Protocol of the Session on September 9, 2010

Nein, Herr D’Inka meinte die kommunalen Akteure, also die Akteure aus Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft, die den wirtschaftlichen Herzmuskel unseres Bundeslandes voranbringen wollen und nach gemeinsamen Identifikationsprojekten suchen. Herr Müller, deshalb kann ich Ihr

positives Urteil über Ihren Entwurf bei allem Respekt nicht teilen. Das wird Sie sehr überraschen.

Wir reden von einer Region, die sich selbst als europäische Metropolregion definiert, aber unter erheblichen strukturellen Nachteilen leidet. Wir reden von einer Region, die sich im Wettbewerb mit Hannover, Stuttgart und dem Großraum München befindet. International – das ist Ihnen auch immer wichtig – befindet sie sich im Wettbewerb mit London, Stockholm oder Mailand.

Im Gegensatz zu diesen Regionen haben wir ein Regierungspräsidium, das sich einem Teil der Region widmet. Wir haben einen Planungsverband – bald soll das dann Regionalverband heißen –, der sich mit der Region beschäftigt. Ihr Ballungsraumgesetz hat uns weitere zahlreiche Verbände und Gesellschaften beschert,die die Region mitgestalten wollen. Daneben gibt es natürlich noch die Landkreise und selbstverständlich auch die Kommunen.

Zu einer Stärkung der Region haben Sie mit Ihrem Ballungsraumgesetz bisher keinen Beitrag geleistet. Leider wird das auch mit dieser Novelle nicht geschehen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Marius Weiß (SPD))

Im Gegenteil, es ist die Region selbst, die Impulse entwickelt und Ideen verwirklichen will. Die eben schon angesprochene Internationale Bauausstellung Frankfurt/Rhein-Main war ein solches Thema. Sie wäre in ganz herausragender Weise geeignet gewesen, ein gemeinsames Projekt der Region Frankfurt/Rhein-Main zu werden. Das hatten übrigens auch viele in Ihren Reihen erkannt. Es waren Sie hier im Landtag, die diesem identitätsstiftenden Vorhaben mit einem süffisanten Lächeln den Todesstoß versetzt haben. Frau Beer und Herr Milde spüren den Tritt in die Kniekehlen vermutlich heute noch.

Auch aufgrund dieser Erfahrung wundert es nicht, dass Ihr Gesetzentwurf leider weitgehend an den Bedürfnissen der Region vorbeigeht.Sie wollen ein paar neue Etiketten aufkleben. Der Inhalt soll aber im Wesentlichen der Gleiche bleiben. Das ist einfach zu wenig.

Es ist deshalb zu wenig, weil die Metropolregion Frankfurt/Rhein-Main Teil des Netzwerks der europäischen Metropolregionen ist. Dort wird sie allerdings ganz anders definiert. Das kleine Gebiet, auf das sich Ihr Ballungsraumgesetz bezieht, ist im Konzert der europäischen Metropolregionen jedenfalls kein adäquater Mitspieler.

Ich habe Ihnen das extra einmal mitgebracht. Sie können sich hier gerne einmal anschauen, welche Vorstellung der Initiativkreis Europäische Metropolregionen in Deutschland von dem Ballungsraum Frankfurt/Rhein-Main hat und wie eingeschränkt der Blick Ihres Gesetzes darauf ist. Das betrifft nämlich nur den Kern.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Das ist die regionale Flächennutzungsplanung!)

Dürfen wir das auch einmal sehen?

(Kai Klose (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Selbstverständlich!)

Wir wollen sehen, was in diesem Zusammenhang gezeigt wird. Das ist sehr grün, alle Achtung. – Jetzt kannst du weitermachen.

Herr Kollege Müller und Herr Kollege Beuth, Sie sind in den Koalitionsfraktionen diejenigen, die für diesen etwas mutlosen Gesetzentwurf verantwortlich zeichnen. Sie leben beide in dem gleichen Landkreis wie ich und Herr Kollege Weiß, nämlich dem Rheingau-Taunus-Kreis.

Haben Sie sich eigentlich nicht einmal die Frage gestellt, warum beispielsweise unser Landkreis auch nach Ihrem neuen Gesetzentwurf nicht dazugehören soll? Jede Bewohnerin und jeder Bewohner unseres Heimatkreises – das wissen Sie genauso gut wie ich – sind ganz selbstverständlich der Meinung, zur Rhein-Main-Region zu gehören. Das gilt übrigens auch für die Mainzerinnen und Mainzer und die Aschaffenburgerinnen und Aschaffenburger, von der Wiesbadenerin und dem Darmstädter, die auch weiterhin nicht dazugehören sollen, ganz zu schweigen.

Haben Sie sich nicht einmal gefragt, warum der Präsident der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, der Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main und der Präsident der Handwerkskammer Rhein-Main seit Monaten nicht müde werden, bei einer Neuauflage des Ballungsraumgesetzes mehr Koordination, mehr Verbindlichkeit und eine stärkere Ausrichtung an den realen Verpflichtungen zu fordern? Meine Damen und Herren, es hätte sich sehr gelohnt, einen tieferen Blick in dieses Papier zu werfen.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Das hatte ich eben in der Hand!)

Herr Lortz, ich zeige Ihnen das natürlich auch wieder gerne.

(Heiterkeit)

Zeig es noch einmal.Das können wir von hier aus nicht sehen. Das wird schon stimmen.

Gerade die Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main – dafür will ich von hier aus auch insbesondere Herrn Präsidenten Dr. Müller ausdrücklich danken – hat in den letzten Monaten immer wieder starke Impulse gesetzt und spannende Kongresse auf die Beine gestellt, um das Thema Entwicklung der Region voranzutreiben.

