Protocol of the Session on June 23, 2010

Herr Kollege Rock, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen. Ihre Redezeit ist um.

Ich versuche, das ein bisschen abzukürzen. – Ich möchte nur noch sagen:Sie haben Baden-Württemberg angesprochen. Das Beispiel Baden-Württemberg zeigt deutlich, dass der Eingriff in den Bestand dazu geführt hat, dass nach Inkrafttreten des Gesetzes erst einmal weniger Investitionen getätigt wurden.Wir müssen uns über eines im Klaren sein: Wir brauchen keine Symbolpolitik, sondern wir brauchen eine effiziente Politik. Das beste Instrument für eine Effizienzsteigerung ist immer der Markt.

(Timon Gremmels (SPD): Sie machen überhaupt keine Politik!)

Schreiben Sie sich das in Ihr Buch, dann wissen Sie, wie das wichtige Argument lautet, auf das Sie nicht verzichten dürfen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Wissler von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hessen ist beim Anteil an erneuerbaren Energien Schlusslicht unter den Bundesländern. In jeder Debatte um die Energiepolitik hier im Landtag muss man das sagen, um klarzumachen, vor welchem Hintergrund wir hier diskutieren.

Der Herr Ministerpräsident hatte angekündigt, Hessen zum Musterland für erneuerbare Energien zu machen. In Wahrheit ist es seine Regierung, die den Umstieg auf erneuerbare Energien verschleppt und blockiert hat, wo immer es ging – mit unsäglichen Kampagnen gegen „Windkaftmonster“ oder gegen die „Verspargelung der Landschaft“.

Herr Rock und Herr Stephan, damit haben Sie Kampagnen durchgeführt und ganz bewusst Stimmungen geschürt, auf die Sie sich jetzt beziehen. Das, was Sie hier machen, ist alles andere als ehrlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit der Ära Koch endet auch die kurze Ära Lautenschläger im Umweltministerium; denn die Frau Ministerin hat erklärt, dass Roland Koch ihr politisches Vorbild sei und dass sie ohne ihn nicht weitermachen wolle. Das muss man respektieren; jeder hat seine Vorbilder.

Frau Ministerin, Sie hatten eineinhalb Jahre Zeit, um ein Konzept für eine Energiewende vorzulegen.Aber aus Ihrem Ministerium kamen keine Initiativen, keine Gesetzentwürfe und keinerlei Vorstöße. Im Gegenteil, wann immer sich die Gelegenheit dazu geboten hat, haben Sie sich als Verbündete der Atom- und Kohlelobby profiliert.Man muss es so deutlich sagen: Mit Ihrem Rücktritt verlieren RWE und E.ON wirklich eine ihrer tüchtigsten Außendienstmitarbeiterinnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Landesregierung hat als Ziel festgelegt, dass bis zum Jahr 2020 20 % der in Hessen verbrauchten Energie aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Das ist kein ehrgeiziges, kein ambitioniertes Ziel. Es bleibt weit hinter dem zurück, was nötig und dringend geboten wäre, zumal der gesamte Verkehr bei diesem Anteil von 20 % – „Planungen der Regierung“ ist vielleicht ein bisschen zu viel gesagt, Planungen gibt es schließlich kaum – überhaupt nicht berücksichtigt wird.

Dann haben Sie eine Nachhaltigkeitskonferenz ins Leben gerufen. Ja, Herr Stephan, Sie haben eine Nachhaltigkeitskonferenz ins Leben gerufen, die eine reine Showveranstaltung der Landesregierung ist, ohne dass damit irgendwelche Verbindlichkeiten verknüpft wären. Sie produzieren im Rahmen der Nachhaltigkeitskonferenz vor allem aufwendig gestaltete Homepages und das, was wir in der Klimapolitik am wenigsten brauchen, nämlich viel heiße Luft. Sie verbrauchen damit auch noch die Zeit von Menschen, die wirklich engagiert sind und wirklich gute Ideen haben.

(Zuruf der Ministerin Silke Lautenschläger)

Das stimmt gar nicht,Frau Ministerin.Ich war beim letzten Mal anwesend und habe mir das alles angeschaut und angehört, um mir selbst ein Bild davon machen zu können. Das Bild, das ich mir davon gemacht habe, habe ich Ihnen gerade beschrieben.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Ministerin Silke Lautenschläger)

Meine Damen und Herren, aus ökologischen und ökonomischen Gründen steht eine radikale Wende in der Energiepolitik an. Durch Ihre Untätigkeit verschärfen Sie nur den Bruch, der im Interesse der nachkommenden Generationen irgendwann vollzogen werden muss. Sie schreiben sich immer die Generationengerechtigkeit auf die Fahne. Generationengerechtigkeit bedeutet, den Umstieg auf erneuerbare Energien heute einzuleiten und zu beschleunigen, anstatt ihn den nachfolgenden Generationen aufzubürden.

