Protocol of the Session on June 23, 2010

nen in diesem Staat belastet. Auch dies ist falsche und kaltschnäuzige Politik.

(Beifall bei der SPD)

Ich wende mich jetzt an die CDU. Wenn selbst der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats, Kurt Lauk, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes fordert und zu Recht feststellt, dass die soziale Balance im Paket nicht stimmt, dann sollte Ihnen das doch zu denken geben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Ihr wirtschaftspolitischer, nicht Ihr sozialpolitischer Flügel – der hat das auch kritisiert – sagt, das Paket ist nicht ausgewogen. Denken Sie bitte einmal darüber nach und helfen Sie, dass dieses Paket nicht so in die Welt gesetzt bzw. umgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD)

Auch der Bundestagspräsident Lammert hat recht, wenn er sagt, als Signal für die Notwendigkeit einer breiten gemeinsamen Anstrengung in unserer Gesellschaft hätte er sich gewünscht, dass auch die Spitzeneinkünfte einen besonderen Beitrag zu leisten haben. Das sagt Herr Lammert, der Bundestagspräsident. Er hat recht.

(Beifall bei der SPD)

Man höre und staune – jetzt wende ich mich an die FDP –, selbst in der FDP gibt es mittlerweile nachdenkliche Stimmen. Der Bundesgesundheitsminister sagte, man sollte das Wort Solidarität in der FDP nicht zu stark abwerten. Das finde ich interessant. Dass er praktisch eine andere Politik macht, ist etwas anderes, aber dass schon das Wort Solidarität in der FDP anscheinend ein Unwort ist, das gibt zu denken.

Ich will Ihnen vorhalten, was Herr Kubicki, der Vorsitzende der FDP im Schleswig-Holsteiner Landtag, gesagt hat. Er hat laut „Leipziger Volkszeitung“ gesagt, eine Steuersatzanhebung für besonders hohe Einkommen sei „zumutbar und sehr vernünftig“, und daraus solle die FDP kein Tabu machen.

Auch er hat recht. Das ist eine der wenigen Stimmen aus der FDP, aber das zeigt doch, dass die Diskussion weitergeht und dass viele – ich komme zu meinem Eingangszitat zurück – mit diesem Wildschwein-Gurken-Menü nicht zufrieden sind und sagen: Es schmeckt ziemlich eklig.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

In der „Stern“-Umfrage, die heute veröffentlicht worden ist, hat der „Stern“ einige Vermögende befragt. Es ist hochinteressant, dass Vermögende sagen, dass sie bereit sind – sicherlich nicht alle, aber immerhin nicht wenige –, ihren gerechten Beitrag für die Finanzierung des Staates zu leisten. Es gibt nicht wenige Vermögende, die das Ergebnis der schwarz-gelben Politik als „obszön“ empfinden. Das ist ein wörtliches Zitat von heute von Herrn Tim Renner, im „Stern“ nachzulesen. Denn sie haben das Gefühl, sie werden nicht belastet, aber die Ärmsten der Armen.

Meine Damen und Herren, auch das sollte Ihnen zu denken geben. Merken Sie von CDU und FDP nicht, was Sie da anrichten? Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, des DIW, zeigen, dass der Abstand zwischen hohen und niedrigen Einkommen in der Bundesrepublik Deutschland weiter zugenommen hat, größer geworden ist und die Mitte zusammenschmilzt. Auch dies sollte Ihnen zu denken geben, dass dieses Pa

ket,das Sie angelegt haben,das verschärfen wird.Darüber muss man nachdenken, wenn man mehr Akzeptanz der Politik erreichen will.

Heute ist Mittwoch, da kann die Sonntagsfrage zitiert werden.Aber dass Sie Akzeptanz verlieren und dass in Ihren eigenen Reihen eine Diskussion über das Sparpaket eingesetzt hat, das müsste doch zum Nachdenken führen.

Der Ministerpräsident will noch über die Sommerpause im Amt bleiben. Ich würde mir wünschen, dass er diese Zeit nutzt, darauf hinzuwirken, dass Teile dieses Sparpakets nicht umgesetzt werden, dass nachgesteuert wird, z. B. bei der Forderung von Bundestagspräsident Lammert und vom Wirtschaftsrat, dass es wenigstens zu einem Zuschlag beim Spitzensteuersatz kommt.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch eine hessische Stimme zitieren,und zwar den Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Dr.Volker Jung.

