Protocol of the Session on June 23, 2010

Die härteste Aussage war, dass wir, wenn wir Ihren ursprünglichen Gesetzentwurf so beschließen würden, juristisch zusätzliche Angriffsflächen schaffen würden. Ich glaube, das war der härteste Hinweis.

Es ist klar geworden,dass es richtig war,zu klären,was wir regeln dürfen und was der Bund regeln darf. Nachdem relativ sicher und klar – soweit es bei Juristen sicher und klar darstellbar ist – deutlich geworden ist,

(Demonstrativer Beifall des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

was man regeln darf, ist auch klar geworden, dass die einzig sinnvolle Regelung eine bundesgesetzliche Regelung für ganz Deutschland im Bereich des anlagenbezogenen Lärms ist, weil sie den größten Bereich abdeckt.Auch Bereiche, die Sie hier als Beispiele angeführt haben, würden sehr wohl dadurch abgedeckt.

Sie sagen hier, der Bundesrat habe einen Beschluss gefasst, mit dem der Bereich nicht abgedeckt werde, um den es geht. Damit zitieren Sie aber nur einen Halbsatz oder einen Viertelsatz aus diesem Beschluss. Ich habe ihn zum Glück dabei. In der Anhörung ist es klar geworden, dass es ganz zentral darum geht, dass Kinderlärm juristisch adäquat eingestuft wird. Das ist die zentrale und wichtigste Botschaft, um nachher bei juristischen Auseinandersetzungen als Richter die richtige Entscheidung treffen zu können. Das war die entscheidende Botschaft aller Juristen. Genau das – das finden Sie im dritten Absatz – ist die zentrale Aufgabe, die der Bundesrat der Bundesregierung mitgibt.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Darum geht es. Herr Bocklet, ich habe den Eindruck, Sie sind mit großer Verve, mit Fernsehinterview und Kameras in das Thema gestartet und haben jetzt das Problem, diesen Bereich wieder abzuräumen.

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Herr Bocklet, Sie stellen sich an dieser Stelle bockig und haben nicht erkannt, dass Sie von den Fachleuten abge

räumt worden sind. Herr Merz wird das in seiner sachlichruhigen Art für die SPD sicherlich konzentriert auf zwei oder drei Fälle vortragen. Ich kann für meine Fraktion sagen: Hätten wir erkennen können, dass es tatsächlich einen sinnvollen Regelungsgrund an dieser Stelle gegeben hätte, dann hätte ich in meiner Fraktion dafür gekämpft und mich dafür eingesetzt, dass wir diesen Gesetzentwurf unterstützen.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich rate jedem Journalisten, der darüber schreibt, sich einfach einmal die Anhörungsunterlagen zu ziehen und die fünf oder sechs Stellungnahmen herauszuarbeiten. Wenn ein Journalist Fragen hat, soll er sich an uns als Fraktion wenden. Wir arbeiten das noch ein bisschen auf, damit er nachlesen kann, dass die öffentliche Darstellung der Anhörung, die ich von Ihnen gelesen habe, nichts mit der Realität zu tun hat.

(Beifall bei der FDP)

Dass Sie Ihren Gesetzentwurf jetzt nachgebessert haben, ändert nichts an dem mittlerweile zu erkennenden Gegenstand, dass Sie, wenn überhaupt, nur einen kleinen Bereich regeln können und dass Sie damit an dieser Stelle womöglich noch Angriffspunkte setzen. Der zentrale Punkt ist, dass Richter Kinderlärm als sozial adäquat anerkennen können und die Rechtsprechung im Einzelfall so aussieht. Das muss ganz zentral geregelt werden. – Danke.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Die nächste Rednerin ist nun Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Rock, ich habe in diesem Hause schon oft erlebt, dass das, was in Anhörungen passiert, ignoriert wird. Aber wie man den Ablauf von einem Gesetzentwurf über eine Anhörung zu einer Änderung – Herr Rock, es wäre schön, Sie würden mir wenigstens zuhören – –

(Dr. Frank Blechschmidt (FDP): Das kann er selbst entscheiden!)