Wir alle wissen, dass die fossilen Brennstoffe endlich sind. Deswegen gibt es überhaupt keine Alternative zu einem Umstieg auf Energie aus Wasser,aus Wind und aus Sonne. Es gibt keine Alternative dazu. Die Frage ist nur: Wann

machen wir das, und wie groß ist der Schaden, den wir bis dahin noch anrichten?

Natürlich müssen wir auch über die Verkehrspolitik reden; denn wir brauchen dort eine Wende. Die Landesregierung privilegiert den Flug- und den Straßenverkehr, statt Konzepte zur Verkehrsvermeidung vorzulegen und statt den öffentlichen Personennahverkehr sowie den Güterschienenverkehr zu stärken. Sie verschandeln damit die Landschaft mehr, als es Windräder je könnten.

(Beifall bei der LINKEN)

Neben dem Verkehr ist der Energieverbrauch von Gebäuden einer der wichtigsten Faktoren. Die Gebäudeisolierung, das Aufstellen von Solardächern oder das Installieren moderner Heizanlagen sind schnell zu realisierende und effektive Mittel zur Gewährleistung des Klimaschutzes, die sich rasch amortisieren.

Mit der Novellierung der Bauordnung wollen Sie den Kommunen diese Möglichkeit nehmen, statt das zu fördern. So etwas wie die Marburger Solarsatzung ist dringend notwendig. Sie hätten diese Initiative begrüßen sollen, statt dafür zu sorgen, dass das in Zukunft unmöglich ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Land sollte selbstverständlich bei den eigenen Liegenschaften vorangehen. Aber es sollte auch Richtlinien für die öffentliche Beschaffung setzen. Es gibt in vielen Bundesländern Vergabegesetze, die sich an sozialen und ökologischen Kriterien orientieren. In Hessen haben wir das nicht. Ich weiß nicht, warum wir Unternehmen, die soziale Standards und Umweltstandards missachten und mehr CO2 in die Luft pusten, als es unbedingt nötig wäre, auch noch mit öffentlichen Aufträgen belohnen sollen. Deshalb finde ich, dass die Arbeit an einem Vergabegesetz eine ganz dringende Aufgabe ist, auch vor dem Hintergrund des Umstiegs auf erneuerbare Energien und des Klimaschutzes.

(Beifall bei der LINKEN)

Die öffentliche Hand ist der größte Abnehmer von Waren und Dienstleistungen. Sie könnten deutliche Marktsignale setzen und so zur Etablierung von Produktketten beitragen, die Klima und Umwelt, aber eben auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlasten.

Was die Umstellung des Landesfuhrparks betrifft:Wir haben im Hessischen Landtag schon mehrmals beantragt, den Landesfuhrpark auf schadstoffarme Autos umzustellen. Das ist, ganz nebenbei gesagt, auch billiger; denn die verbrauchen weniger Sprit. Es gibt einfach keinen Grund, warum Sie diese EU-Richtlinie nicht umsetzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Erstellung von Katastern, in denen Daten zu den Möglichkeiten erneuerbarer Energien in Hessen zusammengestellt werden, ist eigentlich nur zu sagen: Dass es so etwas noch nicht gibt, zeigt eindrücklich, wie ernst es der Landesregierung mit der Förderung erneuerbarer Energien wirklich ist. Sie gefallen sich darin, alle ehrgeizigeren Ziele im Zusammenhang mit der Energiewende als illusorisch, unrealistisch und ideologisch abzutun. Aber Sie haben bis heute noch nicht einmal einen Überblick darüber vorgelegt, was in Hessen tatsächlich möglich wäre.

Sie legen Werte für die Windenergie fest. Aber Sie interessieren sich überhaupt nicht dafür, wo Windräder aufzu

stellen sind, damit sie am effektivsten genutzt werden können. Sie schätzen den Beitrag, den die Wasserkraft zur Stromversorgung leisten könnte; aber Sie untersuchen nicht genau, welche Flüsse und Seen sich mithilfe moderner Technik als Standorte für kleine, dezentrale Wasserkraftwerke eignen würden.

