf diesem Weg durch Schulentwicklungs-, Schulleitungs- und Unterrichtsentwicklungsberater

unterstützt. Diese lösen das bisherige Fachberatersystem ab.

Für die Kontenführung und die Personalvertragsabwicklung ist das Serviceteam im Staatlichen Schulamt zuständig. Alle Tätigkeiten erfolgen auf Anfrage durch die Schule. Das Personal, das Aufsicht führt, soll strikt von dem getrennt werden, das in der Unterstützung und im Service tätig ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Eine unter der Leitung des Ministeriums eingerichtete Kommission ist derzeit damit beschäftigt, die Leistungen der Staatlichen Schulämter neu zu definieren. Die Schulinspektion selbst wird im Schulgesetz verankert. Dem inzwischen bewährten Instrument geben wir damit eine gesetzliche Grundlage.Die Selbstständigkeit ist ein Paradigmenwechsel, für den ich die Schulen gewinnen möchte. Ich betone aber nochmals: Die selbstständige Schule ist und bleibt ein Angebot an alle allgemeinbildenden und beruflichen Schulen. Ich bin davon überzeugt, dass mehr Selbstständigkeit dazu beiträgt, dass die Schulen ihre Arbeitsbedingungen verbessern, die Qualität des Unterrichts steigern und die individuelle Förderung jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers intensivieren.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Gleichzeitig halte ich es für wichtig, dass jede Schule mit ihren Gremien selbst entscheiden kann, ob, in welchen Bereichen und zu welchem Zeitpunkt sie in die Selbstständigkeit gehen will.Auch diesen Umwandlungsprozess haben wir im Gesetzentwurf beschrieben. Diese Konzeption lässt allen Schulen ein größtmögliches Maß an Freiheit.Wenn sich Schulen für die Selbstständigkeit entscheiden, erhalten sie dafür die erforderliche Unterstützung der Kultusbehörden. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit dem Projekt selbstständige Schule auf dem richtigen Weg sind.Wir haben einen modernen Schulgesetzentwurf erarbeitet, der dafür den erforderlichen rechtlichen Rahmen schaffen soll. Nun beginnt die Arbeit an den Verordnungen.

Parallel dazu werden wir die Schulen in den nächsten Monaten umfassend über die einzelnen Umsetzungsschritte informieren. Ich rufe alle Schulen auf, mit uns an einem Strang zu ziehen und die Chance der Selbstständigkeit zu ergreifen.

(Beifall bei der CDU – Lebhafter Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, das Kabinett hat gestern den Entwurf für ein neues Hessisches Schulgesetz in einem ersten Durchgang beschlossen. Mit der Änderung des Schulgesetzes aus dem Jahr 2005 schaffen wir im Bildungsland Hessen die Grundlage für einen weiteren Schritt nach vorn. Der Inhalt trägt den demografischen Anforderungen Rechnung und verbessert die Qualität der Bildung. Kernelement des Gesetzentwurfs ist die selbstständige Schule. Wir stärken das eigenverantwortliche Arbeiten der Schulen, indem wir ihnen mehr Freiheit bei der Unterrichtsgestaltung, der Organisation des Schulbetriebs,der Personaleinstellung und der Haushaltsführung ermöglichen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Personalverantwortung der Schulleiterinnen und Schulleiter wird gestärkt. Die Zukunftsoption für ein ge

meinsames Budget von Land und Schulträger ist vorgesehen. Der gesamte Prozess der selbstständigen Schule von der Definition bis zur Umwandlung wird so auf rechtlich sichere Füße gestellt. Schulen können sich auf der Grundlage einer Konzeption der Gesamtkonferenz in selbstständige Schulen umwandeln. Über die Umwandlung entscheidet dann die Schulkonferenz im Benehmen mit dem Schulträger.

Auch die Neuausrichtung der Schulaufsicht und damit ihre Anpassung an die selbstständige Schule finden im Gesetzentwurf ihren Niederschlag. Wir ermöglichen die Einrichtung von Schulverbünden für projektbezogene Zusammenarbeit, etwa für ein gemeinsames Budget. Wir lassen Verbundschulen zu,damit besonders kleine Grundschulen an mehreren Standorten erhalten bleiben, um ein Schulangebot in der Fläche zu sichern.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir entwickeln die Qualität schulischer Bildung kontinuierlich weiter, indem wir die Mittelstufenschule als neue Schulform in das Gesetz aufnehmen und viele andere Themen, die ich in meiner Rede erwähnt habe, rechtlich absichern.

