Protocol of the Session on September 9, 2010

(Beifall bei der LINKEN)

Was wir wollen, ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als gleiche Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen, wie sie im Tarifbereich und in den meisten anderen Bundesländern üblich sind. So soll es auch in Hessen sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Schaus. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kollege Frömmrich das Wort.

(Holger Bellino (CDU): Es kann nur besser werden!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe es schon fast erwartet. Bei aller Kritik, die wir als Fraktion auch an der Art und Weise haben,wie dieser Gesetzentwurf eingebracht wurde, glaube ich doch, dass die Art und Weise, wie Sie über dieses wichtige Thema diskutieren, der Sache nicht angemessen ist, Herr Kollege Schaus.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Kollege Schaus, ich glaube, dass man über kurz oder lang nicht mit purem Populismus in einer solch wichtigen Frage, was das „Renteneintrittsalter“ für die Beamtinnen und Beamten und was die Frage von Versorgungslasten angeht, diskutieren kann. Es ist mittlerweile für mich un

erträglich, in welcher Art und Weise Sie hier nach der berühmten Wurstthekentheorie Politik machen:„Darf es ein bisschen mehr sein?“ – Sie beantworten am Ende die Frage nicht, wie das bezahlt werden soll, wie unser Staatswesen weiter funktionieren soll und vor allen Dingen wie Generationengerechtigkeit funktionieren kann, wie Sie das machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für meine Fraktion will ich kurz darstellen, dass ich die Art und Weise, wie der Gesetzentwurf ins Haus eingebracht worden ist, nicht für angemessen halte. Wir waren eigentlich auf einem guten Weg. Der ehemalige Ministerpräsident Koch hatte eine Mediatorengruppe eingerichtet. Diese Mediatorengruppe hat wirklich sehr gute Vorschläge gemacht, was die Frage der zukünftigen Gestaltung des Dienstrechts angeht. Darin waren wirklich moderne Ansätze. Dort war wirklich Zukunftsweisendes festgeschrieben.

Sie haben einen Teil dieser Mediatorenvorschläge herausgegriffen und bringen sie jetzt in ein Gesetzgebungsverfahren ein,das den Namen „modern“ nicht verdient.Es ist nur eine Umsetzung von finanziellen Dingen. So kann man Dienstrecht auch nicht zukunftsfähig machen, wie Sie es machen.

Übrigens ist es wirklich schade, weil uns die Vorlage des Mediatorenberichts die Möglichkeit gegeben hätte, einen breiten gesellschaftlichen Diskurs auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anzufangen, wie Dienstrecht in Zukunft aussehen könnte. Diese Chance haben Sie leider vertan.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will für meine Fraktion ausdrücklich feststellen, dass wir immer gesagt haben, dass die Beamten dem Tarifbereich folgen sollen. Ich finde, auch in diesem Bereich bleiben wir unseren alten Ansätzen treu. Wir glauben, dass man eine gesellschaftliche Debatte nicht aushalten wird, wenn man sagt: Im Bereich der Rente haben wir einen Eintritt der Altersversorgung von 67 Jahren, und für die Beamten vollziehen wir das nicht nach. – Ich glaube, diese gesellschaftliche Debatte hält man nicht auf. Es ist im Übrigen auch nicht gut für das Ansehen der Beamtinnen und Beamten im Lande.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,der CDU und der FDP)

Ich sage gleichzeitig auch:Wenn man der Theorie beitritt, die meine Fraktion verfolgt, und sagt, dass der Beamtenbereich dem Tarifbereich folgt, dann gilt das auch für die Wochenarbeitszeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die brutalstmöglichste Wochenarbeitszeit von 42 Stunden sollte beendet werden. Ich freue mich sehr, dass der neue Staatsminister Rhein vorgestern beim Beamtenbund angekündigt hat, dass er demnächst mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in einen konstruktiven Dialog eintreten will. Meine Fraktion begrüßt das ausdrücklich.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will einmal, um die Debatte vielleicht ein bisschen zu versachlichen, einfach den Versuch unternehmen, ein paar Zahlen ins Gespräch zu bringen. Bekanntlich ist es in der politischen

Debatte oft so, dass vertiefte Sachkenntnis die muntere Debatte verhindert. Aber ich glaube, in diesem Fall sollte man sich einige Zahlen vergegenwärtigen und am Ende sagen, wie man das, was klar auf dem Tisch liegt, nachher finanzieren will.

Wir haben 1999 Personalausgaben in der Größenordnung von 7 Milliarden c gehabt. Wir haben im Jahre 2010 Personalausgaben in der Größenordnung von 7,8 Milliarden c. Wir hatten 1999 Pensionslasten in der Größenordnung von 1,3 Milliarden c. Wir haben im Jahre 2010 Pensionslasten in der Größenordnung von 1,969 Milliarden c.Wir haben eine Personalkostenquote – je nachdem, wie man rechnet – zwischen 45 und 48 %.

