Protocol of the Session on April 28, 2010

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt habe ich schon eine Reihe von Debatten von Ihrer Seite zur Frage der Steuerreform und Finanzpolitik gehört. Es kommt nichts Neues. Das Einzige, was neu war, war Ihre Auslassung zur Sonnenbrille. Mehr Neues war nicht dabei.

(Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Das Zitat von Gerhard Schröder zu erwähnen ist ein starkes Stück. Der Herr Kollege Kaufmann hat schon darauf hingewiesen: Genau die Zielsetzung dieses Zitats ist bei Rot-Grün umgesetzt worden. Das ist der Unterschied. Das gilt nicht für alle Zeiten, denn irgendwann müssen auch noch Steuern bezahlt werden.

Ich will in dem Zusammenhang auf eines hinweisen. Wie ist das mit dem Eingangssteuersatz und den Steuersätzen im unteren Bereich? Sie vergessen immer, zu sagen, dass es bei Einkommensteuersätzen im unteren Bereich immer so ist, dass davon auch die Spitzensteuerzahler profitieren. Das Einzige, was exklusiv für die Spitzensteuerzahler gilt, ist die Senkung des Spitzensteuersatzes. Sonst profitieren sie mit. – Das heißt, in diesem Zusammenhang ist dies geschehen.

Jetzt kommt der Schritt mit dem einfachen Steuerrecht. Herr Kollege Kaufmann hat es zu Recht gesagt: Wer als Erstes in dieser neuen, groß angekündigten Koalition nichts anderes tut, als den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen zu senken, und damit einen enormen Beitrag zur Steuerverkomplizierung schafft,

(Wolfgang Greilich (FDP): SPD-Wahlprogramm!)

wer das an dieser Stelle macht, der hat einen wichtigen Beitrag zur Steuerverkomplizierung geleistet und nichts zur Steuervereinfachung. Deswegen ist das völlig klar und deutlich.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, jetzt redet der Kollege Blum immer von dem sogenannten Steuerstaat, nach der Devise, was für hohe Steuern gezahlt werden. Nehmen Sie irgendwann einmal zur Kenntnis, dass Steuern etwas damit zu tun haben, was der Staat zu leisten hat. Dann sagen Sie uns bitte einmal, was der Staat nicht mehr leisten soll, wenn Sie die Steuern weiter senken wollen.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Herr Kollege Milde, es wäre in diesem Zusammenhang wichtig und richtig, dass wir uns über die Frage unterhalten, wie dieser Staat finanziert wird. Über diese Frage denkt die FDP an keiner Stelle nach. Wir brauchen die Einnahmen des Staates, und zwar in erster Linie von denjenigen, die entsprechend starke Schultern haben, damit die Aufgaben des Staates auch wahrgenommen werden können. 16 Milliarden c einfach so zur Entlastung zu geben und nicht zu sagen, wo sie herkommen sollen, ist unverantwortlich gegenüber den Kommunen, den Ländern und dem Bund.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Zur Antwort, Herr Blum, bitte.

(Petra Fuhrmann (SPD): Er hat nicht zugehört! Er kann nicht antworten! Er kann nur Sprechblasen bringen!)

Frau Kollegin Fuhrmann, ich kann beides. Das ist meine feminine Seite. Ich bin multitaskingfähig. Ich kann zuhören und gleichzeitig meine Mailbox abhören.

Herr Kollege Kahl, ich will gar nicht lange auf das eingehen,was Sie gesagt haben,und schon gar nicht auf die sehr unqualifizierten und aus welchen Gründen auch immer sehr persönlichen Bemerkungen des Kollegen Kaufmann.

Aber, Herr Kollege Kahl, eines müssen wir richtigstellen. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der neuen Bundesregierung mit seinem Entlastungsumfang von 8 Milliarden c hat im Wesentlichen – das war unser Ziel – Familien mit Kindern entlastet. Es hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, das Belastungsniveau bei Familien mit Kindern zu senken. Das Kindergeld ist erhöht worden. Die Kinderfreibeträge sind erhöht worden. Wir haben den Schwerpunkt in die Förderung, auch in die steuerliche Förderung von Familien gesetzt, und das mit einem Wachstumsbeschleunigungsgesetz.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Kahl, dass wir am Rande auch noch eine SPD-Forderung nach Senkung der Umsatzsteuersätze auf Hotelund Übernachtungsleistungen erfüllt haben, können Sie uns doch nicht vorwerfen.Lesen Sie doch einmal Ihre tourismuspolitischen Leitlinien. Sie müssten eigentlich dankbar sein, dass wir ganz nebenbei Ihre Politik ein bisschen umgesetzt haben; denn Sie sind schon lange nicht mehr in der Verantwortung, das zu tun.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU – La- chen bei der SPD)

Das Wort hat Herr Staatsminister Weimar.