Das kann er selbst entscheiden.Aber ich weiß nicht, warum er dann überhaupt in dem Parlament debattiert, wenn er gar nicht ernsthaft debattieren will.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wie man derartig einen Ablauf verdrehen kann,wie Sie es gerade getan haben, ist mir rätselhaft. Wir haben einen Gesetzentwurf der GRÜNEN im letzten Herbst gehabt, der erhebliche Schwächen – das habe ich im Herbst schon gesagt – an der Stelle hatte, wo es darum geht, ob das justiziabel ist, ob das Sinn gibt oder ob es nicht Tür und Tor für noch mehr Klagen gibt, als vorher möglich waren. Das war die Situation im letzten Herbst.

Dann haben wir eine Anhörung gehabt, in der es zwei Anzuhörendengruppen gab. Die einen haben ideologisch zu dem Thema gesprochen. Sie haben übereinstimmend gesagt:Jawohl,es ist eine gute Idee,hier etwas zu regeln.Das

ist nötig, und wir brauchen Sicherheit für unsere Kindereinrichtungen.

Auf der anderen Seite gab es die Juristen, die das Ding – mit Ihren Worten – vom Tisch gefegt haben. Das haben die getan.

Aber hier ist das Erstaunliche passiert, was in diesem Hause viel zu selten passiert. Eine Fraktion war in der Lage, einen Gesetzentwurf zu schreiben, eine Anhörung zu machen, zu lesen, zuzuhören, Fragen zu stellen und anschließend das, was sie gehört hat, durch eine Veränderung in ihren Entwurf hineinzupacken.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN):Vielen Dank!)

Dieser Änderungsantrag ist keine kleine Änderung an einem Gesetzentwurf. Er ist quasi ein neuer Gesetzentwurf. Dieser Gesetzentwurf ist von der juristischen Position her ein ganz anderer als der vorige, weil er nämlich Rechtssicherheit schafft.

(Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))

Wir könnten eine neue Anhörung machen, und dann würden Ihnen die Fachleute sagen, dass das jetzt tragbar ist. Wir haben in der Anhörung auch lange und ausführlich darüber geredet, ob es sinnvoll ist, eine bundespolitische oder eine landespolitische Regelung zu machen, oder ob eine landespolitische Regelung vielleicht sogar ausgeschlossen ist. Die Aussagen waren eindeutig: Bundespolitisch wäre es sicherlich gut, landespolitisch ist es auf jeden Fall möglich.

Meine Damen und Herren von der CDU, ich frage Sie: Wenn es landespolitisch möglich ist, warum sitzen wir hier und warten, bis die Bundespolitik reagiert, und haben noch jahrelang die Situation und wissen nicht, bis zu welchem Sankt-Nimmerleins-Tag in Einrichtungen Geräte abgebaut werden müssen, Einrichtungen unter Beschuss stehen, Einrichtungen sich Anwälte nehmen müssen, kostenträchtige juristische Spielereien gefahren werden müssen? Warum schaffen wir nicht eine Regelung, die Klarheit schafft und die mindestens bis dahin das abdeckt, was sie auf Landesebene abdecken kann, bis wir eine Bundesregelung kriegen?

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber nein, Sie sitzen es lieber aus. Dann höre ich vollmundig, was Sie tun wollen und wie Sie es in die Gänge bringen wollen. Es sind seitdem fast zehn Monate vergangen. Bitte sagen Sie mir, was Sie in den zehn Monaten gemacht haben. Stattdessen bekommen wir jetzt einen weichgespülten Antrag, in dem steht, dass die Regierung aufgefordert wird, in Berlin ihren Einfluss geltend zu machen, um Handlung in Bewegung zu bringen. Das hätten Sie vor zehn Monaten schon tun können. Das hätten Sie auch im Jahr davor schon tun können.

Das Einzige, was ich hier sehe, weshalb Sie sich gegen diesen neuen gelungenen Entwurf sperren, ist, es war dummerweise nicht Ihre Idee. Die Größe, einem Antrag zuzustimmen, einem Gesetzentwurf zuzustimmen, der Hand und Fuß und Sinn hat, haben Sie nicht. Das ist eine Art von kleinkarierter Politik, die Sie hier betreiben, die ist beschämend.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Nächster Redner ist Herr Kollege Merz für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach den einführenden Worten von Herrn Kollegen Rock habe ich meine Rede jetzt noch einmal umgeschrieben und auf sachlich und konstruktiv gebürstet.

(Zurufe von der FDP)

Sie sollten sich überlegen, was Sie sagen, Sie schaden meinem guten Ruf.

(Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

Ich wollte noch eine zweite Vorbemerkung machen. Herr Kollege Bocklet, Kinder sind keine Kreissägen, Kinder sind aber manchmal erhebliche Nervensägen, wie wir wahrscheinlich besser als andere in diesem Raum wissen.

Meine Damen und Herren, wer wie ich eigene Erfahrung bei der Durchsetzung der Umgestaltung eines Bolzplatzes in eine Spiel- und Freizeitfläche für Kinder und Jugendliche in einem dicht besiedelten Wohngebiet hat, wer die Ansiedlung eines Jugendzentrums in einem dicht besiedelten Wohngebiet durchgesetzt hat und wer dafür gesorgt hat, dass der eine oder andere Basketballkorb nach ziemlich geraumer Zeit, nachdem er einmal durch den gesamten Stadtteil gewandert war, dann doch aufgestellt werden konnte, auch gegen Widerstand von Anwohnern, der weiß, wie hart die Konflikte sind, über die wir hier reden. Er weiß im Übrigen auch, dass man solche Konflikte im direkten Dialog, in der direkten Auseinandersetzung mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit den Anwohnerinnen und Anwohnern auflösen kann,

(Günter Rudolph (SPD): So ist es!)

indem man die Kinder und Jugendlichen mit den älteren Anwohnerinnen und Anwohnern in direkten Kontakt bringt und sich auf Regeln des Miteinanders und Nebeneinanders verständigt. Harte Konflikte bleiben es aber in jedem Fall, weil – das muss auch noch einmal gesagt werden – nicht jeder Mensch zu jedem Zeitpunkt bereit ist, in Kinderlärm Zukunftsmusik zu sehen und zu hören. Oder, um es mit Wilhelm Busch zu sagen: Lärm wird störend oft empfunden, weil er stets mit Geräusch verbunden. – So ist das nun einmal. Das ist das, was die Menschen beschwert. Jeder, der damit zu tun hat, wird das auch verstehen müssen.

Weil sich deswegen nicht alle Konflikte auflösen lassen, weil in einer ganzen Reihe von Fällen der Rechtsweg beschritten wird,und bisweilen auch aus Sicht der Kläger erfolgreich beschritten wird,muss es für die Austragung dieser Konflikte klare gesetzliche Vorgaben geben. Darüber besteht,glaube ich,auch Einigkeit – klare gesetzliche Vorgaben.

Ziel muss sein, die Einrichtung von Kindergärten, von Sport- und Spielplätzen, von nicht kommerziellen Spielund Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche zu ermöglichen und ihnen im Konfliktfall einen klaren, rechtlich unbestreitbaren abgesicherten Vorrang einzuräumen. Wer eine kinder- und jugendlichenfreundliche Gesellschaft will, muss dafür sorgen, dass diese Kinder wohnortnah betreut werden können, dass sie wohnortnah attraktive Spiel- und Freizeitmöglichkeiten finden.Das ist das vorrangige Ziel. Das zweifellos ebenso bedeutsame

Ziel des Lärmschutzes muss demgegenüber zurückstehen.

Das gilt in jedem Fall uneingeschränkt für den Lärm, der aus der Schaffung solcher Anlagen unvermeidlich resultiert. Spielende Kinder auf einem Spielplatz, in der Freianlage einer Kindertagesstätte oder in der Kindertagesstätte selbst machen Lärm, und dieser Lärm ist hinzunehmen.

Anders wäre es, zumindest aus meiner Sicht, wenn Jugendliche oder Erwachsene auf einem solchen Spielplatz ein Vuvuzela-Konzert veranstalten würden – oder der Ministerpräsident, er hat ja jetzt auch eine. Das wäre zweifellos als verhaltensbezogener Lärm zu bewerten, und das ist dann ein anderes Spiel als das, wovon wir hier reden.

Meine Damen und Herren, wir sind uns im Ziel alle einig. Die Frage ist: Ist der vorliegende Gesetzentwurf geeignet, das zu regeln, was zu regeln ist? – Die Antwort ist leider Nein.

(Beifall des Abg. René Rock (FDP))

Das sieht im Grunde auch Kollege Bocklet so, wenn er im Ausschuss und auch gegenüber der Presse geäußert hat, dass von einem solchen Gesetz ein Signal ausgehen müsse. Lieber Kollege Bocklet, ein Gesetz muss aber Sachen regeln und nicht Signale aussenden.