Man kann doch nicht einfach so tun, als könne man das so weiterlaufen lassen, und die Rechnung bezahlen nachher unsere Kinder und nachfolgende Generationen. Das ist nicht verantwortungsvolle Politik.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Herr Schaus, die Zahlen können Sie sich auch vergegenwärtigen.Wenn Sie ins Informationssystem des Landtages schauen, werden Sie feststellen, dass es eine Fülle von Anfragen dazu gibt. Es gibt z. B. die Anfrage des Kollegen Milde aus der 16. Wahlperiode, wie sich Pensionslasten auf der Zeitschiene entwickeln. Für 2015 gibt es Schätzungen, die in eine Größenordnung von 2,4 bis 5,3 Milliarden c gehen. Das sind Zahlen, die man einfach einmal wirken lassen muss. Wir haben im Jahre 2010 63.000 Personen, die Pensionsempfänger sind. Wir werden im Jahre 2020 85.000 Pensionsempfängerinnen und -empfänger haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind Zahlen, die man einfach einmal zur Kenntnis nehmen muss. Da hilft auch der Schrei nach Vermögensteuer nicht; denn wenn Sie das alles mit der Vermögensteuer bezahlen wollen, dann müssten Sie eine Steuer auf die Steuer erfinden, damit Sie letztendlich genügend Geld zusammenbekommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Einen anderen Punkt muss man betrachten: Schauen Sie sich die Kosten der Beihilfe an. Die Beihilfekosten haben sich wie folgt entwickelt: 1993 hatten wir im Bereich der aktiven Beihilfekosten von 136 Millionen c; für Versorgungsempfänger haben wir 96 Millionen c ausgegeben. Wenn man sich die neuesten Zahlen vergegenwärtigt – ich habe neulich eine Anfrage gestellt –, sieht man, dass wir bereits 2003 für Versorgungsempfänger und Aktive 369 Millionen c aufgebracht haben. 2009 waren es schon 496 Millionen c. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zahlen muss man doch zur Kenntnis nehmen, wenn man über ein solch komplexes Thema diskutiert.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man muss auch den demografischen Wandel zur Kenntnis nehmen. Man muss sehen, dass die Menschen heute Gott sei Dank älter werden. Wir haben eine Lebenserwartung, die heute wesentlich höher ist als vor 30 Jahren. Ich habe hier einen Artikel aus „RP online“. Ich darf zitieren:

Die Anzahl der Hundertjährigen wird sich in Deutschland innerhalb von 50 Jahren verzwanzigfachen. Nach den Berechnungen von Forschern der Universität Köln auf der Basis der Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes beträgt die durch

schnittliche Lebenserwartung der 2010 geborenen Mädchen 92,7 Jahre, das Leben der Jungen wird entsprechend voraussichtlich 87,6 Jahre währen.

Das freut mich zwar für meine Tochter, die in diesem Jahr geboren ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber ich möchte ihr nicht gleichzeitig Versorgungslasten und Lasten der Haushalte hinterlassen, die diese Generation nicht mehr schultern kann. Daher müssen wir unsere Probleme heute lösen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man sich diese Zahlen vergegenwärtigt, muss man auch sehen, dass immer mehr Menschen in den Ruhestand gehen und Gott sei Dank immer länger von ihrer Ruhestandszeit profitieren. Ich gehe beispielhaft auf die Bezugsdauer der Altersrente ein: 1995 waren es 15,8 Jahre.2007 waren es bereits 17,4 Jahre.Frauen haben 1995 im Schnitt 18,2 Jahre Rente bezogen. 2007 bezogen sie schon 19,9 Jahre eine Rente.

