Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht weiter. Am 13. Mai 2003 gab es die Antwort von Herrn Posch auf eine Kleine Anfrage. Da waren die Kosten nicht mehr auf 35 Millionen c beziffert, da waren wir bei 102 Millionen c. Am 19. Mai 2004 gab es die Antwort des Finanzministers Weimar auf eine Kleine Anfrage. Da waren wir schon bei 150 Millionen c angekommen. Im Oktober desselben Jahres hat der Finanzminister im Plenum gesagt, es gehe um 151,5 Millionen c,und darin seien dann garantiert alle Kosten enthalten.
Am 29. Januar 2010 haben die Abg. Frank Kaufmann und Karin Müller eine Anfrage gestellt und gefragt, wie der bisherige Stand ist, was die Gesamtkosten angeht. Diese Anfrage wurde lange nicht beantwortet, hat aber offensichtlich etwas ausgelöst, nämlich das Eingeständnis, dass wir inzwischen nicht mehr bei den von mir am Anfang angesprochenen 35 Millionen c sind, sondern dass wir inzwischen bei 225 Millionen c angekommen sind.
Jetzt kommt das Schlimme. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie glauben immer, wir seien gegen diesen Flughafen, weil es ein Flughafen sei.
Nein, wir sind nicht aus ökologischen Gründen gegen diesen Flughafen, weil von diesem Flughafen niemand fliegen wird.Deshalb wird da auch niemand etwas ökologisch Nachteiliges produzieren.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr.Walter Arnold (CDU):Tolle Begründung! – Zuruf des Abg. Gottfried Milde (Griesheim) (CDU))
Das ist das Problem. – Ich zitiere einen völlig unverdächtigen Zeugen, Herrn Gaebges. Herr Gaebges ist Generalsekretär des BARIG, der Interessenvertretung von mehr als 100 in Deutschland tätigen Fluggesellschaften. Der Vertreter der Fluggesellschaft sagt: „Aus Sicht der Fluggesellschaften spricht alles gegen den Standort.“ Keine seriöse Airline rechne mit realistischen Chancen, sinnvolle Strecken mit einer vernünftigen Auslastung fliegen zu können.
Er wird weiter zitiert: Er bezweifle, dass es überhaupt einen Bedarf für den Ausbau gebe. Er verweist darauf, dass im Umkreis von 1,5 Auto- bzw. ICE-Stunden die Flughä
fen Frankfurt, Hannover, Paderborn und Erfurt zu erreichen seien, von denen nur Frankfurt ausgelastet sei.
Liebe Kolleginnen und Kolleginnen von der CDU, der FDP und der SPD,jetzt sage ich Ihnen:Wenn Sie uns nicht glauben, warum glauben Sie dann noch nicht einmal den Vertretern der Fluggesellschaften? Diesen Flughafen braucht kein Mensch.
Was noch viel schlimmer ist: Wir haben uns vor der Mittagspause über die Frage von Einsparnotwendigkeiten im Landeshaushalt unterhalten. Das, was Sie mal eben ausgeben wollen – übrigens nach Aussage des Finanzministers, ohne den Landtag befragen zu wollen –, ist mehr, als Sie im nächsten Jahr in Bildung und Hochschulen einsparen wollen. Wann, wenn nicht jetzt, muss man die Notbremse ziehen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt ist der Zeitpunkt, um noch einmal nachzudenken. Wenn es um die Zukunft von Nordhessen geht, dann stelle ich Ihnen die Frage, ob Sie wirklich mit dem Flughafen und den Autobahnen Ihr Ziel erreichen wollen.
Herr Arnold, ich habe mir die Arbeitslosenzahlen einmal angeschaut,um Sie zu erfreuen.1998 – letztes Jahr der Regierung Kohl – hatten wir im Regierungsbezirk Darmstadt eine Arbeitslosenquote von 8 %, im Regierungsbezirk Kassel eine von 11,5 %.
Wir haben eine lange Entwicklung, und die Zahlen von heute, jetzt halten Sie sich fest, lauten folgendermaßen: Regierungsbezirk Darmstadt 6,6 % Regierungsbezirk Kassel 6,9 %.
