Protocol of the Session on March 4, 2010

Selbst wenn ich all meinen Optimismus zusammennehmen und sagen würde, ich glaube jetzt Herrn Staatsminister Banzer, denn er hat gesagt, die Mindestverordnung wird so umgesetzt, dann hätte ich von Ihnen, Frau Kollegin, zumindest erwartet, dass Sie die Vorschläge des Kollegen, der eine Reihe hinter Ihnen sitzt, nämlich des Herrn Arnold, der aus dem tiefen Osthessen kommt, energisch zurückweisen. Denn er schlägt vor, die 240 Millionen c für die Umsetzung der Mindestverordnung doch mit den 400 Millionen c zu verrechnen, die man den Kommunen im Kommunalen Finanzausgleich wegnehmen will. Sie sollten das energisch zurückweisen und sagen: Da darf es keine Verquickung geben. Konnexität ist Konnexität.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg.Sabine Waschke und Timon Gremmels (SPD))

Herr Banzer, vielleicht haben wir Glück, und uns wird die Ehre zuteil, dass Sie das Wort hier ergreifen. Dann würde ich mir von Ihnen eine klare Position wünschen, die dann im Protokoll festgehalten würde. Diese Position wäre: Sie weisen die Forderung des Herrn Arnold und diesen verquasten Kompromissvorschlag zurück, der nichts anderes als eine versteckte Kürzung für die Kommunen ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)

Sie sollten das hier jetzt zurückweisen und sagen: Herr Arnold, so machen wir das nicht.

Offensichtlich gibt es zwischen dem Finanzminister und Ihnen einen Dissens. Lassen Sie uns doch an dem Prozess der Meinungsfindung der Landesregierung teilhaben. Es würde auch bei der Opposition Vertrauen schaffen, wenn Sie heute das Signal senden würden: Liebe Kommunen und liebe Bürgermeister, das Geld wird ausgezahlt, und das Geld kommt zeitnah.

Lassen Sie uns auch an Ihrer Bewusstseinsfindung teilhaben, wann das in etwa sein könnte. Schließlich sind schon acht Monate vergangen. Wir wollen Ihnen bei der Beschleunigung Ihrer Entscheidungsprozesse behilflich sein. Aber tun Sie das doch bitte endlich. Die Kommunen warten händeringend darauf. Sie können damit etwas für die Qualität in den Kindergärten tun.Tun Sie es bitte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum Ende meiner Rede. Das Misstrauen in die Landesregierung, in die Sozialpolitik oder in die Arbeit Ihres Hauses rührt daher, dass Sie eine Strecke mit offenen Baustellen hinterlassen. Man könnte sagen: Schlaglöcher pflastern Ihren Weg. Jetzt ist Hessen mehr zum Musterland sozialpolitischer Baustellen geworden.

Sie können sehen: Wir haben einen Notstand bei den Erziehern. Die Kommunen warten händeringend auf mehr Personal. Trotzdem passiert bei der Ausbildung in Richtung mehr Erzieherinnen und Erzieher praktisch nichts. In Frankfurt werden in den nächsten vier bis fünf Jahren 4.000 Erzieherinnen und Erzieher benötigt werden. Die Landesregierung hat nicht einen Euro mehr eingestellt, um die Zahl der Ausbildungsplätze auszuweiten.

Es bleibt zu fragen, wie Sie mit der Berichterstattung über die Armut endlich in die Pötte kommen. Gestern haben wir erfahren, das soll im Jahr 2011 geschehen.

Der Ausbau der Plätze für die Kinder unter drei Jahren liegt bei 19 %. 35 % wären nötig.

Frau Wiesmann, Sie haben recht. 1999 war das ganz anders.Wir kritisieren aber Konrad Adenauer auch nicht dafür, dass er das Internet nicht eingeführt hat.

(Heiterkeit des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Bestimmte Sachen sollte man einfach einmal hinter sich lassen. Es sind elf Jahre vergangen. Wie lange wollen Sie noch auf diesen ollen Kamellen herumreiten? Sie stehen in der Verantwortung.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Wir würden uns wünschen, dass in diesem Musterland sozialpolitischer Baustellen endlich klare und verbindliche Zusagen an die Kommunen herausgehen, damit wir wissen, dass die Qualität in unseren Kindergärten verbessert

wird. Herr Banzer, geben Sie uns Antworten. – Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Bocklet, vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Schott für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Wechselspiel zwischen Minister Banzer und dem Finanzminister, ob das, was bestellt worden ist, bezahlt wird oder nicht bezahlt wird, geht zulasten der Kommunen, der Kinder, der Eltern und der Mitarbeiterinnen in den Kindertagesstätten.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Herrschaften von der Regierungsbank, Sie haben doch Erfahrung mit Mediationsverfahren und runden Tischen.Richten Sie doch einmal so etwas zwischen den beiden Ministerien ein. Denn es könnte der Eindruck entstehen, sie reden nicht miteinander. Der eine spricht dazu öffentlich. Der andere sagt dann: Ätsch, bätsch, das machen wir aber nicht. – Das ist ein bisschen merkwürdig.