Wir stärken das Profil des Realschulbildungsgangs als G9-Bildungsgang, indem gute Realschulabschlüsse, die einen bestimmten Bildungs- und Leistungsstand nachweisen, künftig als qualifizierende Realschulabschlüsse gekennzeichnet werden.

Mit dem Gesetzentwurf erfüllen wir außerdem die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention zur Inklusion.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der gemeinsame Unterricht soll zum Regelfall erhoben werden, wenn er sächlich, räumlich, personell und pädagogisch den Anforderungen des einzelnen Kindes entsprechend ausgestattet werden kann. Es bleibt dabei, dass Eltern in Hessen zum Zeitpunkt der Einschulung die freie Entscheidung auch für eine Förderschule haben werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wenn Eltern es wünschen, werden ihre Kinder jedoch zunächst an der Regelschule angemeldet. Das Entscheidungsverfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs wird mithilfe eines Förderausschusses in der Hand der jeweiligen Schulleitung gebündelt. Dies soll in enger Absprache mit dem Staatlichen Schulamt und letztendlich in seiner Entscheidung erfolgen.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nicht die der Eltern!)

Das aufwendige Verfahren zur Einleitung der sonderpädagogischen Förderung mit einem umfangreichen sonderpädagogischen Gutachten und drei Verwaltungsakten durch das Staatliche Schulamt wird somit ersetzt durch ein vereinfachtes einheitliches Verfahren auf der Ebene der allgemeinbildenden Schulen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich bin überzeugt,dass wir hier einen guten Weg gefunden haben, den ich gern im weiteren Gesetzgebungsverfahren intensiv mit Ihnen allen beraten möchte.

Im neuen Schulgesetz konkretisieren wir die Partizipationsrechte der Eltern. Der Gesetzentwurf sieht die Schaffung eines Anschlussmandates vor – und damit eine Lösung in Fällen, in denen die Elternmitbestimmung

wegen kurzer Verweildauer der Kinder in einzelnen Schulformen bislang ins Leere lief.

Die Landesregierung aus CDU und FDP legt mit diesem Gesetzentwurf ein modernes, in die Zukunft weisendes Schulgesetz vor, das sich am Wohl der Schülerinnen und Schüler orientiert, den Bedürfnissen von Schulen und Eltern Rechnung trägt und die Qualität aller schulischen Bereiche verbessern wird.

Meine Damen und Herren, diese Regierungserklärung sollte Ihnen deutlich machen, wie die Schulpolitik von CDU und FDP in Hessen ausgerichtet ist: an den Schulen orientiert, sachgerecht, präzise und unideologisch.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Thorsten Schä- fer-Gümbel (SPD): Jetzt ist Herr Irmer endlich wach geworden!)

Wir wollen die besten Bildungschancen für unsere Schülerinnen und Schüler, und darum wollen wir, dass unsere Schulen noch besser werden. Diesem Ziel der Verbesserung der Qualität schulischer Arbeit dient alle Anstrengung unserer Politik – bis in die vielen Details, die ich Ihnen vorgetragen habe. Andere Länder führen harte, zum Teil verbissene Auseinandersetzungen, zumeist um die Schulstrukturen.Verbissen kämpfen wir in Hessen nur um eines: um die besten Chancen für unsere Kinder und Jugendlichen und um die besten Schulen für sie. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat Frau Abg. Habermann zur Aussprache über die Regierungserklärung. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kultusministerin, Verbissenheit schadet oft einer objektiven Sichtweise und führt nicht unbedingt dazu,dass man sachlich über Fragen streitet.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Ich habe hier eine Regierungserklärung vorliegen, die uns als Abgeordneten schriftlich zugestellt wurde,der ein kleiner Teil fehlte. Eigentlich wollte ich damit beginnen, dass ich sage:Sie haben angefangen zu erklären,was Sie letztes Jahr an dieser Stelle gesagt haben. – Ich hatte nach dem Hören und Lesen dieser Regierungserklärung den Eindruck, dabei hätten Sie es auch bewenden lassen können; denn bis dato hatten Sie uns absolut nichts Neues erzählt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Frau Kultusministerin, Sie haben nun der Regierungserklärung eine Absichtserklärung hinzugefügt – eine Absichtserklärung,wohl entstanden daraus,dass sich das hessische Kabinett gestern endlich durchgerungen hat, einen Schulgesetzentwurf auf den Weg zu schicken, den nun leider außer Ihnen weder die Schulen in Hessen noch wir kennen, sodass es nicht möglich ist, jetzt sachgerecht darüber zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Deswegen beschränke ich mich im Wesentlichen auf das, was Sie uns zu sagen hatten. Sie haben in dieser Regie