Herr Präsident,meine Damen und Herren! Grundsätzlich wundere ich mich, so wie die Diskussion abläuft, ein bisschen darüber – es ist gut, wenn die Parteien Vorschläge machen –, wie wir mit unserem Steuerrecht umgehen. Die Hessische Landesregierung macht das mit einer Vorlage. Ich bin sehr dankbar, dass sehr breite Unterstützung nicht nur aus dem Haus, sondern weit darüber hinaus da ist.

Sie müssen aber bitte eines sehen: Wenn eine Partei auf ihrem Parteitag Vorschläge macht, dann ist das eine Frage der politischen Auseinandersetzung.Es ist nicht die Frage, wie die Landesregierung zu diesem Punkt im Einzelnen steht. Wir sind gehalten, dann, wenn entsprechende Vorschläge in das Verfahren kommen, uns dazu zu äußern. Das werden wir tun.

Ich kann Ihnen versichern, dass alle Aspekte berücksichtigt werden. Das eine ist, dass wir als Landesregierung ein massives Interesse daran haben, einfachere und vernünftige Steuersätze zu haben, die die Volkswirtschaft bei uns unterstützen und ankurbeln, dass wir zum anderen eine auskömmliche Finanzierung haben, soweit man in diesem Zusammenhang derzeit überhaupt von auskömmlicher Finanzierung reden kann.

(Reinhard Kahl (SPD): Davon sind wir weit entfernt!)

Das Dritte ist, dass wir auch als Landesregierung versuchen wollen,wie wir das auch bisher gemacht haben,möglichst breiten Konsens in dieser Frage zu erreichen. Denn was hier diskutiert worden ist, sind doch zu einem beachtlichen Teil Grundsatzpositionen hinsichtlich einer Gesamtsteuerbetrachtung und nicht die Frage, was man im Einzelnen zu tun hat.

Wenn wir das ein bisschen herunterbrechen – wir haben schon im Ausschuss darüber diskutiert, und auch ansonsten sprechen wir miteinander –, dann sehen wir, dass es eine ganze Menge Ecken in unserem Steuerrecht gibt, die keine Frage der Staatsfinanzierung, sondern von irdischer Gerechtigkeit sind.Wenn Sie sich den Steuerverlauf ansehen, kommen Sie mühelos zu der Erkenntnis, dass an bestimmten Stellen, z. B. beim „Mittelstandsbauch“ – den Begriff „Mittelstandsbauch“ würde ich zwar nicht verwenden, aber es ist nun einmal ein stehender Begriff –, also bei Bruttojahreseinkommen in der Größenordnung von 50.000 bis 70.000 c, die Progression bitter wehtut. Deshalb ist – um ein Beispiel herauszunehmen – die Frage

zu stellen, ob die Leistungsträger unseres Landes an der Stelle unseres Steuerrechts richtig behandelt werden.

Ich rate daher schlicht dazu, dass wir uns mit diesen Themen sehr differenziert auseinandersetzen – neben der grundsätzlichen Frage, wie wir das Steuerrecht überhaupt einschätzen. Das ist aber eine Frage, die zuerst einmal die Parteien, dann die Fraktionen und zum Schluss diejenigen zu vertreten haben, die das in das politische Geschäft einbringen. Wir werden uns als Landesregierung dazu äußern.Ich habe hier schon mehrfach Grundüberzeugungen dargelegt. Bei denen bleibt es.

Wir werden in den nächsten Monaten sicherlich Anlass haben, sehr intensiv darüber zu diskutieren, wie wir mit diesen – zugegebenermaßen sehr schwierigen – Steuerfragen umgehen.Zum einen ist eine gewisse emotionale Aufheizung vorhanden, die der Sache nie guttut, zum anderen stehen wir einer sehr außergewöhnlichen Situation hinsichtlich der Finanz- und Konjunkturentwicklung in Deutschland gegenüber. Im letzten Jahr hatten wir beim Wachstum ein Minus von 5 %. All das muss man bei der Frage einordnen und schauen, wie sich das entwickelt.

Ich sage Ihnen aber auch: Schauen wir einmal, was beim Arbeitskreis Steuerschätzungen im Mai herauskommt. Alles, was ich höre, ist nicht geeignet, dass ich als Finanzminister diesem Termin freudig erregt entgegensehe. Im Lichte der Ergebnisse werden wir das alles möglicherweise neu beurteilen müssen.