Da werden viele große Worte darüber gemacht, wie wichtig frühkindliche Bildungsarbeit sei. Die Zahl der Aufgaben in den Kindertagesstätten und die Anforderungen an die dort geleistete Arbeit werden ständig erhöht. Das Ganze wird aber nicht finanziell und personell unterfüttert.Dann kommt endlich die vermeintliche Verbesserung der Situation,und die Städte und Gemeinden starten auch durch und stellen ein, stocken also das Personal auf.

Das erste Problem besteht darin, dass es gar nicht genug Personal auf dem Arbeitsmarkt gibt. Der Herr Kollege hat es eben auch schon einmal angesprochen: Alle Aufforderungen, die Ausbildungsmöglichkeiten entsprechend aufzustocken und auch den Studiengang auszuweiten, damit das notwendige Personal vorgehalten werden kann, stoßen bei Herrn Minister Banzer nur auf Ablehnung.

Die jungen Menschen, die sich für diesen Beruf interessieren, gibt es. Sie werden nämlich jedes Jahr von den Fachschulen in großer Zahl abgewiesen.

Bereits im Sommer letzten Jahres war klar: Nicht im Herbst 2009 soll die Mindestverordnung flächendeckend umgesetzt sein,nein,es reicht auch,das im Jahr 2012 zu erreichen. – Das ist auch bloß eine ganze Kindergartengeneration. Jürgen Bothner, ver.di Hessen, nennt das Ganze eine politische Bankrotterklärung.

Immer noch ist kein Geld für die Kommunen da, die die Mindestverordnung bereits umgesetzt haben. Der Minister für Arbeit, Familie und Gesundheit bleibt aber dabei: Die Kommunen, die das Personal aufgestockt haben, erhalten die notwendigen Mittelzuweisungen. – Noch in einer der letzten Ausschusssitzungen hat er erklärt – dieses Mal aber schon ein bisschen schwimmend –, er gehe davon aus, mit den Kommunen eine Lösung zu finden, man sei im Gespräch. Noch im August 2009 hat er in einem Brief versichert, die Kosten würden auch denjenigen Trägern erstattet, die bereits vor Inkrafttreten der neuen Mindestverordnung freiwillig höhere Standards vorgehalten hätten.

Plötzlich und unerwartet stellt nun der Finanzminister fest, dass die Umsetzung der Mindestverordnung schlicht und ergreifend Geld kostet. Ich weiß auch nicht, was er sich vorher dabei gedacht hat. Das Finanzministerium hat die Mehrkosten für sämtliche Kindertagesstätten im Land für das Jahr 2010 mit 30 Millionen c vorgesehen. Das ist aber deutlich zu wenig. Allein die Stadt Kassel hat Mehrausgaben in Höhe von etwa 3 Millionen c. Man muss das auf alle Städte und Gemeinden und auf all die vielen kleinen Kitas herunterbrechen, die es da gibt.

Im Zusammenhang mit den finanziellen Einbußen, die die Kommunen ohnehin hinnehmen müssen,bedeutet das für die Städte und Gemeinden,die die Verordnung bereits erfüllt haben, dass das Tischtuch immer kürzer wird. Ich will hier nicht noch einmal all die Zahlen wiederholen – eigentlich kann man die Zahlen nicht oft genug wiederholen –, um wie viel Geld die Kommunen im nächsten Jahr kämpfen müssen und wie viel sie verlieren werden.

Wir haben jetzt die Mindestverordnung, für die keiner zahlt. Man schaut, ob man das Ganze sogar ein bisschen zurechtgewurschtelt bekommt. Konkrete Aussagen darüber, wie viel Geld das Land zahlen wird, macht weder das Finanzministerium noch das Sozialministerium. Es „können gegenwärtig keine konkreten Aussagen über Art und Umfang sowie über den Zeitplan zur Erstattung zusätzlicher Personalkosten in den Kindertageseinrichtungen gemacht werden“, hört man stattdessen aus dem Ministerium.

