Insofern sollten Sie nicht über Anbiedern in Koalitionsfragen reden.Herr Kollege Rentsch,ich danke Ihnen,dass Sie mir noch einmal dieses Stichwort gegeben haben.
„Was ist mit Hamburg?“, fragt Herr Kollege Rentsch. Da sind Sie gar nicht im Parlament vertreten. Herr Kollege Rentsch, das ist auch gut so. Sie haben das gerade eben so freundlich angesprochen.
Kommen wir zum ernsthaften Teil der Debatte. Herr Kollege Rentsch, Sie versuchen einen Widerspruch zwischen den berechtigten individuellen Rechten in unserem Land und dem zu konstruieren, was die Gesellschaft in demokratischen Entscheidungen hinsichtlich der Frage sagt: Soll das besser die Zivilgesellschaft oder der Staat organisieren? – Ich sage dazu:Die FDP ist,ordnungspolitisch gesehen, auf den Hund gekommen.
Denn natürlich geht es darum, den Menschen in diesem Land größtmögliche Freiheit einzuräumen. Für diesen Begriff haben Sie übrigens kein Privileg. Das wollte ich auch einmal sagen.
Es geht aber auch darum, dass es Bereiche gibt, zu denen die Individuen dieses Landes sagen:Wir schließen uns zusammen, um die Aufgaben, die uns alle betreffen, besser organisieren zu können. – Das kann innerhalb der Zivilgesellschaft geschehen. Das kann in Vereinen oder Verbänden geschehen. Meine Herren von der FDP, ja, das kann auch in der Organisationsform des Staates geschehen. Wenn die Menschen das entschieden haben, dann müssen die Institutionen, die die Menschen damit beauftragen, auch die Mittel haben, um ihre Aufgaben zu erfüllen.
Für diesen elementaren Zusammenhang haben Liberale, die diesen Namen noch verdient haben, gestritten. Ich denke beispielsweise an Hildegard Hamm-Brücher während der Bildungsdebatte in den Siebzigerjahren.Dass Sie diesen Zusammenhang überhaupt nicht mehr verstehen, zeigt, wie sehr Sie hinsichtlich ordnungspolitischer Fragen auf den Hund gekommen sind.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss meiner Rede. – Herr Kollege Rentsch, eines will ich noch sagen. Wer Guido Westerwelle als Parteivorsitzenden hat, der braucht den Kollegen der SPD über Stilfragen und unpassende Äußerungen nun wirklich überhaupt nichts zu erzählen. – Vielen Dank.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Der Antrag wird dem Haushaltsausschuss überwiesen. Dem widerspricht keiner? – Dann ist das so beschlossen.
Antrag der Abg. Dr. Spies, Decker, Merz, Müller (Schwalmstadt) , Roth (SPD) und Fraktion betreffend Kontopfändungsschutz und Schuldnerberatung – Drucks. 18/2089 –
Die vereinbarte Redezeit beträgt fünf Minuten. Herr Kollege Decker hat für die SPD-Fraktion das Wort.
(Petra Fuhrmann (SPD): Die Frau Fuhrmann hat für die SPD-Fraktion das Wort! Das andere betrifft den nächsten Tagesordnungspunkt!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir fordern die regierenden Fraktionen und die Landesregierung auf, dafür zu sorgen, dass sich das Land endlich wieder finanziell an der Schuldnerberatung in Hessen beteiligt.
Mit dem 1. Juli 2010 tritt das Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes in Kraft. Damit werden die Rechte der verschuldeten Verbraucherinnen und Verbraucher gestärkt. Es wird die Gerichte massiv entlasten. Das wird aber die Schuldnerberatungsstellen in Hessen belasten, die in den letzten Jahren allein von den Städten und Kommunen finanziert werden.
Der Gesetzentwurf wurde im April 2009 von der damaligen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries vorgelegt und mit großer Mehrheit, also nicht nur mit den Stimmen der Großen Koalition, sondern auch mit den Stimmen der FDP und der GRÜNEN, im Bundestag angenommen. Dieses Gesetz bietet nicht nur für Schuldner, für Empfänger von Arbeitslosengeld II, für Rentner, Studenten und Selbstständige große Vorteile, sondern auch für Gläubiger, für die Kreditwirtschaft, die öffentlichen Haushalte und die Gerichte.
Mit der neuen Regelung wird der Kontopfändungsschutz ausgeweitet und erheblich entbürokratisiert. Es wird ein sogenanntes Pfändungsschutzkonto – ein P-Konto – mit einem Sockelpfändungsschutz von 985,15 c eingeführt, den die Schuldner nunmehr automatisch als Guthaben auf ihrem Konto behalten können, ohne dass das Gericht hierüber entscheiden muss. Im Übrigen bitte ich ein Büroversehen unsererseits zu entschuldigen. In dem dritten Satz muss es statt Pfändungsschutzkonto „erhöhter Sockelbetrag“ heißen. Das kann im Ausschuss noch korrigiert werden.