Meine Damen und Herren, wir haben es immer gesagt: Eine Umstellung auf erneuerbare Energien bedeutet auch eine zunehmende Dezentralisierung der Energieerzeugung. Das heißt, dass man nicht primär auf Großkraftwerke setzt, die nur immer dazu führen, dass die großen Energiekonzerne ihre Gewinne machen, sondern dass man eine dezentrale Energieversorgung organisiert. Der Vorteil der erneuerbaren Energien ist gerade, dass sie fast überall zu gewinnen sind und dass wir uns damit auch lange Transportwege schenken können, auf denen immer viel Energie verloren geht.

Wir werden den Gesetzentwürfen zustimmen – heute noch nicht, aber beim nächsten Mal. Wir bedauern sehr, dass die Landesregierung derart beratungs- und auch erfahrungsresistent ist, dass sie sich lieber auf irgendwelche Stimmungen in der Bevölkerung beruft, die es nach Umfragen in dieser Form gar nicht gibt. Es gibt Umfragen, wonach eine Mehrheit der Leute erklärt, dass sie, wenn dadurch beispielsweise die Energiepreise sinken würden, sehr wohl bereit wären,Windräder in ihrer Nachbarschaft zu akzeptieren. Besonders hoch ist der Prozentsatz bei den Leuten, die schon praktische Erfahrungen damit haben.

Lassen Sie uns von daher keine Kampagnen gegen erneuerbare Energien starten, die am Ende nur den Energiemonopolisten nutzen. Lassen Sie uns stattdessen endlich den Umstieg auf die erneuerbaren Energien einleiten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Der nächste Redner ist Herr Kollege Görig für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine sichere, umweltfreundliche und günstige Energieversorgung aus erneuerbaren Energien ist möglich. Eine Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien in Hessen ist ebenfalls möglich. Herr Kollege Stephan, auch das Erreichen des wenig ambitionierten Ziels eines Anteils von 20 % ist möglich. Dazu sind aber Ansporn, Motivation, Überzeugung und Entschlossenheit notwendig. Herr Kollege Stephan, bei der Landesregierung und bei den Fraktionen der CDU und der FDP ist nichts davon zu erkennen.

(Beifall bei der SPD)

Das Gegenteil ist der Fall: Mutlosigkeit, Verwirrung im Zusammenhang mit der Windenergie und lustlose Regierungserklärungen. Das vorläufige Ende ist der Rücktritt der Ministerin, die hierfür zuständig ist.

Mich erstaunt auch, dass Sie eine unheimliche Ignoranz gegenüber den Experten entwickeln,die Sie selbst um Rat gebeten haben. Die Energiepolitik, die der Schwerpunkt Ihrer Regierungszeit werden sollte – Stichwort: Musterland –, ist bisher gnadenlos gescheitert.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Rentsch sagte, Sie hätten ein unglaublich hohes Reformtempo an den Tag gelegt. Aber das Reformtempo hier nähert sich dem Stillstand.

Wir haben die bizarre Situation, dass sich die Oppositionsfraktionen im Hessischen Landtag mit den Vorschlägen Ihrer Experten abgeben und auf dieser Grundlage Gesetzentwürfe entwickeln, während die Mitglieder der Fraktionen der CDU und der FDP ihre Hände in den Schoß legen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns: Sie ignorieren das, was Ihre Experten für Sie erarbeitet haben. Sie führen Ihr eigenes Energiekonzept – Ihr Energie-Forum – ad absurdum.Wie wir bei den Diskussionen, die wir hier schon x-fach geführt haben, bemerkt haben: Sie wollen die Vorschläge, die Sie erhalten haben, nicht wirklich umsetzen.

Ich trage Ihnen noch einmal vor, was darin steht. Ihr eigenes Konzept hat in der Zusammenfassung folgende Handlungsempfehlungen gegeben. Herr Kollege Stephan, ich bitte, zuzuhören.

Es geht darum, bürokratische Hemmnisse abzubauen. Sie sollen nicht auf-,sondern abgebaut werden.Ich lese Ihnen vor, was da steht: Beseitigung rechtlicher Hemmnisse in den haushaltsrechtlichen Vorschriften der Kommunen, Anwendung des Genehmigungsrechts für Biomasseanlagen, Änderung der Landesplanung, Änderung der Bauordnung, Überarbeitung des Landesentwicklungsplans, Steigerung der Energieeffizienz, unzureichende Anreize der Gebäudesanierung durch Änderung der Geschäftsanweisung Bau in der Landesverwaltung beseitigen.

Ich habe mir Ihre Äußerungen angehört, die Sie heute wieder zu den Gesetzentwürfen der GRÜNEN gemacht haben. Das ist genau das, was Sie zu unseren Gesetzentwürfen gesagt haben. Sie wollen wirklich keines dieser rechtlichen Hemmnisse beseitigen. Alles soll nach Ihrer Meinung so bleiben, wie es ist.