Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend endlich Gerechtigkeit im Vollzug der Steuergesetze herstellen – auch in Hessen – Drucks. 18/1898 –
Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP betreffend Steuergerechtigkeit wahren – Rechtsstaat schützen – Drucks. 18/1991 –
Herr Staatsminister Weimar hat sich dazu als Erster zu Wort gemeldet. Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten, Herr Weimar.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Abg.AlWazir, hören Sie doch einen Moment lang zu. Sie wissen, dass in den letzten Wochen immer über angebotene CDs diskutiert worden ist. Wir haben jetzt in der Anlage eine theoretische Diskussion darüber, wie sich das Land Hessen verhalten wird, wenn es zum Fall käme, dass eine CD oder Datenmaterial angeboten würde. Ende letzter Woche hat uns das Bundesfinanzministerium darüber infor
miert, dass ihm das Angebot auf Übernahme von Daten gemacht worden sei. Das Bundesfinanzministerium hat uns nach erster Sichtung darum gebeten, das Angebot über die umfangreichen Dokumente zu prüfen. Ich finde, es wäre nicht geboten, dass Sie hier 50 Minuten lang eine theoretische Diskussion führen, ich mich im Anschluss zu Wort melde und sage: Wir haben seit letzter Woche ein entsprechendes Angebot vorliegen. – Ich bitte um Verständnis dafür.
Wir haben diese Aufgabe also übernommen und vom Bundeszentralamt für Steuern die entsprechenden Unterlagen, die dort vorliegen, bekommen und sind in die Prüfung eingetreten.
Es ergibt sich bereits jetzt, dass die Prüfung der bereitgestellten Stichproben ausgesprochen aufwendig sein wird. Es handelt sich nicht um eine klassische CD, so wie es in der Vergangenheit diskutiert worden ist, nach dem Motto: Namen und Fakten über Konten und Sonstiges. Die Prüfung wird mit Sicherheit sehr aufwendig werden; das kann man jetzt schon sagen.Wir haben die entsprechenden Kapazitäten dafür bereitgestellt. Wie gesagt, der Bund hat uns darum gebeten, das zu tun.
Der Bund hat dem Informanten oder der Informantin – ich bin jetzt ganz vorsichtig – absolute Vertraulichkeit und Diskretion zugesichert. Da wir uns daran ebenfalls binden, und auch aus ermittlungstaktischen Gründen habe ich angewiesen, dass in der Sache keine weiteren Informationen gegeben werden, und werde dies auch selbst an dieser Stelle nicht tun. Weitere Informationen zu geben wäre aus meiner Sicht auch angesichts der Sachlage nicht tunlich.
Nach Abschluss der Arbeiten, die wir jeweils mit dem Bund abstimmen, werden wir, soweit es ermittlungstaktisch zulässig ist,unverzüglich über den weiteren Fortgang informieren. Ich bitte Sie um Verständnis dafür. Ich glaube, es haben alle ein Interesse daran, dass solche Dinge erstens richtig geprüft werden und zweitens zum richtigen Abschluss gebracht werden. Das werden wir Punkt für Punkt tun, nachdem wir vom Bund darum gebeten worden sind. Sie sehen, die hessische Finanzverwaltung stellt sich ihrer Verantwortung in der Frage. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Ich darf Frau Erfurth für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Begründung ihres Antrags ans Mikrofon bitten.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen mit unserem Antrag heute Morgen den Fokus auf eine Straftat lenken,die immer gern verniedlicht wird. Steuerstraftäter werden immer gern als „Steuersünder“ bezeichnet. Damit wird ummantelt, dass Steuerhinterziehung eine schwere Straftat ist, die der Allgemeinheit großen Schaden zufügt.
Es gibt Schätzungen der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, dass der Bundesrepublik Deutschland durch Steuerhin
terziehung rund 30 Milliarden c an Steuereinnahmen verloren gehen. 30 Milliarden c, das ist mehr, als der hessische Haushalt an Volumen hat. Das muss man sich einmal vorstellen: Etwa das Volumen des hessischen Landeshaushalts wird dem Steueraufkommen durch kriminelle Energie entzogen.
