Protocol of the Session on June 24, 2010

Die Kernenergie ist eine Brückentechnologie. Wenn es uns einmal gelingt, Energien wie Sonne und Wind, die kostenlos verfügbar sind, einzufangen, zu speichern und dafür zu sorgen, dass die gewonnene Energie regelmäßig verfügbar ist, dann kann sich der Energiemix auch bei uns ändern.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, die großen deutschen Energieversorger, die Inhaber der Kernkraftanlagen, haben im Jahr 2000 den Ausstiegsvertrag mit der Bundesregierung gemeinsam unterschrieben. Heute wird über eine Verlängerung gesprochen, und es wird hoffentlich auch bald verhandelt. Dann ist es Zeit, auch darüber zu sprechen, wie wir als Staat uns die zusätzlichen Gewinne hereinholen, damit wir unsere regenerativen Energien besser ausbauen können, aber vielleicht auch zur Dämpfung der Energiekosten.

Wir gehen in Deutschland,und das sollten wir uns alle einmal hinter die Ohren schreiben, trotz der Verlängerung der Laufzeiten des Atomvertrages einen Sonderweg, der Ausstieg aus der Kernenergie heißt. Niemand auf der Welt macht das.Andere Länder bauen neue Anlagen.Andere Länder bauen dazu. Andere Länder setzen auf die Kernenergie. Dagegen nutzen auch 12.000 Luftballons von 600 Demonstranten in Biblis nichts.

(Willi van Ooyen (DIE LINKE): Es kommt doch auf den Zweck an!)

Es ist von Herrn Gremmels angesprochen worden, dass heute gegen den Ausstiegsvertrag permanent verstoßen würde. Ich stelle fest, niemand hat bisher gegen den Ausstiegsvertrag verstoßen – die Energieversorger nicht,auch die Regierung nicht, niemand. Alle halten sich an diesen Vertrag.

(Beifall des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Wenn er neu verhandelt ist, wird es auch einen entsprechenden neuen Vertrag geben. Das, was jetzt gewollt ist, eine Übertragung der Restlaufzeiten von Stade nach Biblis, ist gemäß dem bestehenden Gesetz zulässig.Wenn es nicht so wäre, würde jemand klagen. Rot-Grün hat das Gesetz beschlossen. Rot-Grün hat es hineingeschrieben. Wenn nun ein Unternehmen das ausführt, was in dem Vertrag steht, dann ist das kein Gesetzesverstoß, sondern die Ausführung eines vom Gesetz vorgesehenen Übertragungsmodus.Da ist bei der SPD sicherlich der Wunsch Vater des Gedankens, dass dem nicht so sei. Es ist aber so.

Abschließend. Wenn die Laufzeitverlängerung stattfindet, dann muss unseres Erachtens auch an der weiteren

Verbesserung der Sicherheit gearbeitet werden. Das ist unstrittig.

Zweitens.Wir von der CDU stehen für eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke.

Drittens. Der Ausbau der regenerativen Energien wird nicht blockiert, wenn Kernanlagen weiterlaufen. Wir wissen alle, dass der Strom aus diesen regenerativen Energiequellen Vorrang in der Einspeisung hat.

(Zuruf des Abg. Manfred Görig (SPD))

Das heißt, erst wird der regenerative Strom verbraucht und anschließend der Strom aus anderen Kraftwerken und den Kernkraftwerken. Lieber Kollege, möglicherweise wird das eine oder andere Kohlekraftwerk nicht mehr laufen, wenn die Kernkraft weiter betrieben wird. Damit machen wir einen wesentlichen Schritt zur CO2Vermeidung, denn die Kernenergie ist CO2-frei. Das wäre doch ganz gut. Im Übrigen und abschließend:Wir werden die Anträge ablehnen.

Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort hat Frau Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antritt der schwarz-gelben Bundesregierung hat der Atomlobby großen Aufwind gegeben. Große Hoffnungen wurden an diesen Regierungswechsel geknüpft. Herr Stephan, immer wenn ich Sie höre, wie Sie im Landtag sprechen und die Argumente der Atomwirtschaft vortragen, dann sehe ich, wie gerechtfertigt offensichtlich diese großen Hoffnungen in Schwarz-Gelb sind. Sie tun wirklich Ihr Bestes. Sie tragen immer wieder diese Argumente vor, Herr Stephan: Die Atomenergie ist sicher, und die Erde ist eine Scheibe.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Hans- Jürgen Irmer (CDU))

Meine Damen und Herren, die Aktien der großen Energiekonzerne waren nach der Bundestagswahl die großen Gewinner an der Börse. Dort interessiert man sich nämlich nicht für ein Leck in Krümmel oder für Sumpfsiebe in Biblis.

(Zuruf des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU))

Die Kosten für die Folgen tragen nicht die Konzerne, die sie verursachen, sondern die Kosten trägt die Allgemeinheit. Analysten haben überschlagen, dass eine Laufzeitverlängerung von acht Jahren für E.ON ungefähr 12 Milliarden c zusätzlich einbringen, für RWE 8 Milliarden c.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): In Venezuela wird es auch ein Kernkraftwerk geben – sagen Sie etwas dazu!)

In Erwartung dieser Zusatzgewinne hoffen die Konzerne auf Schwarz-Gelb. Die tun wirklich alles.Wenn man keine Mehrheit in der Gesellschaft, wenn man keine Mehrheit im Bundesrat hat, dann versucht man zu tricksen und zu überlegen, wie man diese Mehrheit umgeht, anstatt vielleicht seine eigene Position zu hinterfragen.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Dann kommen Sie einmal an!)