Insofern rate ich dazu,dass wir die Sache sachlich und von der Situation her diskutieren, die sich im Hinblick auf die Staatsfinanzierung darstellt.Ich habe aber allen Anlass,zu sagen, dass wir jedes Konzept gerne prüfen und uns als Landesregierung dazu äußern werden. Ich glaube aber auch, dass wir in Berlin unsere Position aktiv darstellen werden, weil wir Hessen von uns behaupten können, dass wir uns in Steuerfragen in Deutschland mittlerweile einen ausgesprochen guten Ruf erworben haben. Dabei soll es auch bleiben. Deswegen werden wir uns das alles ganz genau anschauen und als Landesregierung Entscheidungen treffen.Dann können die hier gerne weiter diskutiert werden.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der FDP)

Das Wort hat Herr Abg. Rentsch für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Schäfer-Gümbel, neben der Tatsache, dass Sie Ihre Vorschläge in dieser Debatte schuldig geblieben sind, möchte ich für die FDP-Fraktion vier Punkte herausstellen. Die Erhöhung des Kindergeldes, die Erhöhung des Kinderfreibetrags, die Korrekturen an der Unternehmensteuerreform und vor allen Dingen an der Erbschaftsteuerreform waren die ersten Handlungen der schwarz-gelben Bundesregierung. Was daran inhaltlich zu kritisieren ist, möchte ich von Ihnen gerne einmal wissen. Das ist doch die richtige Familienpolitik.Wir haben den Familien in Deutschland mehr finanziellen Spielraum gegeben. Ich glaube, das ist auch von der Sozialdemokratie zu unterstützen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Willi van Ooyen (DIE LINKE):Bei den Ar men ist das aber nicht angekommen, Herr Rentsch!)

Zweitens. Sie fabulieren immer darüber, was der Staat kostet. Sagen Sie doch einmal an diesem Pult, welchen Staat Sie haben wollen,

(Dr.Thomas Spies (SPD): Einen gerechten!)

und sagen Sie, welche Steuersätze Sie brauchen, um Ihren Wunschstaat – möglicherweise gemeinsam mit den LINKEN – zu finanzieren. Wir sollten die Diskussion umdrehen:Wir berechnen die Steuersätze, die man bräuchte, um Ihre Wunschmodelle – gerade wenn ich den Kollegen van Ooyen sehe – zu berechnen, was das kosten würden. Das wäre eine interessante Frage. Deshalb: Sagen Sie doch einmal,was Sie für einen Staat wollen,statt das immer nur abstrakt in den Raum zu stellen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU – Willi van Ooyen (DIE LINKE): Spitzensteuersatz: 53 %! – Zuruf von der CDU: Nordkorea!)

Drittens. Die FDP-Fraktion hat einen Vorschlag vorgelegt, wie der Koalitionsvertrag, der auf Bundesebene zwischen drei Parteien geschlossen worden ist, umgesetzt werden kann. Die Koalition hat zu Beginn eine Steuerentlastung um 8 Milliarden c ermöglicht, und es werden weitere Entlastungen im Umfang von 16 Milliarden c umgesetzt. Kollege Schäfer-Gümbel, ich möchte Sie nicht über unser Wahlprogramm und den Koalitionsvertrag aufklären, aber man kann es nachlesen: Richtig ist, dass wir vor der Wahl mit unserem Modell eine Entlastung um 35 Milliarden c gefordert und im Koalitionsvertrag mit der Union eine Entlastung um 24 Milliarden c vereinbart haben. Das ist die Realität. Wir haben nicht 24 Milliarden c gefordert, sondern 24 Milliarden c vereinbart. Ich glaube nicht, dass die Kollegen der CDU dieses Versprechen, das wir den Bürgern gegeben haben, anders sehen als wir.

(Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Ich glaube, dass die Entlastung der Mitte der Gesellschaft der Union genauso wichtig ist wie uns. Kollege Rudolph, Sie haben über die Umsetzungsvorschläge gesprochen, die der Kollege Weimar hier vorgestellt hat. Diese Vorschläge hat er auf einem Podium gemeinsam mit dem Kollegen Blum vorgestellt, denn die FDP sieht diese Fragen genauso wie die CDU.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Rentsch, der Finanzminister lacht Sie aus! – Weitere Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Insofern würde es helfen, einfach ein bisschen mehr aufzupassen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Viertens. Herr Kollege Schäfer-Gümbel, ich würde gerne wissen, was Sie uns eigentlich für Ratschläge geben wollen. Was sollen wir von der hessischen Sozialdemokratie lernen? Wir haben die Gelegenheit, das morgen Abend in einem Streitgespräch auszudiskutieren; deshalb will ich gar nicht auf alles eingehen, sondern mir vorbehalten, dort noch etwas zu sagen. Ich will aber schon betonen, dass wir beispielsweise von Leuten wie Sigmar Gabriel nichts lernen wollen. Während sich die SPD nach der Direktive der letzten Jahre unter Herrn Steinmeier eher vorsichtig positioniert hat, haben Sie jetzt mit dem Kollegen

Gabriel einen Polit-Rambo an der Spitze, der aus meiner Sicht jedes Niveau unterschreitet, das in Deutschland bis jetzt möglich gewesen ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich möchte Ihnen Zitate aus Äußerungen von Sigmar Gabriel aus den letzten zwölf Wochen vorlesen:

(Zurufe von der SPD)