Der Sockelbetrag erhöht sich bei nachgewiesenen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern und/oder Ehegatten. Während die Betroffenen bisher einen Gerichtsentscheid einholen mussten, ist es jetzt ohne ein aufwen
diges Verfahren möglich, dass der Schuldner die Geldmittel, die er für den existenziellen Lebensunterhalt wie Miete,Nebenkosten,Strom oder auch Bargeld für das tägliche Leben braucht, auf seinem Konto behalten kann. Das ist bisher oftmals nicht rechtzeitig wegen Überlastung der Gerichte erfolgt, sodass Menschen bestimmte Zahlungen – z. B. für ihre Stromrechungen – nicht vornehmen konnten und dann Strafzahlungen, Miete oder anderes schuldig bleiben mussten.
Kurzum kann man sagen, diese Gesetzesänderung ist eine rundum gute Sache.Aber sie hat auch zwei Wermutstropfen. Erster Punkt. Wir hätten uns gewünscht, dass es ein Girokonto für jedermann gibt.
Seit 1995 gibt es eine Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft, und trotzdem haben diese Menschen nach wie vor kein Girokonto – schlecht verdienende, wenig verdienende. Insgesamt eine halbe Million Menschen verfügen in Deutschland über kein Girokonto und haben dann erhebliche Probleme z.B.beim Abschluss von Verträgen mit Stromanbietern oder anderen. Insofern ist diese Verweigerung der Kontoeröffnung, die nach wie vor existiert, ein Punkt, der dringend der Nachbesserung bedarf. – Es ist sehr typisch, dass die FDP bei diesem Thema noch nicht einmal in der ersten oder zweiten Reihe anwesend ist.
Zweiter Punkt. Die Schuldnerberatung in Hessen ist absolut unterfinanziert und ein Stiefkind der Landesregierung.
Wir haben ca. 45 Schuldnerberatungsstellen, im Jahre 2008 fast 10.000 Insolvenzverfahren mit voraussichtlichen Forderungen von 6 Millionen c. Im ersten Halbjahr 2009 hat das Statistische Landesamt bereits 3.200 Verbraucherinsolvenzen registriert.
(Die Rednerin räuspert sich zum wiederholten Mal. – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eine Stimmeninsolvenz!)
Schon diese wenigen Zahlen zeigen uns, nur ein kleiner Teil der Haushalte kann beraten werden. Die „Operation düstere Zukunft“ im Jahr 2005 war ein Skandal.
Das Land hat sich mit einem Schlag komplett aus der Mitfinanzierung der Schuldnerberatung herausgezogen, die Probleme den Kommunen und den Sozialverbänden vor die Füße gekippt und das Beratungsnetz damit stark geschwächt. Wir fordern, nachdem dieses Angebot zu mehr Beratungstätigkeit, zu mehr Entbürokratisierung in den Schuldnerberatungsstellen führen wird, dass endlich wieder Landesmittel fließen.
Mindestens sollte pro Beratungsschein,der jetzt für dieses sogenannte P-Konto ausgefüllt wird, ein Sockelbetrag zur Verfügung gestellt werden. Dazu fordern wir Sie auf. Finanzieren Sie die Schuldnerberatungsstellen wieder wie vorher. Hessen ist das einzige Bundesland, das sich an der
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Indianer Brasiliens im Bundesstaat Mato Grosso hatten einst ein Rezept gegen lange Reden. Der Redner durfte nur so lange reden, wie er auf einem Bein stehen konnte. Mir geht es heute fast genauso. Ich bitte, das zu berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, mit der Zunahme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ist ein stetiger Anstieg der Zahl der Kontopfändungen verbunden. Nach Angaben der Bundesregierung erfolgen bundesweit bis zu 370.000 Kontopfändungen pro Monat. Bei unserem Bevölkerungsanteil von ca. 8 % würde das für Hessen in etwa 30.000 pro Monat bedeuten.
War die Einkommenspfändung bei der Zwangsvollstreckung in früheren Jahren die Ausnahme, so ist sie heute fast der Regelfall. Deshalb ist die grundlegende Reform des Kontoführungsrechts zu begrüßen. Der Kunde kann zukünftig bei seiner Bank die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos beantragen. Damit wird automatisch ein monatliches Guthaben von knapp 1.000 c geschützt. Mit dem Pfändungsschutzkonto erspart sich der Schuldner den Gang zum Gericht und kann künftig trotz der Vollstreckung seine täglichen Geldgeschäfte weiterhin bargeldlos abwickeln.
Wenn das geschützte Guthaben erhöht werden soll – etwa weil der Schuldner Unterhaltsverpflichtungen nachkommen muss –, wird die Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung vom Kreditinstitut verlangt.
Die Kolleginnen und Kollegen von der SPD beantragen nun, zulasten des Landeshaushaltes 2 Millionen c für die Schuldnerberatung zur Verfügung zu stellen.