Protocol of the Session on March 4, 2010

Vielen Dank, Herr Kollege Decker. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Bartelt das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bereitschaft der Menschen, die Arbeitsmarktpolitik mit einem Betrag von 54 Milliarden c im Jahr 2010 zu finanzieren, ist eng mit dem Erfolg von Fördern und Fordern der ALG-II-Bezieher verbunden.

Die Organisation von Fördern und Fordern in den Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen ist eine wichtige Voraussetzung für diese Solidarität zwischen Leistungserbringern und -empfängern. Daher ist die Schaffung der Rechtssicherheit für die Argen und die Optionskommunen auch ein Beitrag für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

Hierzu haben unsere Hessische Landesregierung, unser Ministerpräsident, unser Minister für Arbeit, Familie und Gesundheit in den letzten Monaten entscheidende Beiträge geleistet.

(Beifall bei der CDU)

Welches war die Ausgangslage?

Die Jobcenter der Arbeitsgemeinschaften sollten in getrennter Wahrnehmung der Aufgaben von Bundesagentur und Kommune die Arbeit fortsetzen, nur die bestehenden Optionskommunen sollten gesichert werden. Eine Grundgesetzänderung im Sinne der Argen und die Möglichkeit der Ausweitung der Optionskommunen schienen nicht in Sicht zu sein.

Durch das entschiedene Auftreten der Länder – und Hessen war dabei immer Impulsgeber – besteht jetzt die Vereinbarung, das Grundgesetz zu ändern. Es besteht die gute Chance, die Zahl der Optionskommunen zu vergrößern, um die Betreuung der Langzeitarbeitslosen in einer Hand wirksam fortzusetzen.

Wir wollen eine Ausweitung der Optionskommunen. Diese Entfristung soll nicht nur formal, sondern auch inhaltlich sein.

Diese positive Entwicklung führt bereits jetzt dazu, dass die Abwanderung von qualifizierten und engagierten Mitarbeitern der Jobcenter gestoppt ist. In den Optionskommunen werden jetzt die befristeten Arbeitsverträge Schritt für Schritt in Dauerarbeitsverträge umgewandelt. Erste Erfolge dieser Politik zeigen sich also schon.

Auch die Ausgestaltung dieser Vereinbarung zur Sicherung der Optionskommunen ist für uns jetzt von entscheidender Bedeutung. Die Entfristung soll nicht nur ein formaler Akt sein, sondern die kommunalen Träger sollen weiterhin und verstärkt konzeptionell die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt gestalten. Eine inhaltliche Fachaufsicht durch die Bundesagentur halten wir für falsch. Dann würden die Kommunen keine Partner auf Augenhöhe sein. Insofern unterstützen wir hier die Stellungnahme eines Kommunalen Spitzenverbandes.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die negativen Bewertungen der Optionskommunen durch den früheren Arbeitsminister und auch durch den Chef der Arbeitsagentur wurden von den Kommunen unangenehm registriert. Die kleinlichen Abrechnungen der BA bei den Wiedereingliederungsmaßnahmen sind auch nicht vergessen.

Natürlich ist eine transparente, sparsame und korrekte Verwendung der Gelder davon unberührt; eine solche Aufsicht hätte aber mit einer Fachaufsicht überhaupt nichts zu tun.

Wir hoffen, dass die Länder als Anwalt der kommunalen Familie zu rechtlich einwandfreien Lösungen kommen. Vereinbarungen über Inhalte und Ziele der Betreuung und Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt zwischen der Bundesbehörde und den Ländern wären hier

eine Lösungsmöglichkeit, sogenannte Zielvereinbarungen.

Wir sind überzeugt, dass die Umsetzung von Fördern und Fordern der erfolgversprechende Weg zur Verminderung der Arbeitslosenzahlen ist. Umso mehr freuen wir uns, dass im Prinzip hier das Haus einer Meinung ist, und wir halten auch das, was im Antrag der SPD formuliert ist, dem Grunde nach für richtig.Umso überraschter und zum Teil auch entsetzt waren wir allerdings über die Vorschläge der SPD Hessen zur Arbeitsmarktpolitik vom Grunde her.