Meine Damen und Herren von der Linkspartei, deswegen sage ich noch einmal ganz deutlich: Ich bin dafür, darüber zu diskutieren, wie wir die Zukunft des Dienstrechts gestalten. Ich bin dafür, dass wir es zukunftsfähig machen und dass der Landesdienst auch weiterhin für junge Menschen attraktiv ist.Wir müssen aber sicherstellen, dass die Menschen dieses System auch finanzieren können. Es ist nämlich so, dass immer weniger junge Menschen die Lasten von immer mehr Versorgungsempfängern tragen müssen. Daher muss man für dieses Problem eine Lösung finden, aber das gelingt nicht mit billigem Populismus.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Willi van Ooyen: Früher sterben!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, daher möchte ich noch einmal ganz deutlich sagen: Ich kritisiere ausdrücklich die Art und Weise, wie über dieses Thema diskutiert worden ist.Ich kritisiere ausdrücklich auch die Koalitionsfraktionen, die hier versäumt haben, einen breiten gesellschaftlichen Diskurs in dieser Frage zu organisieren. Ich sage aber gleichzeitig, dass man diese wichtige Frage nicht in einer solchen Art und Weise diskutieren kann,wie es heute von der Linkspartei versucht worden ist. Ich denke,dass man Zahlen und Fakten zur Kenntnis nehmen muss und dass man in einer solchen Debatte auch Antworten auf die Zukunftsfragen geben muss. Es darf aber nicht sein, dass in diesem Hause purer Populismus betrieben wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schönen Dank, Herr Kollege Frömmrich. – Für die CDUFraktion hat jetzt Herr Bellino das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird Sie nicht überraschen: Wir werden dem Antrag der LINKEN nicht zustimmen können. Denn erstens – das ist ein rein redaktioneller Hinweis – handelt es sich nicht um eine Dienstunrechtsreform – da müssen Sie Ihren Stehsatz ändern –, sondern um eine Dienstrechtsreform. Zum Zweiten – und das ist zugegebenermaßen natürlich noch wichtiger – ist er inhaltlich nicht nur falsch, sondern auch nicht von dieser Welt und nicht von dieser

Generation; darauf hat bereits mein Vorredner hingewiesen.

(Beifall bei der CDU – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Guter Mann!)

Ich darf darauf hinweisen, dass sich die Landesregierung sehr wohl bereits sehr frühzeitig mit der Reformierung des Beamtenrechts auseinandergesetzt und – darauf komme ich noch zu sprechen – einen breiten gesellschaftlichen Diskurs gefahren hat. Sie hat die verschiedenen Gruppen berücksichtigt, und zwar so, wie es im Sinne der Föderalismusreform war und ist.

Wir waren uns sicher – und auch die Landesregierung war sich sicher –, dass man gerade ein solch wichtiges Thema nicht übers Knie brechen kann und dass man nicht völlig abgehoben am grünen Tisch etwas planen, entscheiden und durchdrücken darf.Vielmehr waren wir der Meinung, dass wir mit den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in einen Dialog eintreten mussten, um gemeinsam ein wohlüberlegtes Gesamtwerk zu schaffen, welches die Anforderungen der Gesellschaft, aber auch die Anforderungen einer sich verändernden Zeit – auf den demografischen Wandel, von dem wir zwar alle sprechen, aber aus dem anscheinend nicht alle die richtigen Schlüsse ziehen, wurde schon hingewiesen – berücksichtigt. Darüber hinaus geht es um die Anforderungen der Betroffenen.Wenn es nötig ist, muss man sich Zeit nehmen, um einen Ausgleich zwischen diesen teilweise divergierenden Anforderungen herzustellen.

Ich sagte – das sage ich auch in Richtung des Kollegen Frömmrich –, dass wir früh in den Dialog mit Fachleuten getreten sind. In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass hier in Wiesbaden im Mai 2007 ein Dienstrechtskongress stattgefunden hat, auf dem sich nicht nur Politiker ausgetauscht haben, sondern an dem viele Fachleute aus den Kommunen, aus den Spitzenverbänden, aus den Personalräten und aus den Gewerkschaften teilgenommen haben. Dass sich der DGB damals wegen der Tarifverhandlungen und der dort gefundenen Kompromisse in die Schmollecke zurückgezogen und nicht teilgenommen hat,hatten weder die Regierung noch die sie tragenden Fraktionen zu verantworten.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Was? Doch, doch, doch! Ihr habt doch nur mit dem dbb verhandelt!)

Dass die nicht gekommen sind, hatte der DGB zu verantworten, und das hatte er auch seinen Mitgliedern gegenüber zu vertreten. Es haben allerdings andere Gewerkschaften und Personalräte an dem Kongress teilgenommen. Sie haben gemeinsam ein Eckpunktepapier erarbeitet, auf das zurückgegriffen werden musste. Das ist konstruktive Mitarbeit. Aber das, was der DGB gemacht hat, ist ein Zurückziehen in die Schmollecke, und dann darf man sich auch nicht anschließend beschweren.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich vom Dialog mit dem Fachleuten spreche, darf ich auch darauf hinweisen, dass der damalige Ministerpräsident schon sehr früh eine Mediatorengruppe gebildet hat und dass diese Mediatorengruppe sehr bewusst parteiübergreifend zusammengesetzt war. Sie hat zwölfmal getagt und abseits der Tagespolitik – allerdings orientiert an den demografischen Herausforderungen – die richtigen Schlussfolgerungen wortwörtlich erarbeitet. Deshalb danken wir auch parteiübergreifend dem OB Dette,FDP,den früheren Ministern von Plottnitz,BÜND