Protocol of the Session on June 23, 2010

(Die Abgeordneten von CDU und FDP erheben sich von ihren Plätzen und klatschen lang anhaltend Beifall.)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Abg.Wissler das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich störe ungern die Versöhnung zum Abschied.

(Dr. Christean Wagner (Lahntal) (CDU): Das tun Sie aber gerade!)

Aber in Ihrer Regierungszeit war Ihr Motto ja auch eher Spalten statt Versöhnen.

Meine Damen und Herren, Sie müssen sich gar nicht aufregen. Ohne die Opposition hätte es diese Debatte gar nicht gegeben.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Der Ministerpräsident hatte offensichtlich kein inneres Bedürfnis, sich vom Parlament zu verabschieden.

Herr Ministerpräsident, bei allem Respekt: Ihre selbstgefällige Bilanz kann hier einfach nicht so stehenbleiben.

Sie haben versprochen, Hessen würde das Bildungsland Nummer eins. Wir stehen jetzt vor einem Bildungsfiasko. Sie haben nichts zum Hochschulpakt gesagt. Sie haben nichts zum G-8-Debakel gesagt. Sie haben nichts dazu gesagt, dass Hessen bei den prozentualen Ausgaben für Bildung am Bruttoinlandsprodukt Schlusslicht ist. Zu alldem haben Sie nichts gesagt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Ministerpräsident, ich komme zur Energiepolitik. Hessen sollte zum Musterland für die Nutzung erneuerbarer Energien werden. Sie haben nichts dazu gesagt – –

Frau Wissler, einen Augenblick bitte. – Meine Damen und Herren, wir befinden uns in einer ganz normalen Debatte. Ich bitte Sie, sich hinzusetzen und zuzuhören oder nach draußen zu gehen und zu schwätzen.

Herr Präsident, vielen Dank. – Bei der Energiepolitik haben Sie eine reine Klientelpolitik für die Energiekonzerne betrieben. Sie haben gemeinsam mit RWE gegen den Atomausstieg demonstriert. Dazu haben Sie nichts gesagt. Das ist nicht Teil einer guten Bilanz, sondern das ist Teil einer fatalen Bilanz für Hessen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben den brutalstmöglichen Sozialabbau mit der „Operation düstere Zukunft“ vorangetrieben. Es wäre das Mindeste gewesen, dass Sie heute einmal etwas dazu gesagt hätten, dass es ein Fehler war, bei der Schuldnerberatung und den Frauenhäusern zu kürzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gab den Wortbruch beim Nachtflugverbot. Es gibt immerhin zwei Untersuchungsausschüsse in diesem Haus, dafür tragen Sie als Chef dieser Regierung Verantwortung.Auch dazu haben Sie nichts gesagt.

Herr Ministerpräsident, als Letztes will ich sagen, dass ich der Meinung bin, dass in Ihrer Abschiedsrede eine Entschuldigung bei allen Migrantinnen und Migranten dieses Landes für die zwei rassistischen Wahlkämpfe, die Sie geführt haben, wirklich mehr als angebracht gewesen wäre.

(Beifall bei der LINKEN)

„Koch muss weg“, war eine der häufigsten Parolen auf hessischen Demonstrationen gegen Bildungs – –

Meine Damen und Herren, Herr Vizepräsident, führen Sie die Verhandlungen bitte außerhalb des Plenarsaals. Danke schön.

„Koch muss weg“, war eine der häufigsten Parolen auf hessischen Demonstrationen gegen Studiengebühren, gegen den Sozialabbau und gegen den Flughafenausbau. Wir als LINKE können diesen Rücktritt deshalb nur begrüßen, auch wenn er zehn Jahre zu spät kommt.

Die schwarzen Kassen haben Sie ausgesessen. Sie versuchen jetzt, sich als Opfer Ihrer Partei darzustellen. Sie haben diesen Skandal zu verantworten. Dass Sie damals nicht die Konsequenzen gezogen haben,ist heute noch ein Skandal.

Herr Ministerpräsident, ich habe in der „Wirtschaftswoche“ Ihr Stellengesuch gelesen.Da ist groß und breit zu lesen: „Ich suche“. Sie haben jetzt vor, Ihre wirtschaftsfreundliche Politik direkt in der Wirtschaft fortzusetzen.

(Zuruf des Abg. Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ja, wir, auch Mitglieder der LINKEN, lesen die „Wirtschaftswoche“. Denn wir müssen wissen, was SchwarzGelb in den nächsten Wochen und Monaten so machen will. Deswegen lesen wir sie natürlich.

Ich finde, was Sie da sagen, ist zum Teil sehr aufschlussreich. Es gilt zum einen hinsichtlich Ihres Demokratieverständnisses, aber auch hinsichtlich Ihrer Motivation für den Rücktritt. Denn da sagen Sie, welche Vorteile ein Unternehmen gegenüber der Politik hat. Ich darf zitieren:

Es gibt auch keine Opposition, die einem in die Suppe spuckt. Im Unternehmen lassen sich einmal getroffene Entscheidungen dank gefügter hierarchischer Strukturen leichter und vor allem schneller durchsetzen. Und wenn das Personal es nicht macht, kann man sich von diesen Leuten auch relativ schnell trennen, ohne dass daraus politische Verwerfungen entstehen.

Herr Ministerpräsident, ich finde, das ist zum Abschluss noch einmal ein schöner Einblick in Ihr Demokratieverständnis. Im Übrigen zeigt das auch ein „schönes Verständnis“ von betrieblicher Mitbestimmung.