In der „FAZ“ vom 23.02. wird über eine Stellungnahme des sogenannten Parteirates der hessischen SPD berichtet. Der Artikel hat die Überschrift „Paradigmenwechsel aus Hessen – Vorstoß der Landes-SPD zum Arbeitslosengeld“. Es heißt, im Beschluss wurde eine skeptische Bewertung der Arbeitsmarktpolitik, und zwar dem Grunde nach, nicht von der Ausführung her, seit 1998 niedergelegt. Die Inhalte – Verlängerung des Arbeitslosengeldes I, garniert mit ideologischen Floskeln – sind hier nicht weiter diskussionsfähig.

Entscheidend ist aber, dass sich die hessische SPD im Gegensatz zu den Äußerungen der Fraktion hier von der Arbeitsmarktpolitik der Regierung, an der sie selbst beteiligt war und zum Teil den Bundeskanzler gestellt hat – vielleicht haben Sie das vergessen –, abwenden will.Auch die „Frankfurter Rundschau“ kam zu dem Schluss: Hessen-SPD rückt von den Hartz-IV-Reformen ab. – Die Frage muss schon erlaubt sein, ob hier ein Zusammenhang mit Frau Ypsilantis linken Avantgardisten aus verbohrten Theoretikern der SPD und der GRÜNEN mit den Kadern der Linkspartei besteht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die Frage hat schon ihre Berechtigung, weil die Ablehnung von Hartz IV einerseits der Gründungsimpuls der WASG war, die sich später in die damalige PDS eingliederte und sich dann Linkspartei nannte, und andererseits Frau Ypsilanti durch die Fundamentalopposition gegen Hartz IV bundesweit bekannt wurde. Sie erinnern sich: Bundeskanzler Schröder sprach damals noch von einer Frau XY aus Hessen. Das eine war 2003, das andere war 2004. Soll sich hier etwa ein Kreis schließen? – Sowohl bezogen auf diese Gruppe als auch auf dieses Arbeitsmarktpapier der hessischen SPD bitten wir: Beenden Sie diesen Spuk.Verhalten Sie sich so,wie Sie sich hier auch geäußert haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die flächendeckende Ausweitung des Prinzips Fördern und Fordern kann auch die Diskussion über das Lohnabstandsgebot entspannen. Wer Betreuungseinrichtungen für ALG-II-Empfänger besucht, erlebt, dass sofort nach Antragstellung auf Hartz IV etwas geschieht. Dem Antragsteller wird gesagt:Es geht gleich los mit dem Fördern und Fordern. Wer sagt, er habe kein Passbild für die Bewerbung, dem wird geantwortet: Dort ist der Passbildautomat, und eine Krawatte für die Aufnahme haben wir auch parat. – Dann wird der Platz am PC gezeigt.

(Zuruf von der SPD: Was soll eine Frau mit einer Krawatte?)

Bitte? – Krawatten und Tücher sind auch parat. Ich will nur darauf aufmerksam machen, dass ein ordentliches Passbild die Bewerbung fördert.Das lernen die Menschen dort auch.

(Hans-Jürgen Irmer (CDU): Richtig!)

Sie hatten einmal einen SPD-Parteivorsitzenden, der gesagt hat, dass sich die Leute erst einmal rasieren sollen. So weit würde ich bei einem anständigen Bart nicht gehen.

(Beifall bei der CDU)