Er hat die Kritik an den Ergebnissen der Regierungsklausur sehr gut zusammengefasst. Er schreibt in einer Pressemitteilung:

Das vorgelegte Sparpaket der Bundesregierung enthält leider eine Schieflage, denn es gefährdet den sozialen Frieden, und es dämpft die Motivation der Bevölkerung, gemeinsam die Lasten der Sanierung zu tragen. Das Sparpaket sendet die falschen Signale, indem es Vermögende weitgehend ausklammert und den Empfängern von Transferleistungen das Elterngeld und Rentenbeiträge kürzt. Aus Sicht vieler mag das zwar finanziell wenig ausmachen, aber für die Betroffenen ist dieses wenige eben nicht wenig, und zudem verletzt sie das damit verbundene politische Signal.

Der Kirchenpräsident Dr. Jung hat völlig recht.

(Beifall bei der SPD)

Herr Schmitt, bitte zum Schluss kommen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sehr bedauerlich, das ist ein guter Mann!)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss und fasse zusammen: Dieses Sparpaket darf so nicht umgesetzt werden. Es muss Platz machen für eine Politik, die endlich die Schuldigen an der Finanzkrise heranzieht und die Stärkeren dieser Gesellschaft – es gibt viele, die dazu bereit sind – an der Finanzierung beteiligt. Das wäre eine richtige Politik. Das, was Sie machen, ist eine Politik, die am Ende die Ärmsten der Armen belastet. Das ist falsche Politik. Nicht nur aus sozialpolitischer Sicht, sondern auch aus wirtschaftspolitischer Sicht kann man sagen: Sie gehen einen völlig falschen Weg. – Danke sehr.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Schmitt. – Als Nächstem darf ich Herrn Kollegen Landau für die CDU-Fraktion das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Sparpaket der Bundesregierung sieht in den Jahren 2011 bis 2014 Einsparungen von mehr als 80 Milliarden c im Bundeshaushalt vor. Mit ihm sollen Schulden zurückgeführt, die Staatsfinanzen konsolidiert und die Handlungsfähigkeit des Staates gesichert werden. Es entspricht nicht einer Lust am Kürzen, sondern einer zwingenden Notwendigkeit, denn der Schuldendienst macht aktuell den zweitgrößten Posten im Bundeshaushalt aus.Gegenwärtig kommen auf jeden erwirtschafteten Euro 70 Cent Schulden. Diese Schuldenstandsquote befindet sich in einer fortgesetzten negativen Entwicklung und droht unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu beschädigen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Sabine Waschke (SPD))

Die drei Begriffe Generationengerechtigkeit, Solidarität und Stabilität kennzeichnen das Sparpaket. Die einzelnen Maßnahmen, die schon vorgetragen worden sind, zeigen, dass nicht nur einfach einige Sozialleistungen gekürzt werden sollen, sondern auch Sparbeiträge und Steuererhöhungen in der Wirtschaft eingefordert werden.Wenn es gilt, große Summen einsparen zu müssen, wird man an dem größten Einzeletat nicht vorbeikommen, das ist nun einmal der Sozialetat.

Sein Anteil am Gesamthaushaltsvolumen des Bundes ist über Jahrzehnte extrem angestiegen, und er ist heute mit Abstand zum größten Einzelposten geworden. Der Bundeshaushalt 2010 weist an Sozialausgaben 173 Milliarden c aus. Das sind 54 % des Gesamtetats von 319 Milliarden c. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, unsozial sieht anders aus.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Gesamtsumme der jährlichen Sozialtransfers ist von 424 Milliarden c im Jahr 1991 auf 643 Milliarden c im Jahr 2000 und auf 754 Milliarden c im Jahr 2009 angestiegen.