Ich möchte noch einmal klarstellen: Ich halte es für kriminell, wenn jemand in der vollen Absicht, Einnahmen in seiner Steuererklärung nicht anzugeben, sein Vermögen ins Ausland verlagert, in ein Land, das ihm garantiert:Wir geben weder Namen noch Anlageformen, noch die erzielten Zinserträge an deine heimische Steuerbehörde, und damit hast du sozusagen den Schutz davor, dass du es versteuern musst. – Meine Damen und Herren, wer so handelt, begeht kein Kavaliersdelikt. Wer so handelt, begeht eine Straftat. Wer so handelt, stellt sich ganz bewusst gegen das geltende Recht der Bundesrepublik Deutschland.
Deshalb bin ich auch dafür, eine Straftat mit klaren Worten eine Straftat zu nennen und nicht liebevoll zu umschreiben, so wie in dem berühmten Lied von Willy Millowitsch, dem weinseligen Thekenlied: „Wir sind alle kleine Sünderlein, es war immer so, es bleibt auch so“. Herr Finanzminister, da bin ich Ihnen sehr dankbar, dass Sie offensichtlich mit uns einer Meinung sind: Es darf nicht so bleiben. Sie haben sich auch mit erfreulicher Klarheit dazu geäußert, dass es bei Steuerhinterziehung kein Pardon geben kann.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU, der FDP, der SPD und der LINKEN)
Richtig so, eine Aussage, die wir nur unterstreichen können. Sie haben auch in der letzten Woche im Haushaltsausschuss eine, wie ich finde, sehr richtige gesellschaftspolitische Betrachtung angestellt: dass Menschen, die Leistungen der Allgemeinheit in Anspruch nehmen wollen wie Bildung, worüber wir eben diskutiert haben, wie öffentliche Infrastruktur, die das Gemeinwohl und die Gesellschaft in Anspruch nehmen wollen, auch ihren angemessenen Beitrag zur Finanzierung leisten. Ich finde, das müssen wir festhalten, und das wollen wir tun.
Das ist eine Erkenntnis, die wir jetzt auf den Prüfstand stellen müssen. Denn nach dem, was Sie uns eben vorgetragen haben, Herr Finanzminister, wird sich den Regierungsfraktionen und auch den Kabinettsmitgliedern die Frage stellen: Was macht Hessen? Bleibt Hessen im Verbund dessen,was bisher auf Bundesebene verabredet war, oder übernimmt Hessen die Lösung Baden-Württembergs? – Ich hoffe, wir tun es nicht, sondern wir bleiben dabei, dass Steuerstraftaten verfolgt und angebotene Datensammlungen gekauft werden, wenn sie denn des Kaufens würdig sind.
Denn wer die konsequente Verfolgung von Steuerstraftaten will, der darf kein legales Mittel auslassen, Straftaten aufzudecken. Zur Aufdeckung von Straftaten gehört die Auslobung von Belohnungen, dazu gehört auch im Einzelfall der Ankauf von Informationen.Das ist übliche Praxis bei Strafverfolgungsbehörden, also im Prinzip nichts Besonderes, sollte man meinen. Besonders wurde es bis
Meine Damen und Herren der CDU und meine Herren der FDP, dann wird auf einmal der Datenschutz entdeckt – der Datenschutz, der auf einmal zu einem so hohen Gut wird, dass er hier unüberwindliche Hürden aufbaut.Wenn Sie doch immer so wären, kann man im Hinblick auf das Verfassungsgerichtsurteil feststellen, das uns erst gestern beschäftigt hat.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich bin für Güterabwägung an dieser Stelle, und wir müssen die Bedenken des Bundesdatenschutzbeauftragten sehr ernst nehmen. Hier müssen wir Güterabwägung betreiben: den Schutz der Intimsphäre und das informationelle Selbstbestimmungsrecht gegen den Strafverfolgungsanspruch des Staates.