90 % gewinnen in diesem Augenblick wieder Zuversicht, und die Augen strahlen. Die 10 %, die nicht erwartet haben, dass sie sofort zeitlich in Anspruch genommen werden, ziehen den Antrag zurück. Das ist dann auch gut.Am Nachmittag hat der ALG-II-Empfänger einen Termin bei der Probearbeit im örtlichen mittelständischen Betrieb. Er kommt mit den Mitarbeitern dieses Betriebes ins Gespräch.Diese erfahren:Er will seine Situation ändern,und er muss im Rahmen des Förderns und Fordern auch früh aufstehen. Das schafft Solidarität in unserer Gesellschaft. Ja, wer Leistungen vom Staat erhält, soll auch früh aufstehen. Das verlangen wir. Das Umgekehrte gilt aber auch klar: Wer so gefördert und gefordert wird, muss von uns als Politik gegen Angriffe des Faulenzertums eindeutig in Schutz genommen werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist nun unsere Aufgabe, dass die ca. 3 Millionen ALGII-Bezieher in Deutschland, die noch nicht gefördert und gefordert werden, in dieses System einbezogen werden. Die Zahl errechnet sich aus den 6,7 Millionen Leistungsempfängern minus Aufstockern, minus Teilnehmern an Förderungsprogrammen, minus Alleinerziehenden von Kleinkindern. Daran sollen und müssen wir arbeiten. Da müssen wir die Organisationsform herstellen.Wir danken der Landesregierung, dass sie diese Diskussion angestoßen hat und wir durch ihre Initiative in Berlin weitergekommen sind. Wir werden die Regierung in dieser Hinsicht unterstützen. Wir freuen uns auf die Ausschussberatungen und hoffen, dass im Prinzip das gesamte Haus hier an einem Strang ziehen wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Schönen Dank. – Für das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich nun Herrn Kollegen Bocklet das Wort. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn DIE LINKE noch nicht gesprochen hat, bin ich doch schon ein bisschen überrascht über den großen parteipolitischen Konsens, der sich in drei Punkten manifestiert. Herr Rock, Sie haben das tatsächlich sehr präzise dargestellt. Wir alle wollen eine Grundgesetzänderung. Wir alle wollen, dass die Arbeitsgemeinschaften und die Optionskommunen gesichert werden. Drittens wollen wir auch, dass es zukünftig mehr Optionskommunen geben darf. Das ist der Konsens, der hier besteht. – Herzlichen Dank. Jetzt könnte ich mich eigentlich wieder setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP)

Das ist im Prinzip die Message. Da aber erst 36 Sekunden meiner Redezeit vorbei sind, habe ich mir gedacht: Man muss auch einmal über das reden, was ansonsten noch zu diesem Thema zu sagen ist.

(Lachen bei Abgeordneten der FDP – Florian Rentsch (FDP): Das kennen wir von den GRÜNEN!)

Sie jubeln. Herr Kollege, Sie machen das zum Setzpunkt. So richtig verstanden habe ich das nicht. Denn natürlich müssen wir – und das haben wir GRÜNE in derselben Stunde auch schon getan – der Hessischen Landesregierung dafür dankbar sein, dass sie mit dem Signal, im Bundesrat mit Nein zu stimmen, sozusagen die Grätsche angesetzt hat und Frau von der Leyen kurz vor Schluss noch weggegrätscht hat.Das war richtig.Aber es hat keine Überzeugungsarbeit gegeben – Herr Banzer, das werden Sie nachher wahrscheinlich bestätigen können –, sondern die schlichte Erkenntnis, dass, wenn das Bundesland Hessen mit Nein votiert, dann keine Mehrheit mehr im Bundesrat vorhanden ist, hat wahrscheinlich zu einem unglaublichen Erkenntnissprung geführt, nämlich dass es nur noch über eine Grundgesetzänderung geht. Aber lieber so als gar nicht.

Wir danken noch einmal der Hessischen Landesregierung. An Ihrem Antrag, den die CDU ja mit unterschrieben hat, wundert mich nur, dass Sie so bejubeln, wie toll das da jetzt ablief. Dabei gerät völlig in Vergessenheit, dass es die CDU/CSU-Bundestagsfraktion war, der wir den ganzen Schlamassel eigentlich zu verdanken haben. Seit über einem Jahr warten wir darauf, dass es schon längst zu einer Grundgesetzänderung hätte kommen können.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Offensichtlich will das heute keiner mehr hören.Aber wir sollten nicht so viel zurückschauen.Sie haben schon recht. Wir sollten nicht zu viel zurückschauen. Da wurden Fehler auf vielen Seiten gemacht. GRÜNE haben mitgestimmt, die FDP über den Bundesrat, CDU und SPD waren alle damals dabei, als wir Hartz IV ins Leben gerufen haben. Damals wurden Fehler gemacht. Es wurden Fehler dabei gemacht, wie wir Regelsätze berechnen. Es wurden Fehler bei der Organisationsform gemacht. Diese Fehler wurden alle gemacht. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat das lange blockiert.