Niemand außer Ihnen legt sich derart für eine Technik ins Zeug, die eine Mehrheit der Bevölkerung ablehnt, die gefährlich und teuer ist und die hochgiftige Abfälle für kommende Generationen bringt. Jahrtausendelang werden sich kommende Generationen überlegen müssen, wie sie den atomaren Müll am besten und sichersten aufbewahren.

Meine Damen und Herren, wenn dann noch das Gerede von der teuren Solarenergie kommt und darüber diskutiert wird, man müsse Förderung für erneuerbare Energien absenken, weil die angeblich die Energiepreise in die Höhe treiben und Kosten verursachen würden,

(Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

dann will ich, Herr Stephan, nur immer wieder auf die Räumung von Asse hinweisen. Die Räumung von Asse kostet 3,7 Milliarden c. Und das zahlen nicht die, die es verursacht haben, das zahlen die Steuerzahler. Das halte ich, gelinde gesagt, für eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren,die Menschen lassen sich auch nicht von Ihrem Versprechen der sogenannten Brennelementesteuer beruhigen. Die geplanten Einnahmen von 2,3 Milliarden c sind ohnehin schon in so vielen Ressorts verplant,dass sie am Ende nirgendwo ankommen werden. 2,3 Milliarden c, das klingt viel. Aber Frau Ministerin Lautenschläger hat vor einem Jahr von einem Fonds gesprochen, bei dem es immerhin noch um 20 Milliarden c ging. Die Energiekonzerne sollten in diesen Fonds für die Verlängerung der Laufzeiten einzahlen. Wir sehen, wir sind schon von 20 Milliarden c auf 2,3 Milliarden c gekommen, und wenn die Atomkonzerne weiter so Druck machen, dann sind wir ganz schnell bei noch weniger und am Ende bei gar nichts für die Laufzeitverlängerung.

Die Energiekonzerne sitzen auf Rücklagen von 28 Milliarden c, die von der Steuer befreit sind. An jedem abgeschriebenen Atommeiler verdienen die Atomkonzerne 1 Million c pro Tag. Deswegen haben sie auch ein besonderes Interesse daran, die besonders alten und unsicheren Atomkraftwerke länger am Netz zu halten.

Meine Damen und Herren, es macht den Atomkonsens aber endgültig zur Farce, wenn jetzt auch noch Laufzeiten von jüngeren Atomkraftwerken auf die älteren übertragen werden, damit die länger am Netz bleiben.

Ich sage Ihnen:Jeder Tag,an dem Biblis am Netz ist,ist ein schlechter Tag. Es ist ein Skandal, dass dieser Schrottreaktor immer noch eine Betriebsgenehmigung hat.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt wird über die Brennelementesteuer geredet – und schon gibt es einen Aufschrei bei den Energiekonzernen. In der „Wirtschaftswoche“ habe ich ein Interview mit einem RWE-Manager gelesen. Der stellte schockiert fest,

dann lohne sich die Laufzeitverlängerung ja gar nicht mehr.

Das zeigt einmal mehr, wie viel Verlass auf das Wort der Atomkonzerne ist. Vor der Wahl hat RWE erklärt, man werde dem Staat natürlich etwas von den Extraprofiten abgeben, die man mit den Laufzeitverlängerungen machen würde. Aber was machen sie jetzt? Jetzt wollen sie gegen eine mögliche Brennelementesteuer klagen.

Meine Damen und Herren,mit den Atomkonzernen kann man keine Verabredungen treffen. Sie halten sich schlicht und ergreifend nicht daran.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Peter Stephan (CDU))

Herr Stephan, die Atomenergie ist eben keine Brücke zu den erneuerbaren Energien und zu einer Energiewende, wie Sie das immer wieder zu erklären versuchen. Die Atomenergie verhindert den Ausbau der erneuerbaren Energien und beschleunigt ihn nicht. Deshalb verhindern Sie den Ausbau erneuerbarer Energien, wenn Sie an der Atomkraft festhalten.

(Peter Seyffardt (CDU): Lächerlich!)

Meine Damen und Herren, die Brennelementesteuer ist eine Farce. Schwarz-Gelb versucht mit diesen Summen, eine Mehrheit im Land zu beruhigen und abzulenken. Es gibt ganz andere Summen,mit denen man diese Konzerne einmal belasten könnte, z. B. mit den Kosten dessen, was sie selbst angerichtet haben.

Meine Damen und Herren, durch die Brennelementesteuer würden Atomkraftwerke nicht sicherer.Atomkraft bleibt eine Risikotechnologie. Deswegen müssen die Atomkraftwerke vom Netz – besser heute als morgen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Wissler.

Mein Hinweis auf die Verlängerung galt dem Spiel Italien gegen die Slowakei.Die Italiener liegen 3 : 2 hinten.Trotzdem haben Sie darauf sehr gut reagiert.Vielen Dank.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Das heißt, die Italiener sind ausgeschieden!)

Ja, wenn sie jetzt verloren haben, scheiden sie aus, und die Holländer kommen weiter. Es ist ja auch egal, wer weiterkommt; Hauptsache, wir kommen weiter.

Das Wort hat Frau Kollegin Hammann. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wichtig, dass wir das Thema Atom immer wieder auf die Tagesordnung des Hessischen Landtags setzen. Denn wir müssen erkennen, dass in den Reihen von CDU und FDP immer noch das Wort vom Energiemix gebraucht wird – d. h. Atomenergie plus erneuerbare Energien plus Kohle. Das ist noch immer der falsche Weg, das ist der falsche Zungenschlag. Deswegen ist es notwendig, dass wir Sie immer wieder mit Fakten konfrontieren. Meine Damen und Herren, das will ich auch heute tun.