Herr Banzer hat im August 2009 geschrieben, dass es Startschwierigkeiten bei der Umsetzung der Mindestverordnung gebe, daher müsse es zu dieser Verlängerung kommen. Bei ihren Personalplanungen hatten sich viele Kommunen jedoch angestrengt, die Standards rechtzeitig zum Start einzuhalten.

Der Minister bleibt dabei, dass die entstandenen Mehrkosten übernommen werden. Herr Banzer, wann gedenken Sie, Ihren Worten Taten folgen zu lassen? Wir hören das immer nur. Ich würde heute schon gerne hören: Das passiert jetzt, also sofort.

Das Ganze geht, wie immer, zulasten der Kinder, der Eltern, des Personals und der Kommunen.

Herr Banzer, sorgen Sie dafür. Sagen Sie uns heute, ob Klarheit herrscht und wann die Kommunen das Geld bekommen, das ihnen zusteht. Sie haben das zugesagt. Lassen Sie das, was Sie gesagt haben, nicht nur leere Sprechblasen bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin Schott, vielen Dank. – Herr Banzer, ich nehme an, Sie wollen für die Landesregierung sprechen. – Ja. Herr Banzer erhält nun für die Landesregierung das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, die Belastungen in den Kindergärten wachsen an. Die Erwartungen an die vorschulische Bildung steigen. Ich muss immer wieder davor warnen, dass nicht versucht wird, alles, was an Erwartungen in dieser Gesellschaft an die Zukunft besteht, allein in die Kindergärten hineinzu

pressen. Denn die Kindergärten können das sicherlich nicht leisten.

Deswegen war es richtig,dass meine Vorgängerin die Mindestverordnung gemacht hat. Die Verstärkung der entsprechenden personellen Kapazitäten ist notwendig. Das bleibt auch notwendig. Deswegen wird die Mindestverordnung mit den 1,75 Mitarbeiterstellen pro Gruppe aufrechterhalten werden.

Ich weiß auch nicht, dass es einen Hinweis des Ministeriums gegeben hätte, dass Zweifel daran berechtigt sind.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, die gibt es aber seitens der Landesregierung! Wir haben nicht gesagt, dass das von Ihnen kam!)

Ich verstehe ja, dass es für die Opposition immer wieder eine reizvolle Versuchung ist, die Welt eindimensional darzustellen.

(Günter Rudolph (SPD): Das machen Sie schon selber!)

Hören Sie sich doch erst einmal an, wie ich Ihnen erklären will, warum das eindimensional gesehen wird.Wir haben hier jetzt eine Fachdebatte. Bei der Fachdebatte wird die Position erhoben: aber richtig investieren in die Fachlichkeit. – Wenn wir wieder eine Haushaltsdebatte haben, dann steht die gleiche Opposition wieder auf und sagt: völlig unverständlich, woher diese großen Kreditaufnahmen und Schulden der Landesregierung kommen.

(Günter Rudolph (SPD):Das ist nun abenteuerlich, mit Verlaub!)

Wenn irgendwo Erzieher fehlen, heißt es: Wie konnte denn ein solcher Schlüssel verlangt werden;es fehlen doch die Erzieher? – Das kann man so machen,und das ist auch zulässig.

(Gerhard Merz (SPD): Das haben wir nicht gemacht!)

Aber ich muss Ihnen sagen, regieren ist ein bisschen komplizierter. Deswegen habe ich schon Verständnis dafür, dass kommunale Kollegen und auch Landtagsabgeordnete der CDU überlegen, wie sie in dieser ausgesprochen schwierigen und auch nicht vorhersehbaren wirtschaftlichen und finanziellen Situation unseres Landes Lösungen finden können.

Der Vorschlag, der aus dem osthessischen Bereich gemacht wurde, war nicht der, dass diese Qualitätsverbesserung in den Kindergärten nicht geleistet werden sollte, sondern die Initiative und der Vorschlag bestanden darin, dass diese Notwendigkeit anerkannt wird, aber nicht Verordnungscharakter – also keine Verbindlichkeit – erhalten sollte. Das war der Unterschied. Dadurch, dass es keine Verbindlichkeit hätte, könnte daraus auch kein finanzieller Anspruch angemeldet werden.

Ich kann das verstehen. Ich war lange genug Kommunaler.Jede Festlegung seitens des Landes ärgert und stört einen Kommunalen. Deswegen habe ich Verständnis für die Überlegung, die dahintersteht. Aber ich glaube, dass das in der Diskussion, so weit wie sie inzwischen gegangen ist, in den Kindergärten, auch in der interessierten Öffentlichkeit falsch verstanden werden würde.