Meine Damen und Herren, all diese Argumente wurden vor zwei Jahren beim Ankauf der Daten aus Liechtenstein geprüft.
Es wurde ein rechtsstaatlich angemessener Weg gefunden, diese Klippen zu umschiffen. Da wurde ein Weg gefunden, wie wir Strafverfolgung bei schweren Steuerstraftaten durchsetzen können.
Vor diesem Hintergrund ist es mir nur sehr schwer verständlich, wie z. B. Innenminister Volker Bouffier noch Ende Januar warnte, man dürfe kein Diebesgut kaufen.
Mit diesem Begriff „Diebesgut“ meinte er die Steuerdaten-CD, also eine Datensammlung, die Steuerdiebe enthält. Das ist für mich eine sehr komische Umschreibung.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Grei- lich (FDP): Wissen Sie nicht mehr, was Diebstahl ist? – Zurufe von der CDU)
Herr Greilich, wir kommen dazu. – Herr Milde, für mich schützt diese Argumentation ein sehr erfolgreiches Geschäftsmodell: ein Geschäftsmodell, das darauf ausgerichtet ist,dem deutschen Staat,dem deutschen Fiskus Geld in Milliardenhöhe vorzuenthalten.
Meine Damen und Herren, diese Anlageformen in der Schweiz wählen die Menschen doch nicht deshalb, weil die Schweiz etwa so hohe Zinsen zahlt oder so gute Konditionen bietet. Nein, sie werden doch überwiegend deshalb gewählt, weil man zusätzlich zu den Zinsen das „kleine Extra“ hat, nämlich das kleine Extra der hinterzogenen Steuern. Darum wird es gemacht.
Dieses kleine Extra,ich nenne es einmal das „illegale Aufgeld“, macht das ganze Modell doch erst interessant. Wenn der hessische Innenminister nach Möglichkeiten sucht, dieses Modell unter Schutz zu stellen, dann werde
ich schon ein bisschen sauer. Da hatte ich mir eigentlich erhofft, dass der Innenminister nach Möglichkeiten sucht, die Schlagkraft und Durchsetzungsfähigkeit des deutschen Steuerrechts zu erhöhen, und sich nicht für den Schutz des Schweizer Bankgeheimnisses stark macht, das darauf abzielt, dem Fiskus Geld zu entziehen und letztlich auch seinem Haushalt, der dafür sorgt, dass Polizistinnen und Polizisten bezahlt werden können.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Gottfried Milde (Griesheim) (CDU): Darum geht es doch gar nicht!)
Herr Milde, es ist leider so. – Ich finde es schon bedenklich, dass sich hessische Minister über die andere Seite der Medaille Gedanken machen. Ich finde, hessische Minister sollten sich Gedanken darüber machen, wie sie Steueransprüche durchsetzen und wie sie schwere Straftaten verhindern, die hier begangen werden, und sich nicht überlegen, wie man diese schweren Straftaten schützen kann.
In diese Linie gehört für mich auch Justizminister JörgUwe Hahn. Jörg-Uwe Hahn hat noch im vergangenen Monat verkündet, der Staat mache sich der Hehlerei schuldig, wenn er sich am Kauf der Daten beteilige. Unabhängig von der Frage, ob der Kauf der Daten überhaupt unter Hehlerei fällt – darüber mögen sich Juristen streiten –, ist mir das Verhalten eines Justizministers an diesem Punkt nur schwer erklärlich. Auch er sollte sich der Durchsetzung des deutschen Rechts verpflichtet fühlen. Ich frage mich, was einen hessischen Justizminister bewegt, nach juristischen Winkelzügen zu suchen, die Steuerstraftäter weiterhin ungeschoren lassen. Mir erschließt sich das nicht.
Herr Blum,vielleicht war wieder eine Mövenpickerei im Gange. Das weiß ich aber nicht. Diese Frage müssen Sie beantworten.