(Zuruf der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Wer vor der Notwendigkeit steht,im Haushalt Einsparungen zu erreichen, hat es nie leicht. Grundsätzlich werden Sie kein Sparpaket auflegen können, das beliebt ist und das unbemerkt bleibt. Wir haben in Deutschland einen Sozialstaat, um den uns viele andere Länder beneiden. Die steuerliche Umverteilung, die wir im Rahmen der sozialen Gerechtigkeit betreiben, hat dazu geführt, dass das Maß der materiellen Ungleichheit in Deutschland geringer ist als in den allermeisten anderen Industriestaaten. Das belegen alle internationalen Vergleichsstudien zu dieser Frage.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Auch in der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise bewährt sich das deutsche Modell. Für die unteren Einkommensbereiche wirkt sich die Krise nämlich dank der unterstützenden Arbeitsmarktmaßnahmen bislang kaum negativ aus. Die Ausweitung bzw.Verlängerung des Kurzarbeitergeldes war und ist auch eine soziale Maßnahme, genauso sozial wie die Verdreifachung des Schonvermögens von ALG-II-Beziehern, die von der Bundesregierung initiiert wurde.

Der Sozialstaatsgedanke ist bei uns so weit gediehen, dass man mit der Einführung des Erziehungsgeldes glaubte, auch die Bezieher von Leistungen nach SGB II nicht zu benachteiligen, und ihnen auch zugestand, dass sie diese

Leistungen in Anspruch nehmen können.Was ist denn die Absicht des Erziehungsgeldes? Es soll berufstätigen Männern und Frauen ermöglichen, ihre Kleinen ohne große finanzielle Einbußen selbst zu Hause zu betreuen. Wenn man also nun das Elterngeld bei ALG-II-Empfängern kürzt, ist dies im Sinne des eigentlichen Gedankens. Es vergrößert auch wieder den gebotenen Lohnabstand. Im Übrigen sollen die hier erzielten Einsparungen in Bildungsangebote für eben gerade diese Kinder aus solchen betroffenen Familien investiert werden. Für diese wird – auch darauf wäre hinzuweisen – zurzeit der Regelsatz in der Grundsicherung neu berechnet.

Beklagt wird auch die Abschaffung des Heizkostenzuschusses für Wohngeldempfänger. Auch hier hilft zum Verständnis ein Blick auf die Gründe der Einführung dieses Zuschusses. Er wurde seinerzeit eingeführt, als die Heizkosten explodierten und einen historischen Höchststand erreichten. Es war also eine temporäre Hilfe in einer besonderen Situation. Diese Situation finden wir so heute nicht mehr vor.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

Weil ich es selbst nicht besser formulieren kann, will ich aus einem Artikel der „FAZ“ vom 19.06. auf der Seite 11 zitieren:

Vergeblich wehrt sich die Bundesregierung gegen den Hagel von Vorwürfen, ihr Paket zur Sanierung der Staatsfinanzen sei sozial unausgewogen. Dabei sprechen ihre Taten eine andere Sprache.... Ausweitung der Studienförderung... Sparvorhaben …, das die Pharmaindustrie zu größeren Rabatten zwingt. Beide Gesetze zeigen, dass Union und FDP durchaus entschlossen sind, soziale Chancen zu wahren,... und... müssten...helfen, etwas Vertrauen in die Symmetrie der schwarz-gelben Pläne zurückzugewinnen.

So viel zu der Äußerung, als hier die Hornisse erwähnt worden ist.

Die neuesten Zahlen zeigen eine Verbesserung des Bundeshaushalts um 20 Milliarden c. Wer jetzt allen Ernstes meint, jetzt gebe es Spielraum, um das, was Sie als LINKE als soziale Schärfe bezeichnen, aus dem Sparpaket herausnehmen zu können, der übersieht, dass mit 20 Milliarden c aus einem Minus immer noch kein Plus geworden ist.

Herr Landau, gestatten Sie Zwischenfragen? Frau Schott und Herr Schmitt haben sich dazu gemeldet.

Nein. – Der Bund macht auch mit den 20 Milliarden c Mehreinnahmen immer noch Schulden in Höhe von 60 Milliarden c im laufenden Jahr. Ferner wirkt das Sparpaket erst ab 2011. Die Schuldenbremse greift unerbittlich ab 2016.

Ganz abgesehen davon:Weniger Schulden bedeuten nicht unbedingt, dass man mehr Geld zur Verfügung hat. Meine Damen und Herren, auch andere Regierungen in Europa stehen vor der Herausforderung, in ihren Haushalten rigoros zu sparen. Ich frage Sie: Spart die sozialistische Re

gierung in Athen? Spart die sozialistische Regierung in Madrid? Sparen sie nicht im sozialen Bereich?

(Willi van Ooyen (DIE LINKE):Wir hoffen,nicht!)