Demokratie kann schon nervig sein. Da trifft man eine Personalentscheidung, und schon hat man einen Untersuchungsausschuss an der Backe.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Ich finde, dieses Zitat zeigt noch einmal, wie Ihr Herangehen an Demokratie und an Entscheidungen des Parlamentes ist.

Ich finde auch das interessant, was Sie zu der Frage gesagt haben, welcher Unterschied zwischen Politik und Wirtschaft bestehe. Dazu sagen Sie, es gebe einen entscheidenden Unterschied:

Am Ende sind die Märkte rationaler. Der Wähler ist sprunghafter.

Zum einen finde ich, es ist angesichts der Finanzmarktkrise eine interessante Aussage, dass die Märkte rationaler sind. Zum anderen finde ich, dass das auch eine interessante Betrachtung des Wählers ist. Der Wähler handelt also irrational und sprunghaft. Das heißt, es gibt gar keinen nachvollziehbaren Grund für Ihr Wahldebakel im Jahr 2008. So wollen Sie das heute hinstellen.

Herr Ministerpräsident, es gab aber sehr gute Gründe für das Wahlergebnis im Jahr 2008. Das haben Sie im Jahr 2009 auch nicht wesentlich verbessert.Deswegen kann ich Ihnen nur empfehlen, einmal in sich zu gehen und Selbstkritik zu üben.Angesichts der Wahlergebnisse der letzten Jahre sollten Sie etwas mehr Demut haben.

(Beifall bei der LINKEN und des Abg. Dr.Thomas Spies (SPD))

Ich komme zum Schluss meiner Rede. Thorsten SchäferGümbel hat Ihnen gewünscht, dass Sie sich Zeit für sich nehmen. Das kann ich nur unterstützen. Ich glaube, Sie brauchen Zeit für eine innere Einkehr. Deswegen empfehlen wir, die Mitglieder der Fraktion der LINKEN, Ihnen, darüber nachzudenken, sieben Jahre nach Tibet zu gehen. Dahin haben Sie Verbindungen. Vielleicht wäre das für Sie die Möglichkeit, Ihre Selbstgefälligkeit abzulegen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren,es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen nun zu den Abstimmungen über die Entschließungsanträge.

Zunächst rufe ich Tagesordnungspunkt 42 zur Abstimmung auf. Das ist der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend HESSENGERECHT – das Land braucht den Politikwechsel. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist dieser Antrag bei Zustimmung der Mitglieder der Oppositionsfraktionen und Gegenstimmen der Mitglieder der Koalitionsfraktionen abgelehnt.

Ich rufe dann den Antrag unter Tagesordnungspunkt 43 zur Abstimmung auf. Das ist der Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Rücktritt des Ministerpräsidenten. Wer wünscht diesem Entschließungsantrag zuzustimmen? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist dieser Entschließungsantrag mit demselben Abstimmungsergebnis wie bei dem Entschließungsantrag unter Tagesordnungspunkt 42 abgelehnt.

Ich rufe dann Tagesordnungspunkt 67 zur Abstimmung auf. Das ist der Dringliche Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Hessen zukunftsfest dank Roland Koch.Wer wünscht diesem Dringlichen Entschließungsantrag zuzustimmen? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich stelle fest, dass der Dringliche Entschließungsantrag eine Mehrheit gefunden hat. Dafür gestimmt haben die Mitglieder der Fraktionen der CDU und der FDP. Abgelehnt haben ihn die Mitglieder der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN. Er wurde somit angenommen.

Meine Damen und Herren, gemäß unserer Vereinbarung rufe ich Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Rechtsvorschriften – Drucks. 18/2525 –

In der ersten Lesung wird der Gesetzentwurf durch Herrn Staatssekretär Rhein eingebracht. Herr Staatssekretär Rhein, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Kollege Rhein, einen Augenblick bitte. – Die Leute wollen sich jetzt alle wieder setzen. Das ist mit etwas Unruhe verbunden. Ich darf Sie bitten, das jetzt zu vollziehen. – Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will das mit Blick auf den Zeitplan, aber auch mit Blick auf die große Freude auf das, was wir im Ausschuss gemeinsam beraten werden, ganz kurz machen. Die Evaluierung des Hessischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung hat im Großen und Ganzen ergeben, dass es sich bewährt hat. Sie wissen, dass wir in Hessen die Widerspruchsverfahren schrittweise abgeschafft haben. Das geschah in den Jahren 2001, 2002 und 2005.Entgegen der sehr massiven Kritik,die damals geübt wurde, sind bis heute damit sehr positive Erfahrungen gemacht worden. Deswegen sagen wir, dass es folgerichtig ist, diesen Weg in einzelnen wenigen Bereichen weiterzugehen.

Ein zweiter Punkt ist Folgender. Beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof wird, anders als das bei den Obergerichten anderer Länder der Fall ist, überproportional viel richterliche Arbeitskraft für Verfahren nach den §§ 47 und 48 Verwaltungsgerichtsordnung aufgewendet. Wir halten es deswegen für vertretbar, dass diese Verfahren künftig mit drei statt mit fünf Berufsrichtern und ohne ehrenamtliche Richter durchgeführt werden.

Drittens soll das Hessische Verwaltungsvollstreckungsgesetz an die geänderte Zivilprozessordnung und die geänderte Abgabenordnung angepasst werden. Es wird unter anderem ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto eingeführt werden. Das ist also etwas Verbraucherfreundliches. Auch das halten wir für eine gute Regelung.