Jetzt sagen Sie, es liege alles an Ihrer tollen Infrastrukturpolitik. Dann frage ich Sie: Wie kann das an Kassel-Calden liegen, wenn der noch gar nicht ausgebaut ist?
Wie kann das an der A 49 liegen, die in elf Jahren Ihrer Regierungszeit keinen Meter weitergebaut worden ist?
Wie kann das an der A 44 liegen, wo Sie in elf Jahren immerhin 4 km hingekriegt haben, als So-da-Autobahn, die in der Mitte so da ist.
Insofern kann das wirklich nicht an Ihrer Infrastruktur gelegen haben, sondern es hat an etwas ganz anderem gelegen.
Herr Kollege Arnold, es hat z. B. daran gelegen, dass es eine rot-grüne Bundesregierung gab, die mit kraftvollen Schritten ein Erneuerbare-Energien-Gesetz auf den Weg gebracht hat, die unter anderem dafür gesorgt hat, dass es allein bei der Firma SMA in Niestetal und in Kassel 3.000 Beschäftigte gibt, und das alles gegen Ihren Widerstand.
Das zeigt, dass Sie eine Vorstellung von Wirtschaftspolitik haben, die aus den Sechziger- und Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts stammt.
Ich sage Ihnen sehr deutlich: Schauen Sie einmal nach Japan. Japan hat seit 20 Jahren mehr oder weniger Nullwachstum. Japan hat seit 20 Jahren ein Konjunkturprogramm nach dem anderen abgefeuert, mit dem Ergebnis, dass die inzwischen bei einer Staatsverschuldung von über 200 % des Bruttoinlandsproduktes sind. Was haben die gemacht? – Die haben Autobahnen und Flughäfen gebaut. Man hätte fast denken können, die Hessen-CDU ist am Werk.
Das Ergebnis ist jetzt, dass in Japan vor einem Monat der 98. Flughafen eröffnet worden ist und dass von den 98 Flughäfen sage und schreibe zwei nicht defizitär sind. Das heißt, was wir machen, ist: Wir geben unglaublich viel Geld aus, verschwenden dieses Geld, gießen völlig sinnlos Beton in die Landschaft, mit dem Ergebnis, dass wir nachher noch mehr Geld ausgeben müssen, um die Betriebsdefizite zu decken, weil sich das nicht rechnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen sage ich Ihnen sehr deutlich – ich zitiere einmal den Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen –:
Es ist eine realistische und notwendige Vision, jedenfalls meine, dass wir bis 2050, das sind noch 40 Jahre, die Energieversorgung in unserem Land nahezu vollständig auf regenerative Energien stützen werden. Dieses Ziel müssen wir verfolgen.
Da hat er ausnahmsweise recht, der Herr Bundesumweltminister. Wenn Sie sich das einmal bei anderen anschauen, stellen Sie fest, dass die auch weiter sind. Zum Beispiel Herr Stemmann, der Fachsprecher der CDUBürgerschaftsfraktion in Hamburg, sagt:
Die Gesundheitswirtschaft bildet mit über 100.000 Beschäftigten bereits jetzt ein elementares Standbein der Hamburger Wirtschaft und bietet als weltweit wachsender Zukunftsmarkt deutliches Steigerungspotenzial.
Herr Dr. Arnold, oder ich zitiere einmal den Bundespräsidenten, der hat im „Focus“-Interview von vor zwei Wochen, das Ihnen nicht gefallen hat, gesagt:
Wir müssen aufpassen, dass wir keine falschen Strukturen zementieren. Wissen Sie, das Auto wird bleiben. Aber es braucht Konkurrenz. Wir müssen nicht nur entschlossen umweltfreundlichere Autos entwickeln. Wir müssen auch rechtzeitig über neue
Und der FDP-Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg sagt, die Zukunft liege im „sanften Tourismus“.
Herr Dr. Arnold, im „sanften Tourismus“, nicht Beberbeck. – Wir sagen Ihnen deswegen sehr deutlich: Hören wir in Zeiten wie diesen doch auf, das Geld ohne Sinn und Verstand zum Fenster hinauszuwerfen. Ich würde fast bitten, vergraben Sie das Geld doch, denn dann könnte man es nachher wenigstens wieder ausbuddeln,aber gießen Sie es nicht sinnlos in Beton.