(Beifall des Abg. Stefan Müller (Heidenrod) (FDP))

Meine Damen und Herren der CDU und der FDP, es hätte sich sehr gelohnt. Sie hätten diese Signale und Anstrengungen aus der Region nicht vollkommen ignorieren sollen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Thorsten Schä- fer-Gümbel und Marius Weiß (SPD))

Da Herr Müller und Herr Beuth dem schon keine Bedeutung beimessen, hätte ich doch zumindest von den Wirtschaftspolitikerinnen und -politikern in Ihren Reihen erwartet, dass sie den Vertretern der Wirtschaftsverbände des Landes und der Region, die jedenfalls nicht grundsätzlich verdächtig sind, mit uns zu sympathisieren, Gehör schenken. Gerade vorgestern haben diese Verbände noch

einmal etwas erklärt. Dazu darf ich aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zitieren:

Die Novelle werde den Herausforderungen eines zunehmenden Wettbewerbs der Metropolregionen nicht gerecht. Die Chancen, die sich für die wirtschaftliche Entwicklung der Region böten, würden nicht genutzt,...

Recht haben sie, so bedauerlich das auch ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wischen das mit Ihrem Gesetzentwurf einfach vom Tisch und werden so der Sache leider überhaupt nicht gerecht. In diesem von mir gezeigten Papier der Wirtschaftsverbände steht nämlich sehr viel Vernünftiges.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP):Vorschläge!)

Zum Beispiel gibt es die Idee, eine Dachorganisation zu schaffen, die die vielen nebeneinanderher operierenden Initiativen konzentrieren und so der Region mehr Schlagkraft verleihen soll. Das Stichwort dazu lautet: Holdingstruktur.

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Rechtlich völlig unproblematisch, oder?)

Zum Beispiel ist da die Idee genannt, den Ballungsraum nicht künstlich zu definieren, sondern ihn an den tatsächlichen funktionalen Verpflichtungen auszurichten. Zum Beispiel gibt es die Idee,die kommunalen Interessen sinnvoll zu bündeln und so die Durchsetzungskraft der Metropolregion insgesamt zu steigern. Das alles sind Vorschläge der Wirtschaft. Nichts davon findet sich in diesem Entwurf.

Ich füge hinzu: Nach grüner Auffassung gehört dazu auch ein direkt gewähltes Regionalparlament als Teil eines Regionalkreises. Es sollte nicht nur einen „closed shop“ wie den von Ihnen vorgesehenen Regionalvorstand geben, in dem die Bürgermeister und die Landräte eifersüchtig darüber wachen können, dass die Brosamen untereinander halbwegs proporzgerecht verteilt werden. Das wird die Region nicht voranbringen. Denn ohne Menschen, die sich zuallererst der Region als Ganzes verpflichtet fühlen, ist das Ganze zum Scheitern verurteilt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Entwurf bleibt hinter den Erwartungen zurück, und zwar nicht nur hinter unseren, sondern auch hinter denen der Region selbst. Vergleicht man ihn mit dem Referentenentwurf, der im März 2010 kursierte, erkennt man, dass Sie leider auch nichts wirklich Substanzielles bis auf eines geändert haben.Dieses eine hat Herr Müller wohlweislich verschwiegen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ hat das letzte Woche sehr treffend seziert. Ich darf auch hier noch einmal zitieren:

Die Gesetzesnovelle sieht... die Wahl von zwei hauptamtlichen Beigeordneten vor.Der zweite,neu geschaffene Posten soll an die FDP gehen, vorausgesetzt, nach der Kommunalwahl gelten die gleichen Mehrheiten...

(Stefan Müller (Heidenrod) (FDP): Herr Klose,das entscheiden die Wähler!)

Ich sehe einmal davon ab,dass diese Voraussetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eintreten wird.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn das Ihr Verständnis von Verantwortung für die Region sein sollte, dann wäre das einfach beschämend.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Klose, Sie müssen langsam zum Schluss Ihrer Rede kommen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist sehr bedauerlich!)

Herr Präsident, vielen Dank. Ich komme zum Schluss meiner Rede.

Ich will Sie bei dem Fortgang der Debatte um diesen Gesetzentwurf in den Ausschüssen eindringlich um etwas bitten. Hören Sie in die Region hinein. Haben Sie den Mut, auch Vorschläge anderer Akteure und der Opposition aufzunehmen. Lassen Sie uns diesen Gesetzentwurf auf dem weiteren Wege so verändern, dass er der Region nicht die Flügel, die sie gerade ausbreitet, stutzt, sondern ihr Auftrieb verleiht. Das ist des Schweißes der Edlen wert. Wir GRÜNEN sagen ausdrücklich, dass wir zu dieser Mitarbeit im Interesse der Region Frankfurt/RheinMain bereit sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg.Thorsten Schäfer-Gümbel und Marius Weiß (SPD))

Herr Kollege Klose, herzlichen Dank. – Das Wort erhält nun Herr Kollege Schaus für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ein Beispiel dafür, wie negativ sich diese automatische Befristung der Gesetze auf fünf Jahre auswirkt. Ich finde, das zeigt sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf ziemlich klar und eindeutig. Denn das hat dazu geführt, dass die Zeit bis zu dem fünften Jahr nicht genutzt wurde. Wenn das Gesetz dann wieder neu in Kraft gesetzt werden muss,wird da erst einmal stillgehalten.Es findet keine Debatte über die Weiterentwicklung der Region statt. Es kommt mir so vor, dass es dann sehr kurzfristig zu einer Gesetzesnovellierung gekommen ist, die eigentlich nur zwei Punkte beinhaltet.