Ich glaube, dass es auch ein Baustein war, dass die SPD im Bund lange Zeit nicht der Meinung war, dass man Optionskommunen ausweiten und für mehr Optionskommunen eintreten soll. Da hat die hessische SPD in ihrem Antrag für mich zum ersten Mal schriftlich nachvollziehbar den Willen gezeigt, nicht nur den Bestand zu sichern, sondern auch mehr Optionskommunen zuzulassen. Das finden wir auch richtig.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP))

Applaus und herzlichen Dank an die SPD. Herr Decker hat es angedeutet: Ich glaube, dass für eine gute Betreuung von Arbeitslosen nicht nur die Trägerschaft von Bedeutung ist. Die Trägerschaft, die bestimmt, wer so ein Jobcenter leitet und organisiert,ist mit Sicherheit sehr wesentlich. Aber zur guten Qualität von Betreuung von Langzeitarbeitslosen gehört eine Menge mehr. Da sage ich den antragstellenden Fraktionen von CDU und FDP – auch dem Herrn Rock –: Sie müssen sich im selben Moment, in dem Sie über Berlin jubeln, natürlich auch die Frage gefallen lassen, was Sie eigentlich in Ihrem eigenen Bundesland, in dem Sie regieren, machen.

Vielleicht sollten wir noch wenige Augenblicke darauf verwenden, wie die hessische Bilanz in der Frage aussieht, wie gut die Qualität bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen in Hessen ist. Ich habe das schon einmal in der letzten Debatte angekündigt. Ich finde, wir sollten das auch relativ häufig wiederholen. Die Bilanz der Hessischen Landesregierung ist bei der Qualität der Umsetzung der Jobcenter äußerst mäßig. Ich komme zu den einzelnen Punkten.

Schauen wir uns zunächst einmal die Eingliederungs- und Vermittlungsquoten des Bundeslandes an. Die Eingliederungsquote beschreibt diejenigen, die tatsächlich aus dem Bezug herausfallen. Dort liegt das Bundesland immerhin auf Platz 7 oder 8. Das schwankt.Aber es ist auf jeden Fall nicht das Land Nummer eins.

Bei der Aktivierungsquote, also derjenigen, die die Langzeitarbeitslosen in Qualifizierungsmaßnahmen hineinbringt, liegt das Bundesland Hessen sogar nur auf Platz 13. Es ist alles andere als ein Vorzeigebundesland, und es ist alles andere als ein Signal dafür, zu sagen, es laufe alles prima.

(Zuruf von der CDU)

Wenn wir uns weiterhin der Bilanz widmen und fragen, was die Hessische Landesregierung eigentlich als politischer Motor für eine gute Betreuung macht, dann können wir uns auch die Frage nicht ersparen, wie eigentlich die Qualität der Betreuung ist.Bei den Eingliederungsvereinbarungen wissen Sie, dass in den Jobcentern vieles nicht gut läuft. Wir haben eine hohe Fluktuation an Fallmanagern.Wir haben ein großes Problem dabei, sie in gute und sinnvolle arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zu vermitteln.

Herr Dr. Bartelt, wenn Sie wissen, dass das Land Hessen 330 Millionen c für Eingliederungstitel zur Verfügung hat, also für sinnvolle arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, und wieder nur 270 Millionen c ausgeschöpft wurden, dass also über 60 Millionen c an den Bund zurückgegangen sind, weil Jobcenter nicht in der Lage waren, gute Betreuung, gute Eingliederung, gute Qualifizierung und gute Fortbildung zu machen, dann sollten Sie aufhören, zu jubeln, und in Hessen Ihre Hausaufgaben machen, meine lieben Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))